3 Vatermörder
Mit der Post traf am Montagmorgen Arbeit für Sheriff Snyder und seinen Deputy ein. Ein Junge namens Joseph Harper wurde steckbrieflich wegen versuchten Mordes an seinem Vater gesucht. Neunzehn Jahre alt, weißblondes Haar, blaue Augen, schlank, von durchschnittlicher Größe, keine besonderen Kennzeichen. Burschen, auf die diese Beschreibung zutraf, gab es zuhauf. Und die Zeichnung war auch nicht eben aufschlussreich, dachte der Sheriff mürrisch.
Das bedeute für ihn eine ganze Menge lästiger Lauferei!
Drüben in der Mine gab es niemanden, auf den die Beschreibung zutraf und der erst kürzlich dort aufgetaucht wäre, auf den Farmen der Umgebung gab es keine Gelegenheitsarbeiter im passenden Alter, auch die Viehtreiber erkannten den Jungen nicht und die möglichen Unterschlüpfe in der Gegend, wie Höhlen und leerstehende Gebäude waren zurzeit offensichtlich unbewohnt.
Also blieb nur noch eine Adresse! Eine gute Gelegenheit für den Sheriff, seinen jungen Mitarbeiter mit einer der „Attraktionen" von Millers Landing bekannt zu machen.
Die Bar des Yasemins öffnete erst bei Sonnenuntergang und befand sich in einem eigenen Gebäude, welches bei Tag leer stand.
Dahinter lag das Wohnhaus, wo Kathryn sich gerade auf der Veranda von der Gartenarbeit erholte, welcher sie so gern nachging, als sie unvermutet Sheriff Snyder in Begleitung eines unbekannten jungen Mannes näher kommen sah. Das musste wohl der neue Deputy sein, vermutete sie.
Molly und Regine hatten ihn bereits zuvor im Ort gesehen und Kathryn musste der Beschreibung der Freundinnen recht geben: er war wirklich ein gutaussehender Bursche und schon allein dadurch eine große Verbesserung zu seinem eher brutal aussehenden, grobschlächtigen Vorgänger Larson. Dieser hatte ihr Haus in der Vergangenheit vor seiner Verlobung gelegentlich ohne das Wissen des Sheriffs aufgesucht, welcher sicherlich aus der Haut gefahren wäre, wenn er davon erfahren hätte. Doch ein wichtiges Arbeitsprinzip des „Yasemines" war die Diskretion.
Larson hatte damals einige Mühe darauf verwendet und angesichts seines Deputygehalts beträchtliche Summen geboten, um einmal in den Genuss der persönlichen Betreuung der Chefin zu kommen, doch Kathryn hatte ihn konsequent zurückgewiesen. Stattdessen hatte er sich dann für Molly entschieden. Scheinbar hatte er etwas übrig für rotes Haar.
„Wahrscheinlich die Haarfarbe seiner lieben alten Mutter!" hatte die spitzzüngige Shy einmal spekuliert und damit Alle in schallendes Gelächter versetzt.
Kathryn erhob sich und setzte zur Begrüßung ihrer Gäste ihr bezauberndstes Lächeln auf:
„Sheriff!" rief sie mit deutlich mehr Entzücken aus, als sie tatsächlich empfand.
„Miss Levroux" entgegnete dieser mit schlecht verhohlener Verachtung in der Stimme und wies auf den jungen Mann neben sich.
„Mein neuer Deputy, Jimmy Chester." stellte er vor:
„James!" korrigierte der junge Mann hastig, da er es aus irgendeinem Grund nicht ertragen konnte, dieser Frau als „Jimmy" vorgestellt zu werden: „James Chester!" ergänzte er, während er leicht errötend seinen Hut etwas tiefer ins Gesicht zog.
Belustigt streckte sie dem jungen Mann die Hand hin:
„Kathryn Levroux, Inhaberin des „Yasemines". Erfreut sie kennen zu lernen, Deputy, " erklärte sie und stellte im Stillen überrascht fest, dass dies tatsächlich der Wahrheit entsprach.
James ergriff die angebotene Hand, ließ sie jedoch rasch wieder los, unsicher ob sich das schickte und wie er sich verhalten sollte.
