35. Kapitel
★Ben★
Levi hat Recht.
Leider.
Es bringt nichts, Marco zu meiden und mich dann mit seinen Sachen einzusperren, weil ich ihn so sehr vermisse. Er ist mein Ehemann, ich sollte mit ihm reden. Zumindest darüber, wie es jetzt weitergehen soll.
Ich sitze bestimmt zwei Stunden lang in meinem Auto vor dem Haus, in dem sich Marcos und meine Wohnung befindet, und überlege, was ich tun und sagen soll, doch so richtig will mir nichts einfallen.
Wenn er vor mir steht, falle ich ihm wahrscheinlich wieder um den Hals wie der letzte Waschlappen.
Ich muss mich eigentlich gar nicht wundern, dass er mich betrogen hat, immerhin steht er ja auch Männer und nicht auf solche Memmen wie mich.
Anderseits wusste er ja schon vorher, was für ein Sensibelchen ich bin und er hat mich trotzdem geliebt. Keine Ahnung, ob es er immer noch tut. Oder ob ich es noch tue.
Nein, eigentlich ist das gelogen. Ich weiß, dass ich ihn noch liebe. Aber ich weiß auch, dass wir an einem Punkt sind, wo das einfach nicht mehr genug ist.
Seufzend steige ich aus und rauche eine, während ich zum Hauseingang gehe. Davor bleibe ich dann sehen und stecke mir nochmal eine Kippe zwischen die zwischen die Lippen. Ich brauche das jetzt einfach.
Das ist sowas wie sich Mut anzutrinken, nur dass man danach kontrollierter ist, statt unkontrollierter.
Als ich so etwa bei der Hälfte meiner zweiten Zigarette bin, geht die Tür auf und jemand, den ich niemals hier erwartet hätte, taucht auf. Tysan. Er fummelt auch eine Packung aus der Jackentasche und schiebt sich eine Zigarette in den Mund, um sie anzuzünden. Erst danach sieht er auf und erkennt mich.
„Endlich", meint er, nimmt die Kippe raus und stoßt den Rauch durch die Nase in die Luft. „Marco jammert uns seit Tagen die Ohren voll. Es wurde echt mal Zeit, dass du dich blicken lässt."
Sein ernst?
„Und weißt du auch, wieso er so jammert?", frage ich Tysan. Er ist so unsensibel, das komplette Gegenteil von Simon...
Er verdreht die Augen. „Er hat dich betrogen, na und? Jeder macht mal Fehler. Der Typ da oben liebt dich so sehr, dass mir fast das kotzen kommt. Er spricht von dir, als seist du ein verdammter Heiliger und er schläft nur, wenn er deine Sachen trägt. Er hat euer scheiß Bett aus dem Fenster geworden, sodass es wochenlang im Garten gelegen hat, bis Simon und ich es weggeräumt haben und Simon und ich müssen eiskalt auf den Boden schlafen, obwohl wir nur hier sind, um ihm zu helfen. Er hat eure ganze Wohnung mit deinem stinkende Parfüm eingesprüht und tut nichts, ohne dabei nicht von dir zu reden und/oder in Tränen auszubrechen. Der ist so anstrengend!" Tysan zieht tief an seiner Zigarette, schüttelt dabei den Kopf. „Ich hab euch zwei immer als starke Gegner angesehen, aber in echt seit ihr einfach nur Flaschen. Alle beide"
„Danke" Ironisch lächele ich und ziehe ebenfalls nochmal.
Was er aber über Marco erzählt hat, hat mein Herz höher schlagen lassen. Ich bin ihm also nicht egal. Er vermisst mich. Ich bedeute ihm noch etwas.
Das zu wissen gibt mir genügend Sicherheit, um meine Zigarrenstupf auszutreten und in die Wohnung hochzugehen.
