Kapitel 34
Am nächsten Morgen fahre ich zu Lisa. Wir reden über mein Date mit Jonas, wobei ich einige Tatsachen auslasse und ein lustiges, cooles Treffen beschreibe, und ihr Date mit Andrew. Kann man das überhaupt noch Date nennen, wenn sie über einem Jahr schon zusammen sind? Unwahrscheinlich. Sie waren Eis essen und sind dann durch die Straßen gelaufen, bis sie ein wenig auf einem leeren Spielplatz rumgealbert haben. Klingt richtig süß.
"Ich hab von Drew was erfahren.", meint Lisa dann. "Und es wird dir bestimmt nicht gefallen."
Ich seufze und drehe mich auf den Rücken. "Darf ich raten: irgendwas mit Dennis."
"Leider. Er hat jetzt ne Freundin." Ich hebe ungläubig eine Augenbraue. Das hatten wir doch schon. "Nein, guck nicht so, die hat er jetzt wirklich. Wir haben mit Drew die beiden gestern gesehen. War so eine Brünette, etwas stärker geschminkt, horrorschlank und wahrscheinlich sogar eine Russin. Sie hatte sich sogar bei Den untergehackt. Ey, ich hab meinen Augen selbst nicht geglaubt. Ohne Spaß, du kannst Drew fragen. Ich hab ihn sogar gebeten, mich zu schlagen - ich dachte, ich träume!"
"Wow.", sage ich knapp. "Das war jetzt wirklich schnell. Den denkt wohl, er wäre jetzt Badboy. Muss er nicht für sein Abi lernen?"
"Habt ihr denn wieder geschrieben?"
Ich zucke gleichgültig die Schultern. "Nö. Er hat mich geblockt, jetzt habe ich ihn auch geblockt. Ich überlege, seine Nummer zu löschen."
"Oh, das ist aber nicht dein Ernst. Ihr wart doch Besties. Was ist überhaupt passiert?", fragt Lisa nun endlich doch.
"Gar nichts.", antworte ich rechtgemäß. Den hätte wahrscheinlich gesagt, es kam so unerwartet wie der Angriff der Nazis auf Russland im zweiten Weltkrieg. Ich lächle. Unsere Insider fehlen mir wirklich. Solche Scherze konnte ich nur mit Den machen.
Lisa schaut mich verwirrt an. "Warum lächelst du jetzt?"
"Egal. Hab mich nur an was erinnert. Das mit Den bleibt jetzt für immer aus, okay? Ich habe auch nicht vor, mich mit ihm freundschaftlich zu treffen. Wir zerstören uns. Das passiert schon seit unserer ersten Bekanntschaft."
"Tut mir leid, aber was sollen wir tun, wenn Drew oder ich Geburtstag haben? Ich zum Beispiel kann keinen von euch nicht einladen. Wirst du dann nicht kommen? Zum Geburtstag deiner besten Freundin?"
Ich drehe mich wieder auf den Bauch und lege einen Arm sanft um sie. "Doch, natürlich. Das ist auch was anderes."
"Okay, gut, dann bin ich beruhigt. Aber es ist trotzdem schade um unseren Kreis. Ich vermisse schon unsere Zeit zu viert."
Ich senke betrübt den Blick. "Glaub mir, ich auch."
Nachdem meine langweiligsten Ferien vorbei sind, fängt wieder die Schule an und damit auch die harte Klausurenzeit. Doch sobald ich zu lernen anfange, schweifen meine Gedanken zu Den ab, zu der Zeit, wie sie mal war und wie sie nie mehr wird. Wir haben es beide versaut.
Ich denke auch darüber nach, dass Den jetzt eine Freundin hat. Ich bin glücklich über ihn. Doch gleichzeitig auch eifersüchtig. Das ist das Dümmste, was mir überhaupt passieren konnte. Ich habe einem Typen einen Laufpass gegeben und heule jetzt, weil er eine andere hat. Bitte, ich hoffe, ich bin das einzige so blöde Mädchen auf der Welt.
Ich bekomme meine Leistungskurs Klausuren zurück und heule seit langer Zeit wieder über meine Noten. Nur innerlich. Ich werde niemandem zeigen, wie viel es mir ausmacht. Wie konnte es passieren, dass ich so tief gesunken bin? Dass ich eine Drei und eine Vier geschrieben habe? Ich verstehe das nicht. Hassen mich jetzt meine Lehrer auf einmal? Hasst mich jeder auf einmal? Wann hat es angefangen? Wann bin ich zu einer Person geworden, die in der gesamten Schule nur eine einzige Freundin behalten hat? Wann bin ich so schwach geworden? Wann?
Ich erfahre von Lisa, dass Drew, Den und sie sich einmal getroffen haben. Den raucht jetzt gar nicht mehr, nicht einmal gelegentlich. Und trinken tut er auch nicht mehr. Er hat sogar angefangen, Bücher zu lesen. So einen Den kann ich mir nicht vorstellen. Die Person, die mir Lisa beschrieben hat, ist zu richtig, zu... denunähnlich.
