Kap. 10 Was ist den mit euch passiert?

Percy pov

Wir blieben über Nacht und teilten uns so zusammen mit Estelle mein altes Zimmer. Mom ließ zu, dass wir uns ein Bett teilten, warf uns jedoch noch einen warnenden Blick zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Der wäre aber zu der Zeit überhaupt nicht nötig gewesen. Rot wurden wir natürlich beide trotzdem. Die Zeit auf Orbis Terrarum Chaos fühlte sich immer nicht so richtig wie ein normales Leben an und auch wenn sie uns weit mehr Erfahrung gab, als andere in ihrem gesamten Leben sammelten, fühlten wir uns noch immer wie siebzehnjährige Teenager.

Neben uns stand das Kinderbett und von dort ertönte gleichmäßiges, leises Atmen. Es hatte etwas beruhigendes und entspannendes an sich. Arm in Arm lagen wir da, wobei es wirklich ein Vorteil ist, wenn man nicht atmen muss, und dachten über den Tag nach. Es dauerte jedoch nicht lange, bis wir ins Reich des Schlafes abdrifteten. Dieses Gefühl der absoluten Ruhe war nämlich etwas, was ich selbst jetzt, wo ich es nicht mehr brauchte, nicht aufgeben wollte. Kurz bevor ich einschlief, spürte ich noch sanftes Fell über meinen Nacken streifen. Dieses Fell konnte nur Nala gehören.

Hi Leute, mir ist heute nicht nach diabolischen Auftritten zumute, ich schicke euch jetzt einfach zu Percy und Annabeth, wie sie gerade auf dem Half-Blood-Hill ankommen. Am Morgen sind alle von dem Kichern von Estelle aufgewacht, die gerade mit Nala gespielt hat. Sally und Annabeth waren erst besorgt, aber Percy hat die Vorstellungsrunde übernommen und Nala hat ganz offensichtlich entschieden, dass sie Estelles persönlicher Schutzengel ist, Notfalls in Form von einem Haustier. Das war's damit erstmal, ich hoffe, nächstes mal kann ich wieder was dramatisches liefern.

Ich blickte hinab aufs Camp. Meine zweite Heimat und sie sah noch immer so aus, wie an meinem ersten Tag. Nicht identisch, zugegebenermaßen, denn an vielen Stellen zeigten sich noch die Spuren des Krieges, aber mein Blick ruhte mehr auf den vielen Dingen, die mich auch damals schon empfangen hatten. Es war ein wundervoller Ort. Ein Ort, an dem das beste aus einem miesen Schicksal herausgeholt wurde.

Zumindest dachte ich das, bis wir uns im Hauptgebäude mit unseren Freunden trafen und ich ihnen von unserer Begegnung erzählen wollte. „Leute, wir haben einen neuen Auftrag, aber dieses...", doch dann wurde ich von Jason unterbrochen und machte den Fehler, tatsächlich daraufhin zu verstummen. „Falsch, ihr habt einen neuen Auftrag. Wir sind jetzt Götter und stehen über solchen Dingen. Ihr seid selbst daran schuld, nicht dieses glückliche Schicksal gewählt zu haben."

Es kam irgendwie aus dem Nichts und verwirrte mich deshalb umso mehr. „Soll das ein Witz sein, Jason, ihr..." Als er mich dieses mal wieder nicht ausreden ließ, wurde ich langsam zu einem gewissen Punkt grundgeladen, so als ob etwas langsam unter der Oberfläche glühte. „Für euch heißt es jetzt Lord Jason, Sir Jason oder hoher Herr Jason. Wir sind gefälligst mit dem gebührenden Respekt anzureden."

Ich verstand die Welt nicht mehr. Das war doch der Junge, der noch zuvor einen Gott, Herkules, wegen seiner Überheblichkeit mit einem Blitz niedergeschlagen hatte, oder? Ich drehte mich zur Antwort halb zu Annabeth und fragte: „Wie lautete nochmal der Spruch, den jemand an die Hauswand gesprüht hatte? ‚Kein Respekt für scheiße'?" Sie nickte, auch wenn ich schon vorher gewusst hatte, dass es so war, und ich zeigte mit dem Finger auf ihn. „Wenn du Respekt willst, dann verdiene ihn dir. Ich rede deinen idiotischen Vater wenn überhaupt nicht mit Sir oder Lord an und das gleiche Schema gilt für dich."

