Kap. 107 Einschätzungen
Nasuada pov
Es gab keine Vorwarnung. Gerade während einer der Pausen, die ich in meinem Training mit Luna machte, spürte ich, wie eine andere Präsenz meinen Geist zu berühren versuchte. Leider war meine Reaktionszeit nicht ideal, denn mein erster Impuls war es, mich auf die zwei Zeilen des Gedichtes, welches ich früher zu diesem Zweck auswendig gelernt hatte, zu konzentrieren. Das Gedicht vom Mann mit den gelben Augen würde ich niemals wieder vergessen können, so tief war es eingebrannt. Ein Mann aus El'Harim, ein Mann mit gelben Augen. Der sagte: ,,Flüstre nicht, denn flüstern wird nie taugen."
Ich hatte jedoch inzwischen gelernt, dass das bei weitem nicht die effektivste Methode war. Man mochte zwar glauben, dass diese Art von Konzentration vergleichsweise stark wäre, aber das war ein Irrtum. Luna zufolge, und sie war die höchste Autorität in diesen Fragen, mit der ich regelmäßig kommuniziert hatte, konnte man sich eine der größten Schwächen von uns Menschen zu Nutze machen. Richtig gehört, Schwächen können zu Stärken werden. Hier ging es um unseren Hang, sich in negative Emotionen hineinzusteigern. Niemand wollte es sich eingestehen, aber es war nunmal ein Fakt, egal wie freundlich, liebenswürdig oder gütig jemand war, wenn eine andere Person sich in den Kopf gesetzt hatte, diese erste nicht zu mögen, dann wäre auch ein noch so wunderbarer Charakter keine Hilfe.
Und genau darauf basierte diese Strategie der Verteidigung. Ich konzentrierte mich mit allem, was ich hatte, auf meinen Hass und meine Abscheu gegen den König, meine Trauer über all die Verluste, meine Wut über all die Ungerechtigkeiten in unserem Land. Ich zog jede Eigenschaft bis ins maßlose und ich ließ meine Phantasie jede Wissenslücke auf die schlimmst mögliche Art und Weise auffüllen. Die Tatsache, dass die meisten meiner Vorstellungen vermutlich sogar realistisch waren, spielte dabei eine nebensächliche Rolle. Entscheidend war, dass ich jeden Gedanken in diese Richtung lenkte. Jeden. Meine gesamte Welt der Wahrnehmung bestand aus Hass und es war kein Platz mehr für einen anderen Gedanken. Von außen war er nun eine solide, reibungsfreie Kugel, die mit spitzen Nägeln immer wieder um sich schlug. Für einen erfahrenen Magier nur lästig, aber immerhin etwas, auf das er einen Teil seiner Aufmerksamkeit lenken müsste.
Erst als ich all diese Vorkehrung nach etwas zu langer Zeit abgeschlossen hatte, merkte ich, dass ich diesen Geist bereits kannte. Murtagh. Noch immer auf höchstem Grade wachsam ließ ich den errichteten Wall langsam wieder in sich zusammen sacken, um ihm die Chance zu geben, seine kurz zuvor bewährte Vertrauenswürdigkeit erneut unter Beweis zu stellen. Ich wäre bereit, ihn durch Hass sofort wieder zu verdrängen, aber noch versuchte ich ja, ihn als Verbündeten zu gewinnen und ihn auf die richtige Seite zu ziehen. Ich ließ den Kontakt also zu, natürlich mit der Bereitschaft im Notfall zu reagieren.
