9.
„Mommy, Mommy! Snee! Da ist Snee! Steh auf!“. Grummelnd drehte ich mich auf die andere Seite und zog mir die Decke über den Kopf, aber das hielt Zoe natürlich nicht davon ab, weiter aufgeregt auf meinem Bett herumzuspringen. „Mommy, steh auf. Ich will einen Sneemann bauen!“. Kleine Hände griffen nach meiner Decke und zogen daran und stöhnend gab ich nach und ließ zu, dass sie mir die Decke wegzog. „Gib mir einen Moment, Engelchen. Ich muss erst noch richtig wach werden“, sagte ich und zog sie an mich um ihr einen Kuss auf das Haar zu geben, doch sie wand sich ungeduldig aus meiner Umarmung. „Aber Mommy, du bist doch wach“, sagte sie vorwurfsvoll und schaute mich verständnislos an. Seufzend rieb ich mir über die Augen und sah ein, dass ich wohl nicht drumherum kommen würde direkt aufzustehen. Auch an meinen wenigen freien Tagen, war Ausschlafen nur ein Wunschtraum. Zoe war so aktiv, dass ich froh war dieses Mal erst um acht von ihr aus dem Schlaf gerissen worden war und nicht schon zwei Stunden früher. Ich schlug die Decke zurück und sofort erfasste mich Kälte. Doch einfach nochmal unter die Decke zu schlüpfen konnte ich mir nicht leisten. „Okay, Mommy macht sich jetzt fertig, damit wir frühstücken können und dann gehen wir nach draußen“, erklärte ich und sie zog einen Flunsch. „Ich bin nicht hungrig“, behauptete sie und wibbelte ungeduldig neben mir auf und ab, während ich mich in Richtung Bad bewegte, doch ich ließ mich nicht erweichen. „Erst wird gegessen und dann können wir rausgehen“, sagte ich streng. Denn ich wusste, wenn wir erst einmal draußen wären, würden wir mindestens für die nächsten zwei Stunden nicht zurückkehren und Zoe musste unbedingt etwas essen, damit sie sich im Schnee verausgaben konnte. Zoe folgte mir ins Badezimmer und schaute mich böse an, während ich nach meiner Zahnbürste griff. „Ich will aber nicht essen!“, sagte sie trotzig und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass wir rausgehen“, stellte ich klar, was Zoe mit einem Trotzanfall beantwortete. Ich seufzte. Das war der Preis, den man als Mutter zahlte.
Als wir eine halbe Stunde später gefrühstückt hatten und warm angezogen vor die Haustür traten, war alles Schmollen schon wieder vergessen. Meine Tochter zog mich bestimmt hinter sich her und schien ein ganz klares Ziel vor Augen zu haben, was mich zum Lächeln brachte. Diese Zielstrebigkeit, hatte sie schon immer besessen und mich erfüllte es immer mit Stolz, zu sehen wie intelligent sie war. Als sie jedoch einfach über die nächste Straße laufen wollte, hielt ich sie sanft, aber bestimmt zurück. „Schau mal, Schatz! Die Ampel ist rot, das heißt wir dürfen nicht über die Straße gehen. Rot heißt stehen und bei grün dürfen wir gehen“, erinnerte ich sie und zeigte auf die Ampel. Die Farben beherrschte sie noch nicht so gut, doch ich hatte gelesen, dass das normal war und versuchte mir deshalb keine Gedanken zu machen. Angestrengt legte Zoe ihren Kopf schief und betrachtete konzentriert die Ampel, bis diese ihre Farbe änderte. Dann schaut sie fragend zu mir hoch. „Ist jetzt grün?“. Ich nickte bestätigend und gemeinsam überquerten wir die Straße. Ein paar Straßen weiter, befand sich auch schon der Park, den Zoe anstrebte. Dort gab es weitläufige Grünflächen mit Bäumen, Bänken und auch ein paar vereinzelten Spielgeräten. Sobald wir angekommen waren, ließ sie auch schon meine Hand los und lief so schnell ihre kurzen Beine sie trugen auf eine Rutsche zu. Gemächlich schlenderte ich ihr hinterher und beobachtete, wie sie die Stufen hochkletterte und sich hinsetzte. Doch mit dem rutschen wartete sie, bis ich vor der Rutsche stand um sie aufzufangen. Sie war eine kleine Abenteurerin, doch trotzdem gab es Dinge, bei denen sie die Sicherheit brauchte, die nur ich ihr geben konnte. Lächelnd breitete ich meine Arme aus und fing sie unten ab und wirbelte sie dann durch die Luft, bis sie vor Vergnügen kreischte. „Nochmal, Mommy! Nochmal!“, verlangte sie aufgeregt und sobald ich sie auf dem Boden abgesetzt hatte, flitzte sie wieder zum anderen Ende der Rutsche. Nachdem ich sie noch ein paar Mal unten aufgefangen hatte, schien sie genug zu haben und begann mit dem Schnee herumzuspielen. Konzentriert nahm sie eine Handvoll Schnee und versuchte sie zu einer Kugel zu formen, was ich natürlich noch nicht wirklich gut gelang. Dazu war ihre Feinmotorik noch nicht genug ausgebildet. Ich ließ meinen Blick für einen kurzen Moment schweifen und atmete die kalte, frische Luft ein. Hätte ich Zoe weiterhin angesehen, hätte ich vielleicht das schelmische Grinsen gesehen, dass sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. So aber, traf mich der unförmige Schneeball unerwartet. Erstaunt sah ich zu ihr runter und sie gluckste. „Hast du mich gerade mit Schnee beworfen?“, fragte ich amüsiert und ein Kichern entwich ihr bevor sie loslief. „Na, warte! Wenn ich dich erwische“, drohte ich ihr und nahm die Verfolgung auf, was ihr ein vergnügtes Kreischen entlockte und dafür sorgte, dass sie noch mehr beschleunigte.
