- 4 - | Falling asleep in the blink of an eye and see the demons smile

My demons are eating me inside, drowning me in my thoughts as I lay to sleep.
~j.h.

- • -

„Bevor wir nun mit den Essen beginnen, habe ich ein paar Worte zu sagen.
Hatschi, Schnippschnapp, guten Appetit."
Wie aus dem nichts erschienen die unterschiedlichsten Speisen auf der langen Tafel. Nervös fuhr ich mir über die Unterlippe und blickte auf das Essen vor mir. Die Hälfte davon hatte mehr Zucker als der Großteil der Süßigkeiten, die ich in den letzten Jahren Essen durfte.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung und erkannte Jill, die sich neben mich auf die Bank setzte.

„Tue es. Du bist tausende Meilen weit weg von ihr. Du kannst dich nicht immer noch von ihr kontrollieren lassen. Was kann sie dir schon tun?"

„Das ist eine Kopfsache." Jill seufzte leise und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Dann schnappte sie sich die gebrannten Mandeln.

Mittlerweile hatten wir alle Aufmerksamkeit im Umkreis von zehn Metern.
„Elea, Mund auf!"
„Ich weiß nicht." Da war sie, die hochgezogene Augenbraue.
Seufzend nahm sie eine der Mandeln und schob sie mir zwischen die Lippen. Ganz vorsichtig biss ich auf die Nuss und knackte die Hülle.
Die Mandel schmeckte nach Zimt, nach Zucker und nach Weihnachten. Ich leckte mir über die Lippen und schnappte mir die Zweite.
„Na bitte. Fühlt sich gut an, nicht wahr? Regeln brechen."

An ihren Augen konnte ich sehen, dass sie ihren Fehler erkannte. Vorsichtig blickte ich auf meine Finger, die leicht zitterten.
„Tut mir leid."
„Alles gut."
Ich schloss die Augen.
15.
Erste Metallschiene, klackend legte sie sich um mein Herz.
14.
Die Zweite.
13.
12.
11.
10.
Immer lauter dröhnte das imaginäre Geräusch der klackenden Schienen in meinen Ohren und ich spürte, wie sich die Tränen langsam aus meinen Augen zurückzogen.
9.
8.
7.
6.
Lachen, Stimmen, klirrenden Gläser, das Rauschen der Kerzenflammen, Jill's leises Summen. 5 Dinge, die ich hören konnte.
5.
Die Wärme um mich herum, der Zauber auf der Decke der Halle, das Holz der Bank unter meinen Fingern Jill's Haare an meinem Hals. 4 Dinge, die ich fühlen konnte.
4.
Den Geruch von Gänsebraten, Jill's nach Kokosnuss riechende Haare, das penetrante Parfüm der Gryffindor auf der anderen Seite des Tisches vier Plätze weiter links.
Drei Dinge, die ich riechen konnte.
3.
Zimt und Mandel.
Zwei Dinge, die ich schmecken konnte.
2.
Ich öffnete die Augen und richtete meinen Blick direkt auf den Jungen, der mich ununterbrochen anstarrte.
Slytherintisch. Blonde, leicht verwuschelte Haare und braune Augen. Ein harter Zug lag um seinen Mund, als würde er an etwas nicht sonderlich schönes denken.
De Yorkshire. Definitiv. Ich konnte seine Magiesignatur bis hier spüren. In Slytherin war der Jüngere gelandet. Wie hieß er noch gleich? Jackson? Nein, Jackson war der Ältere.
Raymond.
Er lächelte. Seine braunen Augen bohrten sich in meine und er hob sein Glas.
1.

Ich atmete aus.
„Hast du dir gerade Ray als Anker geschaffen? Oder hast du Chrisi angeguckt?", fragte Jill leise und legte ihr Kinn auf meine Schulter um meinen Blick nachzuvollziehen.