Er hatte in der Frau sofort die Fremde erkannt, welcher er neulich zu dem Grab gefolgt war. Heute trug sie Hosen. Noch nie zuvor hatte James eine Frau in Hosen gesehen. Sie sah umwerfend aus, noch mehr, nun da er sie von Nahem sah. Sie war groß, vielleicht sogar etwas größer, als er selbst. Das rote Haar war zu einem Zopf geflochten. Sie hatte ernste, große, braune Augen, die ihn aufmerksam betrachteten.
Ihr Blick ging ihm durch und durch und sein Gesicht brannte.
Glücklicherweise erklärte der Sheriff nun den Grund für ihr Kommen, so dass Kathryn Levroux ihre Aufmerksamkeit wieder Snyder zuwandte:
„Wir suchen einen jungen Mann. Ich weiß, davon sehen sie vermutlich viele und schauen den meisten wohl auch eher nicht in das Gesicht." meinte der Sheriff und quittierte seinen kleinen Scherz, den eigentlich nur er selbst komisch fand, mit einem schmutzigen kleinen Lachen.
Die Vorstellung, die dieser engstirnige, kleine Mann offenbar von ihrem ach so ausschweifendem Leben hatte, amüsierte Kathryn. Snyder wäre sicher sehr enttäuscht gewesen, wenn er wüsste, dass sie im Grunde seit Jahren das Leben einer Nonne führte. Seit Elizabeth und sie das „Yasemines" nach Walters Tod übernommen hatten, hatten sie nur noch in der Rolle von Gastgeberinnen in der Bar gearbeitet und jede Form von Körperlichkeit von da an ausschließlich füreinander vorbehalten. Für beide war dies heilsam gewesen, denn das Gewerbe, dem sie nachgingen, hatte über die Jahre von ihnen Tribut verlangt. Beide empfanden es so, dass sie dabei auch Teile von sich selbst verloren: die Unschuld, die Fähigkeit, zu vertrauen, sich einzulassen und das Gefühl für die Realität in Bezug auf Intimität und Sexualität.
Als Elizabeth dann gestorben war, hatte dieser Teil von Kathryns Leben, wie so viele andere auch, für sie dann schließlich keinen Sinn mehr ergeben. Es hatte sicherlich keinen Mangel an Angeboten gegeben, doch Kathryns Interesse war nicht mehr vorhanden.
Dies war im Übrigen jedoch nicht der Grund für die Glückslosigkeit des ehemaligen Deputys Larson: Ihn hätte sie zu jeder Zeit und in jedem Universum zurückgewiesen!
Der Sheriff fuhr fort:
„Also, falls sie oder eine ihrer... ähm... Mitarbeiterinnen...", an dieser Stelle schien es den Gesetzeshüter beinahe zu würgen: „...sich vielleicht erinnern können, wären wir dankbar für ihre Mitarbeit. Es ist wichtig! Der Bursche hat seinen Vater schwer verletzt. Gut möglich, dass der Mann sterben wird."
„Sie suchen also einen jungen Gewalttäter und da haben sie logischerweise gleich an uns gedacht? Wie reizend, Sheriff!" antwortete Kathryn sarkastisch und fuhr fort: „ Doch leider muss ich sie enttäuschen: Ich habe ihren Vatermörder nicht gesehen! Wenn sie mir den Steckbrief dalassen, werde ich aber meine... ähm... Mitarbeiterinnen genau hierzu befragen"
„Selbstverständlich würden sie mich dann sofort informieren?" entgegnete Snyder, Kathryns Sarkasmus aufnehmend.
„Selbstverständlich! Ich bin doch immer froh, wenn ich dem Gesetz dienen kann."
Wieder ein zuckersüßes Lächeln von ihr.
„Davon bin ich überzeugt. Schließlich sind sie doch eine rechtschaffene Bürgerin unserer kleinen Gemeinde, richtig? Ich wünsche noch einen angenehmen Tag." sagte der Sheriff und wandte sich zum Gehen.
Sie rief ihm hinterher:
„Den wünsche ich ihnen auch Sheriff. Und ihnen ebenso Deputy!" Der junge Mann nickte schüchtern, tippte sich zum Gruß an den Hut und schenkte Kathryn im Gehen ein kaum sichtbares Lächeln.
Kathryn blickte den beiden noch eine Weile hinterher. 'Ein seltsames Gespann!' dachte sie und bedauerte James Chester ein klein wenig.
„Wir müssen diese verdammte Hure im Auge behalten!"
Der Sheriff spuckte die Worte förmlich aus.:
„Sie und ihre Bande von Sündern würden uns doch NIEMALS die Wahrheit sagen."
