Kap. 108 Rückkehr

Arya pov

Während mein Herz und meine Lunge sich ein Wettrennen lieferten, das man durchaus auch von außen gut verfolgen konnte, rasten meine müden Gedanken auf Hochtouren. Also dem Maximum, was sie noch leisten konnten, denn die Erschöpfung von einem inneren Kampf mit mir selbst, dem Besteigen einer gesamten Klippe und Minuten der Todesangst zogen tatsächlich alle recht aktiv an meinen Energieressourcen. Ich spielte jedes Szenario in meinem Kopf durch, vom besten bis zum schlimmsten, aber dabei lag mein Fokus immer darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Auch wenn ich immer wieder unkontrolliert zuckte und zitterte, gab ich mir noch immer Mühe, mich geräuschlos vorwärts zu bewegen. Mein Gefühl sagte mir, dass dieses kleine Waldstück wirklich gleich enden musste. Das sagte der rationale Teil meines Denkens. Die Angst versuchte mir aber gleichzeitig weiszumachen, dass ich schon seit Stunden lief und es in Ewigkeit so weiter gehen würde.

Und dann bog ich um einen Baum, der direkt im Weg stand. Die gute Nachricht, der Wald lichtete sich. Dahinter waren nur noch ein paar hundert Meter bis zu den ersten Gebäuden. Nun zur schlechten Nachricht. Es war genau das, was ich seit Minuten oder gefühlten Stunden befürchtete. Ein lautes Knurren hinter mir. Warum auch immer Raubtiere ihre Beute auf diese Art auf sich aufmerksam machten, aber in diesem Moment traf ich binnen einem Sekundenbruchteil die Entscheidung, dass das gerade nebensächlich wäre und ich hier weg müsste. Sofort!

Im Antlitz dieses bevorstehenden Todes trat eine Situation ein, die bei mir erst ein Mal vorgekommen war. Meine Instinkte waren schneller und stärker als jedes rationale Denken. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, ohne einen Blick zurück zu werfen und ohne auf irgendeine Form von limitierenden Rückmeldungen meines Körpers zu achten, rannte ich, als würde im wahrsten Sinne des Wortes mein Leben davon abhängen. Und das tat es ja auch. Müdigkeit wurde nach hinten geschraubt. Äste, die mir ins Gesicht schlugen, spürte ich nicht mehr als herabfallendes Laub. Mein Puls und meine Atmung mussten nicht weiter beschleunigen, denn die Angst hatte sie bereits nah an ihre Obergrenze getrieben. Vermutlich war genau das der Grund, aus dem Panik solche Reaktionen auslöste. Wenn das, vor dem man sich fürchtete, tatsächlich eintrat, dann war man bereits so bereit wie nur irgend möglich.

Und dann legte ich den besten Kurzstreckensprint meines Lebens hin. Ich hörte hinter mir Äste brechen. Jeder Sinn, der nicht fürs Rennen notwendig war, teilte mir mit, dass da etwas großes hinter mir war, aber mein Blick war starr nach vorne gerichtet. Wenn dieses etwas mich einholen würde, würde ich so oder so sterben, wenn nicht, dann halt nicht, aber es war wahrscheinlicher, dass ich eingeholt werden würde, wenn ich zurück sah. Zu viel konnte vor mir geschehen und noch dazu bremste es grundsätzlich ab.

Der Boden flog unter meinen Füßen hinweg und das blieb auch so, weiter noch als zum Rand des Waldes. Erst als ich an den ersten steinernen Monumenten der alten Zeit angekommen war, wechselte ich von Geschwindigkeit auf denken und planen. Die meisten Häuser wären zu groß, um darin Schutz zu finden, aber ich sah zu meiner Rechten einen kleinen Eingang, dessen hölzerne Tür aus den Angeln hang. Mit letzter Kraft machte ich einen Hechtsprung dort hinein und robbte so schnell ich konnte von dem Eingang weg. Erst als wenige Zentimeter vor mir die massive steinerne Rückwand in mein Blickfeld rutschte, ließ ich mich entkräftet zu Boden rutschen.

Eine Weile lag ich einfach so da, atmete und ließ meinen Puls wieder in den zählbaren Bereich sinken. Dann jedoch erfasste mich Neugier und ich sah mich um. Es sah aus, als sei das hier ein Wohnhaus gewesen, denn an der Seite war tatsächlich der Eingang zu einem für Vroengards Verhältnisse kleinen Raum, den Überbleibsel von recht ordentlichem Mobiliar zierten. Auf der anderen Seite jedoch führte eine Wendeltreppe nach oben. Vielleicht würde ich ja von weiter oben einen besseren Blick über die Umgebung bekommen und vielleicht außer Gefahr bleiben, während ich Ausschau nach meinem Verfolger halten würde.