In diesem Moment machte ich erste Erfahrungen mit Respektlosigkeit in Hogwarts.
„Ey, Scamander, hast du das Ufer gewechselt? Plötzlich nicht mehr an Winston interessiert, sondern an seiner Schwester. Wäre ein Geniestreich. Ach, und Auclaire, wenn du so drauf bist, kein Wunder, das sich deine Eltern für dich schämen.
Es war mehr eine instinktive Handlung, als ich den Zauber auslöste.
Die Worte bildeten sich leuchtend in meinem Verstand ab.
›Fulgur dolore‹
Meine Finger fanden das Holz meines Zauberstabs. Der weiße Edelstein mit den bunter Schlieren, ein Mondlicht-Topas, schmiegte sich kühl an meine Handfläche. Der Zauber löste sich ohne einen Ton oder eine Farbsignatur zu hinterlassen.
Ein lauter Schrei ertönte und das Mädchen, das gesprochen hatte, zuckte heftig zusammen.
Ich hob den Kopf ganz leicht und legte den Kopf schief.
„Ist etwas?"
Ihr Todesblick zauberte mir ein Lächeln auf mein Gesicht. 

„Hey, Jill, wie waren die Ferien?"
„Hey, Nala. Ziemlich entspannt. Ich war Uganda. Da gab es einen Donnervogel, den Dad umsiedeln wollte. Er war so schön." In einem unglaublichen Tempo ratterte die kleine Scamander Junior ihre Fakten runter.

„Ganz ruhig, tief durchatmen, Jill. Besprich sowas lieber mit Remus. Stellst du mich vor?", fragte sie grinsend.
„Klar, Elea, das ist Nala Winterstorm. Nala, das ist Elea, aber so darf nur ich sie nennen. Tust du es, dann werfe ich dich den Hippogreifen zum Fraß vor."

Jill funkelte die hübsche Blondine wütend an. Sie war groß, bestimmt 1,75 Meter und im Gegensatz zu der kognitiv unbegabten Sprecherin von eben, keine Bohnenstange. Sie war auch nicht dick, sondern einfach eine angenehme Mischung. Breite Schultern, herzförmiges, breites Gesicht ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

„Wie darf ich dich denn nennen?"
„Bild dir einen Spitznamen. Oder nimm Antonia."
„Eleonora ist dein erster Name, richtig?" Damit traf ich dann die vierte rothaarige heute. Ich dachte immer, nur 1-2% der Weltbevölkerung hätten rote Haare.
„Ja?"
„Das ist mir zu lang. Weitere Namen waren Aurora und Sierra?"
Ich nickte stumm. Wer genau war das?
„Gut, ich nenne dich Rora. Ich bin Jessa, Jessa McKinnon."
„Sie ist die interessantere McKinnon. Ihre jüngere Schwester ist die, die es geschafft hat Sirius Black an sich zu binden. Ein wahres Meisterstück."

Nala setzte sich neben mich auf die Bank und zog Jessa neben sich, die sich mit spitzem Ellenbogen Platz verschaffte.

„Meine Schwester war unerträglich. Die ganze Zeit hat sie nur von Black geredet. Blacks schöne graue Augen da, Blacks Humor dort. Oh, Blacks Haare sind so schön weich, guck mal was er mir geschrieben hat, er ist ja so romantisch. Ich glaube, ich drehe durch. Das ist widerlich."

Nala brach in schallendes Gelächter aus.
„Was ist so lustig?", fragte Jessa und stellte damit die Frage, die ich nicht stellen wollte.

„Du - du - du hast exakt - das ist so lustig - die gleichen Worte benutzt wie - ", Nala begann zu husten und Jill klopfte ihr auf den Rücken, „deine Schwester hat genauso geredet als du mit Elijah angebandelt hast", brachte Nala noch krächzend hervor, da hustete sie schon wieder.
Nun lachte auch Jill.

Aus dem Augenwinkel nahm ich einen bekannten Jungen wahr.
„Ich glaube, du wirst vermisst", murmelte ich Jill leise zu.
„Hm?" Sie blickte auf und ein freudiges Glimmen trat in ihre Augen.
„Sammy", sie hüpfte von der Bank und sprang ihm in die Arme.

Sammy Scamander war 1, 80 Meter groß, hatte blonde Haare mit einem leichten Stich ins Rote und ein absolutes Zahnpastalächeln. Außerdem war er der jüngere Bruder von Jill. Zwar nur 20 Minuten jünger, aber dieses 20 Minuten waren - Zitat Jill- die besten 20 Minuten ihres Lebens.

„Nora, Sweety, hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen. Jule hat mich ausgelacht als ich vor Schreck fast von der Bank gefallen bin."

Er musterte mich so, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er sich in meine Nähe wagen sollte.
„Was macht der Unterarm, Sammy?"
„Biest!"

