Kapitel 7
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich einen Zyklopen, ein etwa dreifach größeres Monster als ein Mensch mit nur einem Auge, sah, der vor dem Palast meines Feindes stand. Unaufhörlich strömte die Frage durch meinen Kopf, wie wir da nur vorbeikommen sollten? Ich hatte keine Magie und ohnehin wurde jeder bis auf wenige Ausnahmen vom bösen Wind kontrolliert. Als ich mich wieder zu der Person umdrehte, die ich befreit hatte, sah diese mich prüfend an. ,,Und? Wie sieht es aus?" Ohne nachzudenken, sagte ich dem Fremden: ,,Nicht so gut. Ein Zyklope bewacht den Hauptausgang des Palastes und ich habe keine Ahnung, wie wir da vorbeikommen können." ,,Wieso machst du nicht einfach wieder diesen Wasser-Trick, womit du mich befreit hast?", sagte die Gestalt besserwisserisch. Ich rollte genervt mit den Augen. Wir hatten echt keine Zeit für sowas. Schließlich mussten wir irgendwie zurück nach Midgard, der Erde, kommen, um erstmal zu überlegen, wie wir dann fortfahren sollten. Dennoch antwortete ich ihm, versucht meine Wut zu verdrängen: ,,Nein, kann ich nicht, da ich erstens kein Wasser habe und zweitens ist das dort ein Zyklop und das bedeutet, er wurde nicht vom bösen Wind erschaffen. Es ist ein Wesen aus einer anderen Welt, welches sich ihm unterworfen hat, und zwar freiwillig. Die Kreaturen, die ich mit Wasser getötet habe, wurden von ihm erschaffen, genau wie das Material für die Zellen." ,,Achso, also kann man alles mit Wasser zerstören, solange es vom bösen Wind geschaffen wurde. Sehr interessant. Aber wenn das nicht geht, wie wollen wir dann an diesem Monster vorbeikommen?", fragte die andere Person. Danach folgte eine nachdenkliche Stille. ,,Ich hätte eine Idee. Die Frage ist nur, ob du mir vertraust." Der Fremde sah mich fokusiert durch seine Kapuze an. So wirklich wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich ahnte einerseits, dass er in seinem Herzen gut war und sehr viel litt, jedoch sprach das mulmige Gefühl in meinem Magen auch eine andere Sprache. Dennoch nickte ich. Meiner Meinung nach hatte jeder eine zweite Chance verdient, also auch er. Auch ohne meine Magie wusste ich, was er fühlen musste und ich wusste, dass er sich wirklich ändern wollte. ,,Gut, also der Plan ist folgender: Ich gehe jetzt in die Richtung der Stadt von diesen Monstern und richte so viel Schaden an wie es geht. Währendessen schleichst du dich an diesem Zyklopen zum Portal vorbei, welches uns nach Midgard, also zur Erde bringt. Geht das so?" Der Fremde wartete auf meine Reaktion. Ich überlegte. An sich kein schlechter Plan, doch ich machte mir Sorgen, dass er dann vielleicht wieder gefangen werden könnte. Wenn es doch nur eine andere Möglichkeit gäbe. ,,Na gut, aber versprich mir, dass du es bis zum Portal schaffst." Ich schaute ihm in die Augen. Dieses Mal wollte ich die Wahrheit hören. ,,Werde ich.", versprach er mir. Dann rannte er in den Wald. Ich schaute ihm sorgenvoll nach. Als er hinter den Bäumen verschwunden war, konzentrierte ich mich wieder auf den Wächter. In diesem Augenblick hörte ich einen gewaltigen Knall, der vom Wald ausging. Aus Reflex blickte ich in die Richtung und sah eine riesige Rauchwolke. Okay, das war schon beeindruckend. Eine Ablenkung war das allemal. Doch leider schien es, der Wache wenig zu interessieren. Ich bräuchte also etwas anderes, sonst wäre alles umsonst gewesen. Auf dem Boden lag ein Stein. Wie von selbst bildete sich in meinem Kopf eine Idee. Ich hob den Stein auf und warf ihn an einen Baum im Wald. Es funktioniert und der Zyklop wurde auf die Bewegung aufmerksam. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, ging er in den Wald. Ich nutze die Chance und rannte schnell dorthin, wo ich das Portal vermutete. Und tatsächlich dort war es. Umgeben von mehreren Soldaten. Schnell versteckte ich mich hinter einer Kiste, die, wie alle anderen, die dort waren, zum Palast ausgeliefert werden sollte. Ich beobachtete die Wachen genau. Wieder war ich planlos.
