Kapitel 37

Mit Musik in den Ohren sitze ich willenlos auf meinem Bett. Gestern habe ich die Schule geschwänzt und heute auch. Soll Drew doch machen, was er will - ich komme ihm nicht mehr in die Quere!
Gedankenverloren blicke ich an mir herunter auf den kleinen Anhänger in Form der goldenen Schwalbe. Ich hoffe, du wirst dich genauso frei fühlen wie er., hat er mir gesagt.
Wut erfasst mich plötzlich. Ich greife nach dem Anhänger, umfasse ihn mit der Faust und reiße ihn mit ganzer Kraft mitsamt der Kette von meinem Hals herunter. Ich schmeiße ihn weit durch das Zimmer, sodass er gegen die Fensterscheibe klappert, und merke zuerst gar nicht, wie bittere Tränen aus meinen zusammengekniffenen Augen laufen.
“Ich hoffe, du wirst dich genauso frei fühlen wie er.“, wiederhole ich leise seine Worte. “Ja, jetzt fühle ich mich wirklich frei.“
Das tut gut. Ich springe vom Bett und eile auf meine Kommode zu. Ich schmeiße die Pullis aus einem Fach und am Ende bleibt nur noch das Skizzenbuch liegen. Mit Tränen in den Augen hole ich es heraus und mache auf. Die Bilder wecken Erinnerungen...
Ich umfasse ein Blatt mit der Faust und reiße es raus. Dann noch ein und noch ein und noch ein. Heulend packe ich das Buch und schmeiße es mit aller Kraft gegen die Wand. Die zerknüllten Einzelblätter fliegen ihm hinterher. Ich schnappe mir das gleiche Pulli, wie Andrew ihn hat, laufe zum offenen Fenster und werfe es mit einem Schrei raus.
Ich bin schuld. Ich hätte- Ich hätte-
“SOLL ER SICH DOCH ZUM TEUFEL SCHEREN!“, brülle ich und knalle das Fenster zu.
Soll er doch wütend sein! Soll er doch mit anderen flirten! Soll er mich doch hassen! Soll er doch machen, was er will, es ist mir egal! Es ist mir...
Der goldene Anhänger glitzert vor meinen Füßen und ich komme nicht umhin, ihn aufzuheben und fest die Hand zur Faust zu ballen. Warum kann ich es nicht einfach sein lassen? Warum muss ich Drew lieben? Ich wollte es doch gar nicht. Warum musste ich mich in Drew verlieben?
Ich schreite auf mein Bett zu und lasse mich darauf fallen.
“Ich hasse es...“, murmele ich mit dem Gesicht in den Kissen. “Ich. Hasse. Es.“

