Kapitel 19
Um halb sechs am Morgen klingelt mein Handy.
"Wake up in the early morning!", brüllt es. "Waaaake up!"
Immer noch dieser Klingelton... Ich muss ihn endlich mal wechseln.
Schlaftrunken schalte ich den Anruf auf laut.
"Es ist Dienstag, Em, nicht Samstag.", knurre ich.
"Das weiß ich.", erwidert sie hellwach.
"Du klaust mir die letzte halbe Stunde Schlaf!“
"Letzte halbe Stunde - Pfa!" Sie schnaubt. "Weißt du eigentlich, dass ich diese halbe Stunde nicht hab? Lisa, ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Du MUSST mir helfen."
"Fahr zur Hölle.", brumme ich und drücke den roten Knopf.
Doch es bringt rein gar nichts. Emily ruft mich erneut an. Ich bin dem Versuch nahe, das Handy aus dem Fenster zu schmeißen, aber meine Eltern würden mich umbringen, wenn ich das tue.
"Wenn mich heute ein Lehrer anmeckert, weil ich einpenne", krächze ich. "werde ich die Schuld auf dich schieben."
Sie lacht. "Von mir aus."
Ich setze mich im Bett auf und drücke meine warme Decke stärker an mich.
"Machst du heute eigentlich wieder Sport mit?", fragt Em.
"Nee. Ich war beim Arzt und hab gesagt, dass meine Rippen noch wehtun. Hab jetzt für weitere zwei Wochen eine Sportbefreiung.", erzähle ich und reibe mir die Augen.
"Oha!", ruft Emily. "Komm, dann lass uns zusammen schwänzen. Soll ich Drew bescheid sagen?"
Ich verneine. "Seine Mutter wird ihn umbringen."
Helena ist recht unzufrieden damit, was aus ihrem liebsten, artigen Sohn wird. Soweit ich weiß, will sie wirklich, dass er mit den ganzen Leuten von den Partys weniger abhängt. Obwohl, mich mag sie.
"Na wie du meinst.", erwidert Em. "Uuund... Du hast da gestern etwas von Chemie und Physik erzählt.", erinnert sie sich.
"Ah, genau! Da bin ich nicht da."
"Was?!?"
Ich lache nervös. "Sorry. Ich hab eine Entschuldigung von meiner Mutter, damit ich zu Elias fahren kann."
Eigentlich habe ich einfach keinen Bock auf diese Stunden, vor allem weil sie in der 7. und 8. sind. Also habe ich versprochen, meinen Bruder zu besuchen, damit er sich nicht so langweilen muss. In der Entschuldigung steht jedoch, dass ich ihm bei der Rehabilitation helfe. Wir machen sowieso nichts Wichtiges im Unterricht, weil am Freitag schon die Zeugnisse sind.
"Lisa, lass mich nicht hängen!", fährt mich Emily beleidigt an.
"Wir sehen uns ja noch abends. Mit Drew."
Sie setzt an, um etwas zu entgegnen, lässt es aber gleich sein. Wahrscheinlich wollte sie was über Drew oder mein angebliches Verliebtsein sagen. Gut, dass sie schweigt.
"Okay, ich nehm dich beim Wort. Und jetzt hilf mir: Was soll ich anziehen?"
Zum Unterricht komme ich diesmal nicht zu spät, obwohl auch nur knapp. Die BVG ist echt der größte Schrott. Und diese Kontrollen! Jetzt stellen sich die Leute sogar an den Ausgängen auf! Ich könnte echt ausrasten...
In der Pause zwischen der ersten und der zweiten Stunde herrscht wie immer Unruhe in der Klasse. Einige Mädels machen Selfies, andere streiten sich lauthals. Die Jungs helfen mit großem Vergnügen beiden Gruppen, wobei sie eigentlich ja nur stören.
"Ihhh, Leute, hier stinkt's voll!", ruft der einzige Dunkelhäutige unserer Klasse angewidert, als er an der vollgekrakelten Tafel vorbeiläuft.
Er heißt übrigens Aris und ist einer der angesagtesten Typen hier.
"Liegt wahrscheinlich an dir selbst.", ruft ihm Em entgegen und wir lachen.
"Kommt doch her!", entgegnet Aris herausfordernd. "Euch wird die Nase abfallen."
Schulterzuckend und mit einem "Pf!" steht Emily von ihrem Platz auf und geht nach vorne. Sobald sie aber da ist, weicht sie sofort zurück.
"Oh mein Gott, das stinkt hier ja höllisch!"
Aris stubst sie gereizt an. "Und was hab ich gesagt?!"