Blinzelnd öffnete ich die Augen. Relativ schnell gewöhnte ich mich an das Licht. Es kam sowohl von dem Raum, der vor meinem liegen musste und als auch von einem Gitterfenster über mir. Ich erkannte, dass ich in einem dunklen Durchgang war, der aussah, als ob er ein Kellergewölbe eines alten Schlosses war. Breit war er nicht gerade, dafür aber umso länger. Ich fühlte Seile um meine Hände. Natürlich hatten sie mich gefesselt. Aber ich würde ihnen nicht das geben, was sie wollten. Das stand schon mal fest.
Ich zuckte zusammen, als ich Stimmen vernahm, die auf mich zu zukommen schienen. Beide waren mir nur zu vertraut. ,,Zum Glück konnten wir das Vibranium dieser Feier bekommen, sonst hätte Doktor Selvig dieses Gerät nicht fertig stellen können.", sagte, glaube ich, der Bogenschütze, der mich hierher gebracht hatte. Es folgte kurze Stille, dann antwortete Loki gehässig: ,,Ja, zumindest das konnten wir erreichen." Aber dann fuhr er wütender fort: ,,Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass ich nicht von ihnen gefangen worden bin und wir deshalb einen neuen Plan brauchen, wie wir diese verdammten Helden loswerden." ,,Wir arbeiten dran.", meinte die männliche Version von Katniss Everdeen untergeben.
,,Gut und stör mich erst wieder, wenn ihr einen Plan habt.", befahl Loki. Dann hörte ich Schritte weggehen. Der Schütze war anscheinend gegangen. Ich vernahm Loki kurz seufzen. Nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren, hörte ich Loki näher kommen. Sofort begann mein Herz zu rasen. Ich musste es schaffen und weiter die Schüchterne, Ängstliche und Wehrlose spielen, wenn ich nicht wollte, dass er mich für immer hier festhielt. Er durfte auf keinen Fall gefallen an mir finden. Ich musste langweilig wirken, so wie jeder andere Mensch und noch dazu durfte ich nicht die Wahrheit über mich und die Schatulle preisgeben. Sonst würde er diese Macht für sich beanspruchen wollen. Aber diese Kraft durfte niemand haben.
Loki betrat den Raum mit seinem schelmischen Grinsen. Es wurde noch angrifflustiger als er sah, dass ich wach war. Der Gott baute sich hocherhobenen Hauptes vor mir auf und schaute mich geringschätzig an. Ich musste mich echt zurückhalten, keinen bissigen Kommentar gegen ihn zu richten. Selbst seinen Blick nach unten auszuweichen viel mir schwer. Und das obwohl ich in der Schule immer die Schüchterne war. Jedoch hatte ich keine andere Wahl. Ich musste in meiner Rolle bleiben. Er durfte keinen Verdacht schöpfen. Um ihn zu überzeugen, hatte ich mir daher etwas zurechtgelegt. Ich versuchte, mich so gut ich konnte in eine traurige Stimmung zu versetzen, in dem ich an schreckliche Szenarien dachte, die meinen Freunden und meiner Familie passieren konnten. Wie erwartet, begann ich, zu zittern und Tränen flossen über meine Wangen. So würde er, selbst wenn er meine Aura sich ansah, nicht das geringste Misstrauen hegen. Meine Stimme bebte, als ich sagte: ,,Was...was hast du...mit mir vor?" Aus seiner Aura konnte ich spüren, dass er Freude empfand. Das war ja so vorhersehbar. Ein Teil vom ihm liebte es ja, andere leiden zu sehen. Zufällig war das der Teil vom ihm, der gerade die Oberhand hatte. ,,Ach, meine kleine süße Sterbliche.", sprach er mir einer kindhaften Tonart, die mich unter normalen Umständen dazu gebracht hätte, mich um zu drehen und so schnell wie es ging, von ihm zu verschwinden. Er sah mich fokussiert an, als erwartete er eine Reaktion, doch da sie nicht zu kommen schien, fuhr er nun bedrohlich fort: ,,Ich möchte nur ein paar kleinere Informationen von dir. Und wenn du schön brav bist, dann muss ich dich vielleicht nicht zwingen." Loki kam nun noch einen Schritt auf mich zu. Er war so nahe, dass ich seinen kalten Atem an meiner Stirn spürte. Es war nur sehr unangenehm, aber ich hatte schon lange gelernt, sowas zu akzeptieren. Der Gott ließ seine Hand nach vorne gleiten und zwang mich mit zärtlicher Gewalt, ihm in die Augen zu sehen. ,,Schließlich möchte ich doch ungern die Schönheit einer so bezaubernden Sterblichen zerstören müssen." Es war echt zum Kotzen. Ich wusste, dass ich nicht schön war. Allein meine zerzausten, ungepflegten Haare sprachen dafür. Noch dazu war mir bewusst, dass er hier gerade versuchte, mich zu manipulieren und mir gleichzeitig zu