Ich sah, wie er mich auch dieses Mal unterbrechen wollte, aber ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Sein Gesichtsausdruck war eindeutig, er meinte das ernst. Als ich wieder schwieg, nahm er einen zweiten Anlauf und rief: „Wage es nicht, uns je wieder so zu beleidigen!" Er hatte den Mund noch immer offen, offenbar wollte er noch etwas hinzufügen, aber Annabeth schnitt ihm das Wort gelassen ab. „Wie würdest du denn dann gerne beleidigt werden? Ich hätte da mehr verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, als Zeus Unterhose rote Punkte aufweisen kann. Was hältst du von einem Sohn seines überdramatischen Vaters, über den ich jetzt aus Rücksicht ein paar seiner peinlichsten Erlebnisse auslasse, dessen größte Narbe von einem Tacker kommt und der binnen Sekunden der Göttlichkeit alles vergessen hat, wofür er vorher stand? Klingt das besser? Wenn nein, ich kann auch den Filter der Rücksicht ablegen, dann gehen die Angriffe aber weiter auf eine persönliche Ebene. Überleg dir, ob du das willst." Diesen gesamten Vortrag ratterte sie ohne Atempause runter und sprach dabei so schnell, dass man sie kaum verstand.

Ich legte einen Arm um ihre Schultern und lächelte, als ich daran zurück dachte, wie sie mir einmal gesagt hatte, man müsse Götter mit Respekt behandeln. Auch als Jason fast brüllte: „Genug!", blieben wir beide ganz gelassen lächelnd stehen. „Percy, dieses Ausmaß an Gotteslästererung ist durch nichts mehr zu entschuldigen. Dafür werde ich dich..." Wenn man schonmal angefangen hat, sollte man es auch durchziehen, so dachte ich. „Ich hätte auch garnicht vorgehabt, das durch irgendwas zu entschuldigen, auch wenn insbesondere dein Verhalten und die Inaktivität der anderen Grund genug dazu wäre. Und mach jetzt keine Versprechen, die du nicht halten kannst."

Zornesfalten überzogen seine Stirn. „Ich bin ein Gott!" - „Ja und? Ich habe kein Problem damit, Götter zu schlagen. Ares ist auch ein Gott und noch dazu vermutlich als Olympier mächtiger als du und trotzdem konnte ihn ein zwölfjähriger, der sein erstes Schwert eine Woche zuvor bekommen hatte, in seinem eigene Gebiet schlagen. Das einzige, was dich von einem Halbgott unterscheidet, ist dein Ego und der Umstand, dass man dich, um es mit den Worten deines unsterblichen Bruders zu sagen, so oft zu Brei schlagen kann, wie man will, ohne dass du deine Erlösung in der Unterwelt findest. Also sag mir, was gedenkst du zu tun, Jason Grace?"

Es gefiel mir nicht, dass wir jetzt allen Ernstes eine solche Interaktion aufbauten, aber ich würde ihn ganz bestimmt nicht damit davon kommen lassen. In keinster Weise. Es war eine Sache, Zeus als ewigen Idioten hinzunehmen, aber es war etwas ganz anderes, wenn die eigenen Freunde, von denen man eigentlich wusste, dass sie anders und vernünftig waren, sich plötzlich so gegen einen wandten.

„Wir werden dich für dieses Verhalten so züchtigen, dass dein Körper Monate lang keine Kraft mehr für das Formen eines Bewusstsein haben wird, und das solange wiederholen, bis du uns anerkennst!", rief der Sohn des Jupiters. Ich gähnte. Es war eine leere Drohung, sonst hätte Ares das ja bereits gemacht. Das oder mehr. „Ich hoffe, du bist dir darüber bewusst, dass Annabeth dich dann in alle Ewigkeit in die Vergessenheit foltern wird." Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Dann werden wir sie töten."

Und an diesem Punkt war jeder Witz, den wir uns daraus machten, aus unserer beider Gesichter verschwunden. Mit schneidend kalter Stimme gab meine wundervolle Freundin zurück, „Versucht es doch. In einer Viertelstunde in der Arena. Wir werden beide da sein und auf Fähigkeiten verzichten. Ihr könnt tun, was ihr wollt. Dann werden wir ja sehen, ob ihr wirklich das seid, was in eurer eigenen Auffassung Respekt und Anerkennung verdient.

Wir warteten im Haupthaus, bis die anderen weg wären. Dann lösten wir uns an Ort und Stelle auf erschienen wieder in der noch leeren Arena. Leer, abgesehen von ein bisschen Material, das am Rand rumlag.

Und da wir nun einen Kampf gegen mehrere Götter vor uns hatten, trafen wir natürlich alle Vorbereitungen, die nötig waren. Garkeine. Wir legten uns flach auf den Rücken, Hände ineinander verflochten, und blickten in den Nachmittagshimmel. Was war bloß mit den anderen geschehen?

