Kap. 12 Es geht endlich los

Percy pov

Wir hatten entschieden, nach der Zeremonie noch eine Woche auf Orbis Terrarum Chaos zu bleiben. Schließlich würde es niemand merken, unseren Freunden jedoch wertvolle Zeit zum Trainieren mit besseren Methoden und vor allem zum Erlernen der Kontrolle über ihre Fähigkeiten geben. Sie hatten Macht und neue Möglichkeiten bekommen, jedoch nicht wie man sie nutzte.

Piper zum Beispiel hatte garnicht gewusst, dass sie neuerdings ihre gesamte Wahrnehmung auf Beziehungen spüren umstellen konnte. Als es ihr das erste Mal gelungen war, hatte sie vor Überraschung einen Satz zurück gemacht und dann geschrien, dass wir sie blind gemacht hätten und alles nur noch in gleißendem weißen Licht strahlte.

Das hatten wir natürlich nicht getan, aber das nächste, was wir ihr beibringen mussten, war, wie sie die Stärke dessen, was sie da sah, so skalieren konnte, dass sie nicht zu schnell geblendet wurde. Es war trotzdem auffällig, dass sie, wann immer sie in diesen Modus einstieg, uns mit ihren Blicken mied. Wir glühten wohl zu hell.

Da wir uns nun auch offiziell versprochen hatten, für immer zusammen zu bleiben, zählte Annabeth nun als Prinzessin der Schöpfung und damit erhielt sie nun auch die Macht über das unendliche Wissen, was erstaunlich wenig an Gesprächen mit ihr veränderte, und war ebenfalls in der Lage, Materie und Leben aus dem Nichts zu schaffen.

Sie hatte mir einen Abend später ihren ersten Einzeller präsentiert und dabei versprochen, dass sie so lange weiter üben würde, bis sie etwas Nala ähnliches schaffen könnte. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass das eher eine Frage von Wochen war, nicht wie bei mir von Jahren. Dafür war sie eindeutig entschlossen genug.

Eine unbestimmte Zeit später an einem Ort, den zu bestimmen ich mir nicht die Mühe mache... na schön, ist auch egal. Hab gerade keine Energie für dramatische Auftritte. Gebt mir Kekse, vielleicht komme ich dann zu meiner wahren Form zurück. Nur so ne Frage, glaubt ihr, ein Superschurke hätte bessere Chancen, dass ihm irgendeine Vernichtungswaffe gebracht wird, wenn er sich einfach als er selbst aber in müde und entkräftet ausgibt und so halb ironisch, halb genervt einfach irgendwas von dem Kram erzählt, den er braucht, sodass irgendwer es ihm bringt, damit er aus seinem emotionalen Loch raus kommt?

Ich tippte ein klein wenig ungeduldig mit dem Fuß auf den sandigen Boden der Arena. Hekate sollte wirklich langsam mal kommen, ich hatte zwar durchaus den ganzen Tag Zeit, aber keines falls Interesse daran, diesen mit warten zu verbringen.

Verspätungen von Unsterblichen waren eigentlich nichts außergewöhnliches. Eigentlich passierte es etwa so oft, wie sie pünktlich kamen. Seit sie mich jedoch nicht mehr wegen unfreundlicher Bemerkungen auf mehr oder weniger kreative Weise sterben lassen konnten, war meine Toleranz dafür stark zurück gegangen.

Ich war kurz davor, den anderen einfach selbst ein von mir geschaffenes Äquivalent zum Segen für die Magie zu geben, als sie schließlich endlich in einem für diese Verspätung völlig unangemessen dramatischen Auftritt vor uns erschien.

„Heroen, ihr habt euch freiwillig bereit erklärt, den Zauberern, zu helfen. Die meisten von ihnen sind Nachfahren von vier großen Zauberern, die vor vielen Jahren gelebt haben, einige haben das Geschenk der Magie von mir bekommen, obwohl sie nicht von diesen abstammten, doch in beiden Fällen verbindet sie mein Segen und somit auch mein Wohlwollen. Für eure Hilfsbereitschaft biete ich euch meinen Segen auf ewige Zeiten, oder eben bis zu eurem Lebensende an. Außerdem wird er euch für eure Mission sicher eine Hilfe sein. Möchte jemand von euch jetzt noch zurück ziehen?" Auch wenn ich wusste, dass diese Worte vor allem daher kamen, dass die Stärke der Zauberer auch mit ihrer eigenen zusammenhing, war das erstaunlich offen für göttliche Verhältnisse. Man muss das Lob auf der Messlatte halten, auf der es angemessen ist.

