Kapitel 23

Da es draußen mittlerweile schön warm ist, gehen Emily, Andrew und ich in der großen Pause auf den Hof. Unser Lieblingsplatz ist eine Bank hinten in der Ecke, auf deren Rückenlehne heute Ludwig, Elias und noch zwei Typen sitzen. Ja, unsere Bänke sind ziemlich groß.
Die Jungs klatschen zur Begrüßung ein, Em und ich umarmen uns mit ihnen. Meinem Bruder gebe ich einen leichten Schlag auf den Rücken.
“Weißt du, dass es unsere Bank ist?“
Er schnaubt. “Habt ihr sie gekauft? Oder gemietet? Oder vielleicht selbst hier aufgestellt?“
Emily verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich gegen Ludwigs Beine an. “Halt den Mund, du Oberschlauer.“
“Habt ihr Dennis schon gesehen?“, fragt Drew.
“Ich glaube, er ist heute nicht da.“, erzählt der eine Typ, dessen Namen ich immer wieder vergesse. Auf jeden Fall irgendwas Türkisches. “Wir haben die ersten beiden Stunden ja in Nebenräumen.“
Ich trete an Andrew heran und hacke mich grinsend bei ihm unter. “Du brauchst keinen Dennis.“
“Besitzergreifung.“, lacht der zweite Typ. Ich glaube, er ist ein Albaner.
“Ja.“, nicke ich fest.
Drew schubst mich leicht an. “In der Hofpause brauche ich MEINEN BESTEN FREUND vielleicht nicht. Im Englischkurs aber doch. Schließlich bist du noch nicht in der Elften.“
Ich zucke die Schultern und sehe wieder zu den Leuten auf der Bank. Dabei bemerke ich Elias' eindringlichen Blick. Wenn Blicke töten könnten... Es wäre sehr schön, wenn er sich doch mal abwenden oder zumindest lächeln würde.
“Hey, Drew, Changie hat dich übrigens gesucht.“, erinnert sich Ludwig.
“Warum das?“, werfe ich hart ein, bevor der genervte Andrew auch nur den Mund aufkriegt.
Jetzt lacht er aber leicht, macht sich von meiner Umklammerung los und legt den Arm beruhigend um meine Schultern.
Emily setzt sich zwischen dem Blonden und seinem türkischen Freund auf die Rückenlehne hin und flüstert Ludwig etwas zu, weshalb beide lachen. Mein Bruder lehnt sich nach vorne und mustert die Beiden fragend. Dann wird die Information weiter geflüstert.
“Meinst du, es ist etwas über uns?“, sagt Drew leise und grinst mich an.
“Nee...! Wie kommst du nur auf diese Idee?“, erwidere ich sarkastisch.
“Hat Changie was genaues gefragt?“, wendet er sich mit gehobener Stimme an die Fünf vor uns.
“Angeblich seist du plötzlich verschwunden, obwohl sie eine Bitte an dich hatte.“, antwortet der zweite Typ mit vergessenem Namen.
Wütend trete ich einen Stock vor meinen Füßen weg. “Sie kann mich mal!“
Ich ernte wieder den angespannten Blick meines Bruders. Die anderen sind ziemlich überrascht über mein Verhalten.
Andrew dreht mich um und dirigiert auf einige Entfernung. Dann fasst er mich an beiden Oberarmen und sieht mich fest an.
“Lisa, reg dich ab. Ich habe dir bereits gesagt, dass mich Changie nichts kümmert. Du vertraust mir doch?“
Ich nicke. “Ja, klar. Aber weißt du, wie sie mich aufregt?! Was kommt sie mir hier auf einmal an?“
“Mich regt sie doch auch auf. Du hast heute auch nach der 8. Schluss, oder? Ich werde am Anfang der Stunde Changie sagen, dass ich im Foyer reden möchte. Du kommst auch hin und wir klären die Sache. Einverstanden?“
“Okay, gute Idee.“, lächle ich knapp.
“Find ich auch. Meine Ideen sind immer super.“ Er legt den Arm grinsend um meine Schultern. “Lass uns zurückgehen. Gleich klingelt's und die anderen denken ja ohnehin schon, dass wir etwas aushecken.“
Ich lächle breiter. “Tun wir das etwa nicht?“
Andrew lacht. “Joa, irgendwie doch.“