Tysan folgt mir. „Tu mir bitte den Gefallen und schick Simon weg. Er will Marco nicht alleine lassen und ich will ihn mal wieder für mich haben" Tysan klingt schon versöhnlicher, aber ist ja auch klar, immerhin will er das ich etwas für ihn tue.
Ich stimme mit einem "Mhm" zu.
Als wir oben ankommen, öffne ich mit meinem Schlüssel. Was mich wundert, ist, dass hier Jason Derulo ertönt. Das ist einer von Marcos und meinen Lieblingssängern. Unser Lied ist von ihm, aber wenn es ihm echt schlecht geht, ist diese Art von Musik eigentlich nicht angemessen. Der Grund, warum sie trotzdem läuft, erklärt sich schnell.
Simon tanzt durch das Wohnzimmer, während Marco nur mit angezogen Beinen auf dem Sofa sitzt und in die Leere starrt.
„Jetzt komm schon, Marco! Wo ist der Tanzkönig geblieben?" Simon nimmt Marcos Hände, die eben noch auf seinen Knien lagen, und will ihn zum Tanzen animieren.
Weil es nicht funktioniert glaube ich, dass es Marco echt richtig mies geht. Er liebt das Tanzen. Er tanzt auch, wenn es ihm mies geht, dann sogar erstrecht.
Doch jetzt... Er kann nicht mehr. Und er sieht so fertig aus. So hab ich ihn noch nie gesehen.
„Kannst du mich nicht einfach in ruhe lasen?" Sogar seine Stimme klingt kraftlos.
„Nein, kann ich nicht, weil ich dein freund bin und Freunde sind füreinander da. Du und Ben habt mich nach meiner Trennung von Jax doch auch aufgemuntert"
Tysan zieht mich hinter die Tür und deutet mir still zu sein, damit lauschen könne. Ich weiß, das gehört sich nicht, aber seinen Mann zu betrügen gehört sich auch nicht, also...
„Merkst du was an diesem Satz? Ben und ich. Ich hab nur Kraft, wenn er bei mir ist. Ohne ihn bin ich ein nichts" Marco rauft sich die Haare, als sehe ich, weil ich hinter der Tür hervorspähe.
„Ach laber doch nicht", meint Simon und setzt sich zu Marco aufs Sofa. „Du bist kein nichts und du kannst auch unabhängig von Ben leben. Nach einer Trennung ist es immer schwer, aber es wird besser und vielleicht findest du ja jemanden, der dich ablenken kann"
Marco unterbricht ihn, indem er aus seiner abwehrenden Haltung aufschreckt. "Ich will mich nicht ablenken! Und Ben und ich sind nicht getrennt, okay? Wir lieben uns, wir... Wir machen nur eine kleine Pause. Aber es wird weitergehen" Es klingt so, als würde er sich das selbst immer reinreden und wen ich ehrlich bin, tue ich das auch.
„Ich will nicht ohne Ben leben", murmelt Marco, lässt traurig die Schultern hängen.
Tysan deutet mir, hierzubleiben und geht ins Wohnzimmer.
„Und immer noch am Heulen?" Er setzt sich neben Marco und klopft ihm auf den Rücken.
„Ach verpiss dich", knurrt dieser und schleudert ihm ein Kissen ins Gesicht.
Tysan grinst, während er es auffängt. "Wenn Ben jetzt hier wäre, was würdest du ihm dann sagen?", will er dann wissen.
Marco schnaubt und zischt: „Das geht dich gar nichts an"
Tysan atmet genervt durch. "Ich will dir doch nur helfen. Außerdem wirst du ihn ja irgendwann wiedersehen, spätestens, wenn ihr eure Scheidung verhandeln müsst, also sagst du mir jetzt, was du ihm sagen willst, und ich bewerte das dann"
Tysan lehnt sich zurück und sieht Marco auffordernd an.
Er wirft Simon einen unsicheren Blick zu. Dieser nicht aufmunternd.