Jason pov

Guckt mal was ich kann. Ne Spaß, aber ich habe mir überlegt, dass die meisten Geschichten jedes Gespräch, jeden Streit nur einseitig beleuchten und mir deshalb vorgenommen, so oft wie möglich mehrere Sichtweisen zu verwenden. Das klappt natürlich nicht immer und manchmal sind diese Seiten nicht mit meiner Vorstellung von Vernunft vereinbar, aber das ist in der Realität auch so.

Was dachte sich dieser Junge eigentlich? Er bekämpft unsterbliche? Weiß er nicht, dass er einen solchen Kampf niemals gewinnen könnte? Nun gut, soll er seine Abreibung bekommen, aber dieses Mal wird sich niemand für ihn opfern. Ich hatte beschlossen, nicht nochmal das Risiko einzugehen, mich vor ihren Augen zu teleportieren, doch sobald wir aus der Tür getreten waren, löste ich mich in einen rotschwarzen Schatten auf und raste zur Arena. Ich spürte, wie mir sechs ähnliche Gestalten folgten.

Wir nahmen wieder die Form der jämmerlichen Erdbewohner an und ich lief auf den Eingang zu. Plötzlich spürte ich, wie unsere Einigkeit brach. Sturm und Tod liefen seitlich an uns vorbei zu den Tribünen, nicht durch den Haupteingang. „Wo geht ihr hin?", fauchte ich. Der törichte Junge, dessen Vater den langweiligen Teil der Unterwelt steuerte, antwortete: „Wir haben entschieden, dass wir uns hier nicht in den Streit einmischen werden."

Das konnte nicht möglich sein. Wir sollten doch jetzt alle gleich funktionieren! Aber ich brauchte sie nicht, um mir das zu holen, was ich wollte. Und so betrat ich mit gezücktem Gladius die Arena.

Percy pov

Mehr kann ich euch trotzdem nicht geben, das würde sonst Spannung nehmen.

Als die anderen uns erreichten, war das erste, was mir auffiel, zwar der Umstand, dass sie alle uns verwirrt anstarrten, wie wir schon hier sein konnten, denn sie waren ver-DAMM-t schnell gewesen, aber viel wichtiger war das zweite, was mir auffiel. Sie waren nicht mehr zu neunt, sondern nur noch zu fünft. Nico und Thalia saßen auf den Tribünen und beobachteten das Schauspiel.

„Du kannst dir nicht vorstellen", rief mir der Sohn des Jupiter entgegen, „wie sich diese Macht anfühlt! Dieses Gefühl der Stärke ist etwas, was du nie erleben wirst!" Ich lachte ihn aus. Bereits als Halbgott war meine Macht mindesten so groß gewesen, wie seine jetzt. Meine normale, ohne Einfluss von Emotionen. Dazu kam, dass ich zum einen sehr wohl auch mit Machtschüben Erfahrung hatte und dabei hatte ich es nicht als so berauschend empfunden, wie er es beschrieb. Damit war also seine gesamte Aussage von vorne bis hinten falsch.

„Doch kann ich und es fühlt sich nur berauschend an, wenn man sich durch seine Stärke identifiziert", sprach Annabeth meine Gedanken aus. „Wie kannst du es wagen, du..." - „Es gibt eine ganze Menge Möglichkeiten, wie wir das wagen können. Wollen wir diesen Dialog wirklich nochmal anfangen oder möchtest du jetzt endlich bei dem Versuch scheitern, uns unserer vermeintlich unangemessenen Respektlosigkeit wegen zu bestrafen?", unterbrach ich ihn. Und das stieß ihn wohl über die Kante der Beherrschung.

Er brüllte auf und stürzte sich auf mich, ein Schwert in seiner Hand erschaffend. Binnen einem Sekundenbruchteil standen Annabeth und ich wieder auf den Beinen, Rücken an Rücken. Die anderen bildeten einen Kreis um uns. Wir tippten einmal an die Perlen an unseren Halsketten und sofort hatten wir beide unsere Waffen in der Hand. Unsere Gegner kämpften mit unterschiedlich viel Elan, Hazel schien noch am wenigsten mitgerissen, drei auf mich, zwei auf Annabeth.

Ich wollte mir nicht vorstellen, wie sie sich fühlen mussten, während sie zu zweit als Götter von Annabeth mit bloß einem Dolch in Schach gehalten wurden. Eigentlich war das natürlich Normalfall, aber sie hatten ja gerade ihren Egotrip und dabei dürfte der Fall besonders schmerzhaft werden. Ab und an flogen auch Projektile von Feuer bis Eisen auf uns zu, doch keines davon kam an unseren Klingen vorbei.

Wir spielten eine Weile mit ihnen. Ich hätte Jason im ersten Schlag in eine äußere Umlaufbahn schießen können, aber ich verzichtete darauf und machte mir stattdessen einen Spaß daraus, ihn immer wieder ins Leere rennen zu lassen. Natürlich blieb ich fast die gesamte Zeit so langsam, dass es auch für einen Halbgott noch möglich war, aber wenn unsere Klingen aufeinander trafen, war niemals ich derjenige, der zurück weichen musste.

