36. Kapitel
★Marco★
Als ich ein Räuspern höre, sehe ich auf und blicke direkt in Bens Gesicht.
Ich schlucke.
Ist er echt da, oder bilde ich mir das nur ein?
Ich habe ziemlich wenig gegessen und getrunken in letzter Zeit, vielleicht habe ich Halluzinationen.
„Hei Ben" Simon steht auf und umarmt Ben.
Er muss also echt sein.
Unsicher sehe ich zu ihm hoch, er löst den Blickkontakt nicht.
Soll ich ihn auch umarmen?
Küssen kommt nicht in Frage, das ist mir auch klar.
Die Hand geben werde ich ihm auf keinen Fall.
Ich sollte einfach sitzen bleiben. Er sieht nicht wirklich so aus, als würde er gerade Körperkontakt wollen.
„Könnt ihr uns vielleicht alleine lassen?", fragt Ben an Simon und Tysan gerichtet.
Endlich hauen die beiden ab.
Obwohl es mich schon ein bisschen aufregt, dass sie meine Bitten zu gehen ignoriert haben und jetzt auf Ben hören.
Er ist einfach viel autoritärer als ich.
Egal, hauptsache die beiden Flachpfeifen sind weg.
Aber als dann die Tür hinter ihnen zuschlägt, bin ich darüber gar nicht mehr so froh.
Jetzt habe ich gar keinen mehr, hinter dem ich mich verstecken kann.
Ben sieht mich noch immer so intensiv an, dass mir der Schweiß aus jeder Pore schießt.
Gott, ich sehe bestimmt total scheiße aus gerade. Er hätte sich doch ankündigen können. Dann hätte ich mir das erste Mal seit langem eine Dusche wieder mal von innen angeschaut.
„Levi hat mir all deine Sachen weggenommen", meint Ben dann wie aus dem nichts.
Ich ziehe fragend die Augenbrauen zusammen.
Was hat Levi den mit meinen Sachen zu schaffen? Und warum erzählt er mir das?
Ben hebt die Schultern und steckt die Hände in die Hosentaschen, ein Zeichen dafür, dass er nervös ist. „Ich hab dich vermisst und wollte eigentlich den Badman Hoodie anziehen, der dir so gut steht, aber Levi wollte ihn nicht mehr hergeben und meinte, wenn ich dir sage, ich will Abstand von dir, soll ich mich nicht selbst hintergehen, indem ich nicht auch Abstand zu allem von dir habe"
Ich schlucke und nicke verstehend.
Er hat mich vermisst. Das ist das einzige, das wichtig ist.
„Es tut mir leid", murmele ich leise in die aufkommen Stille, die auf seine Worte folgt.
Ben seufzt. „Ich weiß, Marco. Aber es ändert nichts"
Ich schüttele den Kopf. „Ich meine nicht in erster Linie das. Ich meine, dass wir an Reece Geburtstag nicht zusammen waren. Ich wäre da gern bei dir gewesen"
Ben schluckt hart und nickt dann, als er zu Boden sieht. „Ich wollte auch bei dir sein. Aber es wäre echt zu viel gewesen."
Ich nicke verstehend.
Er hebt vorsichtig den Blick, als hätte er Angst, meinem wieder zu begegnen.
Als es dann aber so weit ist, lösen wir unsere Blicke nicht mehr voneinander.
„Hast du..." ich räuspere mich. Warum muss ich auch so scheiße klingen?! „Hast du viel geweint?"
Er beißt die Zähne zusammen, zuckt mit den Schultern. Das heißt ja.
„Ich auch", murmele ich und sehe zu meinen Händen, die aus meinen angezogenen Knien liegen.
„Geht es dir besser, mich zu sehen?", fragt Ben leise.
Ich hebe den Kopf wieder, um ihn anzusehen.
Er sieht total unsicher aus und so geht es mir auch.
Ich schüttelte den Kopf. „Es würde mir besser gehen, wenn du nicht mehr da drüben stehen würdest", gestehe ich.
Ben nickt verstehend.
Doch er bleibt stehen.
Zumindest eine Weile, in der wir uns nur noch stumm ansehen. Dann bewegt er sich auf mich zu und setzt sich an das andere Ende des Sofas.
Es ist still zwischen uns, aber nicht so angespannt, wie es sein könnte.
Wir beide wollen die Distanz zwischen uns irgendwie überwinden, doch dazu muss mehr passieren als auf dem Sofa nur zueinander aufzurutschen. Nicht mal das trauen wir uns. Obwohl ich nichts lieber tun würde, als mich einfach in seien starken Arme fallen zu lassen. Ich will, dass er mich beschützt...
Genau in diesem Moment wechselt das Lied der Soundanlage und The other Side ertönt.
Unser Lied.
Ich sehe unsicher von der Anlage, die ein verdammt schicksalhaftes Timing hat, zu Ben und begegne seinem Blick.
ER steht auf.
Will er tanzen? Nein, denn er geht zum Soundsystem und schaltet es aus.
Ich seufze.
Ob enttäuscht, oder einfach nur erschöpft von all dem Schmerz weiß ich nicht so richtig.
Ben bleibt eine Weile dort stehen und dann geht die Musik wieder an.
Sein ernst? Mein Herz setzt einen Schlag aus, als seine Hand in meinem Sichtfeld auftaucht.