Es machte keiner von uns eine Kehrtwende. Die Göttin nickte zufrieden und sprach einige Worte in Altgriechisch, die nicht der Rezitation wert sind, jedoch letztendlich beschrieben, was mit ihrem Segen einher gehen würde. Sowie sie geendet hatte, spürte ich, wie die Auren der anderen um mich herum stärker wurden. Nicht viel, aber doch spürbar. Vermutlich sogar für normale Halbblute, die ein etwas deutlicheres Gefühl von der Präsenz von Macht bekommen würden. Das Gefühl, was mächtige Wesen und Orte immer umgab und diese unverkennbar kennzeichnete.

Und ja, bevor Fragen aufkommen würden, auch Annabeth und ich hatten unsere eigenen. Diese jedoch bündelten und verdeckten wir permanent, denn sie hätten schlichtweg zu viel Einfluss. Viel zu viel Einfluss. Frei losgelassen konnten sie die Grenzen der Realität in näherer Umgebung verrutschen lassen und würden jedem Wesen im Universum das Gefühl geben, beobachtet zu werden. Beides Dinge, die außerhalb von Training eher unerwünscht waren.

Mit unserer jetzigen, weitestgehend verdeckten Präsenz waren wir nicht mehr als zwei außergewöhnlich mächtige Halbblute und entsprechend ließen wir auch mit der Segnung unsere Aura so weit größer und intensiver werden, wie es durch diesen Schub angemessen war.

Gleichzeitig schwirrten in meinem Kopf Wörter umher. Das meiste klang so, als habe irgendein römisches Kleinkind aus einer der vielen Kolonien sein Dialekt behaftetes Latein genommen, war darauf herum getrampelt und hatte anschließend den Fleischwolf erfunden, nur um die Überreste hindurch zu drehen. Vermutlich waren das die Sprüche, mit denen die Zauberer ihre Magie ausübten. Dazu kam erstaunlich detailliert die Geschichte dieser Welt und allerhand Namen und Daten, von denen ich betete, dass sie möglichst schnell wieder aus meinem Verstand verschwinden würden, oder mir wenigstens nicht aktiv beim Denken auffallen würden.

Im Anschluss zu dieser viel zu umfangreich ausgefallenen Lernprozedur bekamen wir alle Stöcke in die Hand gedrückt. Viele Worte der Erklärung fanden dazwischen nicht statt, zusätzlich zu ihrer Verspätung schien die Göttin der Magie auch danach wohl kaum Zeit zu haben. Etwas, was ich ehrlich gesagt nicht glaubte. Sie war sich nur zu bequem, um mehr Zeit mit uns zu verbringen, als sie musste. Die Stöcke waren alle irgendwie unterschiedlich und wenn ich meinem neu erlangten Wissen glauben konnte, waren das von jetzt an unsere Zauberstäbe, mit denen wir in der Welt der Zauberer den größten Teil an von außen erkenntlicher Magie praktizieren würden. Sein wir ehrlich, wie genau die Stäbe jetzt aussehen, interessiert niemanden. Nehmt euch eine Charakter entsprechende Länge, einen Baum der irgendwie mit dem göttlichen Elternteil zusammenhängt und irgendetwas, was von dem göttlichen Erkennungszeichen oder dem Gott selbst in einer Verwandlung abgefallen ist als Kern und baut daraus selbst einen Stab. Kann doch nicht so schwer sein.

Nichts desto trotz waren wir natürlich gut erzogen und so bedankten wir uns für den Segen. Als Hekate ihrer Anwesenheit schon wieder ein sofortiges Ende geben wollte, fragte ich: „Gibt es in dieser Schule, Hogwarts, Schweinewarzen, Halbblute?" Sie schüttelte den Kopf. „Könnte es theoretisch, in der Vergangenheit waren da auch einige, die drei Brüder, die sich mit Thanatos angelegt haben zum Beispiel, aber mit Sirius Black, Sohn des Hermes, ist das letzte noch lebende Halbblut vor etwas mehr als zwei Jahren umgekommen."