James fühlte Wut in sich aufsteigen. Aus irgendeinem Grund konnte er es schwer ertragen, Snyder in dieser Weise über Kathryn Levroux sprechen zu hören, obwohl er sie doch gar nicht kannte. Etwas dagegen zu sagen, getraute er sich jedoch nicht.
Er dachte zurück an jenen Morgen und an die schöne, in diesem unbeobachteten Moment so zart und zerbrechlich wirkende, trauernde Frau in dem Sommerkleid, die ihm im gleißenden Sonnenlicht fast wie eine himmlische Erscheinung vorgekommen war. Er war verwirrt, nun da er wusste, wer und was sie war. Mit einem Schlag wurde ihm plötzlich mit einem leichten Schrecken etwas klar: Er erlebte ein Gefühl, welches ihm bislang unbekannt war: Unruhe, Aufregung, Verwirrung und so etwas wie Freude.
Am Abend dieses Tages kühlte es sich in Millers Landing endlich ein wenig ab. Der Himmel zog sich zu und sorgte so für frühzeitige Dunkelheit. Eine drückende Stille legte sich über das Land und kündigte ein Unwetter an, auch wenn sich in diesem Moment noch kein Lüftchen regte.
Tiny machte seine Runde in den beiden Häusern, um alle Sturmfensterläden zu schließen. Als er in den Pferdestall kam, hörte er plötzlich ein Geräusch von oben. Es klang wie ein Seufzen.
Er stieg die Leiter hinauf, um nachzusehen. Wahrscheinlich war es wieder ein Vagabund, der ein warmes, trockenes Plätzchen gesucht hatte, um seinen Rausch auszuschlafen und das bevorstehende Unwetter abzuwarten. So etwas war früher schon vorgekommen.
Doch oben angekommen entdeckte Tiny, versteckt hinter den Strohballen schließlich etwas, was zunächst wie ein Bündel schmutziger Kleider aussah, sich dann jedoch bewegte. Erst als er nähertrat erkannte Tiny, dass es sich hierbei um einen Jungen handelte. Seine Kleidung war verschmutzt und zerrissen. Dass flachsblonde Haar des Jungen war blutverkrustet und sein rechter Arm schien in einem seltsamen Winkel abzustehen.
„Hey, Junge! Was machst du denn hier?" wollte Tiny wissen.
Der Angesprochene hob den Kopf ein wenig, öffnete den Mund, um zu antworten, doch scheinbar fehlte ihm dazu die Kraft. Seine Augenlider flatterten und offenbar war er im Begriff, das Bewusstsein zu verlieren. Tiny war zunächst unschlüssig, was er mit dem Verletzten anstellen sollte. Schließlich entschied er sich, ihn aufzuheben und ins Wohnhaus zu tragen.
„Kathryn!" dröhnte sein donnernder Bass durchs Haus, damit diese ihn hörte.
Als seine beste Freundin schließlich eintraf und das mitleiderregende Bündel über Tinys Schulter liegend erblickte, brauchte sie erst einen kurzen Moment, um die Situation zu erfassen. Sie fragte:
„Was schleppst du uns denn da an? Los, bringen wir ihn rasch hinauf!"
Tiny trug den jungen Mann in sein eigenes Schlafzimmer und Kathryn folgte ihm. Sie zündete einige Öllampen an, um sich den Verletzten genauer anzusehen:
„Lebt er?" wollte sie von Tiny wissen.
Dieser antwortete:
„Ich würde sagen, gerade eben noch so."
Der Arm des Jungen sah gebrochen aus. Als Kathryn und Tiny, dem scheinbar Bewusstlosen die verschmutze Kleidung auszogen, stellten sie fest, dass er überdies auch am ganzen Körper übersät war von blauen Flecken, Schürf- und Schnittwunden. Es wirkte, als sei er auf brutalste Weise zusammengeschlagen worden.
„Wir müssen Dr. Miller holen." sagte Kathryn.
In diesem Moment meldete sich der Junge mit brüchiger, schwacher Stimme zu Wort:
„Kein Arzt bitte!"
„Du brauchst Hilfe Kleiner. Du bist verletzt." erklärte Tiny sanft.
„Kein Arzt!" wiederholte er krächzend, aber mit Nachdruck.
