Kapitel 13
Es ist drei Stunden her, dass Theo das Geschenk für Andrew erwähnte. Und seitdem zerbreche ich mir darüber den Kopf und kann einfach an nichts anderes denken. Meine Güte, was soll man einem Jungen schenken, mit dem man theoretisch zusammen ist? Das Geschenk muss auf jeden Fall eine Bedeutung haben und nicht einfach irgendwas sein. Ich habe schon einige Freunde - unterdessen Emily - mit dieser Frage beschäftigt, doch alle ihre Vorschläge gefallen mir nicht. Ich weiß auch nicht, worauf ich hoffe.
Mama meinte, Andrews Familie würde am 25. zu uns kommen. Also habe ich noch heute und morgen. Warum hab ich mir eigentlich nicht davor schon was überlegt? Ich hätte ihm doch sowieso etwas schenken müssen. Und das Schlimmste ist, ich bin von dem Zeichenbuch so begeistert, dass ich ihm ebenfalls etwas Kreatives schenken will.
Dann kommt mir eine Idee. Ich schnappe mir meinen Laptop, nehme einen Stick und ziehe eilig einige Fotos von Andrew und mir rüber. Am Besten finde ich die Quatschfotos, also gibt es deshalb auch ziemlich viele davon.
Während ich die Treppe ins Erdgeschoss hinabsteige, bemühe ich mich um eine straffe Haltung. Jup, die Rippen tun weh. Unten angekommen gehe ich um die Treppe herum und trete in Papas Arbeitszimmer ein. Ich schalte seinen Computer an, dann den Drucker und werfe anschließend noch einen Blick auf die ausgewählten Fotos. Oh jaa, die sind gut. Auf einem zum Beispiel zeigt Drew mit großen Augen die Zunge und ich kneife meine Augen zu und mache einen übertriebenen “Entenmund“. Ein anderes zeigt mich vollständig angezogen in einer Badewanne liegen und Drew gerade den Wasserhahn aufmachen. Das war so ein Moment... Emily und Andrew wollten mich bei einer Party nicht nach Hause gehen lassen, also hat Drew mich in die Wanne gestoßen und das Wasser aufdreht. Em hat das Ganze natürlich gefilmt. Wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich gern daran.
Mit über zwei Dutzend Fotos laufe ich zurück in mein Zimmer. Alle sie verstreue ich auf meinem Bett. Ich werde Andrew sagen, wie viel Mühe ich mit seinem Geschenk hatte, hahah. Ich bin einfach kein wirklich kreativer Mensch und dieses Geschenk wird wie eine Heldentat für mich sein.
“Theoo“, rufe ich. “Hast du dickes weißes Papier?“
“Warte.“, ruft er zurück.
Nach einigen Minuten geht meine Zimmertür auf und mein Bruder tritt ein. In der Hand hält er einen ganzen Stapel von Papier. Überrascht schaut er sich die Fotos auf meinem Bett an.
“Was ist denn in dich gefahren?“, fragt er skeptisch.
“Ich bastle ein Geschenk für Andrew.“, antworte ich und winke ihm zu. “Los, gib schon her.“
“Du BASTELST?“, fragt Theo ungläubig nach.
Ich sag doch, ich bin keine kreative Person. Eigentlich mag ich, überhaupt nichts Künstlerisches zu tun.
Ich verdrehe seufzend die Augen. “Ja, Theo, ich bastle. Jetzt gibt schon das Papier her. Danke, dass du es für mich gesucht hast.“
Mein Bruder geht auf mich zu und legt den dicken Stapel neben mich auf das Bett.
“Hast dich wohl noch nicht ganz vom Unfall erholt.“, murmelt er.
Ich schnappe ich zerknülltes Blatt, auf das ich all die vorgeschlagenen Ideen aufgeschrieben hatte, und werfe es nach ihm.
“Wehe, du erzählst Leo davon. Das Geschenk soll eine Überraschung sein.“
Theo dreht sich lächelnd um, hebt das Knäuel auf und wirft es zu mir zurück.
“Ich halte meine Klappe.“, verspricht er mit einem Nicken.