Aber nach einer Weile verfielen sie, anders als wir, in eine Art Muster in ihren Angriffen und wurden berechenbar. An dem Punkt machten Duelle keinen Spaß mehr und so nutzten Annabeth und ich einen doppelten Angriff von Piper und Leo zur gleichen Zeit um hochzuspringen, unsere Rücken gegenseitig als Wand zu benutzen und den beiden synchron vor die Brust zu treten. Sie flogen zurück und krachten mit solchem Schwung in das Gerüst der Arena, dass ich bei Sterblichen Wesen Angst um ihr Wohlbefinden gehabt hätte.

Ebenfalls im Einklang landeten die Knäufe unserer Waffen auf den Köpfen von Hazel und Frank. Nicht einer schweren Verletzungen im Gehirn, sondern alleine des Schwungs wegen gingen die beiden ebenfalls zu Boden und rieben sich die Köpfe. Zu ihrem Glück standen sie aber erstmal nicht wieder auf. Jason fletschte die Zähne und wollte uns vermutlich wieder drohen, aber ich trat ihm so schnell und heftig ans untere Ende seiner Rippen, dass er ebenfalls mehrere Meter nach hinten geschleudert wurde und im Staub der Arena zum liegen kam.

Er blickte uns finster an. „Sei verflucht, Perseus Jackson!", rief er, bevor seine Augen sich verdrehten und sein Körper schlaff wurde. In diesem Moment machte etwas Klick in meinem Kopf. Diesen Namen gaben mir nur meine Feinde. So war es seit jeher. Ja, ich zähle Herrn und Frau Dramaqueen zu Feinden.

Sofort versuchte ich, in seine Gedanken einzudringen, um herauszufinden, was da geschehen war, doch ich kam zu spät. Da war nichts mehr. Nur ein verwundeter Geist von Jason, der versuchte, sich wieder zu erholen. Ich gab ihm die Kraft, um innerlich wieder auf die Beine zu kommen und so ging es ihm schnell besser. Die Ursache jedoch konnte ich nicht finden, ohne die Zeit zu verdrehen, denn das war ein Trick, den nur Chaos beherrschte und selbst er nur mit Mühen. Man musste dafür nämlich das gesamte Universum in jedem Augenblick rückwärts erschaffen, etwas unfassbar kräftezehrendes, was für mehr als ein paar Sekunden nahezu unmöglich war. Und ich hatte schon zu lange gebraucht, um diese Erkenntnis zu gewinnen. Lehrerfahrung, beim nächsten Mal wäre ich vielleicht schneller.

Jetzt ließ sich noch hoffen, dass er zumindest etwas behalten hatte, was er uns mitteilen konnte. Gleichzeitig war ich in diesem Augenblick sehr froh, über Chaos Geschenk. Ohne es hätte ich jetzt schon wieder befürchtet, dass dieses Ereignis einen Auftrag zur Folge hätte. Versteht mich nicht falsch, es konnte durchaus sein, dass dieses etwas, was Jason da beeinflusst hatte, gefährlich war, aber mein Wesen war jetzt nicht mehr der kleine Junge aus Manhattan, der von den Göttern umher gescheucht wird, ich konnte Nachforschungen für mich selbst anstellen und mindestens genauso wichtig, ich konnte mit meinem Bewusstsein immer überall sein.

Es ist eigentlich so, dass ich wirklich nahezu überall zur gleichen Zeit bin. Ich nehme alles wahr und weiß alles. Gleichzeitig ist aber die Form von mir, die andere Wesen wirklich mit den normalen Sinnen wahrnehmen, nicht viel mehr als ein gewöhnlicher Gott, der einfach etwas stärker als die anderen ist. Naja, etwas ist ein Euphemismus, aber darum geht es nicht. Der primäre Unterschied besteht darin, dass ich eine Verbindung zu diesem allumfassenden Teil meines Bewusstseins habe und wenn ich genaues Wissen daraus haben will oder dort etwas so gewaltiges geschieht, dass es bis zu mir hervor dringt, dann entsteht eben eine Brücke.

Zu meinem Unglück konnte ich damit zwar nicht fragen, wer vor einer Minute an diesem Ort gewesen war, aber ich könnte zum Beispiel eine Vermutung überprüfen, in dem ich überlegte, wie eine bestimmte Person sich bewegt hatte, und dadurch zurückführen konnte, ob zum Beispiel Chiron eben durch die Arena gelaufen war. War er nicht, seine Spur zeigte, wie er eben ins Hauptgebäude gelaufen war.