Bei unserer letzten Begegnung hatte Sammy Jill an den Haaren gezogen, woraufhin meine Gabel ihren Weg in seinen Unterarm gefunden hatte. Danach hatte er Abstand gehalten. Sammy war entgegen meiner Erwartung in Hufflepuff gelandet. Die gelb-schwarze Krawatte hing locker um seinen Hals und er grinste mir schelmisch zu.
„Ich soll sicherstellen, dass meine Schwester genug isst."
„Geh ruhig, wir kümmern uns um unsere kleine Berühmtheit." Nala legte mir ihren Arm um die Schultern und ich spannte mich unwillkürlich an.
„Keine Umarmung, hab's verstanden", meinte die Blondine sofort und zog ihren Arm zurück.

Ich nickte der rothaarigen Ravenclaw zu, die zwar kurz zögerte, dann aber hinter ihrem Bruder herlief.
„Na dann, Rora, erzähl uns was über dich."
Unsicher blickte ich zu ihr auf.
Sie seufzte leise.
„Name, Alter, Geburtstag, Lieblingsfarbe, Lieblingsband?"
„Eleonora Auclaire, 14 Ja-"
„14? Und du kommst in welche Klasse?", unterbrach mich Nala, woraufhin sie sich ein missbilligendes Stirnrunzeln von Jessa einfing. „In die Fünfte. Ich soll meine ZAGs machen."
„Aber du bist zu jung!"
„Vermutlich aber technisch weiter fortgeschritten als wir", meinte Jessa und schnappte sich einen Hühnchenschenkel, „beide ›de Yorkshire‹'s sind auch zu jung für ihre Jahrgangsstufen."
„Was echt?!", brachte Nala erstaunt zwischen zwei Bissen Kuchen hervor. Unwillkürlich presste ich die Lippen aufeinander.
„Mit vollem Mund spricht man nicht", rutschte es mir heraus.
Automatisch senkte ich den Blick und spannte mich. Nur rot wurde ich nicht.

Beide schwiegen und starrten mich an. Nervös begann ich mit den Zähnen meine Lippe zu zerfleddern und atmete hektisch ein.

„Du hast absolut recht", gab Nala dann von sich. „Entschuldigung. Das muss für dich sehr stressig sein."

Erstaunt riss ich den Kopf hoch und blickte das blonde Mädchen an, das plötzlich sehr ernst wirkte. Sie legte die Gabel bei Seite.
„Denkst du wirklich, das wäre so unauffällig? Du warst noch nie unter so vielen Menschen und du hast Jill angesehen, als wäre sie dein letzter Anker. Wir haben nicht das Recht, dir den Einstieg zu erschweren, weil wir uns nicht an Tischmanieren halten können, die dir vermutlich eingeprügelt wurden."

Ganz plötzlich drängte sich mir eine Frage auf, die mich automatisch meine geistige Abwehr überprüfen ließ.
„Du bist kein Legelimentor, oder?"

Nala brach in Gelächter aus.
„Nein, meine Mutter ist Psychologin und mein Vater Heiler im Sankt Mungo. Ein bisschen Erfahrung mit Patienten habe ich also." Plötzlich stockte sie und blickte mich vorsichtig an, aber eigentlich störte es mich nicht mal. Ich fühlte mich, nun, vielleicht nicht sicher, aber zumindest nicht ganz so alleine.

Professor Dumbledore hielt eine Rede, sobald das Essen vorbei war. Ich hatte zwar ein paar von den Mandeln bunkern wollen, es dann aber aufgrund der Unhöflichkeit einer solchen Aktion unterlassen.

Er stellte den neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunkel Künste vor.

Es war eine sie mit dem Namen Professor Benedicts. Ziemlich beruhigend, denn von denen hatte ich weder gehört, noch hatte ich das Gesicht der Frau, die vielleicht 50 Jahre alt, auf der großen Pinnwand mit den Todessern im spanischen Anwesen gesehen.

Er erinnerte an die Schulregeln und ich konnte den Black-Jungen am anderen Ende des Tisches die Augen verdrehen sehen.

Dann hielt er eine Ansprache über Zusammenhalt, erinnerte an zwei Schüler, die offenbar umgekommen waren, und einige Mädchen an Rvenclawtisch brachen hysterisch schluchzend in Tränen aus, ebenso wie zwei Mädchen am Slytherintisch, nur ohne das hysterische Gejammer.