Dann verschwindet er aus dem Zimmer. Ich schalte mir Musik an und mache mich an die Arbeit. Meine Idee ist es, eine Art Fotobuch mit lustigen Sprüchen von uns zu erschaffen. Bei dem Badewanne-Bild ist es zum Beispiel: 'Fügen Sie Wasser hinzu und kochen Sie auf kleiner Flamme.' Das hatte Drew gesagt, als er den Wasserhahn aufdrehte.
Ich arbeite an dem Fotobuch bis nach zwei Uhr nachts. Dann bin ich zu müde und schlafe einfach ein, ohne dass das Geschenk fertig ist.
Als ich am Morgen aufwache, tut mir mein ganzer Körper weh, nicht nur die gebrochenen Rippen. Die Schlafposition war wohl ungünstig.
Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Zehn Uhr - seit wann werde ich so früh wach? Emilys Einfluss wahrscheinlich.
Ich stehe mühselig auf, versuche, dabei keine Fotos zu zerknüllen und mache mich auf den Weg ins Bad. Das übrigens zum Glück frei ist.
Danach steige ich die Treppe hinab und gehe in die Küche. Theo sitzt schon am Tisch und unsere Eltern stellen gerade die Marmelade und Teller mit Toasts, Käse und Wurst auf den Tisch.
“Oh, Morgen, Lisa.“, lächelt Papa.
“Morgen.“, lächle ich zurück und nehme auf meinem Stuhl Platz.
Mein kleiner Bruder grinst. “Naa, fertig geworden?“
“Nee“. Ich schüttele den Kopf und lache. “Eingepennt.“
Unsere Mama setzt sich mit einem interessierten Blick hin. “Womit denn fertig?“
Ehe ich sie von weiteren Infos mit Gesprächen auf andere Themen ablenken kann, öffnet Theo seinen Mund.
“Sie bastelt ein Weihnachtsgeschenk für Andrew.“, flötet er.
Unser Vater beugt sich überrascht vor. “Lisa bastelt?“
Ich lehne mich genervt in meinem Stuhl zurück. “Hört doch auf! Ja, ich bastle! Ich muss - Woahh, ist egal, warum ich das mach! Sagt mir lieber, wie es denn an Weihnachten aussehen wird. Drews Familie kommt um vier? Fünf?“
“Papa, wann holst du den Weihnachtsbaum?“, unterbricht mich Theo mit Vorfreude.
“Werden sie bei uns übernachten oder gehen sie nach Hause?“, fahre ich fort.
Ehrlich gesagt möchte ich nicht, dass Andrew hier übernachtet, weil es... Weil ich ein schlechtes Gewissen hab.
“Darf Leo bei uns übernachten?!“, ruft mein Bruder.
Unsere Mutter lacht. “Das musst du schon Helena fragen und nicht mich. Von mir aus dürfen alle eure Freunde hier übernachten.“
Theo sieht mich grinsend an, ich grinse zurück.
“Riesenparty?“, fragt er.
“Sobald Elias wieder da ist.“, nicke ich.
Ein betretenes Schweigen breitet sich aus.
“Lisa, Theo, wir wollten heute noch euren Bruder besuchen. Kommt ihr mit?“, fragt Papa. Wir nicken. “Gut. Danach gehe ich den Weihnachtsbaum kaufen.“
Mein kleiner Bruder ruft ein fröhliches “Yey“ und wir fangen an zu essen.
Nach dem Frühstück mache ich mit dem Fotobuch weiter, bis ich von einem Anruf unterbrochen werde.
“Weißt du, wer mich grad angeschrieben hatte?“, erklang Emilys fast gesunde Stimme heiter.
“Ja, dir auch hi.“, entgegne ich ironisch. “Mir geht es wunderbar. Wer denn?“
Em lacht. Ich hasse es, wenn Leute beim Telefonieren gleich zum Thema kommen. Nach dem Unfall erwarte ich zumindest kleine Sorgen.
“Sorry, Lisa. Los, du musst jetzt raten.“, sagt sie drängend.
Ich schüttele den Kopf und seufze. “Na los, erzähl schon, sonst platzt du ja noch.“
“Also. Ich wollte gerade dich anschreiben, da sah ich, dass mir Andrew schreibt. Und das Überraschendste war, er hat gefragt, was er dir zu Weihnachten schenken könnte. Er ist wohl richtig scharf auf dich, was?“
Drew hat also auch keine Geschenkideen. Freut mich, dass ich da nicht die Einzige so kurz vor Weihnachten war. Wahrscheinlich hatte er vorgehabt, mir das Zeichenbuch zu schenken. Mein Unfall hat ihn also das Geschenk gekostet. Jetzt schulde ich ihm ja noch mehr.