Wie jedoch schon zuvor war das überflüssig. Der Kontakt blieb so oberflächlich, dass er nichteinmal meine Gefühle hätte lesen, geschweige denn mich beeinflussen können. „In wenigen Minuten wird er seinen neuen Plan durchführen. Vertraut keinem Eurer Sinne mehr. Keinem außer der Art, wie sich der Geist eines anderen anfühlt. Er kann alles beeinflussen, nicht jedoch wie sich der seine oder der eines anderen anfühlt. Viel Glück." Ich erwischte mich dabei, wie ich versuchte zu nicken. Leider war mein Kopf fixiert und er hätte es ohnehin nicht sehen können. Also ließ ich ihn nur etwas meine Dankbarkeit spüren. Als er sich jedoch gerade zurückziehen wollte, ergriff ich gerade noch rechtzeitig das Wort. „Danke Murtagh. Kannst du mir mitteilen, wann ich ihnen wieder trauen kann?"
Er hatte sich offensichtlich schon damit abgefunden, dass ich nicht weiter darauf reagieren würde, weshalb er einen Moment brauchte, um zu reagieren. „Natürlich. Wenn es dir hilft." Erneut versuchte ich zu nicken, bevor ich mich doch wieder an meine physischen Möglichkeiten halten musste. „Ich danke dir...", und nach einer kurzen Pause ergänzte ich: „...pass auf dich auf!" Ich wusste nicht ganz, wo dieser Satz hergekommen war, aber zum einen konnte ich ihn sowieso nicht mehr zurücknehmen, und zum anderen fühlte er sich irgendwie richtig an.
Murtagh hatte diese Reaktion offensichtlich nicht erwartet, denn er zögerte mehrere Sekunden. Er schien sich nicht entscheiden zu können, wie er darauf reagieren wollte, aber schließlich entfernte er sich doch ohne ein weiteres Wort.
Die nächsten Minuten vergingen quälend langsam. Ich konnte nicht weiter mit Luna üben, da der König dies vielleicht durch meinen Geist bemerken würde. Ich konnte mich auch auf nichts wirklich konzentrieren, denn immer wieder schweiften meine Gedanken ab und ich versuchte mir vorzustellen, was wohl geschehen würde. Wäre ich nicht festgebunden gewesen und jemand hätte mich von hinten angetippt, hätte ich vermutlich vor Schreck einen Luftsprung gemacht, so angespannt war ich. Das Beispiel ist vielleicht nicht besonders gut. Wäre ich nicht festgebunden, würde ich jeden Tag mehrere Stunden im Kreis laufen und über unterschiedlichste Dinge nachdenken. Das Gehen verbesserte dabei tatsächlich meine Denkfähigkeit, oder zumindest fühlte es sich so an.
Als Herrin der Varden war ich noch sehr viel einfach so durch mein Zelt gelaufen. Ich hatte permanent überlegt, wie sich meine Entscheidungen auswirken würden und womit ich sie verbessern könnte. Leider gab es auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten und so hatte ich mir eine einfache und monotone Tätigkeit überlegt, die mich geistig nicht ablenkte, aber meinen Körper für diese Zeit beschäftigte. Es hatte mir schon oft gefehlt und war wohl das Wichtigste, woran es in der Halle der Wahrsagerin mangelte. Außer vielleicht körperlicher Unversehrtheit.
Weiter kam ich jedoch nicht von selbst, mit den Überlegungen, wie ich meine Zeit gerne einteilte. Stattdessen tauchte vor mir ein anderes Bild von etwas anderem auf, was ich seit meiner Gefangennahme durch eben jenen Mann, der die letzten Tage immer wieder neben mir gehockt hatte, nicht mehr haben konnte. Ich sah eine weite grüne Wiese vor mir, bei der er sich sichtlich alle Mühe gegeben hatte, sie so idyllisch wie möglich zu gestalten, ohne es unrealistisch wirken zu lassen. Hätte ich es nicht vorher gewusst, hätte ich sicher nicht bemerkt, dass das unecht war. Außer vielleicht wegen dem plötzlichen Wechsel.
Ich blickte mich um und nahm meine Umgebung aufmerksam wahr. Ich suchte bereits jetzt nach kleinen Fehlern, die Projektion und Realität unterschieden. Ich fand kaum welche und diese wenigen waren schwierig versteckt und man hätte sie ohne aufmerksame Suche nie entdeckt.