„Mona Jim war die beste Freundin von Aria Simmons, da vorne am Slytherintisch. Ihre Schwester ist Johanna Simmons, Ravenclawtisch. Die anderen weinenden gehören zum Freundeskreis von James Holloway. Seine komplette Familie wurde ausgelöscht."
Holloway hatte ich schon Mal gehört.

Nala lief voran, Jessa hatte sich bei mir untergehakt. An uns lief gerade eine Lily Evans mit Stressflecken vorbei. Ihr folgten kleine Erstklässler. Der Junge mit dem Zauberstab war dabei und er sah so aus als würde er es darauf anlegen, den Nächsten umzubringen. Das arme Mädchen mit der süßen Stupsnase tat mir jetzt schon leid.
„Lily, brauchst du Hilfe?", fragte Jessa und die junge Vertrauensschülerin drehte sich gehetzt um.
„Nein! Doch! Ihr könntet Remus finden und ihm helfen Sirius zu stoppen, James bei irgendwas zu helfen. Das wäre toll."

Lily packte den Jungen mit dem Zauberstab am Arm.
„Noch ein Mal und du kannst dir den Zauberstab bei Professor McGonagall abholen."

Nala kicherte schon wieder hysterisch.
„Du willst das wir Sirius stoppen? Wo denkst du hin?"
„Ihr habt Auclaire da. Ihr kriegt das hin", rief Lily und lieg schon wieder los, da stellte Jessa noch eine Frage.
„Wo sind die überhaupt?"
„Ich glaube, es ging um den Wahrsageturm. Und irgendwas von einer Explosion habe ich auch gehört." Dann verschwand die Rothaarige um die Ecke.
„Klingt nach nichts, wo wir uns einmischen sollten", meinte Nala leise, „Ich habe keine Lust auf Wahrsagen."
„Du tust so, als wäre das der einzige Ort wo Professor Jonas unterrichten könnte." Jessa hatte ihre Entscheidung getroffen und machte kehrt.
Plötzlich hielt sie inne.
„Kannst du Sprengstoff in Feuerwerk verwandeln?"
„Du denkst, sie sprengen den Turm?", brachte ich und tief im Inneren fragte ich mich, wie groß der Dachschaden für so eine Tat seien müsste.
„Das haben sie letztes Jahr schon probiert. Ich habe Lily noch nie so wütend gesehen. Man hätte denken können, sie wäre der Sprengstoff und wäre gerade in die Luft gegangen. Also?"
Ich überlegte kurz. Es kam auf den Sprengstoff an. Nahmen sie Zaubertränke oder Zauber? Zauber konnte ich brechen, aber nicht alle Zaubertränke ließen sich mit einem Zauber neutralisieren. Bei manchen brauchte man Kräuter oder einen Gegentrank. Ich war gut in Zaubertränke, aber ich wusste da jemanden, der besser war.
„Wir brauchen noch jemanden, für den Fall, das es Tränke sind."
„Und der wäre?"

Ich erwischte Jill knapp vor dem Ravenclawturm.
„Geht schon mal vor", wies sie die beiden Mädchen an. Mit einem letzten, neugierigen Blick verschwanden die beiden die Treppe hinauf.
„Was ist, Elea, hast du mich vermisst?"
Ich hob leicht den Mundwinkel.
„Ich brauch dich für die Entschärfung eines Sprengtranks."
Jill fiel alles aus dem Gesicht.

„Du bist noch nicht mal 24 Stunden auf dieser Schule. Wie zur Hölle hast du in der Zeit einen Sprengtrank gebraut."
„Nicht ich. Jessa möchte Lily Evans helfen, die Rumtreiber daran zu hindern, den Wahrsageturm zu sprengen", probierte ich die doch recht eigenartige Situation zu erklären.

„Wir sollten Jule sagen, dass jemand ihren Lieblingsort in die Luft jagen will. Sie würde die Jungen auseinander pflücken und zum Frühstück verspeisen."
Jill hetzte neben mir her, eine Umhängetasche mit verschiedenen Zutaten bei sich. Irgendwie war die Vorstellung der zierlichen Hufflepuff, wie sie mit einem Zauberstab und katzenartig gesträubten Haaren vor vier namen- und gesichtslosen Gestalten herumfuchtelte, gleichermaßen belustigend wie angsteinflößend.

