Kapitel 16

Zehn Minuten lang gehen Den und ich schweigend nebeneinander. Ansonsten würde ich mich bei ihm unterhacken, aber jetzt...
Ich weiß, dass irgendjemand von uns das Gespräch anfangen muss, doch ich möchte es nicht tun, da meine Antwort eh nein lauten wird. Lisa hat recht, ich schulde ihm ein ehrliches, eindeutiges Zugeständnis.
"War das also ein Nein?", meldet er sich wie aufs Stichwort.
Manchmal habe ich das Gefühl, wir könnten unsere gegenseitigen Gedanken lesen. Das ist echt seltsam.
"Emily?", fügt er hinzu, als ich nicht antworte.
Ich seufze schwer. "Es wird nicht klappen mit uns, Den. Du hast selbst gesagt, ich habe ein Auge für Paare."
"Aber mit Jonas wird es klappen, oder was?", entgegnet er frustriert.
Natürlich macht ihm dieser Gedanke was aus. Natürlich.
"Ich weiß es nicht.", meine ich ruhig. "Ich möchte es aber probieren."
"Wir können es doch auch probieren.", sagt er hilflos. "Wie kannst du wissen, dass etwas nicht klappt, wenn du es nicht ausprobiert hast?"
"Wenn es nicht klappt, dann verliere ich dich ja ganz!", rufe ich ungehalten aus und bleibe stehen. "Dennis, meine Güte, du bist mein bester Freund. Du stellst dir nicht vor, wie viel wert du mir bist! Ich will dich nicht wegen einer dummen, aussichtslosen Beziehung verlieren!"
Den schaut mir in die Augen und fährt mir kurz mit der Hand über die Haare. "Dumm... Denkst du nicht, dass du mich gerade jetzt verlierst?"
Ich schüttele verzweifelt lächelnd den Kopf. "Ich hoffe, nicht. Bitte Den, ist wird nicht klappen. Warum glaubst du mir nicht?"
Er lächelt nicht, er bleibt immer noch genauso ernst. "Weil du dich in deiner Spielerei immer und immer wieder irrst."
Mein Lächeln vergeht und ich schaue fest in seine so dunkelbraunen Augen. "Nein."
"Doch Emily, doch. Und wenn du jetzt auch noch mit Jonas spielst... Pass auf, dass es keinen Rückschlag gibt."
Aufgebracht lege ich die Hände auf seine Brust und schubse ihn zurück. "Du bist so ein eifersüchtiges Arschloch!"
Und dann gehen wir wieder schweigend weiter. Ich - wütend und mit verschränkten Armen vor der Brust und er - immer noch unzufrieden aber ruhig hinter mir.
Arschloch. So ein Arschloch. Ich fass es nicht! Er will mich noch belehren! Mich! Warum müssen Jungs immer denken, sie wüssten es besser? So eine Nervensäge.

Die nächsten zwei Tage gehe ich wie gewöhnlich zur Schule, schreibe am Freitag eine weitere Klausur und unser Freundeskreis feiert bei Den den Ferienanfang mit einem Filmabend. Den benimmt sich übrigens zum Glück ganz anständig und sowohl Drew als auch Lisa fragen nicht nach, was am Mittwoch geschehen ist. Halleluja!
Am Samstag bin ich wie gewöhnlich kurz nach sechs wach. Shiney liegt auf dem weichen Teppich vor meinem Bett und schaut abwartend zu mir hoch. Ich fahre ihr mit der Hand durchs Fell, sodass sie mir mit einem freudigen Bellen guten Morgen wünscht. Dann stehe ich auf, dusche, brate mir ein Ei und koche Kaffee zum Frühstück, gebe auch Shiney ihr Frühstück und gehe anschließend mit ihr Gassi.
Als wir wieder nach Hause kommen, sind meine Eltern schon wach und unterhalten sich im Esszimmer.
"Emily, frühstückst du?", ruft mein Vater mir lächelnd zu.
"Hab ich schon.", erwidere ich und steige hoch in mein Zimmer, gefolgt von der Hündin, die mich gern überholen möchte, es aber nicht schafft.
Im Zimmer schmeiße ich mich aufs Bett und rufe Lisa an.
"Ich hasse dich.", meldet sie sich rau.
"Nawww.", flöhte ich. "Das ist das beste Geständnis, das ich je gehört hab."
"Kannst du nicht mal auch nach zwölf anrufen?"
"Hallo, heute ist die Party! Hebe deinen Arsch vom Bett, wir müssen davor noch shoppen gehen!"
Sie stöhnt auf. "Geh ohne mich, meine Größe kennst du eh. Außerdem sagst du ja ständig, du hättest einen besseren Geschmack."
Ich schnaube mit einem schiefen Lächeln. "Aaha, du willst also ein neues verführerisches Kleid für Andrew, ne?"
"Was?", stößt sie aus und scheint hellwach zu sein.
"Das! Weißt du noch letzten Herbst, dieser Top, den ich bei dir gefunden hab?" Es hatte einen ziemlich großen Ausschnitt und betonte sowohl ihre Taille, als auch die großen Brüste. Und sie ist darin zu Drew runtergegangen. Man hätte ihr Gesicht sehen sollen, als sie das realisiert hat! So rot habe sie nur selten gesehen.
"Neiiiin..."
"Dochh."
Lisa stöhnt wieder auf. "Okay, ich stehe auf... Kommst du rüber?"
Triumphierend grinse ich. "Sicher."