Sie blickte nach dieser Antwort in die Runde. „Gibt es noch weitere Fragen?" Alle schüttelten den Kopf und so nickte sie zufrieden. Mit den Worten, „Dann wünsche ich euch viel Glück und viel Erfolg auf eurer Reise zur Schule der Magie.", verabschiedete sie sich.

Erst einen Moment später bemerkte ich, dass wir dafür noch immer in die alte Welt reisen mussten, was für Annabeth und mich nach Glauben aller nicht eingeweihten Instanzen eine ziemliche Dummheit war. Ein Glück, dass sie bei Dummheiten im Zusammenhang mit meinem Namen keine Probleme bemerken würden. Nochmal, ich sage nicht, dass Percy dumm ist. Er wird nur gerne so wahrgenommen und gibt sich oft als das aus.

Ein paar Minuten, nachdem Hekate wieder verschwunden war, hörte ich Chaos Stimme in meinem Kopf. „Das mit den Zauberstäben versucht ihr erst garnicht. Die würden bei jedem noch so geringen Einfluss eurer Kraft zu Sägespänen zerbersten. Aber für meine beiden Lieblingserben habe ich da eine Lösung." Unsere Stöcke leuchteten in einem düsteren Licht auf und als sie wieder normal aussahen, waren sie nicht mehr aus Holz, sondern aus dem selben Material, welches unsere Schwerter stabilisierte. Chaosstahl. Ich spürte außerdem etwas vertrautes im Inneren.

„Chaos, was hast du da für einen Kern benutzt?", wollte ich wissen. Ich spürte, dass ihn diese Frage amüsierte. „Kommt es dir bekannt vor? Nur das würdigste für euch beide, versteht sich." Ich kannte das Spiel schon. Wir mussten klar und direkt nachfragen und unsere Neugier ehrlich zugeben, denn sonst machte es ihm zu viel Spaß, uns zappeln zu lassen.

In diesem Fall war ich bereit, ihm das schnell zu geben, und für Annabeth galt das selbe. „Sag es uns bitte. Was ist da drin?" - „Jeweils ein Haar aus eurer grauen Strähne. Sie birgt eure Kraft und hat noch dazu symbolischen Wert."

Muhahahahaha einer von uns hat mehr Macht als ihr alle über die Zeit. Ich beherrsche sie und ihr werdet nichts dagegen tun, weil ihr nichts tun könnt? Das Zitat hast du von dem Mafia-Boss aus John Wick gestohlen! Wenn dann hast du es von da gestohlen. Und selbst wäre es mir völlig egal. Ich habe jetzt die Entscheidungskraft. Ihr werdet in die Zukunft geschmissen. Und nein, ich werde euch nix sagen. Garnichts. Ihr könnt soviel raten, wie ihr wollt, ihr werdet nie dahinter kommen. Außer ihr tippt auf einen normalen Campalltag, Wochenenden bei Percys Mom und einen Besuch bei Zeus, der nach der selben Methode, die Percy auch bei Athene angewandt hat, ihnen zugesteht, im nächsten Jahr sein Territorium zu betreten. Dann läget ihr genau richtig. Verflucht, ich muss das jetzt echt noch üben. Beim nächsten mal werde ich mich nicht von euch Du meinst von dir selbst? hinters Licht führen lassen. Ich komme wieder! Und das ist Terminator. Dann halt heute ist nicht aller Tage, ich komm wieder, keine Frage. So besser? Außerdem ist es immernoch deine, nicht meine Schuld.

Es war der Abend des einunddreißigsten August. Will der mich verarschen? Jetzt kopierst du meinen Bruder. Der verrät ja noch die letzten Details, die ich nicht ausgeplappert habe. Außerdem, wenn überhaupt kopierst du selbst. Wir saßen gemeinsam um das Lagerfeuer und genossen den letzten Abend mit den Freunden, die hier bleiben würden.