Mein Zauberstab hatte den Weg in meine nervösen Finger gefunden ohne das ich etwas bemerkt hatte.
„Was, wenn ich den Zauber verhaue?", brachen meine unruhigen Gedanken plötzlich im Flüsterton aus mir heraus.
Irritierte blinzelte Jill.
„Wie kommst du denn auf die Idee?"
„Da eure Art von Magie nicht bei Zaubertränken oder speziellen Zauber anschlägt und ich in dem Versuch den Fluch zu brechen nicht den ganzen Turm in ein Seesignal verwandeln will, muss ich Artis Silvae benutzen und..."
„Ach, stell dich nicht an. Welchen Zauber willst du verwenden?"
„Wandlung, kombiniert mit Erschaffung."
„Na dann", meinte Jill und drehte sich wieder weg.
War sie genervt? Oder war sie einfach nur müde? Redete ich ihr zu viel? Wurde sie krank?
Stumm wandte ich mich ab.

Oben, unter dem Turmdach, in einem beheizten Raum mit einer relativ schicken Innenausstattung, fanden wir vier potentielle Idioten.
Der Black-Junge mit den anderen dreien, die mir bereits am Bahnhof aufgefallen waren.
„So, Jungs, die Party ist vorbei", meinte Nala genervt und klatschte in die Hände.
„Du bist nicht Lily", stellte der Junge mit den schwarzen Haaren fest.
„Mann, Prongs, du kannst ja gucken."
Ich widmete mich nicht weiter dem Gespräch sonder murmelte leise Zauber, die andere Zauber sichtbar machten.

„Ich habt einen Bombarda-Fluch mit Zeitverschiebung kreiert?", fragte ich und lief geradewegs an ihnen vorbei.
„Genial nicht? Wer bist du eigentlich?"
„Genial ist relativ. Du hättest ein Zeitsiegel kreieren können. Damit hättest du keine Zeitverschiebung, die du entweder auslösen musst oder automatisch losläuft."
Das Wort Sisto formte sich lautlos in meinem Kopf und stellte sicher, dass die Zeit, sollte sie schon laufen, stehen blieb.
„Rescindo", murmelte ich und brach den Zauber.
„Sollten wir sie nicht irgendwie aufhalten?", fragte der etwas pummelige Junge verwirrt.
„Ich bezweifle, dass sie sich aufhalten lässt", meinte der große, hagere Junge mit den Narben.
Plötzlich traf mich die Signatur des Trankes wie ein stummer Schrei.
„Wer von euch hat den Trank in die Pflanzen gekippt? Und warum denkt ihr, muss man Trank in Vasen schütten? Habt ihr eigentlich mal an die Pflanzen gedacht?", knurrte ich leise und sammelte das kontaminiert Zeug ein.
„Jill, kümmere dich um die Vasen, ich gucke ob ich die Pflanzen retten kann."

„Was habt ihr da zusammen gemischt?" Jill musterte die rötlich pulsierende Flüssigkeit in der Vase.
„Ist das ein Drachenfeuertrank?", fragte die Scamander dann schockiert und griff nach ihrer Tasche. Ihre Finger flogen durch die Zutaten und griffen zielsicher nach zwei Blüten.
„Seid froh, dass ich sowas schon einmal entschärft habe!"

„Я превращаю вас в свете", murmelte ich leise und zeichnete das keltische Symbol für Erschaffung mit dem Zauberstab in die Luft. Kurz glühten die Linien auf und kurz wurde das Symbol sichtbar. Eine Raute bildete den Fuß und wurde senkrecht von einer Linie durchschnitten, deren oberer Teil - der Teil, der nicht in der Raute war - von zwei Diagonalen Linien durchkreuzt wurde. Schnell schwang ich den Zauberstab zur Seite und bewegte ihn dann Richtung der Pflanzen. Ein leichtes Glühen war alles was von dem Zauber übrig blieb, dann brach grell und vielfarbig Licht aus den Blumentöpfen aus.
„Das sieht so großartig aus", wisperte Jessa leise.

„Jetzt kommt nie wieder Lily um uns von was abzuhalten. Du hast meinen Masterplan zerstört."

Der Junge mit den rabenschwarzen Haaren musterte mich anklagend.

„Wenn du die Aufmerksamkeit eines Mädchens nur durch viele Verletzte und große Explosionen bekommst, solltest du deine Flirttaktik überdenken", gab ich noch von mir, dann verließ ich den Turm, den fast leeren Mond am Himmel immer noch vor Augen.