Interessiert gehe ich zu den beiden, sowie die Hälfte der Klasse. Es stinkt so, als wäre irgendwas verfault. So richtig schlimm.
Wir halten uns die Nasen zu und suchen nach der Quelle dieses Gestanks.
"Das Tafelwasser!", meint ein blonder Junge und weicht hustend von dem kleinen Eimer zurück.
"Macht das Fenster auf!", verlangt Aris und schnappt sich den Eimer.
"Was willst du machen?", frage ich.
Grinsend sieht er zu mir zurück. "Wirst du gleich sehen."
Leute, die an dem bereits offenem Fenster stehen, zählen laut von drei ab. Und dann schüttet Aris das Tafelwasser nach draußen. Ich schließe mich dem amüsierten Jubel an und drehe mich um. Das Lachen bleibt mir im Halse stecken, als ich unsere Deutschlehrerin sehe. In weniger als 30 Sekunden herrscht in der Klasse Totenstille.
"Klassensprecher - zum Direktor!", brüllt sie.
Aus der großen Gruppe lösen sich ein Mädchen und ein Junge und folgen ihr aus dem Raum.
"Wir sind am Arsch...", sagt Emily.
In der Hofpause werden Em und ich mit Jubel von Andrew und co. begrüßt.
"Wasser aus dem Fenster schütteln!", meint Changie.
"Und dann noch vor Augen von Frau Lustig!", fügt Nelly hinzu.
"Ihr hättet wegen dem Gestank gekotzt, also haltet die Klappen.", erwidert Emily.
"Außerdem waren es ja nicht wir beiden, sondern Aris.", verteidige ich uns.
"Und trotzdem dürft ihr diesen Monat den Hof aufräumen.", lacht Dennis.
Apropos, ich hab ja noch gar nicht gesagt, wie er aussieht. Der Russe ist ein wenig kleiner als Andrew, genauso gut gebaut, hat hellbraune, längere Haare und schokobraune Augen.
Drew legt den Arm um meine Schultern.
"Kleine Loserin.", lächelt er sanft.
Ich stubse ihn mit der Hüfte an. "Sagt der größte Loser überhaupt."
Er zuckt mit den Schultern. "Ich darf."
Changie verzieht das Gesicht. "Hört auf! Ihr seid hier nicht allein."
"Oha, wie neidisch sie ist!", stoße ich aus und lache leicht.
Andrew nickt. "Jetzt echt. Wir haben uns nicht mal geküsst."
Nelly lehnt sich 'unauffällig' zu uns.
"Sie hat dieses Wochenende mit ihrem Freund Schluss gemacht.", erzählt sie mit einer Hand vor dem Mund.
"Ich kann dich hören!", sagt Changie unzufrieden und verdreht die Augen.
Und was haben wir jetzt dafür?! Ich meine, sie ist ja selbst dran schuld, dass sie jetzt keine Beziehung hat. Man muss nicht gleich anderen die Laune verderben. Huch, seit wann bin ich so reizbar?
Ich bin jetzt ehrlich gesagt froh, dass die Afrikanerin nichts von der Wette weiß. So, wie sie jetzt drauf ist, hätte sie Andrew davon glatt erzählen können. Jaa, eigentlich darf man nicht so von seinen Freunden denken, aber wenn sie so überreagiert... Je weniger Leute von der Wette wissen, desto sicherer ist meine Beziehung - daran zweifle ich überhaupt nicht mehr. Ich will echt nicht, dass Andrew mich hasst. Ich mag ihn zu sehr. Vielleicht ist es egoistisch, doch ich will ihn echt mit keiner anderen teilen. Kann man so was eigentlich Liebe nennen? Zieht man da nicht die Interessen des anderen vor? Ich sage doch, dass Liebe nichts für mich ist!
Reflexartig fasse ich kurz den Vogel an meinem Hals an, wobei ich so tue, als würde ich meinen Schal richten.
"Was ist los?", flüstert Drew plötzlich in mein Ohr.
Ich sehe verwirrt zu ihm hoch. "Warum sollte etwas los sein?"
"Wenn du besorgt bist, greifst du immer nach dem Anhänger.", erklärt er.
Oh... Ja, vielleicht stimmt das sogar...
"Es ist nichts.", versichere ich ihm kopfschüttelnd und lächle kurz.
Auf dem Weg ins Krankenhaus fängt es an zu nieseln. Ich hasse Niesel - ist schlimmer als Regen! Den Regenschirm hab ich natürlich nicht mit und meine Jacke hat auch keine Kapuze. Yeppy, ich liiiiebe dieses Wetter!!! Nicht.