Clarisse und Reyna fühlten sich in irgendeiner Form für die entsprechenden Camps verantwortlich, die meisten Hüttenältesten hatten ihre Pflichten und nahmen diese ernst, die einzigen Ausnahmen waren die Stolls, die ich lieber vorerst nicht zu den Zauberern mitnehmen wollte. Zu groß war das Risiko, dass sie sich verplapperten.

Außerdem mussten sie noch eine ganze Menge Zeit in der Krankenstation abarbeiten, nachdem Kayla zwei Nächte nicht hatte schlafen können, weil einer der Camper auf eine Landmine aus unserem Kampf gegen Gaia getreten war und nun zwei Tage Intensivbetreuung gebraucht hatte. Die entscheidenden Hügel waren gereinigt worden, aber die Brüder hatten anscheinend ihre auf der falschen Seite des Camps platziert. Es war ein Wunder gewesen, dass dabei tatsächlich niemand endgültig verunglückt war und es auch nur einen schwer verletzten gegeben hatte.

Als Kayla nach fünfzig schlaflosen Stunden zu den Stolls gestampft war und ihnen befohlen hatte, während ihrer der nächsten zehn Schichten alle anstrengende Arbeit, die keine Fachkraft forderte, zu übernehmen, war ihr Gesicht so böse gewesen, dass nichtmal diese beiden sich getraut hatten, ihr zu widersprechen.

Natürlich würden die Pflichten für die Hüttenältesten auch für die meisten von uns gelten, aber unsere Hütten waren auch die Zeit, die wir in Griechenland, Italien oder dem Tartarus gegen Giganten gekämpft hatten, recht gut so ausgekommen.

Wir waren noch dabei, unseren letzten Abend hier zu genießen, die Sonne war gerade auf dem Weg, hinter dem Horizont zu versinken, doch dann fiel Annabeth etwas ein, was das alles umkehrte. „Verfluchte Zeitverschiebung! Der Zug fährt zwar morgen um elf vom Bahnhof, aber das ist in England. Für uns ist es fünf Stunden früher."

Und mit diesen Worten war die gemeinsame Zeit gelaufen. Wir wurden alle von Annabeth in unsere Hütten geschickt, mit der Ansage, „Morgen um vier Uhr dreißig wird aufgestanden, ich sorge dafür, dass wir dann schon raus dürfen und Frühstück bekommen. Hier, diese Rucksäcke sind so präpariert, dass sie, wie die Zelte der Jägerinnen, unendlich viel Platz im Innern haben." Während sie die Behälter ausgab, versah sie jeden von uns, auch mich, vor allem mich, mit einem strengen Blick und fuhr dann fort: „Ich möchte niemanden, wirklich niemanden sehen, der morgen früh noch nicht gepackt hat. Haben wir uns alle verstanden? Leo?"

Wir nickten alle hastig und rannten, nachdem wir uns schnell von den anderen verabschiedet hatten, denn diese würden zu einer solchen Zeit ganz bestimmt nicht wach sein, mit unter den Arm geklemmten Rucksäcke in unsere Hütten. Mit Annabeth unter dem Stress der Abreise war nicht zu spaßen.

Ich brauchte nicht besonders viele Dinge und so war ich schnell fertig und legte mich bereits ins Bett, den Blick an die Decke gerichtet. Wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätte dieser Teil der Hütte tatsächlich ein altes aber gemütliches Fischerhaus sein können. Ich wäre dann ein Fischer, der jeden Tag auf einem kleinen Boot sitzt und sich keine Sorgen um garnichts außer seinem Fang machen musste. Durchaus ein verlockender Gedanke.

Aufgeschreckt wurde ich aus diesen Gedanken, als nahe dem Eingang ein anderer Rucksack fallen gelassen wurde. Ob es Minuten oder Stunden gewesen waren, ich wusste es nicht. Aber ich erkannte schon an der Art, wie die Schritte durch die Hütte klangen, dass ich am nächsten Morgen wieder auf dem Boden aufwachen würde.