Gesagt, fast getan, denn der Weg die Treppe hinauf war tatsächlich zu viel für meinen geschundenen Körper, und so schleppte ich mich Stufe für Stufe hinauf, alle paar Schritte wieder zu Boden gleitend. Ich wollte garnicht erst wissen, wie lange dieser Aufstieg dauerte. Vermutlich ähnlich lange wie mein gesamter Weg ans obere Ende der Klippen an dem äußeren Rand der Insel.

Ich hatte tatsächlich eine gute Wahl für mein Haus getroffen. Die Wendeltreppe führte tatsächlich bis aufs Dach und selbiges war hoch genug, um einen guten Überblick zu bekommen. Die erste und wichtigste Beruhigung war, dass kein großes dunkles Monster um das Haus schlich und nur darauf wartete, dass ich wieder in seine Reichweite käme. Nichts schien auffällig, bis ich versuchte, meinen Fluchtweg zurück zu verfolgen. Als der Fokus meines Blickes den Waldrand erreichte, fiel es mir dann ins Auge. Dort, wo ich hervor gebrochen war. Die äußersten Bäume waren genauso normal wie alle andern, aber dahinter waren Spuren der Zerstörung zu erkennen. Gerade so noch nicht von der Dunkelheit verdeckt, sah ich abgebrochene Äste und dazugehörig Bruchstücke von Astgabeln.

Ich inspizierte dieses Gebiet weiter, nicht sicher, ob ich hoffte, dort zu sehen, was mich verfolgt hatte, oder ob ich mir wünschte, mir das alles nur eingebildet zu haben. Nein, den letzten Teil möchte ich zurück nehmen. Zweiteres wäre mir weitaus lieber. Zu dieser Erkenntnis kam ich, als ich sie plötzlich aufblitzen sah. Zwei Orangene Scheiben glühten aus der Finsternis. Ich versuchte sie mit den Bäumen in ein Verhältnis zu setzen, aber das half mir nicht wirklich weiter. Sie waren mindestens einen Fuß im Durchmesser groß. Trotz der Farbe des Feuers wirkten sie eiskalt und furchteinflößend. Auch wenn sie ganz klar in der Finsternis glühten, beleuchteten sie anscheinend nichts. Ich sah nichts außer den Augen, aber schon die waren genug, um zurückzustolpern und um ein Haar die Treppe runter zu fallen. Als ich mich wieder aufsetzte, waren sie verschwunden, aber die Angst saß noch immer tief. Sehr tief. Ich wusste nicht, ob ich mich an diesem Ort je wieder sicher fühlen konnte. An diesem Ort oder in irgendeinem Wald an sich.

Einige Minuten lag ich einfach nur still und regungslos so da, flach auf dem Rücken und den Blick gen Himmel gerichtet. Es war, als würde mein Körper nun endlich wieder zur Ruhe kommen, auch wenn das natürlich nur beschränkt galt. Ich war noch nicht in Sicherheit, nachdem ich alle meine Kraft für die letzte Flucht aufgebraucht hatte, wäre ich froh, wenn ich den Weg zurück nicht kriechen müsste.

Schließlich holte ich tief Luft und kam schwankend wieder auf die Beine. Mich an Geländer und Wand abstützend, torkelte ich wieder nach unten und auf die Straße. Von da an taumelte ich in die Richtung der Säule, auf der ich vorhin jemanden gesehen hatte. Warum genau wusste ich nicht. Ich könnte ohnehin nichts ausrichten und verstecken oder aufmerksam beobachten erst recht nicht.

Für seinen Zweck war der Baustil der Stadt sicherlich der beste, aber nicht für mich an diesem Tag. Die Straßen waren wegen ihrer immensen Größe so lang, dass ich schon im erholten Zustand bestimmt einige Minuten bis dorthin gebraucht hätte. So jedoch dauerte es gefühlte Stunden. Meine gesamte Aufmerksamkeit währenddessen war immer dem nächsten Schritt gewidmet. Würde ich jetzt angegriffen werden, könnte ich vermutlich gerade mal einem Dachs entkommen. Vielleicht einem alten Dachs, der vor drei Tagen von dem Monster gefressen und wieder erbrochen worden war. Das wäre tatsächlich ein würdiger Gegner gewesen.

Eine lange und ermüdende Leidensgeschichte später...

