1.
Draußen war es noch stockdunkel, als ich meine kleine Bäckerei aufschloss, um sie für den Ansturm am Sonntagmorgen vorzubereiten. Ein Gähnen unterdrückend, schlenderte ich zu der luxuriösen Kaffeemaschine und befüllte sie mit frischen Kaffeebohnen, bevor ich mir eine Tasse drunterstellte und mir einen Espresso drückte. Ich liebte meinen Job wirklich über alles, aber manchmal war das frühe Aufstehen echt ein Fluch. Mit noch halb geschlossenen Augen, verschwand ich im hinteren Bereich der Bäckerei, neben dem Personaleingang und holte meine Arbeitsuniform aus dem Spind. Während ich mich umzog, checkte ich schnell mein Handy, um zu schauen ob eventuell noch eine Krankmeldung bei mir eingegangen war. Leider verhieß der Dezember nicht nur, dass meistens Hochbetrieb in der Bäckerei herrschte, sondern auch dass viele Mitarbeiter, wegen Grippe ausfielen und es war mitunter schwierig, kurzfristig Ersatz zu finden. Doch heute schien das Glück auf meiner Seite zu sein, denn außer einer Nachricht aus dem Familienchat, befanden sich keine ungelesenen Nachrichten auf meinem Handy. Die Nachricht ignorierend, kehrte ich zurück in die Bäckerei, wo mittlerweile mein Espresso durchgelaufen war und begann alles zu vorzubereiten.
Als ich die ersten Brötchen aus dem Ofen holte, war es bereits sechs und damit waren es nur noch zwei Stunden, bis die Bäckerei öffnete. Ich gönnte mir einen kleinen Augenblick Pause, um auf mein Handy zu blicken, doch die einzigen Nachrichten, die mir unverändert entgegenleuchteten, waren die aus der Familiengruppe. Angespannt starrte ich diese an. Ich wusste, dass ich sie nicht ewig ignorieren konnte, aber im Moment hatte ich einfach nicht die Nerven dafür. Das Klingeln eines Glöckchens riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich meinen Kopf heben. Es war Adelia, die gekommen war um ihre Schicht anzutreten. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie mich ansah. „Bella mia! Wie lange bist du schon hier? Doch hoffentlich nicht schon seit Mitternacht, oder?“. Sie breitete die Arme aus und ich ließ mich von ihr umarmen. Ihre warme Stimme mit dem weichen italienischen Akzent und ihr strahlendes Lächeln sorgte automatisch dafür, dass sich auch meine Mundwinkel in die Höhe zogen. Sie war einige Jahre älter als ich und bereits Mutter von zwei sehr lebendigen Zwillingen. Eigentlich könnte man eher meinen, dass sie mein Boss wäre, als andersherum, aber so war es nun einmal. Das Geschäft hatte mir meine Großmutter vermacht als sie starb und war seitdem ein ständiges Streitthema, sobald ich mit meiner Familie zusammen war. Aber diesen Gedanken verschob ich auf einen anderen Zeitpunkt und beantwortete stattdessen Adelias Frage: „Nein, ich habe die meisten Teige schon gestern vorbereitet. Ich bin also erst seit drei Stunden hier“. Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge und verschwand zu den Personalräumen – wahrscheinlich um sich umzuziehen. „Du solltest nicht immer um diese Uhrzeit arbeiten. Du bist jung und solltest um diese Uhrzeit eigentlich irgendwo feiern sein, wie es alle jungen Menschen tun“. Es folgte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte: „Naja, vielleicht nicht gerade an einem Sonntag, aber so ganz generell“. Ich antwortete nicht und tat so, als hätte ich sie nicht gehört, während ich eine Fuhre Teilchen aus dem Ofen holte und begann die Auslage zu arrangieren. Es war eigentlich nie mein Plan gewesen hier zu landen – oder vielleicht sollte ich eher sagen, es war nie der Plan meiner Eltern gewesen. Aber als meine Oma starb und ich überraschend das Geschäft erbte, konnte ich es einfach nicht ausschlagen, dieses Erbe nicht fortzuführen. Fertig umgezogen trat Adelia wieder in den Verkaufsraum und warf mir einen vielsagenden Blick zu, bevor sie kommentarlos in der Backstube verschwand um nach dem Brot zu sehen.