drohen. Ekelhaft war es alle Mal. Anmerken ließ ich mir diesen Gedankengang nicht. Nein, im Gegensatz dazu nickte ich Loki ergeben zu. Sein Lächeln wurde breiter. ,,Also schön, woher weißt du das mit diesem magischen Artefakt?" Er stellte diese Frage süßlich und freundlich, jedoch erkannte ich an seinem Unterton, dass er mich geringwertiger sah, als sich selbst. Was ein sehr gutes Zeichen war. Aufgefallen war ich also noch nicht. Seine Aura bestätigte mir meine Gedanken. Ich verheimlichte das, was in meinem Kopf vorging, in dem ich so tat, als würde ich verzweifelt darüber nachdenken, was Loki mich gefragt hatte. ,,Ich...ich habe davon in einem Buch gelesen.", sagte ich dem Gott so, als wäre ich von Angst gelähmt. ,,Ach ja. Und in welchem Buch?", fragte er seine Neugier nicht verbergend. ,,Es...es ist...eine Weile her...ich...naja...erinnere mich nicht mehr so wirklich...dazu habe ich zu viele Bücher gelesen..." Eine gewaltige Furcht spielte ich ihm vor, so als würde ich nicht von ihm Schmerzen zugefügt bekommen wollen. Für einen Moment verschwand sein Grinsen, doch augenblicklich hatte er sich wieder gefangen. ,,Kannst du dich wirklich nicht mehr daran erinnern?" Ich hörte den Zweifel in seiner Stimme heraus. Um seine Frage zu beantworten schüttelte ich angsterfüllt den Kopf. Wenn er seine Gefühle nicht verstecken würde, hätte der Gott jetzt wahrscheinlich geseufzt. Aber er tat es ja und deshalb sagte er mehr zu sich selbst als zu mir: ,,Na schön." Kurz legte sich eine angespannte Stille über uns. Dann ließ Loki sein bisher freundlichstes Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen und fragte: ,,Was weißt du denn alles über die Schatulle, die du in diesem Buch gefunden hast?" Ich konnte nicht anders, als diese Erkundigung als eine Drohung zu sehen. Normale Menschen wären wahrscheinlich auf ihn reingefallen, aber ich wusste, was seine wahren Emotionen waren. Er wollte nur das bekommen, was er für sich beanspruchte und das war die Macht über unendlich viele Leben. Wenn er dachte, er könnte mich dazu bringen, ihm alles darüber zu erzählen, dann hatte er falsch nachgedacht. Ich würde ihn nicht annähernd alles sagen, was ich wusste. Er würde diese Magie nicht bekommen. Schließlich könnte er damit Schreckliches tun. Außerdem hatte ich mir geschworen, dass niemand jemals etwas darüber erfahren würde. Da konnte dieser Gott noch so charmant und manipulativ sein, wie er wollte. Immer noch in meiner Rolle weiteten sich meine Augen und ich starrte Loki voller Panik an. ,,Naja...nicht so viel. Ich weiß nur...dass das Artefakt anscheinend 'Schatulle der Kontrolle' heißt. Und...es womöglich zwei Auserwählte gibt, die es nur gemeinsam öffnen können." Schauspielerisch wich ich den Blick des Tricksers aus. Sein Lächeln wurde breiter. Doch ich kam nicht umhin zu bemerken, dass in seiner Aura Misstrauen aufkam. Oh, das war nicht gut. Aber ich hatte keine Wahl. Ich musste weiter spielen. ,,Wirklich? Und du weißt wirklich nicht mehr?" Das letzte Wort betonte er bedrohlich. So bestätigte er seine Gefühle, die ich gesehen hatte. Jetzt nur nicht aufgeben. Spiel weiter, spiel weiter, Tiana. Mein Herz pochte unaufhörlich gegen meinen Brustkorb. Alles war gut, solange er nichts Wichtiges wusste und mich unterschätzte. ,,Also? Willst du mir nicht etwas sagen?" Der Lügner fokussierte sich auf meine Augen. Ich schüttelte nur energisch den Kopf. Nicht aus der Rolle fallen. Alles nur nicht das, dachte ich angespannt, zeigte es aber nicht. Augenblicklich wurde aus Lokis Lächeln ein wütender Gesichtsausdruck. Aus Ärger schlug er mir ins Gesicht. ,,LÜG MICH NICHT AN!" Der Gott des Schabernacks packte mich am Kragen und begann mich zu würgen. ,,Sag mir alles, was du weißt, Sterbliche." Das letzte Wort spuckte er förmlich. Seltsamerweise verspürte ich immer noch keine Angst vor dem Gott. Auch wenn mir nach und nach die Luft aus meiner Lunge gezogen wurde. Die Schmerzen konnte ich irgendwie ignorieren. Aber gut, wenn der Ziegenpeter es so wollte, dann sollte er alles bekommen, was ich wusste. Denn solange er diese eine wichtige Information von mir nicht hatte, konnte er eh nichts mit den Anderen anfangen. Das war klar.
Und so stand mein Entschluss fest.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top