Kapitel 36

Seitdem Andrew von der Wette weiß, bleibt er in den Pausen in den Räumen, damit er mir nicht begegnen muss. Schon zwei Wochen lang. Manchmal leistet Dennis ihm Gesellschaft. Heute nicht. Heute steht er bei mir und Emily.
“Übrigens.“, sagt er. “Wir sind weitergekommen.“
Ich blicke ihn fragend an. Wer wir?
“Guck nicht so, ich meine Drew. Er hat letzte Stunde nach dir gefragt.“
“Was hat er gefragt?“, stoße ich aus.
“Wie es dir geht und halt so etwas.“, antwortet er.
Hoffnung keimt in mir auf.
“Ist er nicht mehr sauer?“, will Em skeptisch wissen.
Den zuckt die Schultern. “Doch, nein, keine Ahnung. Willst du vielleicht selbst mit ihm reden, Lisa? Er ist grad oben im letzten Kunstraum.“
“Ja, danke!“, rufe ich und eile bereits weg.
Ich schleiche mich an den Lehrern vorbei die Treppe hoch zum Kunstraum. An der Tür bleibe ich kurz stehen und sammle Mut. Ich muss Drew nochmal alles selbst erklären.
Ich drücke die Klinke runter und trete leise ein, wobei ich die Tür hinter mir schließe. Andrew steht mit dem Rücken zu mir und wirft Kreidestücke gegen die grüne Tafel, die mittlerweile mit weißen Punkten überseht ist. Und auch wenn ich sein Gesicht nicht sehe, erkenne ich bereits an seinen Bewegungen, wie wütend er doch noch ist.
Ich öffne den Mund und plötzlich fehlen mir die Worte. In meinem Hals bildet sich ein Kloß und ich muss schlucken.
Drew holt weit aus und schmeißt das letzte Stück Kreide. Dann dreht er sich um. Als er mich bemerkt, verfinstern sich seine Augen und ein feindlicher Ausdruck verzieht sein Gesicht. Ich unterdrücke ein Zittern. Ich muss stark bleiben. Ich muss ihm alles erklären.
Andrew starrt mich erniedrigend und abfällig an, während er bestimmt auf mich zu schreitet. Ich darf ihm nicht ausweichen, egal wie viel Angst mir seine Kälte gerade macht.
Einen halben Meter von mir entfernt bleibt er stehen.
“Was willst du?“, fragt er hart.
“Ich will dir alles erklären. Du verstehst es nicht.“, starte ich.
Drew schnaubt. “Was willst du mir erklären? Es gibt hier nichts zu erklären. Du hast mich betrogen! Mir eine Beziehung vorgespielt! Gefühle, die du nie hattest. Du bist eine -“
Er bricht mitten im Satz ab und kehrt mir wieder den Rücken zu.
“Verschwinde, Analisa.“, blafft er.
Ich verenge die Augen. “Wer bin ich? Sag doch, was du von mir hältst! Sag es mir ins Gesicht! JETZT! Für eine Schlampe hältst du mich! Gefühllose Missgeburt, die nur an sich selbst denkt! Die auf Gefühle anderer scheißt und nur damit spielt, nicht wahr?! Sag es, Andrew! Sag es doch! Kleiner, armer Drew!“
Andrew wirbelt herum, greift schmerzvoll nach meinem Arm und drückt mich gegen das Regal in meinem Rücken. Seine grünen Augen überfüllt Schmerz.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und tut verdammt weh.
“JA!!!“, brüllt er. “Ja, genau das halte ich von dir! Und weißt du, was das Schlimmste ist?! Ich habe dir geglaubt! Ich habe dich geliebt, Analisa! Ich habe dir gleich vertraut, obwohl ich dich keinen Scheißtag gekannt hab!! Ich dachte, es gibt noch Menschen, die anders sind...!“
Er hebt die zweite Hand und ballt sie zur Faust, als würde er mich schlagen wollen. Dann senkt er sie mit einem tiefen Knurren wieder.
“Ich hab es nicht vorgespielt!!!“, schreie ich verzweifelt. “Verdammt, Andrew, ich liebe dich! Ich liebe dich wirklich! Ich hatte die Wette abgebrochen! Ich dachte, du verstehst es. Ich hätte dich nie im Leben so behandelt.“
“Halt die Klappe!!“, brüllt er. “Was war ich nur für ein Idiot! Eins muss ich dir lassen, Analisa: du bist eine wunderbare Schauspielerin.“
Tränen sammeln sich in meinen Augen.
“ICH HAB ES NICHT VORGESPIELT!“, wiederhole ich. “Ich hab die Wette abgebrochen! Ich hab mich in dich verliebt, Drew! ICH LIEBE DICH!“
“HÖR AUF!!!“, ruft er verzweifelt aus und seine Faust knallt knapp neben meiner Wange in die Regaltür, weshalb ich stark zusammenzucke.  “HALT DOCH ENDLICH DEINE FRESSE! Ich glaube dir nicht!!! Ich glaub dir kein einziges Wort!! Nie mehr.“
Er lässt mich abrupt los und schreitet aus dem Raum, wobei er die Tür hinter sich mit ganzer Kraft zu knallt. Ich sinke langsam das Regal entlang zu Boden und vergrabe leise schluchzend meine Finger in den Haaren. Das war's. Endgültig... Warum versteht er es nicht?!!
Es klingelt zur Stunde und ich richte mich langsam auf. Als ich aus dem Raum trete, läuft Em auf mich zu und schließt mich in eine Umarmung.
“Oh mein Gott, Drew ist so ein Arschloch!“, murmelt sie. “Es wird alles gut, Lisa.“
Ich schüttle den Kopf. “Wird es nicht... Es wird nicht gut, Em...“
Sie stellt sich an meine Seite, fasst mit einem Arm um meinen Rücken und drängt mich vor.
“Komm, wir gehen dein Gesicht waschen. Du bist so rot wie eine Tomate. So darf dich keiner sehen. Warum hast du Drew nicht geschlagen? Er hat Den und mich so angebrüllt, boahhh! Ich hoffe, Den hat ihn geschlagen - zur Beruhigung, weißt du? Ahh, der Junge ist so dumm! Wie kann er nicht merken, dass du ihn liebst? Ich hoffe, Den hat ihm so was von Eine reingehauen!“
Wir betreten die Toilette und sie dreht sofort das Wasser auf. Ich tauche die Hände unter und beuge mich über den Wasserstrahl. Dann sehe ich sie an.
“Was soll ich jetzt tun? Er hasst mich. Er vertraut mir nicht. Er meinte, er wird mir jetzt nie mehr glauben.“
Em fährt sich mit den Händen über das Gesicht und stöhnt dabei frustriert.
“Gib mir Zeit, ich werde mir was überlegen. Ich hab dir doch versprochen, dass ich alles klären werde. Ich halte mein Wort und sage dir, dass alles noch gut wird. Außerdem sind wir doch auf derselben Schule, Drew kann uns nicht entfliehen.“
Er muss gar nicht fliehen. Er kann einfach nicht mehr zur Schule kommen... Ich hasse es! Ich hasse das alles!

______________________________________

Dieses Kapitel war schon vorgeschrieben, also hab ich mal Glück gehabt.
Und boah ist es deprimierend, so etwas zu schreiben! Ich werde echt ne Pause nach dieser Story brauchen.

Bis dann
Eure Once

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top