Kapitel 6
Ganze zwei Monate läuft mir Andrew hinterher. Ganze zwei Monate gebe ich ihm den Laufpass oder laufe selbst von ihm weg. Emily versucht, mich mit ihm zu verkuppeln. Elias sagt, ich soll nicht mit Gefühlen anderer spielen. Ich bin der Meinung, dass ich einfach keinen Bock auf den Typen hab. Genau so funktioniert meine Logik.
Aber zum Glück ist heute Samstag. Und das heißt ausschla-
“Wake up in the early morning!“, brüllt mein Handy. “Waaaake up!“
Emily hat sich mal den Spaß erlaubt, mir ausgerechnet für ihren Kontakt den Klingelton zu wechseln. Wir waren betrunken, mir war alles egal und sie mochte es zu singen. Und bis jetzt habe ich nicht daran gedacht, ihn zurück zu wechseln, weil sie mich nur am Wochenende anruft.
Genervt fische ich das Handy aus den Decken und lege es mir aufs Ohr.
“Em, du Schlaflose, was willst du wieder?“
“Oh, stimmt ja, du schläfst ja noch um diese Uhrzeit.“, sagt sie mit der unschuldigsten Stimme und lacht.
“Ich penn gleich wieder ein und dann darfst du mit dir selbst reden.“, murmele ich schlaftrunken.
“Um was willst du wetten, dass Andrew am Alex auftaucht, wenn wir jetzt hinfahren?“, fragt sie.
Ich stöhne auf. “Es ist halb acht, Emilyyy! Und er wird zu 100% da sein - er verfolgt mich. Bist es nicht ganz zufällig du, die ihn informiert?“
Wieder lacht die Blonde. “Ne ne, so tief werde ich nicht sinken, keine Sorgen. Also was sagst du? Treffen wir uns? Ich kauf dir auch einen Kaffee.“
Ich lächle. Teurer, aber gleichzeitig kostenloser Kaffee ist immer gut.
“Du bist der Teufel in Person, Em!“ Ich seufze. “Beweg deinen Arsch zu mir nach Hause.“
“Schon unterwegs, du hast zehn Minuten.“ Ich kann mir ihr breites Lächeln schon vorstellen.
“Ah, und Emily!“, werfe ich noch ein.
“Ja?“, wundert sie sich.
Ich lache. “Du singst schrecklich!“
Ich schalte sofort ihr Gelächter aus und wälze mich mühsam aus dem Bett. Halb acht...
Im Flur drücke ich die Klinke zum Bad durch, doch die Tür ist verschlossen. Ich haue mit der Faust dagegen.
“Theo, du Fisch!“
“Lisa, du Faultier!“, entgegnet mein Bruder mit vollem Mund. “Seit wann so früh wach?“
“Seit Emily meine Freundin ist.“, brumme ich.
Also das untere Badezimmer...
Als Em ankommt, bin ich immer noch nicht duschen gewesen, weil meine Mom schon auf den Beinen war. Seufz...
Deshalb sucht die Blonde jetzt nach passender Kleidung für mich, während ich dusche. Ich habe echt Angst, was sie mir da raussucht. Ich besitze einige Shirts, die einen zu großen Ausschnitt haben. Als ich sie mir gekauft hatte, dachte ich, ich werde so was anziehen. Falsch, zum Glück.
Ich betrete mein Zimmer und sehe Emily im Schneidersitz auf meinem Bett hocken, während sie einige Kleidungsstücke betrachtet.
“Omg, Lisa!“, ruft sie voller Begeisterung. “Seit wann trägst du so was?“
Ich schüttele den Kopf und greife nach meinem Kamm, den ich irgendwo zwischen dem ganzen Kram auf meinem Schreibtisch finde.
“Ich trage das nicht. Kannst behalten.“
“Lüg mal nicht, die werden dir soo stehen! Hast ja“
Ohne den Satz zum Ende zu bringen, lässt sie die Shirts fallen und führt mit einem Pedolächeln ihre Brüste nach.
Ich lache und werfe meine Federtasche nach ihr.
“Halt die Klappe!“
Jemand klingelt an der Tür. Em sieht mich fragend an und ich zucke die Schultern.
