Kapitel 13
Shiney und ich gehen langsam in Richtung des Haupteingangs, damit Jonas uns nicht im ganzen Park suchen muss. Als wir ankommen, wartet der hübsche Blonde bereits am Eingang, also winke ich ihm lächelnd zu. Doch meine Hündin fängt laut an zu bellen und ich muss sie besänftigen. Was hat sie denn?
"Tut mir leid.", entschuldige ich mich. "Meistens reagiert sie nicht so, aber offenbar hat die vergessen, wie es ist, neue Leute kennenzulernen."
Jonas winkt lässig ab. "Nicht schlimm. Ich habe auch Hundebesitzer unter Freunden."
Er geht sorgenlos in die Hocke und hält Shiney auf Abstand die Hand vor. Ganz langsam tritt sie an ihn heran, schnüffelt an seiner Hand und lässt sich mit einem letzten Bellen von ihm streicheln.
"Ich glaube, deine Hündin mag mich nicht.", lacht Jonas.
Shiney läuft auf mich zu und wedelt mit dem Schwanz. Ich kraule sie hinter dem Ohr. "Na ja, sie ist einfach eifersüchtig. Sie mag es nicht, mich mit anderen zu teilen."
Das stimmt wirklich. Liegt wahrscheinlich an ihrer Vergangenheit. Ich hatte Shiney als kleinen kranken Welpen vor fünf Jahren auf der Straße gefunden und habe sie zum Tierarzt gebracht. Dabei wollte ich sie zuerst gar nicht behalten - ich konnte es nicht ausstehen, mich um jemanden zu kümmern, weil die Haustiere immer meine Pläne zunichte machten. "Nein, Emily, du darfst nicht eine Woche bei Nelly übernachten, wer wird denn auf die Katze aufpassen?" oder "Nein, Emily, du fährst jetzt nicht mit auf die Klassenfahrt, wo sollen denn die Hasen hin?". Ich frage mich, wie es meine Eltern überhaupt geschafft haben, sich um mich in Kindesjahren zu sorgen...
Shiney läuft eine Runde um mich herum und dann zu einem Baum in der Nähe. Ich lächele Jonas an und deute ihm mit einem Kopfnicken, dass wir ihr folgen sollen. Er holt mich auf und als ich mich dann umdrehe, um loszugehen, spüre ich ein leichtes Gewicht auf meinem Hinterteil. Halluziniere ich oder hat Jonas mich gerade gefummelt? Hm, vielleicht war es ja aus Versehen. Jungs gegenüber bin ich leider immer skeptisch, weil ich einfach so eine große Erfahrung mir ihnen habe. Ich vertraue allein Den, Drew und Felix. Okay, Elias und Ludwig irgendwie auch.
"Und, wie war dein Tag so?", fragt mich Jonas. "In welcher Klasse bist du jetzt eigentlich?"
Ich zucke die Schultern. "Ganz gewöhnlich, du musst doch wohl wissen, wie es auf der Schule läuft. Langweilig, chaotisch und manchmal aber lustig. Und ich bin in der Elften. Und was machst du so, außer Basketball spielen?" Ich lächele ihn listig von der Seite an. "Wie alt bist du eigentlich? Brechen wir gerade ein Gesetz?"
Er sieht mich überrascht an und lacht. "Keiner hat 16-jährigen Mädchen je gesetzlich verboten, mit 20-jährigen Jungs im Park zu spazieren."
Zwanzig... Oha, wenn er sich auf mich einlässt, dann wird er mein ältester Freund sein. Na dann, Emily, ich wette, ihr werdet maximal eine Woche zusammen sein.
"Übrigens" Jonas sieht mich lächelnd an, dann bescheiden zu Boden und dann wieder in meine Augen. "Du hast richtig schöne Haare."
Ich stocke und fahre mit der Hand verlegen durch mein lockiges Pony. "Dankeschön. Und ich mag deine Augen."
