Kapitel 20

Es braucht zwei Wochen, bis sich Elias einigermaßen vom Koma erholt und wieder nach Hause darf. Netterweise tut er so, als wüsste er nichts von der Wette. So war er schon immer und ich müsste mich mal wohl bei ihm bedanken.
In dieser Zeit bekomme ich erstens mein Zeugnis - das eigentlich nicht viel schlechter ausfällt, als in meiner alten Schule, außer dass da eine schöne Fünf in Französisch steht - und bekomme zweitens noch größere Gewissensbisse wegen der Wette.
Wir waren mit Andrew letzte Woche Eislaufen und es war einfach so unglaublich schön. Kurze Schneeballschlacht, Fangen, Pizza essen und Gespräche auf alle möglichen Themen. Wie kann man mit einem Menschen so unterschiedlich und doch so gleich sein?

Heute feiert Nelly ihren Geburtstag. Meiner Erinnerung nach hat sie eine Wohnung irgendwo in Wedding. Daher wird die Party kleiner sein als bei Ludwig oder so, hat sie gesagt. Auch nicht schlimm.
Ich reiße Elias' Tür auf und er ruft verärgert “Hey!“
Ich lehne mich gegen den Türpfosten und sehe ihn an, wie er da so auf dem Sofa liegt und YouTube schaut. Es hat ne Menge Zeit gekostet, ein Sofa zu finden, das lang genug für ihn ist.
“Flipp nicht gleich aus.“, motze ich ihn an. “Ich wollte nur sicher gehen, ob du wirklich nicht mitkommst.“
Mein Bruder stoppt das Video und seufzt.
“Ich bitte dich, Lisa, sei nicht so blöd. Ich war über einen Monat lang im Koma. Ich hab echt nicht vor, jetzt schon auf Partys zu gehen.“
“Ja sorry, ich wollte nur nett sein.“
Ich drehe mich um und greife schon nach der Klinke. Pff, da will man ausnahmsweise mal sozial sein...
“Hey, Lisa, warte mal.“, sagt Elias und ich höre, wie er den Laptop zu macht.
Also wende ich mich wieder ihm zu und trete sogar richtig ins Zimmer ein.
“Was ist?“
“Ich weiß nicht, ob du's mitgekriegt hast, aber unsere Eltern wollen gar nicht über den Unfall reden. Weißt du, ob es ein Gericht geben wird? Ich meine, wenn der Typ in uns reingefahren ist...“
Ein Gericht? Davon war nie die Rede gewesen. Und ja, er hat völlig recht, Mama und Papa haben kein einziges Wort über den Unfall und seine Folgen verloren. Elias und ich wurden nicht einmal bestraft! Ich meine, wir waren ziemlich betrunken. Sonst trinkt mein Bruder kaum was, wenn er das Auto fährt, aber hier...
“Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung. Theo hatte irgendwas von Entschädigungsgeld gehört, mehr weiß ich da auch nicht. Möchtest du denn, dass es ein gibt?“
Elias grinst mich an. “Nee... Ich hab genug damit zu tun, dass ich jetzt den ganzen verpassten Stoff nachholen darf. Außerdem: Wenn er uns sowieso zahlt, dann ergibt das Gericht keinen Sinn. Üff... Das Krankenhaus muss ne Menge gekostet haben...“
“Oh jaa...“, stimme ich ihm zu. “Wir haben uns da ziemlich viel eingebockt, nicht?“
Mein großer Bruder nickt bedächtig. “Das kannst du laut sagen.“ Wir schweigen kurz. “Und, was hast du dir bezüglich Andrew überlegt?“
Wenn man seinen Bruder lobt...
Ich lehne mich schwer gegen die bis zur Wand geöffnete Tür.
“Ich ignoriere die Wette.“ Ich zucke mit gesenktem Blick die Schultern. “Solange Emily sie nicht erwähnt, gibt es keine.“
“Brich sie doch ab.“, schlägt Elias vor.
Ich schüttele niedergeschlagen den Kopf.
“Ich kann nicht.“, meine ich leise.
Er schnaubt. “Klar kannst du es. Du willst dir nur das Leben nicht erschweren. Du bist einfach zu jung für eine richtige Beziehung.“
Ich schaue verärgert zu ihm rüber. “Das sagst du immer! Ich werde in zwei Monaten 16, Elias. Ich bin kein kleines Schwesterchen mehr, dass zu nichts taugt. Ich hab einfach nur-“