Zwei Stunden später stand ich endlich alleine im Schlafsaal. Ich hatte mich erst in der Schule verlaufen und wurde dann von einem netten Mädchen namens Alice aufgesammelt und in den Gemeinschaftsraum gebracht. Dann hat sie mich auch direkt in den Schlafsaal gebracht, wo auch schon Lily, Nala, die Braunhaarige vom Bahnhof, scheinbar Marlene und eine Braunhaarige names Luca saßen.
„Jolina sollte auch gleich kommen", meinte Nala und blickte mich an, „sie ist die blonde Grazie vom Essen."
Ich nickte.

Teilnahmslos ließ ich meinen Zauberstab über meine Sachen wandern und befahl ihnen sich selbst einzusortieren. Gleichzeitig rief ich mit der anderen Hand die Katzenleckerlis zu mir.
„Asha", flüsterte ich leise, um die anderen in ihren Gesprächen nicht zu stören. Ein leises Maunzen ertönte aus einem der Betten.
„Asha, komm da raus", meinte ich mit warnendem Unterton.

Asha war ein sehr kleiner Kater. Er sah immer noch aus wie ein Baby, war aber schon vier Jahre alt. Dementsprechend süß sah es aus, als Asha sich aus den Decken kämpfte und anfing sich meinen Ärmel hoch zu hangeln. Seufzend nahm ich den kleinen Kater und steckte ihn in die Innentasche des Umhangs. Dann steckte ich ihm ein Leckerli zu.
„Du kannst das Bett nehmen", meinte Lily, die plötzlich neben mir auftauchte.
„Ansonsten kannst du da am Fenster schlafen." Lily deutete auf ein Bett, das direkt am Fenster stand. Schaudernd wandte ich mich ab. Ich konnte es nicht ertragen auch nur darüber nachzudenken beim Einschlafen ständig den Mond vor Augen zu haben.
„Ich nehme das hier." Schnell setzte ich mich auf das Bett in dem vorher Asha lag.
Lily nickte.

Eine halbe Stunde später waren alle anderen unten im Gemeinschaftsraum. Sofort nachdem die Tür hinter Nala zugeschlagen war, war ich zum Fenster gestürzt und hatte die klare, kühle Nachtluft hinein gelassen. Heute war Montag. Der Dienstag würde eine Art Widereinführungstag werden. Morgen hatte ich also einen kompletten Tag um mich halbwegs anzupassen. Bis dahin musste ich meinen Gefühlssturm unter Kontrolle bringen. Zitternd lehnte ich mich aus dem Fenster. Kühl strich die Luft über mein Gesicht und ich probierte mich auf die Natur zu konzentrieren.

Es half nicht. Hektisch sog ich die Luft ein, tief und schnell, und begab mich damit ohne Umwege in die Hyperventilationsspirale.
Heftig taumelnd stieß ich mich von Fenster ab und verlor den Halt. Im letzten Moment fing ich mich ab und ließ mich zu Boden sinken. Sofort war Asha bei mir und presste seine kleinen Pfoten auf meinen Mund. Meine Finger begannen zu kribbeln und endlich konnte ich handeln. Blitzschnell formte ich mit den Händen eine Schale und legte sie mir auf den Mund. Asha maunzte, presste sich gegen meine Wange und versuchte mich irgendwie zu beruhigen.

Meine Augen brannten als ich mich schließlich vor den Spiegel stellte. Beinahe teilnahmslos schwang ich meinen Zauberstab und enthüllte meinen Körper. Die erste Narbe, die einem ins Auge stach, war wohl die am Hals. Sie war weiß, gezackt und groß. Sie war eine brennende Zeichnung, die die Haut von meinem rechten Kieferknochen bis zu meinem linken Schlüsselbein zierte und dabei meine Kehle schmückte. Die Zweite war ohne jeden Zweifel die Narbe, die die braune Haut auf meinem Bauch durchtrennte. Sie war ein wunderschöner Kontrast und eine grausame Erinnerung an drei Wochen ohne Tageslicht. Signifikant waren auch die Worte auf meinem Unterarm, die ich mir in der Panik eingeritzt hatte. Es war ein apathisches Handeln gewesen. Ein vier-Stunden-Blackout und danach war mein ganzes Bett voller Blut. I can't. Ich kann nicht. Worte so voller Wahrheit, dass Lügen mir lieber wären. Mein Oberkörper war mit kleineren Narben gesprenkelt, keine von ihnen besonders groß.