„Ich reite hinüber zu Rebecca und Felicity! Rebecca kann vielleicht etwas tun!" sagte Kathryn zu Tiny und an den Verletzten gewandt fügte sie hinzu: „Keine Sorge, Junge. Die beiden sind Freundinnen. Dir wird nichts passieren." und dann fügte sie hinzu: „Und der Sheriff wird nichts erfahren!"
Der Junge blickte sie erschrocken an, denn offenbar ahnte sie wohl, wer er war!
„Alles wird gut Kleiner! Keine Sorge!" versicherte Tiny, der sich an die Bettkante gesetzt hatte beruhigend und streichelte sehr vorsichtig die Wange des Jungen.
Offensichtlich funktionierte es, denn dieser entspannte sich und schlief bald darauf ein.
Als Kathryn das Pferd sattelte, wusste sie, dass sie sich beeilen musste. Ein leichter Wind kam auf, der rasch heftiger wurde. Es braute sich etwas zusammen und Kathryn wollte zurück sein, ehe das Unwetter losbrach.
Rebecca war überrascht, als sie die Tür öffnete und Kathryn davor erblickte. Normalerweise vermied diese es möglichst, sie und Felicity zuhause aufzusuchen; aus Rücksicht auf den guten Ruf der beiden Frauen, wie sie sagte.
Rebecca war dies Einerlei. Kathryn war eine Freundin und sie sah keine Veranlassung, dies vor den braven Einwohnern von Millers Landing zu verbergen. Ihre Nonchalance rührte nicht nur daher, dass sie in gewisser Weise privilegiert und geschützt war, durch ihre angesehene Familie und ihre Stellung; nein sie war überdies eine mutige Frau und unkonventionelle Denkerin, wofür Kathryn sie sehr schätzte.
Rebeccas Vater war Dr. Miller, der Arzt des Ortes und Sohn des Stadtbegründers und früheren Bürgermeisters, Jeremiah Miller war.
Sie und Felicity waren die Lehrerinnen von Millers Landing, was ihnen ebenfalls ein wenig Ansehen einbrachte.
Sicherlich gab es ein gewisses Getuschel über die beiden unverheirateten Frauen, die zusammenlebten; über die Natur ihrer Beziehung und auch Spekulationen darüber, warum sie bislang noch keine potentiellen Ehemänner für sich hatten interessieren können. Doch Felicity und sie hatten ihre eigene Wahrheit und die ging das klatschsüchtige Pack nichts an; ebenso wenig, wen sie ihre Freunde nannten!
Die Freundschaft zwischen Kathryn und den beiden Frauen hatte einst damit begonnen, dass diese von ihnen einen Gefallen erbeten hatte: Da die Eltern von Millers Landing es nicht erlaubten, dass ihre Sprösslinge Seite an Seite mit den Kindern von Huren beschult wurden, bat sie die Lehrerinnen, diese separat am Nachmittag zu unterrichten. Ohne ein Zögern hatten beide sofort zugestimmt und Kathryn damit sehr beeindruckt. Diese war dankbar, dass sie selbst nie schwanger geworden war und somit keine Kinder hatte, welche mit dem Schmerz leben mussten, durch das Leben und die Arbeit ihrer Mutter ebenfalls zu Ausgestoßenen zu werden.
„Es tut mir leid, dass ich euch so spät noch stören muss. begann Kathryn: „Aber wir brauchen drüben deine Hilfe, Rebecca. Wir haben einen medizinischen Notfall."
„Ich frage wohl besser nicht, warum du in dieser Sache nicht meinen Vater aufsuchst?" fragte Rebecca, die zwar über einige medizinische Grundkenntnisse verfügte, der als Frau der Arztberuf jedoch verwehrt geblieben war.
Kathryn schüttelte den Kopf:
„Nein, besser du fragst nicht!"
Rebecca suchte einiges medizinische Material zusammen, welches sie in eine Tasche packte. Dann erklärte sie Felicity, die inzwischen zu ihnen gestoßen war, die Situation:
„Ich werde das Unwetter drüben abwarten." sagte Rebecca zum Abschied und küsste Felicity auf die Stirn.
„Passt gut auf euch auf. Wir sehen uns morgen früh", entgegnete diese und drückte die Hand der Geliebten.
Als Kathryn und Rebecca das Haus verließen, fielen bereits die ersten Regentropfen und als sie drüben beim „Roten Haus" eintrafen, waren sie bereits nass bis auf die Haut. Glücklicherweise hatten die Frauen im Haus bereits überall die Feuer angemacht und es war angenehm warm.