Aufgeregt trete ich in den Flur und schließe dabei die Tür hinter mir zu.
...Angst. Ich will Drew nicht verletzen.
“Zoff?“, fragt Theo grinsend, der gerade von der Treppe kommt.
“Halt die Klappe.“, werfe ich ein.
In meinem Zimmer falle ich auf mein Bett und rufe Emily an.
“Hey, Em, wie fährst du zu Nelly?“, will ich mürrisch wissen, sobald sie sich meldet.
“Hi. So ein Typ aus der 12. nimmt mich mit, Marco.“, antwortet Em.
“Der, der sich gestern an dich rangemacht hat?“
Ohne Spaß, als wir gestern im Foyer standen, kam er einfach so an und fragte, ob er ihre Handynummer kriegt. Sie meinte zwar, nur als Geschenk zum nächsten Weihnachten, hat dann aber von Nelly SEINE Nummer bekommen. Dennis fand das nicht lustig.
“Genau.“, stimmt sie mir zu und ich höre ihr breites Lächeln heraus. “Zumindest zu etwas nützlich. Warum fragst du? Willst du mit?“
Ich nicke, obwohl sie es nicht sehen kann. “Oh jaa, das wäre super. Ist dieser Marco aber bereit, mich mitzunehmen?“
“Pff! Ihn fragt keiner.“, entgegnet Em und lacht. Dann wird sie still. “Hey, Lisa. Warum so schlechte Laune?“
“Naa...“, zögere ich. “Nicht wichtig. Sag mir lieber, ob dir dieser Marco wirklich gefällt.“
Emily schnaubt nachdenklich. “Nicht wirklich. Er ist ein bisschen asi - Ich mag solche Jungs nicht so.“
“Aber Dennis, nicht waaaahr?“, lache ich.
“Der doch nicht!“, erwidert sie und schüttelt jetzt ganz bestimmt den Kopf. “Der wird ja eher mit Nelly zusammen sein.“
Ja klar, immer diese Selbstzweifel. Den hat viel mehr mit ihr zu tun als mit Nelly. Okay, es ist übertrieben zu sagen, sie wären ineinander verliebt, aber es macht Spaß, sie damit aufzuziehen.
“Sicher, Emily, sicher.“
“Apropos Jungs.“, meint sie. “Wie geht's Elias? Er ist doch seit gestern wieder zu Hause.“
Ich verdrehe die Augen in der Erinnerung an unser Gespräch. Mein großer Bruder sorgt sich echt zu viel um mich.
“Einigermaßen gut, seine Muskeln haben sich erholt. Er muss jetzt zu viel nachholen und dann ist da auch noch sein Abi.“, erzähle ich.
“Du klingst aber nicht gerade begeistert.“, bemerkt Em.
“Pff... Bin ich immer.“
“Joah, klarrr. Mit Drew scheinst du aber ganz zufrieden zu sein. Verliebt?“
“Nein.“, antworte ich gleich und setze zu einer Erklärung an. “Es macht mir einfach Spaß. Andrew ist sehr nett und wir ähneln uns in manchen Dingen. Und hör auf, ständig nach ihm zu fragen! Sonst werd ich mir auch was einfallen lassen, womit ich dich nerven kann.“
“Tust du doch sowieso!“, erwidert sie aufgeregt.
“Deshalb bin ich halt auch deine beste Freundin.“, sage ich und zucke selbstzufrieden mit den Schultern.
“Wer hat denn das behauptet?“, lacht sie.
Ich lache ebenfalls. “Ich. Mein Wort zählt und du hast keine Rechte.“
“Alles klar mit dir. Dann sieh selbst zu, wie du zu Nelly kommst.“
“Heyyy! Okay, okay, du hast alle Rechte, meine heißgeliebte Emily.“
“So ist es besser.“, meint sie zufrieden und wir lachen wieder. “Und jetzt muss ich mich langsam fertig machen. Bis dann, Lisaaaa.“
“Bis dann, Emilyyyyy.“, äffe ich ihre hoch verstellte Stimme nach und wir legen beide auf.

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Sooo... Sorry, dass ich mich so lange nicht gemeldet hab. Ich hatte 1. keine Ideen und 2. zu viel zu tun. Jetzt kommen wieder die Klausuren und ich muss so einiges lernen. Üff...
Bis zum nächsten Kapi wird es also bestimmt eine Woche dauern, tut mir leid.

Eure Once

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