Sie rundeten nur das Bild eines Wracks ab. Jede Narbe war ein Leck und das Schiff ging unter. Je mehr Narben, desto schneller lief das Wasser rein, desto schneller sank das Schiff. Nur das ich in diesem Fall das Schiff war. Das Schiff, nicht der Captain. Obwohl, vielleicht war ich auch der, aber wer konnte das schon sagen. Ein Captain sank mit seinem Schiff. Er und sein Schiff waren eins. Wenn man danach ging, dann war ich das Schiff und der Captain. Es machte keinen Unterschied. Beide würden sinken, enden, zu Grunde gehen.

Vorsichtig schob ich mir die nun offenen Haare aus dem Gesicht und fuhr über eine weitere Narbe. Wenn ich die Augen schloss, dann war es eine perfekte gerade Linie, mit chirurgischer Perfektion geschnitten. Sie begann zwei Zentimeter über der Augenbraue, teilte diese und setzte sich über das linke Augenlied bis hinunter zum Wangenknochen fort.

Ich hätte blind werden können, hatte die Ärzte gesagt. Damals hatte ich ihnen entgegen geschrien, dass ich lieber blind wäre, als all das Mitleid zu sehen.
Damals war ich ein dummes, kleines Kind, das die Macht des Mitleids unterschätzte.

Mitleid brachte meiner Mutter und mir Asyl in Spanien, Italien und Deutschland ein. Nun, nach Deutschland waren wir nie gegangen. Die Situation dort war zu angespannt. Die Schweiz besuchten wir hin und wieder und Frankreich war nun Mal ein Teil unserer Familiengeschichte. Frankreich war ein Teil von uns.
Mitleid erbrachte mir den Verwandlungszauber, der mit einer Art Tätowierung dauerhaft an mich gebunden war, seine Kraft aber aus Albus Dumbledore schöpfte.
Mitleid war eine unvergleichlich mächtige Waffe.

Ich legte mich ins Bett und zog die Vorhänge zu. Zwei Zauber. Stille und Schutz.
Der Schlaf traf mich ehe mein Kopf das Kissen berührte. Zum ersten Mal seit vier Monaten, schlief ich schnell ein - ohne die innere Unruhe.

Meine Träume waren immer wirr. Teilweise lag das daran, dass mein Leben einfach wirr war, aber dieses Mal hatte es einen anderen Grund.

„Deine Großmutter war die letzte auf diesem Stuhl."

„Als Kind brachte deine Großmutter mich nach Hogwarts."

„Die letzte auf diesem Stuhl."

„Unsere Familie hat einen wirklich merkwürdigen Ruf, Eleonora. Hast du dich nie gefragt, wie deine Existenz überhaupt möglich ist? Ich war 49 Jahre alt, als du gezeugt wurdest. Wir bezahlen einen Preis, kleines Kind, und das Schicksal lässt uns nicht gehen ohne, dass unsere Linie fortbesteht."
„Wurdest du vergewaltigt?"
„Nein, Eleonora, nur verlassen. Immer und von allen. Das gleiche wird dir widerfahren und dann musst du stark sein. Bist du bereit stark zu sein?"

„Kleines, süßes Mädchen, guck mich nicht so an. Du hast doch nicht echt geglaubt, du könntest ohne Konsequenzen existieren oder? Na los, Süße, schrei, versuch mich zu töten, werde wütend. Ich habe gerade deinen Daddy getötet, als nächstes werde ich deine Mommy töten und dann, dann stirbst du."

Mein sechsjähriges Ich begann zu schreien und als ich aufwachte brannte meine Kehle und Stimmbänder fühlten sich gerädert an.
Der Wortlaut verfolgte mich.

„Ich habe gerade deinen Daddy getötet."
„Und ich habe dich getötet."
„Wir wissen beide, dass es nur ein Unfall war."
Ein leises Lachen ertönte, als würde sie meine nächsten Worte schon ahnen. Obwohl, sie war eine Halluzination, vermutlich tat sie das.
„Du weißt, dass das nicht stimmt. Du hastens in meinen Augen gesehen."

Das war die Wahrheit. Lorena Rosier, getötet am 14. Oktober 1966, drei Wochen nach meinem 6. Geburtstag.

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