Ich musste also einfach hoffen, dass sich das Feld der verdächtigen mal etwas einschränken würde, denn noch gab es genug Wesen, die rein hypothetisch in Frage kämen. Viel zu viele.

Thalia und Nico kamen nun ebenfalls zu uns runter gesprungen und halfen den anderen auf. Nico natürlich zu aller erst seiner Schwester. Sie kamen dann alle gemeinsam auf uns zu und ich erkannte klar und deutlich an jedem einzelnen Gesichtsausdruck, dass sie wieder die alten waren. Zum Glück.

Ich wollte gerade fragen, ob sich irgendwer an irgendetwas erinnerte, doch Thalia kam mir zuvor. „Was zum pieeeeep, wird nicht ausgestrahlt!, Percy, Annabeth, was war das? Erstens, Annabeth, seit wann hast du so ein aus dem nichts erscheinendes Messer? Zweitens, was war das für ein Kampf? Da könnte man die Geschichte von Menschen, die Zeus in zwei Teile geteilt hat, weil sie einem zusammen zu stark gewesen sind, ja fast glauben." Sie musterte uns misstrauisch, doch ich hatte inzwischen gelernt, zumindest ihr standzuhalten. Bei Annabeth war das nochmal ein ganz anderes Thema, aber zumindest mit der Tochter des Zeus war ich gleich auf.

„Das erklären wir gleich. Zuvor aber noch etwas anderes. Erinnert ihr euch an irgendwas, was gerade mit euch passiert ist? Wir wissen, dass das nicht ihr wart, aber mehr auch nicht." Jetzt blickten die eben noch so stolzen Götter auf ihre Füße.

Schließlich fand doch Jason als erstes die Worte. „Es war, als würde eine Stimme in meinem Kopf sprechen, die mir immer andere Dinge vorgelegt hat, als ich normalerweise sagen oder auch nur denken würde. Nicht so wie bei den Eidola, bei ihnen hatte man keinen Einfluss, mehr so, als würde man selbst denken, man handle normal, aber die Grundlagen, auf denen man handelt, sind nicht normal." Die anderen nickten zustimmend und Nico ergänzte, „Es war wie Minos damals. Er hat mir Unwahrheiten erzählt, die mich zu anderen Handlungen geführt haben. Nur dieses Mal kamen sie von innen. Nur wegen Minos habe ich überhaupt erkannt, dass das nicht meine eigenen Gedanken waren."

Es folgte ein betretenes Schweigen, bis Annabeth schließlich fragte: „Irgendetwas auffälliges, woran man vielleicht erahnen könnte, wer es gewesen ist?" Thalia stieß ein tiefes Knurren aus und meinte, „Na ganz eindeutig dass diese Person die Ansicht vertritt, die verdammten Götter wären etwas besseres." -„Er mochte Nicos Dad nicht." - „Ein unbestimmtes, dunkles Gefühl", kamen noch weitere Einwürfe, aber nichts davon war eine wirklich hilfreiche Einschränkung.

Ich nickte unzufrieden und musterte dann die anderen. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie jetzt so weit sensibilisiert waren, dass sie sich nicht nochmal so einfach ihre Persönlichkeit überschreiben lassen würden. „Schön, passt nur auf, dass ihr nicht nochmal auf soetwas hereinfallt und wenn es doch passiert, gebt euch zu erkennen. Ansonsten sind wir jetzt damit fertig und ihr könnt eure Fragen stellen."

Wir ernteten eine Reihe erleichterter Blicke und wieder war Thalia die erste, die sich zu Wort meldete. „Um meine Frage von eben zu wiederholen, was bei Zeus viel zu oft nicht getragener pink gepunkteter Unterhose habt ihr da unten eben veranstaltet? Ich habe drei Dinge, über die ich mich erklärt haben möchte und ich gehe hier nicht weg, bevor ich nicht auf alle eine Antwort habe. Percy, du hast keinen Stift rausgeholt, bevor dein Schwert in deiner Hand erschienen ist. Annabeth, dein Messer ist ein normaler Knochen, seit wann kann es überhaupt seine Gestalt ändern? Ihr beide, die Materialien eurer Waffen waren nicht die selben, die ihr gegen Gaia benutzt habt, bei Percy nur kleine Unterschiede, aber dieses Messer, was du in der Hand hattest, Annabeth, war nicht aus Metall. Und zu guter letzt, diesen Kampfstil, diese Abstimmung und diese Kraft hat kein Halbgott je gehabt. Also?", und sie zog nach dieser Frage auffordernd die Augenbrauen hoch.

