Kapitel 8

In den nächsten drei Wochen lernt der Typi vor dem Fenster offenbar meinen neuen Stundenplan auswendig, da er nun, nach vier Wochen Schule, wieder dort steht und ich seinen tollen Rücken betrachten kann.
Während diesen Wochen habe ich geschafft, meinen Lehrern zu beweisen, dass ich nicht umsonst auf dieses Gymnasium gehe, und bekomme hier und da vierzehn oder dreizehn Punkte mündlich, was einer Eins und Eins Minus entspricht. Ha! Mögen sie behaupten, was sie wollen, ich bleibe eine Einserschülerin. Vielleicht werde ich ja nach dem Abi an der Akademie der Künste angenommen, ohne meine dass Eltern etwas davon erfahren. Ich glaube, das wird mein nächster Weihnachtswunsch.
Als ich mich im Bio-Raum auf meinen Platz hinsetze, ist die Lehrerin noch nicht da, obwohl nur noch fünf Minuten bis zum Unterrichtsbeginn bleiben. Dabei ist sie ansonsten immer überpünktlich.
"Hey, weiß einer, ob sie überhaupt da ist?", fragt Philip in die Runde.
Er hat dunkelbraune Haare, dunkle braun-grüne Augen, ist einer der Grundständigen und wir haben uns schon sowohl auf Partys gesehen, als auch auf einigen freiwilligen Schulveranstaltungen. Er ist mir eine Weile sogar indirekt hinterhergelaufen, doch nun merke ich, dass ich ihn mittlerweile nicht mehr interessiere. Soll mir recht sein.
"Keine Ahnung, hab sie nicht gesehen.", antwortet ein Mädchen von hinten, das ich erst hier im LK kennengelernt habe.
Ich stütze meinen Kopf mit der Hand. "Wenn wir jetzt Ausfall haben..."
"Jetzt mal wirklich.", stimmt mir Philip zu. "Richtig unnötig, dass wir dann zur Ersten gekommen sind. Boahh." Er verdreht die Augen, kreuzt die Arme über dem Tisch und legt den Kopf drauf. "Wie war das Wochenende? Willst du diesen Freitag mit uns feiern?"
In den letzten Wochen versuchen wir unsere Freundschaft ein wenig aufzubauen, doch es reicht noch lange nicht aus, dass er sich in den Pausen zu meinem Freundeskreis und mir stellt.
"Drew, Den, Lisa und ich haben uns am Samstag Sushi bestellt und eine Weile Karten gespielt. Ansonsten nichts Großartiges. Und ja, würd gern mit euch feiern. Wer kommt denn alles mit?"
Und dann nennt er mir fünf Namen von Mädchen und Jungs, von denen ich weiß, dass sie alle grundständig sind und ich schon mal Kontakt zu ihnen hatte, ich sie aber nicht unbedingt kenne. Nun ja... dann nehme ich halt Lisa mit.
Aber zurück zu der Stunde. Die Lehrerin kommt wirklich nicht. Also gehe ich mit den Jungs zu Rewe, wir kaufen Chips und Cola und setzen uns an den See in der Nähe der Schule.
Und so sitzen wir schön zusammen, quatschen über alles mögliche, bis Kay plötzlich seinen Mund in die falsche Richtung aufmacht.
"Emily, stimmt es eigentlich, dass du dich letzte Woche mitten im Unterricht mit Dennis aufs Klo verzogen hast, um -?"
Weiter kommt er nicht, weil ihn Philip ziemlich heftig haut. Kay ist ein richtiger Arschloch aus der ehemaligen f, und da habe ich mir leider genug Feinde gemacht.
Ich erhebe mich von der Bank, als würden mir seine Worte nichts ausmachen. "Nein, nein, Philip, lass ihn doch. Natürlich stimmt es."
In den Gesichtern der fünf Jungs merke ich, dass allein Philip meine Ironie versteht. Schande. "Es stimmt genau so viel, wie deine Freundin, Kay - falls du jemals eine haben solltest - Gerda heißen wird."