Ich stecke mir eine Zigarette zwischen die Lippen und zünde sie an, während mein Blick wieder auf mein Handy fällt. Ich werde heute auf eine Party von Ludwig eingeladen. Ludwigs Partys sind die größten aus meinem Bekanntenkreis, haben den meisten Alk und die lauteste Musik, weil er sich einfach nicht um die Polizei schert. Sein Geheimnis: er spricht seine Nachbarn an und diese fallen auf sein Charisma herein. Aber das ist ja auch eine Lösung.
Ich rauche die Zigarette und überlege mir, ob ich auf die Party gehen soll. Den wird eindeutig da sein. Zum Thema, ihn nie wieder sehen. Doch ich muss ja nicht mit ihm sprechen. Außerdem will ich seine sagenhafte Freundin sehen.
Ich stimme zu, schalte mein Handy aus und steige aufs Fahrrad, um nach Hause zu fahren. So ein Glück, dass heute Freitag ist. Wenigstens ist die Schulwoche vorbei und die kommenden Montag und Dienstag sind frei.
Als ich mein Zuhause betrete und die Schuhe ausziehe, merke ich sofort eins: alle Paare, die meinem Vater angehörten, stehen nicht mehr im Regal. Auch seine Jacken hängen nicht mehr im Schrank. Es setzen sich bei mir keine Gedanken in Gang. Ich verstehe nichts. Ich bin einfach nur verwirrt.
“Mooom?“, rufe ich. “Hat Papa etwa wieder eine Geschäftsreise?“
Zuerst ertönt gar keine Antwort. Ich warte still und nur mein Herz schlägt ein wenig beschleunigt. “Mama?!“
“Emily“, meint meine Mutter seufzend. Sie lächelt mich aus dem Wohnzimmer an, doch ich sehe die Trauer in ihren Augen. “Er wohnt jetzt woanders. Wir haben uns geschieden.“
“Wie?“, stoße ich verständnislos aus. “Wann? Warum habt ihr mir nichts gesagt? Wann wurde die Anfrage denn genehmigt?“
Sie verzieht das Gesicht. Die blonden Locken, die sie im kurzen Zopf trägt, kommen mir plötzlich fremd vor, die Falten im Gesicht sind auf einmal stark zu erkennen und geben der Frau vor mir, die meine Mutter sein soll, einen Alter, den ich nicht von ihr kenne. Sie sieht müde aus, mental ausgelaugt. Aber ich habe kein Mitleid mit ihr.
“Du bist doch schon ein großes Mädchen, du wusstest, dass es irgendwann geschehen wird. Wir sind beide mit der Entscheidung einverstanden und wir wollen dich nicht auf eine bestimmte Seite ziehen. Du hast noch immer uns beide, es ändert sich nichts. Aber dein Vater und ich lieben uns nicht mehr und wir können auch nicht mehr zusammen leben.“
Ich starre sie an und erkenne sie einfach nicht wieder. Wo ist meine Mutter, wo ist sie hin? Sie wollen mich nicht auf eine bestimmte Seite ziehen? Ich habe noch immer sie beide? Ich habe niemanden von beiden! Ich habe schon längst niemanden von beiden. Wahrscheinlich haben sie sich eher darüber gestritten, wer die Last namens Emily Maria Goldmann plus Shiney übernehmen soll. Ich war ja eh schon immer ein Hindernis für ihre Gefühle.
“Ja, ich verstehe das.“, sage ich nach kurzer Zeit und benötige dafür alle meine Fassung. “Ich weiß, wie das Ganze funktioniert. Es ist alles super, Mom. Ich bin heute Abend übrigens weg, komme spät und vielleicht mit Lisa.“
Meine Mutter nickt und scheint meine Gefühle nicht wahrzunehmen. “Mach das, ich bin heute eh selbst weg. Mein Chef veranstaltet ein Abendessen für die obersten Mitarbeiter.“
Ohne etwas zu erwidern, steige ich die Treppe in mein Zimmer hoch und atme erstmal unter lauter Musik durch, wobei ich Shiney ziemlich nervös mache. Ich fahre ihr gedankenverloren über den Kopf und sie dreht einige Runden unruhig um mich. Ich kann es nicht fassen. Sie haben mir nichts gesagt, kein Wort, keine Andeutung. Mein Vater hat einfach die Sachen gepackt, während ich in der Schule war, und ist umgezogen. Seit wann hat er eine neue Wohnung? Wie lange sind sie schon geschieden? Der Prozess lief schon seit Jahren, wann wurde die Anfrage genehmigt? Ich verstehe das nicht. Sie haben mir nichts gesagt! Ich verstehe das einfach nicht!
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Ach, arme arme Emily... Und fieser fieser Den. Obwohl, nein, Em hat sich ja selbst von ihm getrennt heh.
Ich hab übrigens immer noch kein passendes Ende für die Story. Ich dachte, ich hab eins, aber damit bin ich nicht zufrieden. Ständige Probleme eines Autors...
Ich trödele wieder die Zeit vor dem Schlaf heraus, werde morgen wie immer schwer aufstehen
Eure Once
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