Ich schließe die Eingangstür auf und bemühe mich, so leise zu sein, wie nur möglich. Den Schlüsselbund umklammere ich fest mit der Hand, damit keiner von meinen vier Anhängern klappert. Ich halte die Türklinke nach unten gedrückt, damit das Schloss kein Geräusch macht beim Einrasten. Sogar die Schuhe habe ich mir draußen ausgezogen und stapfe jetzt auf Zehen durch den Flur. Meine Mutter sitzt im Wohnzimmer, isst etwas und schaut fern. Und dann legt sie alles beiseite, was sich in ihren Händen befindet. Schlechtes Zeichen.
"Emily?"
Ich halte mitten in der Bewegung inne und atme kurz durch. Dann baue ich mich auf und gehe ihr selbstbewusst entgegen.
Meine Mutter steht auf und kommt auf mich zu. Ihr Gesicht ist ernst, die Falte zwischen den Augenbrauen habe ich noch nie so deutlich gesehen.
"Wo warst du gestern?"
"Zu Hause.", antworte ich knapp.
"Nein, das warst du nicht. Wir haben dich zum Abendessen gerufen. Dein Vater ist dich holen gegangen, dein Zimmer war aber leer. Also, wo warst du?"
"Ich war unterwegs. Darf ich nicht, oder was?"
Sie lächelt und ein Schauder läuft mir den Rücken hinab. "Natürlich, Emily, natürlich darfst du unterwegs sein." Und da wird ihr Blick sekundenschnell hart. "Aber nicht, wenn dein Vater zum Abend kocht und es ankündigt!"
Ich breite die Arme aus. "Ja sorry, Mom, ich hatte aber schon was vor! Ich kann doch nicht so einfach absagen!"
Und sie können doch nicht einfach so aus heiterem Himmel mit Abendessen ankommen, nur weil sie wegen meiner Mutter nicht ins Restaurant konnten!
Sie stemmt die Hände in die Hüfte. "Doch, und du musst es sogar! Was willst du später für ein Vorbild für deine Kinder sein, wenn du nicht mal fähig bist, für deine Familie ein Treffen abzusagen?"
"Und du?! Mein Treffen war wichtig! Und wenn ich später genauso wie du nicht zwischen Wichtigem und Nebensächlichem unterscheiden sollte, dann will ich lieber gar keine Kinder haben! Damit zumindest IHRE Mutter nicht scheiße wird!"
Plötzlich werde ich wie vom Blitz getroffen. Mein Kopf ist völlig leer, genauso gelähmt wie mein Gesicht. Ich kann nur sprachlos vor mich hin starren, ungläubig, entsetzt.
Die Augen meiner Mutter sind zornig, sie atmet flach und schnell wie ein Stier. Ihr Blick senkt sich auf ihre rechte Hand, Entsetzen breitet sich über das Gesicht, wo viele kleine Falten entstehen. Meine Mutter hat mir eine Schelle gegeben...
Tränen sammeln sich in meinen Augen, ich wirbele herum und laufe die Treppe hoch.
"Emily!", ruft sie mir verzweifelt hinterher.
Ich knalle meine Zimmertür zu und riegele sie ab. Dann lege ich die Hand auf meine glühendheiße Wange und rutsche die Tür entlang zu Boden. Meine Mutter hat mich geschlagen...
Ein Beben fährt mir durch den Körper, ich schluchze auf und umfasse hilflos mit den Armen meinen Oberkörper. Sie hat mich geschlagen... Nur weil ich die Wahrheit gesagt habe. Nur weil sie sie nicht akzeptieren will. Sie ist eine Scheißmutter und so war es immer. Genauso wie mein Vater immer ein Scheißvater war. Ich habe sie nie interessiert. Ich bin für sie wie ein Fisch im Aquarium! Schön präsentabel, mit einer scheißguten Zukunft als Arzt, mit scheißguten Noten, um bei anderen anzugeben! Und es ist doch so bequem! Paarmal am Tag füttern, einmal im Monat das Wasser auswechseln. So scheißbequem! Ich hasse sie! Ich hasse sie so sehr!
Ich strecke ein Bein, stoße meinen Stuhl um, an den ich gerade noch so herankomme, und breche wieder zusammen. Scheißleben!
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