Kapitel 5

Ohne Lisa und Drew vergehen die Ferien für mich echt langweilig und auch Den ist da mit seinem gebrochenen Bein keine große Hilfe. Ludwig, der übrigens mit Elias mehr als die Hälfte der ganzen Kurse hat, findet nur einmal in den ganzen drei Wochen für mich Zeit und Nelly und Changie sind für mich mittlerweile nicht mehr so starke Freundinnen, sodass wir uns auch nur wenige Male treffen. Jeden dritten Abend hänge ich mit Leuten zusammen ab, die ich kaum oder gar nicht kenne, und spiele völlige Zufriedenheit vor. Langsam wird so etwas anstrengend...
Meine Eltern melden sich nur zweimal bei mir, aber das wundert mich gar nicht. Sie streiten sich in letzter Zeit so oft, da brauchen sie einfach ne Weile für sich allein. So sagt es jedenfalls ständig meine Mutter. Ich weiß, dass es nicht mehr gut zwischen ihnen wird. Vor zwei Jahren haben sie die Papiere für ihre Scheidung abgegeben und jetzt warten sie einfach ab, bis das Ganze genehmigt wird, wobei sie mir immer wieder vorspielen, erneut glücklich zu sein. Doch ich bin ja weder blind, noch dumm.
Heute Abend kommen Analisa und Co. wieder zurück, morgen früh meine Eltern. Und dann geht es wieder mit der Schule los. Nun beginnt die Oberstufe. Ich weiß jetzt schon, dass ich nur sehr wenige Kurse mit Lisa zusammen haben werde, weil wir völlig unterschiedliche Stärken haben. Außerdem weiß ich genau, dass ich Arzt werden will, Lisa aber hat noch keine Ahnung, was sie in Zukunft machen möchte. Na gut, jetzt lüge ich. Ich würde liebend gerne meine nächsten Jahre mit tanzen verbringen, doch wie gesagt, ich bin nicht dumm - ich weiß, dass mir das keinen sicheren Verdienst bietet. Plus ist Berlin da nicht so das Tanzzentrum. Obwohl es nicht so dramatisch wäre, Berlin zu verlassen... Lisa würde mich dafür zwar hassen, da sie erst letzten Sommer aus Stuttgart hierher gezogen war, aber das wäre auch das einzige Problem. Und oh - hier spricht mein Egoismus. Oder ich bin einfach nicht sässig.

Ich wache noch vor dem Weckerklingeln auf. Mir fiel es immer leicht, früh aufzustehen.
Mein Bett lasse ich ungemacht, stattdessen gehe ich erstmal duschen. Dann frühstücken wir mit Shiney und drehen eine Runde um den Block, damit sie all ihre Geschäfte für den Morgen machen kann. Als nächstes rufe ich wie gewöhnlich Lisa an. Sie ist eine ziemliche Schlafmütze und verflucht mich daher jeden zweiten Morgen für meine Anrufe. Aber jetzt mal ehrlich: was soll ich bitte eine halbe Stunde lang machen, während meine Haare trocknen?
“Ich hoffe, du bist kurz davor, aus dem Fenster zu springen.“, meldet sich meine Freundin schlaftrunken.
Ich lache. “Erdgeschoss - wird leider nichts draus. Wie lange hast du gestern noch mit Drew telefoniert? Ich bin eingepennt, während ich aufs Freiwerden der Leitung gewartet hab.“
“Lange.“, antwortet Lisa zögerlich.
“Hey!“, rufe ich aus. “Nicht schlafen, mir ist langweilig. Weißt du, ich wundere mich immer wieder, wie Liebe funktioniert. Ihr wart drei Wochen lang Tag und Nacht zusammen und habt trotzdem was zu reden.“
“Das ist es ja...“, brummt sie. “Der Abstand ist nicht mehr gewöhnlich... Brauche Nähe...“
Ich hatte nie das Glück, wahre Liebe zu erleben. Alle meine drei Beziehungen bin ich rein aus Langeweile eingegangen, wodurch sie nicht unbedingt super verlaufen waren und schnell geendet hatten. Nun, so ist eben das Leben.
“Oh, verstehe... Hattet ihr... wieder was?“
“Ja“, stimmt sie mir erneut völlig schläfrig zu. “Warte, was?!“
“Na da wird sie endlich wach.“, lache ich. “Steh auf, heute geht's wieder zur Schule.“
Sie stöhnt auf. “Ich hasse dich, Em.“
“Dafür kommst du vor deinen Brüdern ins Bad, du musst mir dankbar sein, Lisa.“
“Bis ans Ende der Welt.“, erwidert sie und ich kann mir vorstellen, wie sie die Augen verdreht und sich tiefer in die Decke kuschelt. “Ich geh jetzt aber wirklich duschen... Bis nachher.“
“Bis dann. Und wenn du jetzt weiter rumliegst, bist du am Arsch.“
Lisa macht ein Geräusch zwischen lachen und schnauben. “Hast du hier irgendwo eigentlich eine Kamera eingebaut oder bin ich so leicht durchschaubar?“
Ich grinse selbstzufrieden. Ich kenne mich mit Menschen halt gut auf.
“Darüber kannst du gern grübeln. Muss jetzt meine Haare machen.“
Ich schalte den Anruf ab und lächele vor mich hin. Manchmal ist Schule gar nicht mal so übel. Ich werde endlich nicht mehr den halben Tag irgendwo allein herumhocken.