Die Luft war von einem etwas süßlichen Geruch erfüllt, der mich an die Haine voll blühender Bäume erinnerte, durch die ich einmal in einer der Städte der Zwerge gewandert war. Es war ein später Abend gewesen und ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir. Ich hatte mal wieder hinter dem Rücken meines Vaters agiert und einen Assassinen, dessen Motive mir jedoch nicht bekannt gewesen waren, mit seinen eigenen Mitteln geschlagen. Er hatte vorgehabt, Adjihad mit einem vergifteten Pfeil aus einem Blasrohr zu treffen, aber bevor er schießen konnte, hatte ihn mein Fuß in den Rücken getroffen und er war vom Dach gestürzt.
Ich erinnerte mich daran, wie ich anschließend durch die Stadt gelaufen war und nach einem schönen Ort gesucht hatte, der mir die Möglichkeit gäbe, mich wenigstens für eine Zeit etwas zu zerstreuen. Da die Zwerge jedoch Stein über alles anbeteten, bestand auch der Großteil der Stadt daraus und einen für Menschen schönen Ort gab es eher nicht. Umso glücklicher war ich gewesen, diesen Park gefunden zu haben und umso tiefer hatte sich dieser wundervolle Duft in mein Gedächtnis eingeprägt.
Die Umgebung jedoch bestätigte, dass er nicht von diesem Ereignis wusste. Es bestätigte mich in der Annahme, dass er hier versuchen würde, mich auf irgendeine Reaktion abzutasten, um an dieser Stelle weiterzubohren. Man konnte also durchaus sagen, sein erster Versuch war auf jeden Fall ein Volltreffer gewesen.
Fieberhaft dachte ich nach. Nicht nur musste ich eine angemessene Reaktion zeigen, da ich ja in seinen Augen keine Ahnung hatte, was hier geschah, sondern ich musste auch so tun, als wäre dies der falsche Ansatz. Es war nämlich durchaus eine kraftvolle Erinnerung und ich glaubte nicht, dass es mir helfen würde, sie in Feindes Händen zu wissen.
Ich kam zu dem Schluss, dass ich einfach verwirrt spielen sollte und dabei darauf hoffte, dass es natürlich genug wirkte oder er einfach zu sehr mit seiner Illusion beschäftigt war, um genau auf mich zu achten. Ich hatte mir einmal erklären lassen, dass das Erzeugen von detaillierten Illusionen eine der aufwendigsten Künste der gesamten Magie war, weshalb letzteres garnicht so unwahrscheinlich schien. Damals hatte ich wissen wollen, ob nicht vielleicht ein Spion sein Äußeres mit Magie so vortäuschen könnte, dass er zum Beispiel als einer meiner Berater auftreten könnte. Offenbar stand das jedoch vollkommen außer Frage, zumindest wenn man Trianna glauben wollte.
Ich wünschte mir auf einmal, in Verbindung mit Luna sein zu können, aber leider wusste ich, dass auch das außer Frage stand, da ich genau jetzt unter strenger Beobachtung stehen könnte. Das war ja schließlich das Ziel von Galbatorix. Die Hirngespinste finden, die bei mir Schaden anrichten konnten und mit denen er zu mir vordringen könnte.
Soviel zu den Vorgängen in mir während den ersten drei Sekunden in dieser Utopie, oder zumindest hielt ich es in dem Moment für eine. Nach diesem Wahrnehmungsfeuer drehte ich mich um. Ja, aus mir unbekannten Gründen konnte ich mich auf einmal wieder bewegen. Keine Fesseln schienen mich festzuhalten, kein kalter Stein unter meinem Rücken. Ich war mir sicher, dass auch das eine Täuschung war, aber es fühlte sich unglaublich gut an, genau wie diese Umgebung. Ich wollte mir garnicht vorstellen, wie extrem ich reagiert hätte, hätte Murtagh mich nicht einige Male aufstehen lassen. Vermutlich wäre ich zu Boden gegangen und hätte vor Glück geweint. Auch das war etwas, was mir sicherlich nicht geholfen hätte.