Als wir pünktlich um acht die Türen öffneten, standen bereits die ersten Leute davor, um ihre morgendlichen Brötchen zu holen. Um diese Uhrzeit waren meistens nur Leute hier, die ihre Brötchen holten und wieder gingen. Die Leute die sich in den kleinen Cafébereich setzten, kamen erfahrungsgemäß erst etwas später am Morgen oder sogar erst gegen Mittag. Doch heute war es anders. Es war gerade mal zwanzig nach acht, als ein Mann mit einer schwarzen Aktentasche sich an einem der Tische niederließ und einen Laptop rausholte. Sein Auftauchen überrumpelte mich ein wenig. Die Studentin, die sich sonntags immer um die Tische kümmerte, hatte ich erst für neun bestellt und die Schlange vor der Theke war noch zu lang, als dass ich zu ihm rübergehen konnte, um seine Bestellung aufzunehmen. Kurz überschlug ich in meinem Kopf die Möglichkeiten, die ich hatte, doch letztendlich würde ihm wahrscheinlich nichts anderes übrigbleiben, als nach hier zu kommen, wenn er etwas zu essen haben wollte. Es dauerte nicht lange, bis der Mann aufstand und auf den Verkaufstresen zukam. „Wie lange muss ich eigentlich noch warten, bis man mich bedient?“, fragte er und auf seinem Gesicht lag die Arroganz eines Menschen, der es gewohnt war, dass man seine Füße küsste. Ein Gesicht, das mir von irgendwoher bekannt vorkam, wie mir gerade auffiel, doch ich verdrängte diesen Gedanken und setzte ein unverbindliches, freundliches Lächeln auf. „Da wir heute Morgen ein wenig unterbesetzt sind, können wir gerade nicht die Tische bedienen, so leid es mir auch tut. Wenn sie etwas bestellen wollen, müssen Sie sich leider hinten am Ende der Schlange anstellen“. Ich schenkte ihm ein bedauerndes Lächeln und wollte mich dem nächsten Kunden zuwenden, doch er hielt mich auf. „Was ist denn das für ein Service hier? Ich muss arbeiten und habe keine Zeit mich hintenanzustellen. Hören Sie mal, ich will doch nur einen Kaffee und ein belegtes Brötchen...“. Mit dem gleichen unverbindlichen Lächeln wandte ich mich ihm wieder zu und antwortete in ruhigem Ton: „Ich bedauere, aber Sie müssen sich auch dafür hintenanstellen. Sie sind nicht der Einzige, der auf seine Bestellung wartet. Er stieß sein ungläubiges Schnauben aus: „Ich will echt wissen, was die Geschäftsleitung wohl von ihrem Kundenservice hält, Miss -“, er ließ seinen Blick zu meinem Namensschild gleiten und stockte. Überraschung blitzte in seinen Augen auf und er schaute mir direkt ins Gesicht. „Katy? Katherine Taylor? Seit wann arbeitest du denn in einer Bäckerei?“. Als ich nun ebenfalls einen genaueren Blick auf ihn wagte und mehr als seine offensichtliche Attraktivität wahrnahm, fiel mir auf einmal auch wieder ein, woher er mir so bekannt vorkam. Ryan Jackson – wie er hieß –, war so ziemlich der arroganteste Mistkerl, den ich während meines Studiums kennengelernt hatte. Und jetzt stand er in meinem Café und damit mitten in meinem neuen Leben. Verdammt, wie hatte das nur passieren können? Meine Stimme klang eine ganze Spur kühler, als zuvor, als ich sagte: „Ich bin die Geschäftsleitung. Und du, Ryan, musst dich jetzt hintenanstellen! Die Kunden warten“. Ohne ihm die Gelegenheit zu geben, darauf etwas zu erwidern wandte ich mich endlich dem nächsten Kunden zu.
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Erstes Kapitel. Ich weiß, der Einstieg ist nicht so spektakulär, aber ich hoffe es gefällt euch trotzdem :)
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