Als sie den Verletzten in Tinys Bett erblickte, flüsterte Rebecca Kathryn zu:
„Das ist wohl der Junge, der versucht hat, seinen Vater zu erschlagen, oder. Ich habe die Steckbriefe gesehen."
„Ja, das vermute ich auch. Aber in diesem Zustand tut er sicherlich keinem etwas zuleide. Und Tiny wird ein Auge auf ihn haben. Wenn er sich erholt hat, kann er uns seine Seite der Geschichte erzählen. Dann werden wir entscheiden, was wir mit ihm machen. Kannst du uns dabei helfen, dass er so lange am Leben bleibt?"
Rebecca nickte und trat an das Bett heran und versprach:
„Ich werde mein Bestes tun."
Als sie das blutige Haar beiseiteschob, um die Kopfwunde anzuschauen, erwachte der Junge stöhnend.
„Keine Angst, Kleiner. Ich bin hier, um deine Verletzungen zu versorgen." flüsterte Rebecca beruhigend. Sie bat Tiny, der die ganze Zeit am Bett des jungen Mannes gesessen hatte um heißes Wasser und schlug die Decke zurück, um den schmalen, geschundenen Körper zu untersuchen.
Gemeinsam mit Tiny wusch sie ihn und versorgte die Wunden und als dies getan war, erstattete Rebecca Tiny und Kathryn Bericht:
„Er hat geprellte, möglicherweise gebrochene Rippen. Dagegen kann ich nichts tun. Das muss von allein heilen. Den gebrochenen Arm habe ich gerichtet und geschient. Die Schnittwunden sind oberflächlich und werden bald verheilt sein. Er ist offenbar geprügelt worden. Der Junge hat Verletzungen am Bauch, Rücken und Unterleib, die offenbar von Tritten herrühren und die hoffentlich auch von allein verheilen werden. Ich habe seinen Bauch abgetastet, doch der war weich und unauffällig, so dass ich hoffe, dass er keine inneren Blutungen hat. Doch die größten Sorgen bereitet mir die Kopfverletzung. Der Junge braucht unbedingte Ruhe." Dann fügte sie hinzu: „Ich habe übrigens auch eine ganze Reihe Narben von alten Verletzungen gesehen. Wenn ihr mich fragt, finde ich, dass der Vater des Jungen, falls er ihm das angetan hat verdient hat, was immer ihm dann geschehen ist."
Kathryn lächelte:
„Du wärst mit Sicherheit eine großartige Ärztin geworden, Rebecca." erklärte sie anerkennend.
„Es ist nett von dir, das zu sagen, doch ich wünschte eigentlich, mein Vater würde sich euren Patienten noch einmal ansehen. Aber ich denke leider, ihr habt euch richtig entschieden. Mein alter Herr würde nach der Versorgung des Jungen direkt zu Snyder gehen. Ich werde mir den Kleinen morgen früh noch einmal ansehen. Jemand sollte heute Nacht bei ihm bleiben."
Tiny nickte und versprach:
„Ich werde das übernehmen."
Rebecca und Kathryn gingen in die Küche, wo Tee und ein paar Brote bereit standen, welche Margarete für sie hergerichtet hatte. Alle Frauen des „Yasemines" saßen gespannt am Tisch und warteten auf einen Bericht über die heutigen Ereignisse und diesen gab Kathryn nun rasch ab.
Aufgrund des Unwetters war in der Bar heute nichts los und so konnten die Frauen früh zu Bett gehen. Lediglich Rebecca und Kathryn blieben noch eine Weile in der Nähe des Ofens, um ihre nassen Kleider und Haare zu trocknen, während der heulende Wind um das Haus pfiff und der Regen wie Gewehrschüsse auf das Dach eindrosch.
„Meinst du, der Junge kommt durch?" wollte Kathryn wissen:
„Ich hoffe es. Er scheint ein zäher Bursche zu sein. Mir ist rätselhaft, wie er es in seinem Zustand überhaupt bis zu euch geschafft hat. Und ich muss sagen, sein Instinkt war auch ziemlich gut. Wo sonst hätte er wohl Aufnahme gefunden, ohne sogleich festgenommen und vorverurteilt zu werden. Aber was werdet ihr mit ihm machen, wenn er sich erholt hat?"
„Das wird wohl davon abhängen, was der Junge uns erzählt" entgegnete Kathryn.
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