“Lisa, Essen!“, brüllt mein Vater von unten.
Männer... Alle gleich. Er versteht auch nicht, dass ich jetzt meine Ruhe brauche. Und genau aus diesem Grund antworte ich ihm nichts.
“Lisa!“, wiederholt er.
Daraufhin höre ich die Stimme meiner Mutter, wie sie ihn angemeckert. Danke, zumindest ein vernünftiger Mensch.
Mein Handy summt. Ich überlege, nicht abzunehmen, entscheide mich aber dagegen.
“Jaa?“, melde ich mich tonlos.
“Lisa, meine Güte, endlich.“ Em klingt erleichtert. “Warum bist du nicht rangegangen???“
“Keine Lust.“, antworte ich.
Sie schnaubt. “Ich hab mir Sorgen gemacht! Üff... Du bist genauso schlimm wie Drew.“
Ich drehe mich auf die Andere Seite. “Vergleich mich nicht mit ihm, ja?“, bitte ich.
“Weißt du, dass er diese zwei Tage auch nicht in der Schule auftaucht? Und Den erzählt mir nicht, worüber sie am Dienstag gesprochen haben. Wollt ihr mich eigentlich alle hängen lassen?“
“Ich lasse dich nicht hängen... Aber Drew... Mann! Warum versteht er das nicht?!“
“Ah, apropos.“, meint Em. “Ich hab eine Idee. Wenn du das nächste Mal zur Schule kommst - und ich hoffe, dass du am Montag kommst! - könntest DU ihn ja ignorieren.“
Ich schnaube. “Das ist sowieso meine Entscheidung... Gib's auf, Em, er hasst mich.“
“Nein.“, widerspricht sie mit Nachdruck. “Er liebt dich. Meinst du, warum regt er sich jetzt so auf?“
Ich warte ab, bis ich schließlich das sage, was mir auf der Zunge liegt.
“Es ist mir egal. Es ist mir alles scheißegal. Ich hab genug. Ich will nicht mehr.“
“Lisa, nein! Dann war alles umsonst. Gib nicht auf. Ihr seid das perfekte Paar - Andrew muss nur alles verarbeiten. Ihr wart doch beide so glücklich - willst du es denn nicht mehr?“
Eilig fahre ich mir mit einer Hand über das Gesicht. Nein, ich will nicht mehr weinen. Und trotzdem tue ich es.
“Natürlich will ich es.“, flüstere ich tränenerstickt.
“Dann kämpfe. Warte ab, bis sich Drew beruhigt, und kämpfe. Wenn er so blind ist, deine Liebe zu sehen, mach, dass er sie spürt.“
“Verstanden.“, sage ich leise.
Aber wie lange soll ich warten? In drei Wochen ist schon die Klassenfahrt und in vier Schuljahresende. Soll ich bis nach den Ferien warten oder wie? Ich schaffe das nicht. Ich muss Drew jeden Tag sehen. Ich will seinen Duft riechen, ich will seine Berührungen auf meiner Haut haben, ich will seine Küsse und vor allem sein Lächeln. Wie lange soll ich bitteschön warten?! Jedes Mal, wenn Andrew mich sieht, wächst sein Hass vom neuen. Verabscheut mich...
Ich atme die Luft zitternd ein.
“...örst du mich?“, fragt Emily drängend.
Ich schüttle kurz den Kopf, um wieder klare Gedanken zu bekommen. “Was?“
Em seufzt. “Gut, nochmal. Morgen nach der Schule fahre ich zu dir und wir gehen raus.“
“Ich gehe nicht raus.“, widerspreche ich.
“Doch, tust du wohl. Du warst drei Tage in deinem Zimmer - du brauchst frische Luft. Sogar wenn man wirklich krank ist, tut frische Luft gut. Und du brauchst sie mehr als alles. Und genauso viel brauchst du die Ablenkung. Oder willst du dein ganzes Leben heulend im Bett verbringen?“
Das war jetzt fies.
“Gut, ich werde morgen auf dich warten.“
“Ah!“, ruft sie noch, bevor ich den Anruf abschalten kann.
“Was noch?“
“Und iss was.“, verlangt Emily.
Ich verdrehe die Augen. “Hast du davor etwa mit Elias telefoniert?“
“Könnte stimmen.“ Ich höre das Lächeln aus ihrer Stimme heraus. “Er macht sich auch nur Sorgen um dich.“
Toll... Warum kann man nie in Ruhe trauern?
“Bis morgen, Em.“, erwidere ich.
“Bis morgen.“, stimmt sie zu.
Ich schalte den Anruf ab und lasse das Handy in die Decken fallen.
Ich frag mich, wie es Drew jetzt geht. Und was er jetzt macht. Schwirrt Leo genauso um ihn, wie meine Brüder um mich? Und Dennis - schreibt er ihn genauso oft an, wie Emily mich? Ist Drew überhaupt zu Hause? Oder fährt er durch die Stadt, um irgendwo an ihrem Rande seine Wut herauszuschreien?
Ich klemme meine Decke zwischen den Armen und den Beinen ein und rolle mich zusammen. Wie gern wäre ich gerade bei Drew...

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Soou, eine kleine Vorwarnung: wir sind fast am Ende. Wie “fast“ verrate ich nicht.

Once

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