Kapitel 17
Obwohl jetzt bereits Mitte Januar ist, erinnert das Wetter einen eher an Herbst als an Winter. Ständig grauer Himmel, Schauer, kahle Bäume und über zehn Grad. Ich bemitleide echt die Leute, die zur Schule mit dem Fahrrad fahren - es muss ja richtig eklig sein.
In zwei Tagen hat Elias Geburtstag. Sein achtzehnter. Und er liegt immer noch im Koma... Gibt es irgendwie ein Gegenmittel dafür?
“Lisa?!!!“, ruft Emily genervt.
Ich starre sie an und blinzele dreimal.
“Was?“, frage ich verwirrt.
Em verdreht die Augen und stöhnt auf. “Mädchen...! Ich frage, was du heute vorhaaast.“
Ich sehe sie entschuldigend an. “Sorry, ich war in Gedanken. Ich hab Drew versprochen, heute mit ihm rauszugehen. Er wollte mir irgendwas zeigen.“
“Uhhh, Drew also.“, grinst sie mich schief an. “Na dann...“
Ich gebe ihr einen Schlag auf den Arm. “Jetzt hör schon auf.“
Dass sie immer mit diesem listigen Uhh ankommt, wenn es um Andrew geht!
Wir biegen zur Treppe ab und steigen die Stufen runter. Wenn man einige Minuten später zur Pause rausgeht, hat man den Vorteil, die Treppe für sich allein und keine nervenden Winzlinge vor den Füßen zu haben.
Em hackt sich bei mir unter.
“Aber ihr passt einfach mal soo gut zu einander! Wenn du die Beziehung ernster nehmen und sie nicht nur als eine Wette ansehen würdest, wärst du hundert Pro glücklich!“
Vielleicht. Aber ich kriege nie den Gedanken aus dem Kopf, dass das Ganze nicht freiwillig angefangen hat.
Ich seufze. “Hör auf, Em, bitte. Ich hab genug Probleme.“
Ihr Blick wird besorgt. “Willst du die Wette abbrechen? Es war ja sowieso nur zum Spaß gedacht, als Scherz.“
Ich schüttele den Kopf. “Ne, ne. Ich sag dir, ich werd mich bis zur Klassenfahrt nicht in ihn verlieben.“
“Du siehst schon wie verliebt aus.“, murmelt sie leise.
“Was?“, frage ich nach.
Hat sie das jetzt wirklich gesagt oder hab ich was falsch verstanden?
“Nichts, nichts.“, erwidert Emily.
Nach der Schule fahren Andrew und ich erstmal kurz zu mir, um unsere Taschen abzulegen. Ausnahmsweise ist niemand zu Hause.
Andrew lässt sich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen. Ich trete ihm einmal leicht gegen das Schienbein.
“Hey, wolltest du mir nicht irgendwas zeigen? Wo ist denn der Romantiker abgeblieben?“
Drew schnappt sich mein Handgelenk und ich werde von ihm auf das Sofa gezogen. Weich lande ich neben ihm.
“Der wurde in Deutsch verscheucht.“, antwortet er.
Ich lege den Arm um seine Schultern. “Ich wusste ja gar nicht, dass du so ein fauler Sack bist.“
Drew quetscht seinen Arm um meine Taille und ich lehne den Kopf an seine Schulter.
“Ich dachte, dich regt das Wetter auf.“, meint er.
Ich schnaube. “Das Wetter wird nicht besser. Außerdem kommt meine Mutter gleich nach Hause und wird uns zum Essen zwingen.“
Andrew lacht. “Macht da jemand etwa eine Diät?“
Ich gebe ihm einen Schlag auf die Schulter. “Eine fette Analisa wird dir ganz bestimmt nicht gefallen.“
“Warum hast du mich jetzt geschlagen?!“, fährt mich Drew an.
“Weil ich es kann.“, erwidere ich gelassen.
Er zieht seinen Arm hervor und will mich zur Seite stoßen, doch ich halte mich an seinem Hals fest und lasse es nicht zu.
“Du erwürgst mich gleich!“, lacht Drew.
Ich lache ebenfalls. “Ach quatsch!“
Ich drücke ihn noch weiter an mich heran und gebe ihm einen kurzen Kuss.
“Das wird ja interessant.“, grinst er mich an, dreht sich zu mir herum, legt die Arme um mich und fängt einen weiteren Kuss an.
Dann stehe ich lachend auf und versuche, ihn an seinem Hals hochzuziehen.
“Lass uns gehen.“, lächle ich breit.
“Ja, okay.“, gibt Andrew nach und erhebt sich.
Wir verlassen das Haus und gehen zur U-Bahn. Eigentlich wäre es mit dem Bus schneller, aber wir haben erstens Zeit und zweitens hat es aufgehört zu regnen.
“Wo fahren wir eigentlich überhaupt hin?“, frage ich, als wir nach zwanzig Minuten in die Bahn einsteigen.