Marco seufzt. „Ich weiß nicht, was ich sagen würde. Ich könnte wahrscheinlich gar nicht reden und wäre mit heulen beschäftigt. Ich würde ihn an mich ketten, damit er nicht mehr gehen kann."
Er schüttelt leidend den Kopf und sieht auf den Boden. „Aber das wäre so egoitisch von mir."
Er schnieft, wischt sich mit dem Handrücken über die Wange und umklammert dann wieder seine angezogenen Beine. „Ich will ihm nicht noch mehr wehtun. Ich hasse mich selbst dafür, was ich da getan habe. Aber ich weiß nach wie vor nicht, wie es so weit kommen konnte. Im einen Moment war noch alles okay, Jolie und ich haben nur ein Bier getrunken und im nächsten war mir total schwindelig, Jolie hat mich ins Bett gebracht und mich geküsst. Ich war voll überfordert und hab ihr gesagt, dass ich mit Ben zusammen bin, aber sie hat nicht aufgehört"
Er rauft sich verzweifelt die Haare, mein Herzschlag beschleunigt sich.
Was erzählt er da?!
„Ich hab kaum was mitbekommen, ich war wie auf Heroin, aber so richtig drauf. Ich konnte mich kaum bewegen, schwer atmen und Jolie hat.... Sie hat eigentlich alles selbst gemacht. Ich wollte es ja nichtmal. Erst ein paar Momente, nachdem es vorbei war, hab ich mich wieder richtig bewegen können und hab sie vor die Tür setzen wollen, aber Ben stand vor der Schlafzimmertür. Es sind nur ein par Sekunden vergangen, dann bin ich umgekippt. Im Krankenhaus meinten sie, ich hätte irgendwas im Blut gehabt, das mich benommen und willenlos gemacht hat, aber... ich weiß nicht, wie das da reingekommen ist. Und ich will Ben das nicht sagen, sonst glaubt er, ich lüge ihn an."
Er schnieft nochmal und wischt sich zitternd über die Wange. „Er vertraut mir nicht mehr. Er hält mich für das Monster, das ich auch bin. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich liebe ihn, das werde ich immer tun, aber er hat... Er hat mir den Ring zurück gegeben. Ich hab ihn dagelassen, damit er weiß, dass ich ihn nicht will, dass ich warten werde, bis er zu mir zurückkommt, aber ich weiß nicht, was er damit gemacht hat. Vielleicht hat er ihn das Klo runter gespült, so wie er es mit mir auch am liebsten machen würde. Aber ich glaube auch, unser Ehering ist gar nicht so wichtig. Der, den er am Daumen trägt, das ist der entscheidende"
Ohne es wirklich zu bemerken, fahre ich unterbewusst über den genannten Ring an meinem Finger, den ich nach wie vor trage, und bemerke, wie recht Marco hat. Der Liebesring bedeutet so viel mehr, als unser Ehering. Er ist schon länger Teil unserer Beziehung und ihn werde ich niemals abnehmen.
Egal, was Marco auch anstellt, ihn werde ihn immer lieben. Dafür steht dieser Ring.
Aber er hat auch recht damit, dass ich ihm nicht mehr vertraue. Genau deshalb hat er den Ehering zurückbekommen.
Ich frage mich allerdings, was er damit meinte, dass er sich nicht bewegen konnte. Als er mit das erzählt hat, dass er nicht wirklich wusste, was da passiert ist, habe ich ihm echt nicht geglaubt.
Ich dachte, er hat sich einfach so zugesoffen und das selbst zu verantworten, aber was, wenn es nicht so war.
Andererseits wäre Jolie doch nicht dumm genug, Noel zu betrügen.
Der Typ hat Macht, Geld, und Ruhm.
Wieso solle sie das für einen Fick mit Marco aufs Spiel setzen, wenn dieser nicht mal in Höchstform ist?
Da muss doch mehr dahinter stecken.
Aber für mich zählt nach wie vor nur eines.
Marco.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top