Meine Locken lassen sich in zwei perfekte Duts zusammenstecken, das weinrote Kleid betont meine Figur und die Halbstiefel sitzen endlich wunderbar. Es ist mir egal, dass sich manche wie Penner zur Schule anziehen - ich halte die Schulflure keinesfalls für einen Podium, ich möchte nur für mich selbst hübsch aussehen, da ich mich dadurch wohlfühle. Und ich werde jedem beweisen, dass ich tun und lassen kann, was ich will, solange ich das für mein Wohlbefinden tue - und ja, solange es nicht vom Gesetz verboten ist.
Ich schnappe meine schwarze Tasche, wo gerade mal zwei Blöcke, eine Federtasche, meine Wasserflasche und das Portmonee mit dem Handy liegen, kraule Shiney zum Abschied hinter dem Ohr und gehe zu meinem Bus.
Die Station, an der ich dann aussteigen muss, ist einige Hundert Meter von der Schule entfernt und so bin ich jeden Morgen gezwungen, noch zu laufen.
Reflexartig drehe ich den Kopf nach links, als ich an einem bestimmten Fenster im Erdgeschoss des links stehenden Hauses vorbeikomme. Ich blicke schon seit einigen Monaten da rein. Und genauso wie immer erkenne ich einen blonden Typen, der sich gerade vor seinem Schrank umzieht. Ich weiß wirklich nicht, ob er es absichtlich um diese Uhrzeit macht oder ob es nur ein Zufall ist, aber das ganze hat noch vor den Sommerferien angefangen. Ich hatte aus Versehen durch das Fenster geschaut, als er sich gerade zu mir umgedreht hatte. Er hatte mich natürlich bemerkt und mir mit einem selbstzufriedenen Blick zugelächelt. Die Emily hier weiß aber, wie sie mit Männern umzugehen hat. Also hatte ich die Hand gehoben und ihm verschwörerisch zugewunken. Tja, am nächsten Tag stand der Blondi wieder vor dem Schrank und zeigte mir seine schönen Rückenmuskeln. Und ich? Ich weiß es einfach zu genießen - warum auch nicht? Das ganze ist doch eh nur ein Spiel, bis entweder er genug hat und sich nicht mehr hinter dem Fenster blicken lässt oder ich genug habe und meinen Schulweg ändere. Ich habe ein Gespür für Paare und ich weiß, dass sowohl Den und ich keine Zukunft haben werden, noch dieser Unbekannte und ich. Außerdem: vielleicht ist er ja dumm wie Stroh oder völlig aggressiv - man kann's nie wissen. Aber ich verlange auch nichts Anständiges von einem Typen, der mit mir allein durch seinen Rücken flirtet. Also bitte, mein Gehirn funktioniert noch wunderbar!

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Tut mir leid für die Verspätung, ich hatte keine Zeit. Und jetzt hat die Schule wieder angefangen und ich werd noch weniger Zeit haben, yuhuu, ich freu mich voll!!! Nicht.
Na ja, ich schaff das schon irgendwie.

Wer die beiden Teile davor gelesen hat, darf mir jetzt gern eine Frage beantworten: Ändert sich euer Empfinden gegenüber Em oder findet ihr sie genauso wie in den anderen Teilen (auch wenn sie im zweiten kaum eine Rolle spielt)?

Gute Nacht
Eure Once

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