“Sag ich nicht.“, antwortet Drew.
Er will mir einfach nie verraten, was er vorhat! Aber es ist gleichzeitig auch irgendwie süß. Können Jungs überhaupt so umsichtig sein oder hat Andrew vielleicht auch irgendeine Wette? Das würde nämlich vieles erklären.
Schließlich steigen wir auf irgendeiner unbekannten Station aus, gehen die Treppe hoch und nehmen den Bus. Er ist zweistöckig und oben vorne sind sogar die Plätze frei.
“Jetzt darfst du dich entspannen, wir fahren bis zum Ende durch.“, sagt Drew.
Ich nicke, hole mein Handy heraus, stecke Kopfhörer ein und zusammen hören wir Musik.
Die Endstation befindet sich mitten im Nirgendwo. Wir sind die Letzten, die aussteigen, und um uns herum sieht man nur ein endloses Feld.
“Wie romantisch.“, lache ich trocken.
“Es soll auch nicht romantisch sein.“, entgegnet Andrew und zuckt mit den Schultern. “Unser Ausflug hat einen ganz anderen Zweck.
“Du willst mich töten und hier vergraben?“, frage ich und grinse.
“Gute Idee.“, lacht er. “Und jetzt komm mit.“
Wir schlängeln uns durch das taillenhohe, feuchte Gras dieses Feldmeeres und je tiefer wir hineingehen, desto unheimlicher wird es. Was machen wir hier?
Schließlich bleibt Drew stehen und dreht sich zu mir um.
“Du wirst mich jetzt für verrückt halten“, fängt er an. “doch ich will, dass du jetzt einfach schreist.“
Kritisch und verwirrt sehe ich ihn an.
“Dass ich schreie?“, wiederhole ich.
Andrew nickt bestimmt. “Ja, dass du schreist. Lass uns die Seele freibrüllen, hier wird uns sowieso niemand hören.“
“Ich- Ich kann nicht einfach so losschreien.“, schüttele ich unschlüssig den Kopf.
Drew blickt sich nachdenklich um. Er scheint eine Idee zu haben und greift nach meinen Händen.
“Was stört dich gerade am meisten, Lisa? Irgendwas, warum du am liebsten alles um dich geschmissen hättest.“
Ich überlege, doch mir kommt auf Anhieb nichts in den Sinn.
“Was ist es bei dir?“, frage ich stattdessen.
Andrew akzeptiert mein Interesse mit einem Nicken, lässt mich los und läuft einige Meter tiefer ins Gras.
“Prüfungen!“, ruft er. “Wir sollen lernen, was wir nicht mal brauchen werden! Scheiß Lehrer, die einen nur runtermachen! Meine Mutter, die ihre eigenen Vorstellungen von MEINEM Leben hat! Mein Vater, der sich keinen Hehl aus der Trennung gemacht hat!“
Kurz wird er still, ich höre ihn tief einatmen. Und dann schreit er. Tief und wütend.
“Meinen Vater interessiert nur seine Arbeit.“, fange ich zögerlich an. “Wegen ihm musste ich meine Freunde verlassen. Und er hat nicht mal gefragt, ob wir mit dem Umzug einverstanden sind!“
Ich versuche zu schreien, doch ich bringe es nicht zustande.
“Ja! Weiter so!“, ruft mir Drew anspornend zu.
“Mein Bruder liegt im Koma. Zwei Tage vor seinem 18.! Die Ärzte sagen nichts über seinen Zustand!“
Der zweite Schrei wird schon lauter und wütender. Es tut gut, ehrlich.
Meine Beziehung ist wegen einer Wette entstanden!, fahre ich in Gedanken fort. Wenn Drew davon erfährt, wir er mich hassen! Er wird mich verabscheuen. Aber ich kann sie nicht einfach abbrechen! Denn dann wird Em erfahren, dass...
Dieser Schrei ist der Lauteste. Meine ganze Verzweiflung und Verwirrung, meine ganze Sorge und Hoffnungslosigkeit liegen darin und ich lasse den aufgestauten Gefühlen freien Lauf. Es ist meine eigene Schuld und ich könnte es in jedem Moment beenden, doch ich bin zu egoistisch. Liebe existiert nicht. Es gibt keine Liebe!
“Du bist frei, Analisa!“, höre ich Andrews erleichterte Stimme und sein Schrei schließt sich meinem an.
Ich bin frei - oh ja!
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Meiner Meinung nach macht sich Lisa zu viele Gedanken. Sie könnte die Wette abbrechen und mit Andrew einfach weiter zusammen sein.
Ja, ich finde ihren Gedankengang dumm, obwohl ich mir das alles selbst ausdenke - lasst mich, ich darf xD
ICH WILL SCHON DAS ENDE SCHREIBEN!!! DX
Im nächsten Kapitel wird es eine Überraschung geben.
Viel Spaß beim Warten ;P
Eure Once
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