Ich blickte Annabeth an. Sie nickte, ich nickte und sie sagte, „Du sollst deine Antworten bekommen, Thalia, aber dafür ist es denke ich einfacher, wenn ihr noch schnell Kalypso und Will holt. In den gegebenen Konstellationen macht das sonst keinen Sinn mehr."

Gesagt getan, keine Minute später standen die beiden ebenfalls hier und hatten einen kurzen Crashkurs über die Geschehnisse der letzten halben Stunde erhalten. Jetzt waren sie beide auch neugierig, auch wenn sie nicht gesehen hatten, was genau geschehen war.

„Gut, jetzt, da ihr alle da seid, hätte ich gerne einen stygischen Schwur von euch allen, dass nichts, wirklich nichts davon, was ihr in der nächsten Stunde erfahren werdet, ohne unsere Erlaubnis von euch nach außen weiter gegeben wird. Diese Bedingung ist nicht verhandelbar." Wir hatten offenbar ernst genug geguckt und so diskutierte nichtmal Leo, sondern sie alle ratterten schnellstmöglichen Schwur herunter.

Und dann begann zum zweiten Mal an einem Tag die Erklärstunde. Wir hatten in den Erklärungen oft genug ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir keine Ehrerbietung wollten und bis auf Leo, der daraufhin auf die Knie fiel und uns wie die den Sonnengott im alten Ägypten huldigte, nur um uns zu ärgern, hielten sie sich daran. Auch wenn man bei jeder Nachfrage und jedem Kommentar raushörte, dass sie irgendeine Strafe fürchteten, was sich eigentlich ziemlich direkt und isoliert auf das ihnen entgegengebrachte Verhalten und ihre Erfahrung mit den verfluchten Olympier zurückführen ließ. Thalia war noch diejenige, die am offensten und lockersten blieb, als sie bemerkte: „Ich hätte gerne gesehen, wie ihr euch innerlich kaputt gelacht habt, als ihr gehört habt, was der Olymp uns geben wollte. Jeder von euch einen gratis Wunsch ohne Einschränkungen und ohne zu befürchtende Nachteile. Sowas möchte ich auch mal machen können." Daraufhin mussten alle lachen und es entspannte die Situation etwas. Trotzdem gefiel es mir nicht, wie unsere neue Position in unsere Beziehungen hier ein floss.

Das änderte sich erst, als Annabeth irgendwann genervt aufstöhnte und meinte: „Leute, benehmt euch einfach normal, okay? Percy war doch die ganze Zeit auf der Argo mächtiger als ihr, und hat euch trotzdem nichts getan. Wir sind immernoch die gleichen und es gibt genau zwei Dinge, mit denen ihr Risiko lauft, vielleicht doch irgendwann Stress mit uns zu bekommen. Entweder ihr versucht mehrfach uns hinterrücks zu erstechen, was natürlich nichts bringt aber trotzdem, oder ihr macht weiter mit dieser Ehrfurcht. Die bringt niemandem etwas und außer von Zeus und Hera wollen wir sie von niemandem und werden sie von niemandem fordern. Angekommen?"

Die anderen nickten schnell und in den darauf folgenden Minuten entspannte sich die Stimmung tatsächlich weitestgehend. Ich hörte sogar, wie Leo Kalypso zuflüsterte, „Siehst du, du hättest mit Percy einen viel besseren Deal gemacht, als mit mir", ganz der Alte eben.

Locker genug, dass sich endlich auch eine von ihnen, Hazel, traute, uns zu fragen, was wir zuvor hatten vorschlagen wollen. Wir begannen also, ihnen von unserer Begegnung mit Dumbledore zu erzählen und als sie von der Schule der Zauberer erfuhren, brannten sofort alle darauf, uns nach Hogwarts zu begleiten. Kaum eine Überraschung, denn viele der Missionen, auf die wir als Halbgötter gingen, waren ja tatsächlich teilweise auch schöne Abenteuer gewesen, nur dass man dazu gezwungen wurde und dabei sterben konnte, hatte das ganze wirklich nicht besonders schmackhaft gemacht. Diese beiden Probleme waren aus dem Weg und so konnte ich ohne weitere Diskussion einen Brief erschaffen, denn schreiben funktionierte bei mir noch immer nicht so zuverlässig, vielleicht war ich dabei auch ein wenig trotzig, in dem ich uns alle elf als Besucher ankündigte. Kalypso bekam nach dem Namen der Pflanze, die sie mir mitgegeben hatte, als ich Ogygia verlassen hatte, Mondgewebe, Ich habe ewig nach diesem Namen gesucht den Nachnamen ‚Moonlace'.

