Kapitel 3

Der Samstag war für mich schon immer der beste Tag gewesen. Lange ausschlafen, shoppen gehen und spät ins Bett fallen. Doch mit dem Umzug ändert sich vieles...
Mein Handy klingelt vor acht. Ich bin so müde, dass ich es am liebsten durch das offene Fenster fliegen lassen würde. Aber die Kontakte drauf sind mir zu wichtig. Also fische ich das läutende Etwas aus all meinen Kissen und Decken heraus und nehme ab.
"Wer auch immer du bist, ich hoffe, du hast mehr als nur ein Leben.", krächze ich.
"Lisa, es ist halb acht, die Sonne scheint und es ist jetzt schon warm.", schreit mir Emilys heitere Stimme ins Ohr. "Wälze deinen fetten Arsch aus dem Bett, ich bin in einer halben Stunde bei dir."
"Hm... Gut. Dann muss ich nicht rausgehen, um dich umzubringen. Du schuldest mir jetzt Starbucks Kaffee."
Sie lacht. "Dann nehme ich ein Schutzschild und extra Geld mit. Bis gleich!"
Ich schmeiße das Handy auf das Bett und drehe mich auf die Seite, kuschele mich in die warme Decke. Was ich über mich sagen kann, ist, dass ich ein echtes Wunder bin. Es ist August, +27 am Morgen und ich schlafe unter einer Winterdecke und tausend zerknitterten Tagesdecken am Fußende des Bettes.
Das Handy klingelt wieder und ich schaue seufzend auf das Display. Meine Fresse, Emily, was willst du noch?!
"Jaaa...?", melde ich mich unzufrieden. "Darf ich jetzt doch ausschlafen?"
Meine Freundin lacht. "Nein, darfst du nicht. Ich dachte mir einfach, dass du jetzt wieder einpennst. Steh auf und mach dich fertig! Sonst ruf ich Elias an und sage ihm, er soll eine Kanne Wasser auf dich schütteln."
Ich werfe die Decke zurück und rolle mich langsam vom Bett runter, sodass ich auf dem kühlen Holzboden sitze.
"Wenn du um diese Uhrzeit bei ihm anrufst, wird er den Kessel Wasser über DICH schütteln, sobald du hier auftauchst. Und woher hast du seine Nummer?"
"Hat mir Ludwig gegeben.", antwortet sie selbstzufrieden. "Nicht ganz freiwillig."
Ich reibe mir die Augen und gähne.
"Wer zum Teufel ist Ludwig?"
Emily seufzt genervt. "Na der Blonde, mit dem dein Bruder die ganze Zeit abhängt. Schande über dich, er könnte dein nächster Freund werden."
Ich stocke. "Was quatschst du?"
Sie lacht wieder. "Na, jetzt endlich wach geworden?"

Emily führt mich in ein Starbucks Shop gleich unter dem Fernsehturm, wo sie mir ein Eiskaffee und sich selbst einen Milchshake mit Eis bestellt. Dann setzten wir uns auf 'ne Bank unter einer Baumreihe, um nicht unter der Sonne zu schmelzen. Wir erzählen uns gegenseitig von unseren älteren Beziehungen - ich hatte zwei und sie drei - und es stellt sich heraus, dass wir beide noch nicht richtig geliebt hatten. Mir war das ziemlich egal, an Liebe glaubte ich ja sowieso nicht.
"Apropos Jungs.", meint Emily. "Schau mal, wer da an dem Eisstand steht."
Ich blicke zurück zum Fernsehturm und bin ehrlich gesagt verwundert. Dort kauft der Elfler, den wir Anfang der Woche in der Cafeteria gesehen haben, einem zehnjährigen Mädchen ein Eis. Wahrscheinlich seine Schwester.
Apropos dieser Typ. Emily hatte wirklich dafür gesorgt, dass die ganze Schule davon nuschelte, wie zwei Neue im Partnerlook durch die Gänge liefen. Ich sage nur: unnötige Aufmerksamkeit.