Und für den Moment störte es mich nicht im geringsten. Nicht während ich spürte, wie Annabeth sich neben mich legte und ich meinen Arm behutsam um sie legen konnte. Wenn das der Lohn dafür war, dass ich nicht als sorgenloser Fischer irgendwo am Meer leben konnte, dann war es das dennoch ohne Zweifel vollumfänglich wert. Um das mehr war ich bereit zu verhandeln, um Annabeth nicht, solange sie das nicht selbst wollte.

Ganz schnell, bevor hier wieder Dramatik ausartet. Manfred ist gerade mit einem Keks beschäftigt, von dem er glaubt, ich habe ihn liegen gelassen. Tut einfach so, als wäre die nötige Zeit vergangen.

Als ich die hölzernen Dielen unter meinem Gesicht spürte, wusste ich, dass meine Vorhersage vom Vorabend treffend gewesen war. Annabeth hatte mich auf die gleiche Weise geweckt, die auch schon die letzten Wochen zum Einsatz gekommen war.

Während wir durch die Dunkelheit zum Frühstück schlurften, durfte ich auch noch Annabeths Rucksack tragen. Klingt jetzt erstmal als eine gemeine Verkettung von Ereignissen, aber wenn man sich den Tathergang ehrlich ansah, stellte man fest, dass in diesem Fall ich darauf bestanden hatte, einfach um sie mit dieser Rollenverteilung, die wir für gewöhnlich absolut ignorierten, zu nerven. Man könnte es einen kleinen Racheakt nennen.

Beim Frühstück kam es dann zum ersten Mal seit langem vor, dass ich meine Pancakes nicht absichtlich ertränkte. Ich vergaß einfach nur die Flasche mit dem Sirup wieder richtig herum zu halten und so kam natürlich immer mehr dazu, bis Will als Arzt sie mir schließlich abnahm. Hättet ihr gedacht, dass Unsterbliche, die keinen Schlaf brauchen, müde sein könnten? Tja, an diesem Morgen war ich der lebende Beweis dafür.

Nach dem Frühstück, es war inzwischen kurz nach fünf, erwartete uns kurz vor dem Verlassen des Camps noch eine kleine Überraschung. Zwei genau genommen, es hatten nämlich auch alle ihre Sachen aus Angst vor meiner Freundin rechtzeitig gepackt, aber das war nicht der Punkt, auf den ich hinaus wollte. Ich wollte darauf hinaus, dass Chiron sich tatsächlich entschieden hatte, uns als letzter noch persönlich zu verabschieden. Eine Geste, die ich sehr zu schätzen wusste.

Mom war für immer mehr von uns, teilweise sogar für Nico, die Mutter geworden, die aus dem einen oder anderen Grund in unserem Leben gefehlt hatte. Chiron war das männliche Äquivalent dazu hier im Camp. Er hatte also nicht nur für unser Frühstück gesorgt und die Harpyien daran gehindert, uns wegen der frühen Stunde anzugreifen, er war obendrauf noch selbst zu dieser wahnsinnigen Stunde aufgestanden, um uns zu verabschieden. So freuten sich tatsächlich auch alle und mit einem guten Gefühl, dafür dass es noch immer vor sechs Uhr morgens war, liefen wir an Thalias Fichte vorbei und aus den Grenzen des Camps hinaus.

Obwohl wir uns darum eigentlich keine Gedanken mehr machen mussten, hatten sich doch alte Gewohnheiten aus den Kriegen tief eingefleischt und dazu gehörte auch die, keine Kraft zu verschwenden. Dementsprechend teleportierte ich uns alle vom Hügel in eine Seitengasse in London. Ich hatte schließlich die meiste Kraft.

Als erstes hielten wir alle, abgesehen von Will, uns die Hände vors Gesicht. Der Junge kann auch geradeaus direkt in die Sonne gucken, ohne dass etwas passiert. Das grelle Tageslicht blendete uns anderen jedoch und unsere Augen brauchten entsprechend einen Moment, um sich daran zu gewöhnen. Es gab natürlich Wege darum herum, aber dafür dürften wir nicht mit unseren menschlichen Körpern und ihren Sinnesorganen arbeiten, sondern müssten buchstäblich unsere Umgebung als vollständiges Bild erfassen und das war einfach ungewohnt, unpersönlich und machte präzise Bewegungen viel aufwendiger.