Die weiteren Stunden sind langweilig und nervtötend. Und vor allem Emily lässt mich wegen meinem kleinen Wutausbruch nicht mehr in Ruhe.
Unsere Lehrerin lässt uns früher vom Unterricht gehen, also bin ich noch vor dem Klingeln im Foyer. Dann höre ich Schritte. Keiner redet. Ich stehe von der Bank auf, auf der ich meine Zeit vertrieben habe, und erblicke endlich Andrew. Mit steinernem Gesicht starrt er vor sich hin. Neben ihm geht Changie, wobei sie bei jedem Schritt stark mit der Hüfte wackelt und sich “unauffällig“ Drew nähert. Warum kam sie mir am Anfang noch mal so sympathisch vor? Oder bin ich einfach so stark eifersüchtig?
Sobald die Schwarze mich bemerkt, versucht sie, sich bei Andrew unterzuhacken, doch dieser tritt einfach nur einen Schritt zur Seite. Dann schaut er hoch und lächelt mich kurz an. So ist es besser, so ein Drew gefällt mir mehr.
Schließlich bleiben beide stehen.
“So, und jetzt lasst uns reden, Mädels.“, kündet Andrew an.
Changie verschränkt trotzig die Arme vor der Brust. “Wolltest du nicht mit MIR reden?“
“ICH wollte mit dir reden.“, erwidere ich und stelle mich an Drews Seite. “Changie, Drew ist nicht mehr frei. Kapiert?“
“NOCH ist er nicht frei.“, entgegnet sie mit einem listigen Lächeln. “Aber meintest du nicht selbst, dass du keine Beziehungen führen kannst?“
Ha! Ich wusste es! Man darf Leuten nicht vertrauen. Gut, dass sie nichts von der Wette weiß.
Andrew wirft mir einen überraschten und amüsierten Seitenblick zu. Daraufhin legt er einen Arm um meine Taille. So hat sich noch kein einziger Freund von mir benommen. Mit seinem ganzen Sein zeigt Andrew, dass ich zu ihm gehöre und dass er mich nicht hängen lassen wird. Es ist ein wirklich gutes Gefühl, muss ich sagen.
“Hör mal Changie“, seufzt Drew. “wir haben nicht unbedingt viel miteinander zu tun und genauso möchte ich es auch lassen. Vielleicht kann Lisa keine Beziehungen führen, doch mich betrifft es nicht. Und für eine Beziehung reicht auch ein erfahrener Partner. Also verzieh dich bitte und mach dich an jemand anderen ran. Alles klar?“
Das Mädchen bekommt so ein richtig angepisstes Gesicht.
“Wenn du denkst, dass mich das überzeugt, dann irrst du dich.“, wirft sie ein.
Andrew schüttelt den Kopf und schiebt mich schweigend in Richtung Ausgang. Sobald wir aus der Tür sind, drehe ich den Kopf nach hinten, um sicherzugehen, dass Changie uns nicht hinterherguckt. Da sehe ich neben ihr eine fröhlich lächelnde Emily stehen. Emily??? Was macht denn sie bei ihr? Sie weiß doch, dass ich mich mit Changie im Moment nicht verstehe. Verrat...? Nein, Spaß. Aber ich habe durchaus auch eine richtige Vermutung ihres Daseins. Da wird nachher jemand zur Rede gestellt.
“So, wie war das nochmal mit 'du kannst keine Beziehungen führen'?“, erklingt Drews amüsierte Stimme und ich wende mich ihm zu.
Denkt er ernsthaft, das verärgert mich?
Ich verenge listig die Augen. “Und wie war das mit 'dich betrifft das nicht'?“
Er lacht und steckt dabei die Hände in die Pullitasche. “Ok, eins:eins.“
Ich hacke mich bei ihm unter.
“Nein, jetzt im Ernst.“, beharre ich. “Wie viele Beziehungen hattest du schon? Aber ehrlich, ja?“
Erneut lacht Andrew. Sein Lachen ist entspannt und gut gelaunt. Ich bekomme immer wieder eine Leichtigkeit, wenn er so locker lacht.
“Das ist meine erste.“, antwortet Drew, ohne mich anzugucken, aber mit einem Lächeln im Gesicht.
Ich hebe verwundert eine Augenbraue. Der Amerikaner ist ziemlich hübsch und angesagt. Für mich ist es nicht wirklich glaubwürdig, dass er davor noch keine einzige Beziehung geführt hatte. Hallo, sogar ich hatte zwei!
“Ich sagte, ehrlich.“, wiederhole ich mit Nachdruck.
Nun blickt er doch noch zu mir auf. “Ist wirklich so! Wie viele hattest du denn, dass du so skeptisch bist?“
“Zwei.“, sage ich, ohne dass es mir irgendwie peinlich oder unangenehm ist. “Waren aber ziemlich bedeutungslos für mich.“
“Wohoo!“, wirft Andrew überrascht ein. “Interessant, interessant. Und wie siehst du unsere Beziehung?“
Er legt wieder den Arm um mich und drückt fest an sich. Ich umschlinge ebenfalls seine Taille mit einem Arm, was uns das Gehen ein wenig erschwert.
Dann seufze ich. “Sie ist etwas Besonderes.“
Mehr sage ich nicht zu dem Thema. Diesmal ist es anders... Diesmal ist es wirklich schön.
“Schön zu hören.“, erwidert Drew lächelnd.
Ich lächele zurück und glücklich gehen wir weiter zur U-Bahn. Wir haben es so abgesprochen, dass wir zusammen zu mir fahren. Nach ein paar Stunden soll auch Emily zu mir kommen und Drew wird uns mit der Präsentation helfen. Wie gewöhnlich hat Theo bestimmt Leo zu Besuch und von Elias und Ludwig habe ich auch noch was gehört. Unsere Eltern werden echt begeistert sein.

Am Abend, sobald Andrew kurz mein Zimmer verlässt, stelle ich Emily, wie vorgehabt, zur Rede.
“Hast DU Changie dazu gebracht, sich an Drew ranzumachen?“, frage ich sie ernst.
Sie zuckt mit den Schultern. “Kööönnte stimmen.“
Ich stöhnte auf. Zum Teil aus Erleichterung, dass Changie doch nicht an Andrew interessiert ist, und zum Teil aus Frust wegen Ems Handeln.
“Emilyyyyy...! Wozu?!“
Ich lasse mich auf das Bett fallen und seufze. Meine Freundin landet neben mir und mustert mich.
“Das war eine Probe.“, antwortet sie leichthin.
Probe, ob ich mich schon verliebt habe? Öhm ja... Habe ich mir nicht vor kurzem gesagt, dass ich besser auf mich achten soll?
“Und, hab ich sie bestanden?“, will ich wissen, wobei ich den Kopf zu Emily drehe.
Diese lächelt. “Je nachdem, wie man's nimmt.“

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Immer diese Emily...!  XD
Ich mag Drew. Ich finde, der ist mir voll gelungen. Jaja, Selbstlob stinkt, aber ist mir egal.
Nächste Woche kommt vielleicht nichts, weil ich mein MSA hab.
Bis dann,
Once

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