Hier ist Manfred. Es ist mal wieder Zeit, ein wenig Zeit zu überspringen, um euch unwichtige Nebeninformationen und dem Autor Arbeit zu ersparen. Das wird weder das erste, noch wird es das letzte Mal gewesen sein. Wenigstens stehe ich dazu. Tust du nicht. Ich kündige das jedes Mal an! Denkst du wirklich, wenn ich etwas geheim halten wollen würde, würde ich es jemandem, der mit Keksen so bestechlich ist wie du, verraten?

Am späten Nachmittag kehrten wir zu meiner Mom zurück. Wir würden nicht mehr lange hier bleiben und zumindest die wenigen Tage, bis wir uns auf den Weg nach Hogwarts machen würden, wollte ich noch zumindest teilweise zuhause verbringen. Zuhause mit meiner Familie. Am Vorabend hatte sie uns erzählt, dass Paul gerade auf einer Fortbildung war, jedoch zwei Tage später zurück kommen würde. Ich freute mich auch auf ihn, denn man konnte durchaus sagen, dass er in meinem Leben zusammen mit vielleicht Chiron am nächsten an die Rolle eines vernünftigen Vaters rankam.

Wir betraten die Wohnung und kaum eine Minute später stand der große, besorgte Bruder, der ich nunmal war, an dem Bett seiner kleinen Schwester. Kaum war ich durch die Tür, hatte Mom mir nämlich mitgeteilt, dass Estelle sich eine Erkältung mit starkem Fieber eingefangen hatte. Sie schlief zwar gerade, aber als ich meine Hand in ihre Nähe hielt, spürte ich, wie ihre Stirn förmlich glühte.

Ich brauchte einige Minuten, um Mom zu überreden, uns zu erlauben, für dieses Problem unsere Verbindungen auszunutzen, selbst nachdem ich ihr versprochen hatte, dass es vollkommen ungefährlich war, aber schließlich erlaubte sie uns, die kleine mit zu Apollo zu nehmen. Im Nachhinein fiel mir auf, dass ich das auch selbst gekonnt hätte, aber, wie Annabeth regelmäßig und nicht zu unrecht bemerkte, ich war nunmal ab und an ein Algenhirn.

Der entscheidende Punkt, mit dem ich sie umstimmen konnte, war, dass wir nur schlecht sagen könnten, wie es ihr wirklich ging, bevor sie sprechen konnte, und dass Apollos Heilung keinen Einfluss auf ihrer weiteres Leben hätte, indem es sie näher an die göttliche Welt rückte. Von dieser wollte sie sie nämlich, wer könnte es verübeln, so weit wie möglich fern halten.

Eine Sekunde später standen wir vor dem Tempel des Apollo auf dem Olymp. Annabeth und ich standen Seite an Seite da, Estelle und Nala kuschelten sich in meinen Arm. Sie sah nicht so aus, als würde es ihr wirklich schlecht gehen, aber ich wollte sicher gehen.

Ich schlug drei mal gegen die Tore des Tempels, nicht zu laut, denn kleine Kinder reagieren auf zu laute Geräusche meistens nicht all zu gut. Wie von Geisterhand schwangen sie auf und dahinter erwartete uns eine warme Abendsonne. Natürlich keine echte, aber anscheinen hatten wir Apollo an einem guten Tag erwischt und so zeigte sich die Sonne von ihrer besten Seite.

Drinnen lag Apollo auf einer Sonnenliege mit Toga und Sonnenbrille. Allein das war ein Bild, was man schwer aus dem Kopf bekommen konnte. Als er sah, dass wir es waren, sprang er auf, kam zu uns rüber und rief: „Ah, unsere beiden Anti-Götter. Mann war Zeus sauer. Was kann ich für euch tun? Sommerbräune? Sonnenwagen? Jemanden erschießen?" Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. Der Krieg war vorbei und er hatte wieder volle Energie.

Ich deutete mit der freien Hand auf Estelle. „Meine kleine Schwester hier, von der deine liebe Tante kein Wort erwähnt hat, als sie mich wider Willen aus meinem alten Leben gerissen hat, hat Fieber und ich hätte gerne von dir eine Bestätigung, dass es ihr gut geht." Er überlegte gespielt. Man sah ihm an, dass er die Frage nicht ernst meinte, aber alleine der Gedanke machte mich ein kleines bisschen wütend. Der letzten Monat hatte nicht dazu beigetragen, dass die Götter auf meiner guten Seite standen, auch wenn er noch vergleichsweise in Ordnung war. „Göttliche Heilmagie also. Was hättest du denn im Angebot?"

Ich lächelte ihn mit einem Gesichtsausdruck an, der klar machte, dass ich ihm eine Delle zwischen die Augen schlagen würde, wenn er diese Masche fortführen würde, und antworte im dazugehörigen Tonfall: „Ich vergesse, dass du derjenige warst, der Oktavian vor seinem Vorhaben zum Massenmord gesegnet hat und sehe davon ab, den Olymp in Schutt und Asche zu legen, wie er es eigentlich verdient. Wie klingt das?" Neben mir stieß Annabeth einen kleinen Pfiff aus und bemerkte: „Ich kann dir versichern, er meint das genau so, wie er es sagt. Erfahrung..."