Der Platz war irgendwie ordentlicher, als das meiste in dieser Stadt. All der Schutt lag am Rand auf einem Haufen und wenn sich dieser gerade außerhalb des eigenen Sichtfeldes befand, konnte man den Eindruck bekommen, dass der Platz lediglich mit kleinen Steinen gestreut worden war, um vielleicht im Winter dem Wegrutschen vorzubeugen. Es war jedenfalls wieder ein Mahnmal der alten Zeiten. Ein Relikt aus der Vergangenheit.

Und ganz an der Spitze saß noch immer eine menschliche Gestalt und bewegte sich nicht. Nun, da ich nicht mehr im finsteren Wald stand, reichte meine Nachtsicht auch wieder aus, um selbst hier im Dunkeln die meisten Dinge zu erkennen. Trotzdem mischte sich die Finsternis zu sehr mit der Entfernung, um eindeutige Merkmale wie Gesichtszüge erkennen zu können. Auch Farben waren nicht eindeutig zu bestimmen. Alles was ich sah, widersprach sich auf jeden Fall nicht mit meinem Bild davon, wie Eragon aussehen müsste. Für die Kleidung war grundsätzlich möglich, dass es die selbe wie bei meinem Aufbruch war, und die Statur des Unbekannten stimmte auch grob mit der meines nunmehr als geliebten verstandenen Reiters überein.

Es gab jedoch noch einen weitaus nützlicheren Hinweis. Die Person dort oben trug keine Waffe. Der Schluss daraus war recht einfach. Eragon hatte ebenso wie ich einen Lagerkoller bekommen und hatte sich ebenso wie ich nach draußen geflüchtet und ihm war ebenso geraten worden, keine Ausrüstung mitzunehmen, da er sonst nicht zu sich selbst finden würde. Was ich davon halten sollte, wusste ich noch immer nicht so recht. Auf der einen Seite hatte ich unter anderem deshalb Todesangst durchlitten, aber gleichzeitig hatte ich meinen Namen gefunden. Vielleicht wäre mein innerer Monolog am unteren Ende der Klippe anders verlaufen, wenn ich voll ausgerüstet dort gewesen wäre. Vielleicht hätte mir mein Schwert dort einige Male als extra Griff dienen können. Oder vielleicht hätte ich es dann wegen dem zusätzlichen Gewicht garnicht mehr nach oben geschafft. Wer weiß?

Ich beschloss, mich auf diesen Umstand zu verlassen und hier am Boden zu warten, bis er wieder nach unten kommen würde. Ob leider oder zum Glück konnte ich nicht wirklich sagen, aber auf jeden Fall schien er mich noch nicht bemerkt zu haben. Hätte er das, wäre ich zwar vielleicht früher wieder im Bruthaus, das ich inzwischen wirklich als den einzig sicheren Ort auf der Insel wahrnahm, da wir dort zuverlässigen Schutz bekamen, aber das war durchaus ein recht egoistischer Ansatz. Ich hätte ihm nämlich damit die Möglichkeit genommen, sich nach Belieben Zeit für die Suche nach seinem Namen zu nehmen. Ich kannte ihn ja gut genug, um zu wissen, dass er sich von dem Moment an, wo er mich hier unten sehen würde, nicht mehr konzentrieren könnte.

Ich machte es mir nach Möglichkeit auf einem der am Rand liegenden Trümmer bequem und wartete, bis Eragon es aufgeben würde, mit seiner Regungslosigkeit eine Statue zu imitieren. Es dauerte aber tatsächlich noch eine Weile, in der ich mich von meinem Marsch bis hier her regenerierte, sodass ich inzwischen vermutlich fast wieder aufwärts gehen könnte.

Als er sich dann doch wieder bewegte, zitterte er mehrfach am ganzen Körper, immer mit einer kleinen Pause. Das konnte ich sogar von hier unten erkennen. Im besten Fall wäre es die Aussprache seines wahren Namens, im schlechtesten wäre ihm kalt.

Wieder etwas später wählte er eine etwas unkonventionelle Methode, um wieder zurück auf den Boden zu kommen. Etwas, das für mich in meinen gegenwärtigen Zustand darin geendet wäre, dass ich auf dem Boden aufgeschlagen wäre und dabei ausgesehen hätte wie einer von Percy's Teigfladen. Er jedoch sprang einfach ein paar Meter von dem Obelisken weg, rief einen Meter über dem Boden, so wie ich es über dem Meer getan hatte, das Wort für ‚anhalten' in der alten Sprache und fing den letzten Meter Sturz mit einer mehr oder weniger eleganten Rolle ab.