"Und dann sagt man, Berlin sei eine große Stadt.", seufze ich.
"Für bekannte Gesichter ist eine Stadt nie zu groß.", erwidert die Blonde schulterzuckend. "Ach ja, du weißt es noch nicht: Das ist übrigens Andrew. Er ist 16, kommt ursprünglich aus den USA, lebt seit zehn Jahren in Hamburg, ist diesen Sommer nach Berlin gezogen, kann voll gut zeichnen UND ist ein Fußballfan."
Eine Weile sehe ich sie nur stumm an.
"Soll es mich wundern, dass du schon so gut informiert bist?", frage ich schließlich.
"Hey, komm, ne halbe Woche ist vergangen, klar weiß ich das Ganze mittlerweile."
"Also ich wüsste das nicht.", murmle ich, während sie, mich nicht beachtend, weiterredet.
"Wenn ich dich erstmal mit den ganzen Leuten bekannt mache und du dich einigermaßen bei uns einlebst, bist du die Zweite, die die verschiedensten Sachen zu Ohren bekommt. Neuigkeiten gehen in der Schule schnell rum."
Ich hatte wirklich gedacht, dass es bei einem Gymnasium nicht so wäre. Wahrscheinlich hab ich meinen Brüdern nie zugehört, als sie was erzählten.
"...gehen?", fragt mich Emily mit einem Grinsen.
Verwirrt sehe ich sie an. "Was?"
Die verdreht die Augen. "Zuhören müssen wir auch noch lernen... Ich wollte wissen, ob wir zu Andrew gehen wollen. Schulkameraden und so, weißt du."
Ich lache kurz. "Er kennt dich nicht mal."
Emily wirft ihre wirren Locken zurück. "Jeder kennt mich."
Dann breitet sich ein listiges Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Was hab ich denn wieder falsch gesagt?
"Kennt er DICH etwa, Lisa? Was verschweigst du?"
Das Mädchen ist echt eigenartig. Nervig und witzig zugleich. Wie kam es überhaupt dazu, dass ich die angesagteste Person der Schule zur Freundin habe?
"Dank dir, Em, kennt er mich bestimmt. Und weil es mir so peinlich ist, zeigst du mir jetzt, wo hier der Center ist."
Ich stehe auf und ziehe sie an der Hand auf die Beine.
Überrascht sieht sie mich an. "Willst du etwa auch ein neues Kleid für die Party?"
Verwirrung tritt meiner Bestimmtheit in den Weg. Party?
"Welche Party?", frage ich.
Emily weitet die Augen. "Elias hat dir nichts gesagt? Ludwig feiert heute. Seine Partys sind die besten und haben auch die besten Gäste. Du musst kommen, Lisa!"
Ich lache. “Warte, warte, warte, ganz langsam. Ich hab ja auch nichts dagegen. Elias kriegt nachher Schläge.“
Nun lacht Emily und ich bemerke, wie dieser Andrew den Kopf nach uns dreht. Ich hätte ihm jetzt gern 'Was glotzt du?' zugerufen.
Em hackt sich bei mir unter. “Sollen wir dich nachher abholen?“
“Liebend gern“, lächle ich.
Sie schaut über die Schulter und ich folge ihrer Bewegung.
“Er starrt uns ja immer noch an.“, seufzt sie genervt und meint damit den Elfler, der gerade eilig den Blick abwendet.
“Weil du zu laut lachst.“, entgegne ich nur.
“Hey, Andrew!“, ruft Emily.
Ich schüttle leise lachend den Kopf. Ich hätte es wissen müssen...
“Glotz nicht so, Süßer, das macht es auch nicht besser!“
“Wer weiß!“, ruft der Junge zurück und lacht auch.
Überrascht über die Antwort drehen sich Emily und ich unter lautem Gelächter um und gehen weiter.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top