“Liiisaa!“, ruft Emily mir enttäuscht ins Ohr. “Ich erwarte zumindest irgendeine Reaktion!“
Ich stutze. “Oh, sorry. Und, was hast du ihm geraten?“
Sie seufzt. “Du hast meine letzte Bemerkung ja gar nicht gehört... Was läuft dir durch den Kopf?“
Ich schalte das Handy auf laut und lege es auf das Bett, damit ich mit dem Buch weitermachen kann.
“Ich arbeite gerade an Andrews Geschenk. Meine Mutter hat seiner vorgeschlagen, mit uns Weihnachten zu feiern - deshalb überrascht es mich auch nicht. Also, gab es sinnvolle Vorschläge?“
“Ach deshalb hast du gefragt, was man einem Jungen schenken könnte!“ Ich höre, wie sie sich auf die Stirn schlägt. “Ich bin noch zu krank, um über eure Liebesbeziehung zu denken.“
“Ich liebe ihn nicht!“, unterbreche ich sie energisch.
Sie lacht. “Das kam jetzt zu schnell. Ich hab dich durchschaut, Analisa, schon von Anfang an.“
Ich verdrehe die Augen. “Hast du nicht. Und lenk nicht vom Thema ab! Was hast du ihm vorgeschlagen?“
“Was ich ihm vorgeschlagen hab, hat ihm nicht gefallen.“ Sie seufzt und sagt genervt. “Angeblich wird es dich nicht beeindrucken. Jetzt denkt er auch noch, er kennt dich besser als ich.“
Nun lache ich. “Du klingst eifersüchtig! Was hast du ihm vorgeschlagen?“
“Ich hab ihm ein Kleid gezeigt.“, antwortet sie nur.
“Weiter.“, fordere ich sie auf.
Irgendwas muss wohl mit dem Kleid nicht stimmen. Zu kurz? Zu großer Ausschnitt? Zu eng?
“Er meinte, du wirst es ihm in die Fresse werfen.“ Trotzig fügt sie hinzu: “Ich meinte, es ist auch der Zweck der Sache.“
Ich muss wieder lachen.
“Ach, und er hat gesagt, dass du nie im Leben was Freizügigeres anziehen wirst, als diesen einen Top, den du im Oktober mal anhattest.“
Ich reiße die Augen auf. “SO WAS hast du ihm als ein Geschenk für mich vorgeschlagen?! Emily, ich bring dich um!“
Nun lacht sie. “Ganz ruhig, er hat ja nicht zugestimmt.“
“Wenn er zugestimmt hätte, gäbe es zwei Tode.“, entgegne ich. “Zumindest ist einer von euch beiden vernünftig.“
“Ja, Lisa, gib die Hoffnung nicht auf.“, meint Em und ich kann mir ihr breites Grinsen vorstellen.
Mein Blick streift die Uhr. 14:47.
“Hey, Em, ich muss auflegen. Das Geschenk ist immer noch nicht fertig, weil du mich ablenkst, und wir werden in einer Stunde zu Elias fahren.“
“Oh.“ Sie verstummt. “Es tut mir wirklich leid für ihn. Ich bin mir sicher, er wird bald zu sich kommen. Denk nicht zu negativ, ja?“
Ich seufze schwer. “Danke. Ich versuch's.“
“Mach's gut.“
“Bye.“
Ich lege auf und schaue zu den Familienfotos auf meinem überfüllten Tisch. Elias war noch nie am Weihnachten abwesend. Scheiß Unfall. Seine ironischen Bemerkungen fehlen mir jetzt schon.
Ich schüttele den Kopf, um alle aufsteigenden Gedanken zu verdrängen. Mir wird leicht übel, doch genau das lenkt mich ab. Ich schalte mir Musik an und fahre mit dem Fotobuch fort.
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Jetzt habt ihr ein neues Kapitel doch noch am Sonntag gekriegt. Bitteschön. Heute war ein erfolgreicher Tag und ich hab sogar mehr geschafft als gedacht.
Schönen Start in die neue Woche und gute Nacht.
Once
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