Kapitel Drei • Ocean

Ocean betrat das große Fachwerkhaus und schloss eilig die Tür hinter sich und Zisis, sodass die klirrende Kälte nicht  einmal den Hauch einer Chance hatte, von außen in die wohlig warme Behausung zu gelangen. Der junge Mann schlüpfte aus dem schwarzen Mantel und legte ihn auf der kleinen Kommode in der Ecke ab, auf die man gleich beim Reinkommen stieß. Eine Garderobe oder Ähnliches existierte im Moment nicht. Oceans Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. Irgendwie war jede Art von Kleiderständern, egal ob am Boden stehend oder an der Wand hängend, nach wenigen Tagen zu Bruch gegangen. Ein leises Winseln riss Ocean aus seinen Gedanken. Zisis saß zitternd direkt vor seinen Füßen und sah ihn vorwurfsvoll an. „Oh, Zisis. Tut mir leid. Ich...ich habe dich ganz vergessen. Warte, ich hole ein Handtuch und rubbel dich trocken, sonst erkältest du dich noch.“ Mit diesen Worten durchquerte Ocean den Flur und öffnete schließlich die letzte Tür am Ende des Ganges. Die himmelblauen Wände strahlten ihm förmlich entgegen. In diesem Raum hatte sie gelegen. Blass, blutverschmiert. Ocean schauderte und vertrieb rasch diesen fürchterlichen Gedanken. „Hey, jetzt schau doch nicht so traurig.“ Kurz fuhr er zusammen. Ann saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Rand der Badewanne. „Irgendwann wirst du das Bad wieder ganz normal betreten können. Die Erinnerungen werden verblassen, Ocean. Hörst du?“ „Klar.“ Ocean nickte. „Das klingt aber nicht besonders überzeugt.“, meinte seine Schwester und erhob sich von ihrer Sitzgelegenheit. Das braune Haare fiel ihr in Strähnen bis weit über die Schultern, ruhte praktisch auf der weißen Bluse mit den roten Kringeln. Ann hatte diese Bluse gehasst und dennoch trug sie diese. Auch damals in der Badewanne, umgeben von tiefrotem Wasser. „Ich bin nicht wirklich hier, Ocean.“ Ann stand jetzt genau vor ihm. „Ich...“, fing Ocean an. „Ich weiß.“ „Das ist gut.“ Seine Schwester lächelte. „Das ist gut.“ „Aber...das hier ist...so...so echt. Ich...kann dich doch sehen und hören. Ich...ich vermisse dich einfach so sehr. Ohne dich...“ Der junge Mann atmete hörbar aus und blinzelte die herauf kommenden Tränen fort. „Ohne dich ist alles so leer und ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll.“ „Hey, du schaffst das.“ Ann legte eine Hand an seine Wange und Ocean Mundwinkel begannen heftig zu zittern. „Ich bin immer bei dir.“ Seine Schwester legte ihre freie Hand auf seine Brust. „Hier drin, Ocean. Bitte vergiss das nicht.“ „Hey! Ocean!  Bist du da?“ Er wandte den Kopf. Verdammt! Das war  Adleys Stimme. „Ich...du musst jetzt gehen...“ Ocean drehte sich wieder zu seiner Schwester um, doch diese hatte sich wieder einmal in Luft aufgelöst. Hastig griff er nach einem frischen Handtuch und verließ das Badezimmer. „Da bist du ja.“ Eine junge Frau kam auf ihn zu und bei jedem Schritt wirbelten die langen roten Locken nur so um ihren Kopf. „Adley. Ja ich...ich dachte, ihr seid hier.“ „Nein. Wir waren kurz noch etwas einkaufen.“ Adley grinste. „Burn und ich...wir haben nämlich eine Überraschung für dich geplant, da morgen ja dein Geburtstag ist.“ „Adley.“ Ein junger Mann trat an ihre Seite und Oceans Herz schlug augenblicklich schneller. „Wenn du Ocean heute alles erzählst, ist es doch keine Überraschung mehr.“ „Ja, ich weiß. Sorry.“, entschuldigte sich Adley. „Aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten.“ „Um was geht es denn?“, hakte Ocean nach. „Bitte keine Party mit hunderttausend Leuten.“ „Nein, nein.“, wehrte Burn ab. „Wir wissen ja, dass du nicht so auf Partys und viele Menschen stehst. Und auch Adley und ich sind von dem Gedanken nicht gerade begeistert.“ „O...okay. Also , was ist es dann?“ „Das erfährst du ja morgen.“, lachte Adley und spielte mit einer ihrer Locken. „Ja, wenn du bis dahin nicht alles verraten hast.“, meinte Burn und beide begannen leise zu kichern. Ocean lächelte. Er war froh, die beiden zu haben, auch wenn die Beziehung zwischen ihnen oft alles andere als einfach war.

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