“Ich mach auf!“, brüllt Theo. “Es ist Leo.“
“Und du bist gleich tot, wenn du weiter so rumschreist!“, warnt ihn Elias mit einer rauen Stimme.
Emily und ich verfallen ins Gelächter. Mein großer Bruder ist am Morgen schlimmer als ich.
“Lass uns runter gehen.“, schlage ich vor. “Gleich gibt's Frühstück.“
Sie hält ein blaues Top mit Schnüren hoch. “Nur wenn du das nachher anziehst. Zumindest ganz kurz und nur für mich.“
Ich schüttle lachend den Kopf und winke dann ab. “Von mir aus.“
Eine halbe Stunde vergeht bei dem Frühstück. Dann schalten wir in meinem Zimmer Musik an und probieren die nächste Stunde lang meine Klamotten. Es entstehen ganz schön viele peinliche Selfies, muss ich zugeben.
Dann klingelt es wieder an der Tür. Und wieder. Und noch einmal. Ich verdrehe die Augen und gehe runter.
“Ein volles Haus und keiner macht die Tür auf!“, rufe ich. “Schande über euch!“
Mit Schwung öffne ich die Tür und ihr könnt euch meine Bestürzung nicht verstellen.
“Stalkst du mich jetzt, oder was?“, frage ich.
Doch Andrew scheint genauso überrascht zu sein.
“Öh... Ehm... Analisa? Was machst denn du hier?“
Ich verschränke trotzig die Arme und lehne mich gegen die Wand. “Ich?! Das Gleiche wollte ich DICH fragen. Es ist mein Haus.“
“Oh...“, meint er.
Na klasse... Jetzt weiß der Typ auch noch, wo ich wohne!
“Und?“, helfe ich ihm auf die Sprünge.
“Ah, genau. Leo meinte, sie darf bei euch übernachten, und da ich so oder so hier lang muss, sollte ich ihr die Sachen vorbeibringen. Ehm hier, gibst du sie ihr bitte?“
Er holt aus deiner großen Sporttasche einen Sportbeutel heraus und ich nehme ihn entgegen.
“Ehm...“, zögert Andrew und seine grünen Katzenaugen wandern von meinem Gesicht hinunter, dann lacht er leise. “Hübsches Shirt.“
“Oh Mist!“, fluche ich. “Guck mir in die Augen, du Perversling.“
Ich hab ganz vergessen, dass ist dieses blaue Top anhab! Dass ich nicht rot werde...
Wie auf Befehlt strömt mir die Hitze ins Gesicht. Andrew lacht wieder.
Von dem Vorhaben, ihn zu schlagen, hält mich nur eins auf:
“Liiisaa? Was brauchst du denn so lange?“, schreit Emily plötzlich.
Ich höre sie die Treppe hinabgesteigen und blicke über die Schulter.
“Oh, welch eine Überraschung.“, grinst sie. “Hallo, Andrew.“
“Hey.“, erwidert dieser und hebt kurz die freie Hand zur Begrüßung hoch.
Emily bleibt neben mir stehen und lehnt sich gegen mich, wobei sie sich extra schwer macht. Ich schubse sie genervt mit der Hüfte an.
“Weg mit dir! Du wiegst mehr als ein Elefant.“
Sie haut mich angeblich beleidigt an. “Hey! Nicht vor einem Jungen!“
Dass sie aber einen Minirock trägt und ihr Shirt eine Schulter zeigt, ist ihr nicht peinlich!
“Wo geht's hin, Drew?“, lenkt Em vom Thema ab und schaut den Engländer interessiert an.
Die Aufmerksamkeit ist ihm sichtlich zu viel und die Namenverkürzung unangenehm, doch er hebt trotzdem leicht seine Tasche an und antwortet auf ihre Frage.
“Training. Dabei ist es so heiß draußen. Das Wetter spielt echt verrückt dieses Jahr - plötzlich +27 in Oktober! Ihr habt Glück mit der Klimaanlage. Geht am besten gar nicht raus, ihr werdet schmelzen.“
Emily wirft die Haare über die Schulter.
“Du tust mir leid. Schade, dass du Training hast, hättest ja hier bleiben können.“
Ich ramme ihr meinen Ellbogen in die Rippen. Noch direkter geht's nicht! Ich hätte sie nicht ins Haus reinlassen sollen.