Hinter mir lag nun also ein Haus. Ein ganz gewöhnliches Haus, größtenteils aus Brettern gebaut, mit Schornstein, Fenstern und sogar einer Veranda. Dieser Ort gehörte wahrlich einer Welt, in der ich niemals hatte leben können. Meistens hatte ich das auch nicht gewollt, aber wenn man Wochen lang in einem wenige Meter großen Raum festgekettet ist, dann bemerkt man plötzlich, wie komfortabel so ein schlichtes Leben in einem einfachen Haus sein könnte. Wer brauchte schon die Macht einer Herrscherin, wenn er ein stilles und glückliches Leben führen konnte. Auf einmal verstand ich auch Roran viel besser. Er hatte immer darauf bestanden, dass er kein Soldat sein wollte. Bei den meisten wäre diese Aussage ein Hinweis gewesen, dass sie befördert werden wollten, aber selbst nach allen wohlverdienten Beförderungen hatte sich seine Aussage nicht verändert. Er beharrte immernoch darauf, dass er nur das Ende dieses Krieges wollte, um in Frieden mit Katrina ein ruhiges Leben als Bauer leben zu können.
Ganz so weit war es mit mir nicht, ich hatte mir diesbezüglich schon genug Fragen selbst beantwortet um zu wissen, dass ich mein Leben einem größeren Zweck für die weite Zukunft widmen wollte, und dafür eben auch Herrscherin und Befehlsgeberin sein würde, aber ich konnte seit diesem Bild nachvollziehen, warum viele Menschen möglicherweise absolut kein Interesse an solchen Positionen haben könnten.
Ich wäre tatsächlich neugierig gewesen, was Galbatorix daraus interpretiert hatte, dass ich viele Sekunden lang einfach auf das schlichte Haus gestarrt hatte. Ich war mir fast sicher, dass genau dieser Gedankengang über das einfachere Leben sein Motiv gewesen war, mir diese Welt zu zeigen. Auch wenn er narzisstisch, verrückt und egozentrisch war, sein Wahn reichte nicht so weit, dass er unfähig wäre, Gedankengänge vorauszusagen. Wenn er einmal falsch lag, würde er sich das kaum eingestehen können, aber aus bereits existierendem Wissen Schlüsse ziehen, konnte er weit besser als mir lieb war.
Ich hatte erst gedacht, dass er mir nur dieses eine Bild zeigen wollte, aber offenbar hatte er viel weiter vorausgeplant. Die Tür zu dem Haus wurde von innen aufgezogen und ein Mann, der aussah, als sei er um die dreißig, trat heraus. Als er ins Licht trat, erkannte ich, dass es sich um Murtagh handelte. Offenbar hielt Galbatorix es für wahrscheinlich, dass ich in einer freien Welt mit ihm, Murtagh, nicht Galbatorix, zusammen leben würde. Wie genau er darauf kam, ließ sich allerdings nur spekulieren. Das nennt sich Stockholm Syndrom! Was ist das? Nichts kinderfreundliches, lernst du vielleicht, wenn du älter bist.
Ich konnte mir vielleicht zusammenreimen, dass er glaubte, dass ich inzwischen erkannt hatte, dass sein Diener Murtagh war, und dass ich mir infolgedessen die Hoffnung machte, er würde mir entweder helfen, oder ich mir vielleicht vorstellte, dass er hier eigentlich auch ein Gefangener war und wir somit eine Form von Verbindung hatten. Was ich mit Sicherheit sagen konnte, dass es in mir weit mehr Fragen aufwarf, als er sich mit Sicherheit in der Vorbereitung gestellt hatte. Dieses Bild kam so unerwartet, ich hatte es einfach noch nie wirklich in Betracht gezogen und es kam mir komisch vor, das jetzt zu tun.