Annabeth befragte den wirklich allwissenden Teil ihres Verstandes nach dem Weg zum Bahnhof und nur wenige Minuten später standen wir davor. „Von welchem Gleis müssen wir fahren?", wollte Hazel wissen. Ich musste kurz daran zurück denken, wie sie geguckt hatte, als sie das erste Mal einen größeren Bahnhof gesehen hatte. Dort, wo sie früher gelebt hatte, waren zum einen natürlich immer nur Züge von damals gewesen und zum anderen waren zwei Gleise viel. Ein kurzer Blick über den Bahnhof King's Cross verriet mir, dass er mindestens zehn haben musste.

Wir alle holten alle gleichzeitig unsere Fahrkarten wahlweise aus einer Jackentasche oder unseren Rucksäcken hervor und blickten auf das angegebene Abfahrtsgleis. Neundreiviertel. „Haben die Zauberer noch weniger Schulbildung als wir abbekommen oder steht da irgendwas zwischen neun und zehn?", wollte Leo mit seinem üblichen Koboldgrinsen wissen. Wir mussten alle grinsen. Merkwürdig fanden wir es alle, aber die Beschreibung überließen wir aus genau diesem Spaßfaktor wegen gerne Leo. Zumindest wenn wir unter uns waren und alle gute Laune hatten.

„Lasst uns doch erstmal gucken, danach ist immernoch genug Zeit, sie für verrückt zu erklären, das richtige Gleis zu finden und den Zug rechtzeitig zu erreichen", schlug Frank vor. Gesagt, getan, wir liefen zum Bahnsteig zwischen den beiden in Frage kommenden Gleisen.

Kurz bevor Leo sich erneut über die Zauberer lustig machen konnte, nahm ich zwei Dinge gleichzeitig war. Ein junges Mädchen, welches in, ja, in einem Trennpfeiler verschwand und ein Muster an eben jenem Pfeiler. Ein Muster der Magie. Schnell wies ich die anderen darauf hin und machte es auch für sie sichtbar. Es war definitiv nichts natürliches, aber die Struktur unterschied sich grundlegend von allem, was wir je gesehen hatten.

Es war viel, viel schwächer als unsere eigene Macht, selbst als Halbgötter, aber es schien so fein gewoben zu sein, dass es dadurch einen signifikanten Teil dieser Differenz wieder ausgleichen konnte. Diese Form der Magie war mir fremd und in diesem Fall war das ein gutes Zeichen. Ich hatte inzwischen mit nahezu allen Wesen aus der griechischen Mythologie zu tun gehabt und das hier glich keinem davon. Entweder hatten wir also eine völlig neue Welt gefunden, oder wir waren hier richtig.

„Es scheint ein Durchgang zu sein. Wer hindurch läuft, kommt an einem anderen Ort wieder heraus", stellte Annabeth neben mir fest. Und sie hatte wahrscheinlich recht. Also das war grundsätzlich der Fall, aber in diesem Fall deuteten sowohl unsere Beobachtungen, als auch meine unabhängige Untersuchung dieser Pforte darauf hin. Wieder beobachteten wir, wie zwei Erwachsene mit zwei Kindern, eines davon war definitiv nicht älter als Hazel, auf die Wand zu liefen und darin verschwanden.

Obwohl sie es nicht zu wissen schienen, tarnte ein schwacher Nebel jedes Mal wieder ihr verschwinden, so dass die Sterblichen um sie herum sie einfach daran vorbei gehen sahen und anschließend nach einigen Sekunden aus den Augen verloren. Nicht, wie es bei Rowling ist, dass es einfach über Jahrzehnte hinweg niemandem auffällt, dass da immer wieder Leute hin laufen und nicht gegen sondern durch die Wand rennen. Fantasy muss nicht zwangsläufig für die Realität angewendet Sinn machen, aber wenn es sich sein eigenes System von möglich und unmöglich schafft, dann muss es in dem eben logisch sein. Harry Potter funktioniert nur, wenn man nahezu alle nicht magischen Wesen als schwer beschränkt annimmt.