Dem Gott der Sonne entglitten seine Gesichtszüge für einen Moment, als ich seinen römischen Nachkommen erwähnte. „Ich wollte nicht..." - „Du hast mein Angebot gehört. Kümmere dich um sie und ich werde diesen Namen nie wieder vor dir verwenden. Ich hatte nicht vor, dir zu drohen, aber wenn du einmal von deinem göttlichen Ego runter trittst, kannst du vielleicht nachvollziehen, dass ich nach einer Wanderung durch die Hölle selbst, durch die Götter verschuldet, nicht mehr besonders gut auf diese Art von Ironie reagiere. Ihr habt das nämlich genauso oft ernst gemeint. Also, du kümmerst dich um sie, ich vergesse Roms größte Enttäuschung der letzten zweitausend Jahre und wir vergessen beide, dass für diese Abmachung Morddrohungen nötig waren, wie klingt das?"

Er dachte einen Augenblick nach, hob dann aber zum Glück ergeben die Hand, streckte sie mir danach aus und wir schlugen ein. Von da an lächelte er wieder und es sah sogar so aus, als wäre es nur zur Hälfte aufgesetzt.

Als er sich vorbeugte und meine kleine Schwester betrachtete, hielt ich sie weiter sicher im Arm. Als sie ihn jedoch sah, streckte sie die niedlichen kleinen Ärmchen nach seinen Augen aus. Gut gemacht, immer auf die Augen. Spätestens da hatte Apollo wieder vergessen, wie unangenehm das Gespräch eben für ihn gewesen war. Eine Veränderung, die ich dankend in Kauf nahm.

Behutsam legte er zwei Finger an ihre Stirn, die sie sogleich mit ihren Patschhändchen ergriff, und ein leichtes goldenes Licht breitete sich von dort aus. „Es war nichts schlimmes. Aber es geht ihr von jetzt an wieder gut." Während er das sagte, hielt er ihr seinen Zeigefinger hin und sie versuchte sich aufzurichten und damit zu spielen. Er war wirklich nicht schlecht mit Kindern, wenn er sich doch mal die Zeit nahm, sich um sie zu kümmern.

„Danke Apollo. Wir werden es uns merken." Nun konnte ich ihm tatsächlich auch ein ehrliches Lächeln geben. Das war eigentlich viel angenehmer, denn ich konnte es nunmal nicht vollständig vortäuschen.

Wir verabschiedeten uns und Annabeth nahm Estelles Arm in ihre Hand und winkte Apollo damit. Dieser grinste und gerade als wir uns umdrehen wollten, erschien ein Funkenregen über dem kleinen Kind. Ein Funkenregen aus goldenen Funken. Während sie versuchte, nach dem Leuchten zu greifen, drehte ich mich blitzschnell um und sah Apollo mit hochgezogener Augenbraue an.

Er hob abwehrend die Hände. „Ich mag die kleine, also hat sie meinen Segen bekommen. Keine Sonnenbrände, keine Krankheiten und niemals Symptome von Lichtmangel. Das sollte doch nichts verwerfliches sein. Damit hatte er recht, trotzdem hätte er fragen können.

Das änderte jedoch nichts an der Lage, also bedankten wir uns, denn der Segen eines Gottes war tatsächlich etwas seltenes und besonderes. Als wir jedoch wieder draußen waren, fiel mir zum einen wieder ein, dass ich alles in den letzten Minuten auch hätte selbst tun können - „Algenhirn!", hatte Annabeth für mich deutlich hörbar gemurmelt - da wir aber eh nichts mehr daran ändern konnten, teleportierten wir uns zurück nach Hause und übergaben meine kleine Schwester wieder in Moms Obhut.

Als wir ihr von der Segnung erzählten, nahm sie das erstaunlich locker, wenn man bedachte, das sie zuvor garnicht gewollt hatte, das wir mit ihr überhaupt auf den Olymp gehen würden, aber sie wollte sofort wissen, ob es möglich sei, dass auch diese Verbindung mit den Göttern Monster anlocken würde. Zum Glück konnten wir sie dabei beruhigen und so machten wir uns auf den Weg, auch noch eine zweite Gottheit an diesem Tag aufzusuchen. Hekate, denn, wie wir nach der richtigen Frage an uns selbst wussten, war sie für die Existenz der Zauberer verantwortlich und auch diejenige, die den anderen die Fähigkeit geben konnte, durch einen Zauberstab Magie zu wirken.

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5137 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.


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