Als ich ankomme, sitzt Elias auf seinem Bett und beobachtet den Jungen im Bett daneben.
"Weißt du, wie lange er schon im Koma liegt?", fragt mich mein Bruder, ohne den Blick abzuwenden.
Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihn und sehe ebenfalls zu dem Jungen.
"Nein.", antworte ich knapp.
"Ich hab heute den Arzt gefragt. Er ist hier schon seit einem halben Jahr und sein Zustand bessert sich nicht. Seine Eltern kommen jeden zweiten Tag her und der Arzt hat ihnen heute vorgeschlagen, die Geräte abzuschalten."
Stumm höre ich ihm zu und frage mich, worauf er hin will. Elias dreht sich zu mir um und schaut mich bedrückt an.
"Wenn es mich genauso getroffen hätte, was, meinst du, hätten unsere Eltern beschlossen?"
Zuerst fange ich ernsthaft an zu überlegen, doch dann lasse ich es sein.
"Egal, was ihre Entscheidung wäre, ich hätte verlangt, dich weiter am Leben zu halten, Elias.", antworte ich bestimmt.
"Danke, Lisa." Er lächelt. "Und? Wie läuft die Schule? Willst du mir nicht was erzählen?"
Ich hebe eine Augenbraue. "Äh?"
Unbegeistert blinzelt mein Bruder mich an. "Eine hübsche Beziehung hast du da mit Andrew. Aber Analisa, ich kenn dich zu lange. Was läuft falsch?"
Ich senke betrübt den Blick. "Du wirst mich hassen, Elias."
Er schnaubt. "Alles klar, klingt ziemlich positiv. Erzähl schon. Bin ich nicht der Einzige, dem du deine Geheimnisse anvertraust?"
Da hat er aber recht. Mein ganzes Leben lang erzähle ich meinem großen Bruder Dinge, die kein anderer je zu Ohren bekommt. Und meistens hat er auch hilfreiche Ratschläge für mich.
"Nehmen wir mal an", fange ich zögerlich an. "ich hätte eine Beziehung wegen einer Wette angefangen..." Elias weitet verwundert die Augen. "und würde den Jungen aber doch mögen. Wie sollte ich mich dem Jungen gegenüber dann fühlen?"
Der Blick meines Bruders verdüstert sich aus Enttäuschung, doch dann seufzt er.
"Liebst du ihn?", fragt er.
Ich sehe ihn an. "Du weißt doch, ich glaube nicht a-"
Er unterbricht mich. "Liebst du ihn?"
Überfordert schüttele ich den Kopf. "Ich weiß es nicht. Vielleicht."
"Brich einfach die Wette ab. Es ändert ja nichts.", schlägt mein Bruder vor.
"Und wenn doch?", rufe ich. Von mir selbst überrascht drücke ich kurz die Hände auf den Mund. Ruhiger fahre ich fort: "Was ist, wenn ich nur glaube, mich in ihn zu verlieben?"
Elias hält mir die Hand vor. Ich lege meine eigene darauf und er drückt sie.
"Drew ist der Richtige, Lisa. Vergiss deine Sorgen, scheiß auf die Wette und sei einfach du selbst."
Wenn es nur so einfach wäre...
______________________________________
Soo.... Ich weiß echt nicht, was ich im nächsten Kapitel schreiben soll. Wird also länger dauern. Und ich muss noch ein Kackbuch für meinen MSA Vortrag lesen. Schule stresst mich im Moment übertrieben...!
Apropos Schule. Das mit dem stinkenden Tafelwasser hatte ich in meiner Klasse vor paar Monaten. War echt widerlich. Nur haben unsere Jungs das Wasser nicht ausgeschüttet, sondern in der Nebenklasse damit den Boden gewischt xDD Ich sag nur: Behinderte. [Nicht wahr, Shiri?] Doch dafür war am nächsten Tag der Eingang in unser Klassenzimmer mit Tischen und Stühlen verbarrikadiert xDD
Aber unsere zweite Nebenklasse hatte vor einem Jahr wirklich das Wasser aus dem Fenster geschüttet xDD Nicht nur meine Klasse ist behindert - das ist schon gut zu wissen ^^
Okay, genug Infos freigegeben.
Ich hoffe, ihr freut euch, dass sich Analisa Sorgen wegen der Wette macht. So eine richtige Schlampe ist sie also doch nicht. Ist aber schon bedrückend, die ganze Zeit sich solche Gedanken zu machen, ne?
Eure Once
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top