Wir tauschten alle unter einander Blicke aus und waren uns ganz klar einig. Das Abenteuer konnte beginnen. Annabeth und ich voran liefen wir also direkt auf die Backsteine zu. Wir zuckten nicht einmal. Nachdem wir unsere Hände in flüssiges Feuer gehalten und dieses ruhig zum Gesicht geführt hatten, war das auch nur eine weitere Dummheit auf der langen Liste, die mein gesamtes Leben auszeichnete.

Für einen kurzen Moment wurde alles dunkel, wir hatten natürlich dabei noch die Augen auf, und dann standen wir vor einer roten Dampflok. Über uns hing das Schild mit der Gleisnummer. Neundreiviertel. Wir waren da. Es war nur noch ein paar Minuten vor neun, offenbar hatten wir irgendwo mehr Zeit vertrödelt, als wir gedacht hatten, und so liefen wir schnell zu unseren Abteilen. Dumbledore hatte uns geschrieben, dass im ersten Wagen welche extra für uns reserviert sein würden und auch wenn wir das für ein wenig überflüssig hielten, nahmen wir ein solches Angebot gerne an.

Der Gang war ziemlich eng und ich war sehr froh, dass wir Rucksäcke statt riesiger Koffer dabei hatten. Bei meinem Glück hätte ich sonst vermutlich eine Scheibe eingeschlagen. Und das ohne dass ich es gewollt hätte.

An den ersten beiden Abteilen standen große rote Schriftzüge, die ich trotz dieser totalen Verstecktheit der Mitteilungen gerade so entziffern konnte. ‚Reserviert' Das klang richtig. In jedem waren sechs Sitze, also genug für uns alle, und auch wenn wir vermutlich im Notfall Wege gefunden hätten, uns alle in eins zu quetschen, war dieser Komfort natürlich ebenfalls sehr willkommen.

Schnell teilten wir uns auf, Thalia, Jason, Piper, Annabeth und ich teilten und das erste Abteil, die anderen liefen an uns vorbei ins hintere. Nachdem wir alle unsere Sachen in den Gepäcknetzen verstaut hatten, machten wir es uns gemütlich und blickten aus dem Fenster. Viele komische Menschen liefen vorbei, fast alle Erwachsenen trugen entweder Anzüge oder klischeehafte Umhänge und Hüte für Zauberer. Durchaus ein bemerkenswerter Kontrast.

Ein Blick auf die über dem Bahnsteig hängende Uhr verriet mir, dass noch drei Minuten bis zur Abfahrt des Zuges verstreichen mussten. Offenbar hatten es viele Zauberer nicht so mit der Pünktlichkeit. Mir sprang vor allem eine Gruppe ins Auge, die aus einem riesigen Haufen roter Haare mit einmal braun und einmal schwarz dazwischen bestand. Sie wuselten durcheinander und die meisten von ihnen wollten eindeutig ebenfalls in diesen Zug. Sie alle griffen nach ihren Koffern und zerrten sie schnell in die nächsten Türen. Durch mein sehr empfindliches Gehör konnte ich hören, wie ein hastiger Abschied von beiden Seiten gerufen wurde, bevor ein greller Pfiff sie unterbrach und mir ein unangenehmes Pfeifen ins Ohr zauberte.

Der Zug begann loszurollen und es schien, als seien auf irgendeine magische Weise tatsächlich alle rechtzeitig eingestiegen, denn niemand stand mehr an den Zugtüren und schlug dagegen. Sowas wäre meistens ein gutes Indiz, dass jemand Pech gehabt hatte.

Noch während wir durch die Vororte von London rauschten, hörte ich Stimmen näher kommen, die mir sehr ähnlich mit denen klangen, die eben noch ihre Abschiede durch den gesamten magischen Teil des Bahnhofs gebrüllt hatten. Sie schienen zu streiten.

„...mal jemand für uns aufstehen!", rief eine vermutlich männliche Stimme. „Sie waren zuerst da, also...", versuchte eine weibliche Stimme zu entgegen, wurde dann aber von einem anderen Jungen unterbrochen: „Seit wann sind eigentlich ganze Abteile reserviert? Und warum nicht für uns? Die sind doch bestimmt nicht voll." Während dieser Worte griff eine Hand nach unserer Schiebetür und zog sie auf.

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3906 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.

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