Es wurde jedoch noch fragwürdiger, als dieser ältere Murtagh zu mir, die ich mit einem sicherlich verwirrten Ausdruck im Gesicht vor der Veranda im Gras stand, herüber kam und meinte: „Narah hat schon wieder versucht, Emric mit Bauklötzen zu bewerfen, und lässt mich nicht mehr an sich ran, seit ich sie ihr weggenommen habe. Könntest du mal mit ihr sprechen?" In seinem Ton lag nichts vorwurfsvolles, sondern mehr eine Bitte. Sein Tonfall war es jedoch nicht, der mich irritierte. Es war mehr die Tatsache, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wer Narah und Emric waren. Ich kannte niemanden, der diese Namen trug, und meine einzigen Anhaltspunkte waren, dass zumindest Narah wohl noch mit Bauklötzen spielte und Murtagh das gesagt hatte, nachdem er aus dem Haus gekommen war.
Das ließ zwar einige unterschiedlich komische Rückschlüsse zu, aber ich wollte lieber Gewissheit haben, deshalb stellte ich die wohl banalste und empathieloseste Frage, die wohl möglich war. „Wo bin ich hier?" Meine Verwirrung war allerdings nicht nur äußerlicher Natur. Sie verwüstete auch mein Inneres so sehr, dass ich in dem Moment garnicht merkte, wie das kleine Wort ‚ich' sich merkwürdig beim Sprechen anfühlte. Anders als sonst.
In seinem Gesicht brannte sich auf einmal Besorgnis ein. „Ist es schon wieder passiert?" Ich wusste natürlich nicht, wovon er sprach und so entschloss ich mich, dies einfach direkt heraus auszusprechen.
Seine Besorgnis besserte das offenkundig nicht, als er erklärte: „Du hattest in den letzten Jahren immer wieder Blackouts, in denen du die Wirklichkeit vergessen hast und dich teilweise auch nicht mehr an einige Dinge erinnert hast." Auch wenn diese Behauptung sich komisch anhörte, klang der Schmerz in seiner Stimme dabei so echt, dass ich mich wirklich fragte, ob ich vielleicht tatsächlich so viel vergessen hatte, sodass ich mich an nichts seit der Halle der Wahrsagerin mehr erinnerte. Konnte das wirklich sein? Wenn ja, warum war der Übergang dann so plötzlich gewesen?
Nicht wissend über meine inneren Prozesse, kam Murtagh nun auch von dem Vorbau des Hauses herunter und legte mir die rechte Hand auf die Schulter. „Was ist das letzte, woran du dich noch erinnerst?", fragte er fast zärtlich. Wohl wissend, dass das vermutlich eine extreme Reaktion auslösen würde, antwortete ich in einem Ton, der eher nach einer Frage klang: „Urû'baen, die Halle der Wahrsagerin."
Wäre das hier eine Geschichte, dann würde jetzt beschrieben werden, wie sein Gesicht kreideweiß wurde. Da das hier jedoch keine Geschichte ist, Wenn du wüsstest... änderte sich lediglich sein Gesichtsausdruck. Eine Vielzahl von Gefühlen war darauf zu sehen, keines davon war positiv. Von Trauer und Verzweiflung bis hin zu Mitgefühl und Frustration war alles irgendwie dabei. Am Ende schien sich aber vor allem ersteres durchzuringen, als er mit vor Unglauben erstickter Stimme flüsterte: „Das ist sieben Jahre her, Nasuada. Du hast die vergangenen sieben Jahre vergessen? So schlimm war es noch nie. Unsere Kinder, Narah und Emric? Unser neues Zuhause, Gülai moi? Es ist alles weg?"
