45 - Beerdigung

Um neun Uhr. Um neun Uhr wurde unsere Tochter auf dem Waldfriedhof beerdigt. So viele Jahre haben wir sie aufgezogen und jetzt? Jetzt ist unsere Marlen tot. Und sie wird nie mehr wieder kommen. Anfangs hatten wir noch gehofft, das sei ein böser Traum oder sie sei nur mit einer Freundin unterwegs. Aber mit der Zeit haben wir gelernt, dass das Leben einem keine Hoffnung schenkt. Es kennt keine Gnade.

Das Leben hat uns unsere Tochter genommen. Unsere einzigartige, tapfere, wunderschöne, begabte, große, offene, süße, freundliche, mutige, tapfere, schlanke, herzliche, intelligente und einzige Tochter. Es hat uns eins der wichtigsten Dinge in unserem Leben genommen.

Und jetzt müssen wir uns verabschieden. Nicht bei ihr, das können wir nicht mehr, sondern innerlich.

Der Gottesdienst war evangelisch, so wie sie. So wie sie sich entschieden hatte.

Ihr Grab war unter einer Weide, so wie sie es gewollt hätte. Im Herbst hatte sie immer Weidenkränze für ihre Cousins und Cousinen zum Spielen geflochten, im Winter hatte sie aus diesen Kränzen dann Adventskränze gemacht.

Wir hatten keine Blumenkränze auf ihr Grab gelegt, sondern jeder hatte eine unterschiedlichfarbene Rose auf ihr Grab gelegt. Und es sah wunderschön aus. Die Farbenpracht war schlicht und strahlend zugleich. Genauso wie sie es war. Vielseitig und trotzdem bescheiden.

Die Familie und Freunde trugen kein Schwarz, sondern die Gäste trugen Kleider in fröhlichen und sommerlichen Farben. Sie hatte es sich so gewünscht. Sie hatte nicht gewollt, dass wir um sie trauern. Sondern sie wollte, dass wir positiv an sie zurückdenken. Dass wir nicht in schwarzen, sondern im fröhlichen Kleidern kommen. Und diesen Wunsch haben wir ihr erfüllt.

Aber wir können dir deinen Wunsch, nicht um dich zu trauern, nicht erfüllen. Wir können das einfach nicht. Wir sind deine Eltern!
Aber wir können dir versprechen, dass wir weitermachen. Irgendwie. Für dich. Für deinen Bruder. Irgendwie schaffen wir das.

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