Diesen Spruch hat mir Den letztes Jahr vorgeschlagen, als er mitbekam, dass mir Kay mal hier, mal da Stress machte. Er meinte, es seien die Charaktere eines russischen Mädchens und dass ich ihn damit gut dissen könnte. Auf meinen Einspruch, er würde es ja eh nicht verstehen, sagte Den schulterzuckend: "Aber du weißt es. Ich glaub, das sollte ausreichen".
Nun ja, wie ich es jetzt merke, stimmt das wirklich.
Ich greife nach meiner Tasche und verlasse die Jungs, ohne mich umzudrehen. Kay regt mich so auf!! Warum kann er nicht einfach die Fresse halten, es war doch so schön!
Völlig genervt setze ich mich in der Schule in den Oberstufenraum, da dort erlaubt ist, die Handys zu benutzen, ziehe mir Kopfhörer über und lösche weitere Hasskommentare auf Instagram. Facebook habe ich seit langem schon nicht mehr, da es mittlerweile  niemand benutzt.
In der Hofpause stehe ich lächelnd mit Den, Drew und Lisa und wir überlegen uns, ob wir nach der Schule zusammen essen gehen wollen. Die Entscheidung fällt selbstverständlich positiv - dank mir! Den meinte nämlich, er habe kein Geld und bla bla -, sodass wir zwischen Pizzeria, KFC, Sushi oder einfach Döner wählen müssen.
"Lasst uns einfach die nächsten Stunden darüber nachdenken.", schlägt Lisa schulterzuckend vor.
Dann klingelt es schon, sodass wir genervt aufstöhnen.
"Leute, wartet.", meine ich drängend. "Wollen wir ein Team bilden und uns für sie SV-Wahlen melden?"
Die anderen sehen mich perplex an, besonders Lisas Augen.
"Schülervertreter?", fragt sie nach. "Nie im Leben! Ohne mich."
Analisa war in ihrer alten Schule zwar kein Außernseiter, aber im Mittelpunkt stand sie auch nie. Deshalb merke ich immer wieder, wie ungewohnt sie es ist, wenn die Menge sich hier und da für sie interessiert - was übrigens letztes Jahr in den ersten Wochen der Fall war. Sie und Drew waren beide neu, wir saßen in der Cafeteria, sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie sie ihn anstarrte. Beide hatten denselben Pulli an und so habe ich dafür gesorgt, dass die Schülerzeitung von diesem kleinen Vorfall erfuhr. Ich glaube, Lisa hat mich damals richtig gehasst, so peinlich ihr die Situation war.
Drew nickt ihr zustimmend. "Im Ernst. Hast du zu viel Freizeit, Em? Ich nicht."
"Lass 's sausen.", erwidert auch Den und legt mir den Arm um die Schultern.
Wir machen uns auf den Weg zur Turnhalle, wobei ich versuche, trotzdem gute Argumente für die SV-beteiligung einzubringen.
Als ich auf die Schule kam, habe ich versucht, eine Tanz-AG zu organisieren, doch man kannte mich noch zu schlecht, um sich mir anzuschließen. Kaum zu glauben, es gibt zehn unterschiedliche Sport-AGs, aber keine Tanz-AG! Der SV wollte ich mich nicht anschließen, doch nun finde ich, dass der Moment gekommen ist, wo ich wirklich etwas beitragen muss.
Meine liebsten Freunde wollen jedoch nicht mitmachen, egal welche Vorteile ich ihnen vor Augen führe. Also kommt mir eine andere Idee in den Sinn. Ich bin schon gespannt, was draus wird.

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Also ich bin auch schon gespannt, was sich aus Ems kleiner Idee entwickeln wird. Ich bin mir dessen nämlich auch noch nicht bewusst. Tja, so läuft bei mir halt Geschichten-Schreiben hahah

Ich bemühe mich
Eure Once

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