Ich blieb für einen kurzen Moment stehen, um etwas Schnee aufzunehmen und verpasste dadurch, dass Zoe die sich nach mir umgesehen hatte volle Kanne in jemanden reinlief. Erst ihr leises Weinen ließ mich aufblicken und sofort ließ ich den Schnee fallen und rannte zu ihr rüber. „Hey, pass doch auf wo du hinläufst, Rotzgör!“, ereiferte sich gerade der Mann, gegen den sie gelaufen war und ich spürte wie meine Löwenmutterinstinkte erwachten. Niemand sprach so mit meiner kleinen Tochter! Sanft hob ich Zoe auf, drückte sie gegen meine Brust und strich ihr übers Haar, bevor ich mich an den Mann wandte. „Das war doch keine Absicht!“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, während ich gleichzeitig versuchte Zoe zu trösten, die sich weinend an mich drückte. Abschätzig ließ der Mann seinen Blick über mich gleiten. „Wegen ihrer kleinen Mistkröte, habe ich mir den Kaffee über meine nagelneuen Schuhe geschüttet!“, fauchte er und ich spürte wie Wut in mir hochstieg. „Es gibt keinen Grund meine Tochter zu beleidigen! Sie ist ein kleines Kind, sowas kann passieren. Ich kann die Reinigung für ihre Schuhe übernehmen, aber deswegen müssen sie nicht gleich ausfallend werden!“, stellte ich klar. „Das ist ja wohl das Mindeste was sie tun können! Und kriegen sie ihr Kind in den Griff, damit es nicht noch mehr hart arbeitenden Leuten wie mir den Tag versaut. Das war eine Verletzung der Aufsichtspflicht! Nur weil sie sich anscheinend dafür entschieden haben nichts aus sich zu machen, dürfen sie sich noch lange nicht alles herausnehmen!“, schimpfte der Mann und ich schnappte nach Luft und die Wut in mir kochte über. Das reichte! Das Maß war gestrichen voll! Was maßte der Mann sich eigentlich an, über mich zu urteilen und mir vorzuschreiben was ich zu tun oder zu lassen hatte? Mir wurde heiß vor Wut und ich sah nur noch rot! Doch bevor ich ihm so richtig meine Meinung sagen konnte, mischte sich eine weitere Stimme ein. „Eigentlich, war es ihre eigene Schuld, denn sie konnten ihren Blick Ja nicht von ihrem Handydisplay lösen. Das hier ist ein öffentlicher Park, da muss man damit rechnen, dass hier Kinder herumrennen. Desweiteren liegt nur weil diese Frau nicht jeden Schritt ihrer Tochter beaufsichtigen kann, noch lange keine Verletzung der Aufsichtspflicht vor“. Verblüfft drehte ich mich um und sah Ryan hinter mir stehen, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben. „Ryan“, stieß ich verwundert hervor und er schenkte mir ein kurzes Lächeln, bevor er neben mich trat und sich wieder dem Mann zuwandte, der inzwischen rot angelaufen war vor Wut. „Und wer sind Sie, dass sie sich in diese Angelegenheit einmischen?“, knurrte er, was Ryan mit einem kühlen Lächeln erwiderte. „Ryan Jackson. Der Anwalt dieser bezaubernden, jungen Dame“, behauptete er und streckte dem Mann die Hand entgegen. Abwechselnd sah dieser zwischen Ryan und mir hin und her, bevor er schnaubte und einen Schritt zurücktrat. „Das nächste Mal, lass ich sie nicht so einfach davonkommen“, drohte er mir und drehte auf dem Absatz um und ging davon. „Was für ein eingebildetes A-...“, schimpfte ich und hielt dann inne und sah auf Zoe herab, die immer noch in meinen Armen lag, bevor ich den Satz anders beendete: „Ekelpaket“. Dann wandte ich mich zu Ryan um. „Danke“, sagte ich erleichtert. „Ich wäre zwar auch allein mit ihm fertiggeworden, aber das war wesentlich souveräner“, fügte ich hinzu. Ryan schenkte mir eins von seinen schiefen Grinsen, die dafür sorgten, dass mein Magen beschloss dass es eine gute Idee war Saltos zu schlagen. „Kein Problem“, antwortete er.
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