Ich nickte traurig. Irgendwie schlug seine Stimmung auf mich über. In einem Schimmer der Hoffnung hob er den Blick und sah mir in die Augen, und er fragte: „Soll ich es dir zeigen? Die meisten deiner Erinnerungen teile ich mit dir. Vielleicht hilft das deinen Erinnerungen auf die Sprünge." Tief in seinen Augen sah ich, dass er eigentlich wusste, dass das nichts bringen würde, aber ich wollte ihm diese Hoffnung, diese Illusion nicht nehmen. Ich nickte und schloss die Augen. Ich fühlte plötzlich ganz kleines Zucken, von dem ich nicht glaubte, dass ich es bewusst ausgelöst hatte, doch ich konnte mir keinen Reim darauf machen.
Sein Geist berührte mich und genau in dem Moment erkannte ich, dass ich mich in einer Welt aus Lügen verloren hatte. Es waren nicht sieben Jahre vergangen und das war auch nicht meine Zukunft. Es war ein von Galbatorix projiziertes Abbild. Dieser Geist war mit Sicherheit nicht der, dem ich am Tag zuvor so viel Vertrauen geschenkt hatte, einmal keinen geistigen Schutzwall zur Prävention zu errichten.
Meinen alten Gewohnheiten für einen solchen Fall folgend, rief ich in die Leere, denn ich hatte meine Augen noch immer geschlossen: „Ein Mann aus El'Harim, ein Mann mit gelben Augen.
Der sagte: ‚Flüstre nicht, denn flüstern wird nie taugen.'" Noch immer war dieser Reflex so fest antrainiert, dass er meine erste Reaktion bildete. Erst dann, als ich die Verse einige Male laut gesprochen hatte, erinnerte ich mich an mein frisch gelerntes und konzentrierte all meinen Hass zu einem so unveränderlichen Konstrukt, dass ich mich dahinter fast sicher fühlte. Nur für einen kleinen Moment ließ ich einmal eine Lücke in meiner Abwehr, um laut in den Raum zu rufen: „Ihr habt behauptet, Ihr würdet mich nicht anlügen. Was, wenn keine Lüge, war das bitte? Ein Beweis dafür, wie gerecht Eure Herrschaft ist?"
Ich bekam natürlich keine Antwort, aber es begann auch keine weitere Wahnvorstellung, weshalb ich für lange Zeit einfach in meinem Hass eingeigelt blieb und auf ein Zeichen wartete, von dem ich selbst nicht wusste, was es sein sollte.
Ich wusste nicht, wie lange ich so verharrte, aber irgendwann spürte ich dann ein leichtes Klopfen an der Fassade meiner Abwehr. Es war keine Gewalt und auch kein raffinierter Versuch, sich durch eine kleine Lücke zu drängen, deshalb lockerte ich nach einigen Sekunden den fokussierten Hass und spürte wieder den Geist, der mich vor dem ganzen gewarnt hatte. Er gab Entwarnung und ich bedankte mich ehrlich, war aber noch zu verwirrt von dieser gefälschten Vision und den konzentrierten Gefühlen, um länger sprechen zu können. Ihm passte das auch gut, da diese Kommunikation so offen war, dass jede Sekunde das Risiko erhöhte, entdeckt zu werden.
Als er sich wieder zurückgezogen hatte, dachte ich darüber nach, was geschehen war. Ich war definitiv gescheitert, als ich versucht hatte, mich zu verhalten, als würde mich das alles nicht betreffen. Was ich jedoch viel interessanter und bedenklicher fand, war der Gedanke, wie genau meine Reaktion ausgesehen hatte. Ich hatte es einfach so hinnehmen können, dass ich anscheinend mit Murtagh und zwei Kindern in einem eigenen Landsitz lebte. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, aber nun fragte ich mich tatsächlich, wie ich weiterleben wollen würde, wenn dieser Krieg zu Ende war.
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3116 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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