Da er nicht direkt vor mich gesprungen war, was wohl auch ein zu großer Zufall gewesen wäre, entdeckte er mich erst, als er sich noch einmal zur Sicherheit um die eigene Achse drehte. Keine aggressive Lebensform gesichtet, nur eine erschöpfte Elfe, die alleine kaum nach Hause kommen könnte. Er kam zu mir hinüber und fragte auf die nicht aller eloquenteste Weise, ob ich es sei. „Arya?"

Ich nickte und erhob mich. Ich hatte versucht, mir meine Schwäche dabei nicht anmerken zu lassen, aber offensichtlich musste ich daran noch eine Weile arbeiten, denn er fragte mich sofort: „Ist alles in Ordnung?" Ich zuckte trocken mit den Schultern und gab zurück, „Ja, eigentlich schon. Bin nur auf dem Weg zwei mal fast gestorben und habe die Angst meines Lebens durchlitten. Nichts weiter."

Zugegebenermaßen, das war gemein gewesen, aber meine Nerven lagen immernoch blank und das wirkte sich ganz eindeutig auf mein Taktgefühl aus. So spürbar allem Anschein nach, dass er sofort unsicherer wirkte und ich ihm ansehen konnte, dass er gerade nachdachte, ob er etwas falsches getan hatte. Hatte er eigentlich nicht, aber kaum jemand suchte die Schuld und Fehler schneller bei sich selbst, als er es tat.

Ich hob die Hand und senkte den Kopf in einer entschuldigenden Geste, während ich meinen bissigen Spruch entschuldigte. „Tut mir leid, kannst du nicht wissen. Ich bin nur mit allen Kräften am Ende und gerade sehr empfindlich auf so ungefähr alles." Als ich fertig gesprochen hatte, nickte er verstehend und sah das offenbar als eine Verpflichtung für ihn, denn einen Augenblick später spürte ich, wie er sich mit meinem Geist verband. Fast augenblicklich floss Kraft durch diese Verbindung. Als der Strom wieder abbrach, wirkte sein Blick müder als zuvor, dafür hatte ich das Gefühl, dass meiner wieder doppelt so scharf war.

„Nix da," murmelte ich und gab ihm einen großen Teil davon wieder. „Ich bin unverantwortlich mit meiner Energie umgegangen, also bade wenn überhaupt ich das aus", ergänzte ich streng. Er versuchte garnicht erst, sein Lächeln zu verstecken, während er antwortete: „Wenn die Prinzessin das wünscht." Mein Blick musste nicht doppelt so scharf sein, um ihn damit zu durchbohren. „Du weißt ganz genau", funkelte ich ihn an, „dass ich diesen Titel vor achtzig Jahren abgelegt und ihn seitdem auch nicht lieber gewonnen habe." Und dann lachte er mich aus. „Und was willst du dagegen tun?"

Ich weiß nicht, ob ich überrascht davon war, doch tue ich, ich war vollständig überrumpelt, und so starrte ich ihn für einen Moment einfach nur böse an, nichteinmal genau wissend wofür. Als ich jedoch merkte, dass es ihn kein bisschen kümmerte, gab ich das zumindest auf. Auch sein Gelächter stellte sich schnell ein und wich einem schadenfrohen Grinsen. „Wie dem auch sei, möchtest du gefragt werden, was du erlebt hast, oder möchtest du lieber versuchen, es zu verdrängen und nicht daran zu denken?" Ich musterte ihn prüfend, bevor ich wieder mit den Schultern zuckte und antwortete: „Ich bin von ganz oben von der Klippe gestürzt, wieder hochgeklettert, habe meinen wahren Namen gefunden und bin durch einen Wald gelaufen, in dem sich anscheinend ein wolfsähnliches Tier versteckt hält, das es mit mehreren der Shrrg aus dem Beor-Gebirge Ich habe definitiv nicht gerade versucht, Gebirge mit ü zu schreiben! Das könnte ja sogar ich besser! Dann mach es doch besser. Noch bin ich der Autor! aufnehmen könnte, davor wegrennen und sich mit letzter Kraft bis hier her schleppen. Du merkst vielleicht, der Tag ist wechselhaft wie nichts anderes gewesen und ich werde vermutlich nichts davon je wieder aus dem Kopf bekommen. Und was hast du hier veranstaltet?" Ich konnte ja nicht erst eine lange Geschichte erzählen und dann nicht Rückfragen.