Während der Shoppingtour schaffe ich es nicht, Lisa zumindest zu einem Kleid zu überreden. Nicht mal zu einem, das ihr gefällt. Es sei Ende Oktober zu kalt für ein Kleid, es kommen nur Jeans infrage. Aber ich bringe sie dazu, einen neuen Pulli zu kaufen. In schwarz. Figurbetonend und mit einem großen Ausschnitt. Ich bin ein Meister in solchen Sachen, Lisa hatte keine Chance gegen mich.
Mir selbst hole ich ein weißes enges T-shirt, das mit roten Kusslippen bedrückt ist, und einen roten Kunstlederrock. Rot ist in im Winter, was spricht also dagegen?
Nach dem Shopping lade ich Lisa bei Starbucks auf einen Kaffee ein und wir fahren zu ihr.
Als wir ankommen, läuft Theo hin und her durchs ganze Haus.
"Mann, ich fahr zu Leo.", erklärt er genervt. "Und jetzt aus dem Weg BITTE, ich muss meine Schlüssel holen."
Mit diesen Worten eilt er die Treppe wieder hoch.
"Wie wär's damit, dich früher fertig zu machen, anstatt in den letzten Minuten?", ruft ihm Lisa hinterher, schaut mich an und verdreht die Augen.
"Halt die Klappe, du bist genauso schlimm!", erwidert Theo und ist schon wieder auf dem Weg zu uns nach unten.
"Da hat er Recht!", stimmt Elias seinem Bruder aus seinem Zimmer zu.
"Komm nicht aus der Ecke!", meint Lisa.
Ich wende mich lachend von ihr ab und hänge meine Jacke auf den Hacken. Sie muss mich selbstverständlich sofort hauen und ich kann es nicht anders, als sie zurückzuschlagen.
"Könnt ihr mal alle nicht so rumschreien?!", brüllt Theresa aus dem Wohnzimmer, wo sie und ihr Mann gerade fernschauen und ganz klar gestört werden.
In diesem Haus hat man einfach durchgängig Bewegung! Verrückt, wie unterschiedlich das Leben der Menschen verläuft.
Letztendlich befinden wir uns mit Lisa doch in ihrem Zimmer, ich liege auf dem Bauch in ihrem Bett und sie sitzt im Schneidersitz neben mir und legt gerade ihr Handy weg.
"Was war da eigentlich am Mittwoch los?", fragt sie beunruhigt.
Ich drehe mich auf die Seite und lächele sie entspannt an. Mist, zu früh gefreut.
"Ach, nichts. Den ist nur 'ein wenig' eifersüchtig." Ich setze mit den Fingern einer Hand Gänsefüßchen in die Luft.
Analisa wird unzufrieden und hebt eine Augenbraue. "Nein, du sagst es mir jetzt. Worüber habt ihr auf dem Rückweg gesprochen? Ich hab gesehen, dass ihr noch zusammen gelaufen seid."
Ich drehe mich wieder auf den Bauch und stütze den Kopf mit den Händen. "Na ja, er hat endlich eindeutig seinen Wunsch ausgesprochen, mit mir zusammen zu sein."
"Und wie es aussieht, hast du verneint?", stellt sie klar.
"Was sollte ich denn noch machen? Ich hab dir doch schon einmal das Ganze erklärt."
Sie schnaubt zustimmend. "Und wie kommt es, dass Den nicht beleidigt ist?"
Ich lache. "Oh doch, das ist er. Aber er denkt, er hat Recht und ich Unrecht."
"Worin denn bitte?"
"Dreimal darfst du raten. Es geht ihm natürlich um Jonas. Er ist eifersüchtig und das lässt ihn denken, Jonas wäre ein Dreckskerl."
Lisa schnaubt belustigt. "Aber das ist Jonas nicht?"
Ich kippe den Kopf, um sie sehen zu können, und präsentiere ihr meinen unzufriedenen Blick. "Woher soll ich das jetzt bitte wissen? Er ist nett zu mir, wir können nicht schreiben, da sein Whatsapp tot ist, und mit ihm so oft zu telefonieren, möchte ich nicht. Ich hoffe, du weißt, dass ich auf nichts Festes mit Jonas hinaus will..."
"Wozu machst du dann das Ganze?"
"Hab ich dir das nicht schon mal erklärt?"
"Keine Ahnung. Aus Spaß?"
"Siehst du, also habe ich es doch erklärt.", lächele ich. "Was dagegen?"
Sie schüttelt den Kopf. "Nein, aber... wenn es zu mehr wird?"
Ich hebe verwundert die Augenbrauen. "Zu mehr? Zwischen mir und Jonas?" Ich lache. "Ne, denk nicht mal dran."
"Und wenn doch? Wenn es wie bei mir und Drew wird?"
Ich zucke die Schultern. "Keine Ahnung, dann wird's eben so. Man soll seine Liebe nicht abweisen."

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