Unsicher sehe ich zu ihm hoch und ergreife die Hand.
Er zieht mich auf die Beine und vom Sofa weg, bis wir mitten im Wohnzimmer stehen.
Was will er denn jetzt?
Ich kann gerade einfach nicht tanzen und er kann es nie.
Doch das will er gar nicht.
Er umarmt mich.
Und ich umarme ihn.
Er seufzt tief, als ich ihn an mich drücke und dann beginnen wir echt zu tanzen, wie Senioren im Altenheim. Aber ich finde das schön. Es ist ein Privileg, Ben im Arm halten zu dürfen, das ist mir bewusst und ich weiß das sehr zu schätzen.
Ich lehne meinen Kopf an seinen und fahre durch seine Locken, während er meinen Rücken entlang streichelt.
Die Musik ist viel zu schnell für das, was wir gerade machen, aber ich finde, es passt perfekt.
Ich will ihn nie wieder loslassen, aber leider endet das Lied irgendwann. Sowie alles ein Ende hat.
Ben löst sich wieder leicht von mir, nur so weit, um mich ansehen zu können.
Er streicht mit dem Daumen über meine Wange.
Ein fast unmerkliches Lächeln schleicht sich auf seinen Lippen.
Das überrascht mich echt, aber auch meinen Mundwinkel heben sich automatisch leicht.
Das ist das erste mal nach meinem Betrug, dass ich noch denke, dass es Hoffnung für uns gibt.
Und Ben bestätigt das, indem er sich zu mir hochstreckt und seine Lippen sanft auf meine legt.
Es ist nur ein leichter Kuss, vorsichtig, aber das ist okay. Wir müssen mehr aufbauen, mit der Zeit. Ich muss sein Vertrauen zurückgewinnen.
Aber auch bei wieder Art zu küssen fällt mir etwas auf. Als Ben sich wieder leicht von mir löst und diesmal etwas deutlicher lächelt, muss ich ihn das einfach fragen. „Sag mal, hast du geraucht?"
Tut mir leid, aber er schmeckt einfach danach. Und von irgendwoher muss das ja kommen.
Er nickt. „Stressabbau", meint er.
Meine Augenbrauen wandern nach oben. Ben raucht? Was ist nur aus meinem Spießerbaby geworden?
„Hilft es denn?", will ich dann wissen.
Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen, mein Weed hat Simon mir immerhin weggenommen, weil er meinte, in meinem Zustand sollte ich keine Drogen konsumieren, weil ich dann nicht mehr damit aufhören kann.
Damals, nachdem ich Ben Eltern gekillt habe und er mich nicht mehr sehen wollte, hab ich auch Drogen genommen. Seit dem nicht mehr, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte, aber wenn ich Ben habe, dann brauche ich nichts anderes.
Ben schüttelt den Kopf auf meine Frage hin. „Gar nichts hilft, nur das hier" ER streckt sich wieder, um meine Lippen mit seinen zu berühren.
Ich weiß, was er meint. Ich fühle mich plötzlich viel weniger verloren. Nur leider befürchte ich, mir das nur einzubilden.
Wieso sollte Ben mich plötzlich wieder küssen wollen? Ich habe ihn betrogen. Ich habe ihn hintergangen. Ich habe ihn einfach nicht verdient.
Ich schiebe Ben leicht von mir weg.
Er weiß wahrscheinlich grade gar nicht, was er da tut. Er muss mich doch hassen.
Ben sich mich unsicher an, fragend, ängstlich. „Hab ich was falsch gemacht?", will er leise wissen.
Das ist der Punkt, an dem ich gar nichts mehr verstehe.
Ich schüttele schnell den Kopf. „Ich bin nur verwirrt", gestehe ich. „Ich dachte, du bist sauer und hasst mich jetzt. Wieso solltest du mich nach allem, was ich getan habe noch küssen wollen?"
Ben schließt leidend die Augen und atmet tief durch. Als er sie wieder öffnet, sieht er irgendwie... schuldbewusst aus. „Ich hätte dir zuhören sollen. Dich erklären lassen sollen. Ich hab grade gehört, was du Simon und Tysan erzählt hast."
Ich presse die Lippen zusammen. Es war so eine Überwindung das zu erzählen. Ich schäme mich so.
„Sagst du mir, was passiert ist? Jedes Detail?" Ben sieht mich unsicher an.
Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. „Wieso solltest du das hören wollen?"
Ben seufzt, greift zögerlich nach meiner Hand.
Einerseits wirkt es so, als wolle er sofort wieder loslassen wollen, doch er drückt fester zu. „Ich will dir helfen"
Ich verstehe das nicht. Ich habe ihn betrogen und er will mir helfen? Was passiert hier gerade? Weiß Ben mehr als ich? Denkt er weiter? So wie er es immer tut? Oder hat er einfach die Hoffnung etwas von mir zu hören, das es ihm leichter macht, mich zu verlassen?
Denn ich sehe in seinen Augen, wie sehr er mich liebt.
Dass er mich nicht gehen lassen will, aber auch, dass es ihm schwer fällt so vor mir zu stehen.
Also muss ich es ihm wohl erzählen. Ich will ihm auch gar nichts vormachen. Er hat das Recht es zu erfahren...
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