Andrew zuckt nur kurz die Schultern.
“Mir ist der Samstag auch leid. Aber na ja, war ja meine eigene Entscheidung. Also viel Spaß euch beiden noch.“
Ich winke ihm mit einem zuckersüßen Lächeln zu und ergreife die Klinke.
“Bye, Drew!“, ruft ihm Em noch hinterher, bevor ich die Tür zuknalle.
“Emily!“, schreie ich sie verärgert an. “Das kannst du nicht machen!“
“Awww, wie süß du bist!“, lacht sie.
“Und wie dumm DU bist!“, erwidere ich. “Er interessiert mich nicht und ich ihn wahrscheinlich nur so als Zwischenspaß.“
Die Blondine sieht mich schweigend an und grinst dann wieder.
“Ich schlage dir eine Wette vor.“
Verwirrt blicke ich in ihre grün-braunen Augen, die sie mit gekonntem Lidstrich betont.
“Eine Wette?“, wiederhole ich.
Emily nickt selbstzufrieden. “Yap. Wenn du gewinnst, bin ich für einen Monat dein Flaschengeist, der dir alle deine Wünsche erfüllt.“
Dieser Vorschlag macht mir Angst. Für so eine Belohnung muss es aber eine ziemlich ernste Wette sein.
“Sprich weiter.“, fordere ich sie angespannt auf.
Auch Emilys Miene wird ernst. “Du schlägst Andrew eine Beziehung vor. Wenn ihr bis zur Klassenfahrt im Juli zusammen bleibt, ohne dass du ihm erzählst, es sei wegen einer Wette, hast du gewonnen.“
Eine Beziehung ohne Gefühle? Ja okay, das ist mir zwar nicht neu, doch Andrew scheint nett zu sein. Mit anderen Worten tut er mir leid.
“Elias sagt, ich soll nicht mit Gefühlen anderer spielen.“, erzähle ich.
Emily nimmt meine Hand und führt mich zurück zur Treppe, die wir dann hochsteigen.
“Erstens sagst du selbst, dass Andrew dich nur für ein Häkchen verfolgt.“, behauptet sie. “Und zweitens hat dein Bruder bei der letzten Party drei Mädels nacheinander geküsst, also soll er dich mal nicht beurteilen.“
Apropos die Drei. Als sie es erfahren hatten, haben sie sich gegen Elias verschworen und ihn mit sechs Flaschen Bier überschüttet. War ziemlich lustig mit anzusehen.
“Und wenn wir es nicht schaffen? Meinungsunterschiede und so.“, frage ich nach.
Em zuckt gleichgültig die Schultern. “Dann hab ich bei dir fünf Wünsche frei.“
Ich ziehe die Brauen hoch. “Ein Monat all inclusive gegen fünf Wünsche? Was läuft denn bei dir ab?“
Sie grinst. “Soll nicht dein Problem sein. Gilt die Wette?“
Sie hält mir ihre Hand vor und nach kurzem Zögern schlage ich ein.
“Die Wette gilt.“
Emilys Lächeln wird noch breiter. “Theo, komm mal kurz her!“, ruft sie.
Die Tür genau gegenüber der Treppe geht auf und mein kleiner Bruder kommt raus.
“Was wollt ihr denn wieder?“
Wir zeigen ihm den Knoten aus unseren Händen und er zertrennt sie, ohne andere Erklärungen zu besuchen.
“Ich bin für Emily.“, sagt er nur, bevor er wieder in seinem Zimmer verschwindet.
“Ja danke auch!“, erwidere ich und wir lachen mit Em wieder.
Acht Monate lang eine unechte Beziehung führen. So tief war ich noch nie gesunken. Was für eine Schlampe ich doch bin. Aber na ja, es hat auch seine Vorteile. Zum Beispiel weniger Stresserei von Emilys Seite.
______________________________________
Jetzt wird's interessant, nicht wahr?
Und gratuliert mir, ich hab an einem Schultag ein vollständiges Kapitel vollbracht. Hach, bin ich gut xD
Na ok, genug gequatscht.
Bis dann,
Eure Once
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top