Er guckte sich meine jetzt schon mehrfach gemachte Geste des Schultern Zuckens ab und erklärte: „Ich habe hier den Schutt weggeräumt und anschließend darüber nachgedacht, was ich eigentlich wirklich will, ich meine nach dem Krieg. Ein grundsätzliches Missverständnis mit mir selbst gefunden und anschließend genauso meinen wahren Namen. Das bedeutet...", begann er einen Satz, während sich seine Miene aufhellte, „...dass wir jetzt zumindest noch unseren letzten Versuch am Felsen von Kuthian wagen können", beendete ich seinen angefangenen Satz.

Er nickte, mahnte aber auch: „Das ist schön und gut, sehr gut sogar, aber nichts desto trotz solltest du dich in diesem Zustand nicht in eine so möglicherweise gefährliche Situation bringen." Zu seinem, wohlgemerkt wirklich nur seinem Glück, beendete er den Satz nicht so, wie ich es vom Anfang her vermutet hätte, mit dem Vorschlag, ich könne doch vielleicht an einem sicheren Ort warten, sondern. „Vor morgen früh werden wir uns nicht auf den Weg machen, egal wie wenig Zeit wir haben."

Und dann geschah etwas in mir, was ich definitiv nicht erwartet hatte. Ich verspürte nicht das Verlangen, zu widersprechen. Ich war es eigentlich gewohnt, in solchen Situationen entweder die Verzögerung vorzuschlagen, oder mich ihr zu widersetzen, ganz von der Situation abhängig. Ich war jedoch selbst nach dem kleinen Kraftschub noch völlig am Ende, körperlich wie mental, und hoffte sehr darauf, dass mir eine Nacht voll Schlaf helfen würde, das Geschehene zu verdauen. Unser Wachschlaf war zum Ordnen der Gedanken eben einwandfrei geeignet.

Über diese Überlegungen hinweg hatte ich garnicht bemerkt, wie Eragon gemächlich in Richtung Osten losgegangen war und ich ihm irgendwie geistesabwesend folgte. Die Himmelsrichtung konnte durchaus auch falsch sein, aber der Versuch einer Konstruktion aus dem Ort des Sonnenuntergangs und meinem aktuellen Standpunkt kam ich auf Osten als Ergebnis. Verwettet hätte ich darauf jedoch rein garnichts.

Als ich meine Gedanken wieder präsent hatte, bemerkte ich schnell, dass der junge Reiter immer wieder hastige Seitenblicke auf mich warf. Es konnte natürlich nur wegen meiner physischen Verfassung sein, aber mein Instinkt sagte mir, dass da noch mehr dahinter steckte. Vor längerer Zeit hatte ich mir vorgenommen, etwas offener und ehrlicher im Umgang mit ihm zu werden. Ein beidseitiges Phänomen, von dem ich gerade den hinteren Teil zu nutzen gedachte. Selbst auch Interesse daran zeigen, was in ihm vorging. Nicht nur weil seine Blicke auf mich gerichtet waren, sondern auch unserer Beziehung wegen.

Es schien ihn aber eindeutig zu überraschen, dass ich ihn dabei ertappt hatte, denn auf meine Nachfrage hin bekam ich erstmal für mehrere Sekunden unverständliches Gestammel zu hören. Das klingt abwertender, als es gemeint ist, aber in der Situation war ich mir sehr sicher, dass die Unverständlichkeit in vollem Bewusstsein und mit voller Absicht geschehen waren. Er hoffte, dass ich die Frage vergessen würde. Tat ich aber nicht und so war er nach wiederholtem Fragen doch bereit, mir zu antworten. Dabei war sein Blick starr auf den Boden gerichtet, so als ob es ihm wirklich peinlich oder einfach nur sehr unangenehm wäre. Schließlich murmelte er, nur geringfügig besser verständlich als zuvor, eine sehr weit ausschweifende Antwort. Auch in diesem Punkt war ich überzeugt, dass ein Grund in Form der Hoffnung, ich würde ihn unterbrechen, dahinter stand.

Das hatte ich aber garnicht vor. Ich ließ ihn einfach reden. Und schließlich kam er dann an dem unvermeidlichen Punkt an, den er eigentlich hatte erreichen wollen: „Naja, wir wissen jetzt wohl beide, wer wir sind." Wieder eine Pause, dieses Mal aber mehr um sich selbst zu sammeln und seine Worte mit bedacht zu wählen. „Und auch wenn wir es morgen sowieso tun werden, wollte ich dich fragen, ob du meinen Namen wissen wollen würdest. Meinen wahren Namen."

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3082 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.

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