V I E R Z E H N
Kaelan stand im Zentrum des düsteren Saals der Schattenfeste, die Klinge in ihrer Hand leuchtete violett, während das Amulett an ihrem Hals ein goldenes, pulsierendes Licht ausstrahlte. Vor ihr erhob sich die dunkle Gestalt vom Thron, ihre Präsenz füllte den Raum mit einer überwältigenden Schwere. Der Fenryx fauchte leise und duckte sich kampfbereit neben Kaelan.
„Du glaubst, das Gleichgewicht bewahren zu können?" zischte die Gestalt, ihre rot glühenden Augen fixierten Kaelan. „Du bist nichts weiter als ein Werkzeug der Rufer, ein Relikt einer vergangenen Zeit. Ich bin die wahre Kraft, die dieses Land kontrollieren wird."
Kaelan spürte, wie die Dunkelheit im Raum dichter wurde, fast greifbar, als ob sie versuchen würde, sie zu verschlingen. Doch sie atmete tief ein, spürte die Wärme des Amuletts und die Macht der Klinge. Sie war bereit.
Ohne Vorwarnung stürzte die dunkle Gestalt vorwärts, eine riesige Welle aus Schatten und Energie raste auf Kaelan zu. Sie hob die Klinge und rief die Kraft des Amuletts an. Ein goldener Schild aus Licht formte sich vor ihr und prallte mit der Dunkelheit zusammen. Der Aufprall ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern, und Kaelan wurde ein Stück zurückgeschleudert.
„Du bist stark," sagte die Gestalt spöttisch. „Aber nicht stark genug."
Kaelan richtete sich auf, ihr Herz pochte heftig, doch sie ließ die Angst nicht überhandnehmen. Der Fenryx sprang vor, seine Klauen blitzten im Licht der Klinge. Er griff die Gestalt an, wirbelte durch die Dunkelheit und brachte sie aus dem Gleichgewicht.
Kaelan nutzte den Moment und hob die Klinge. „Jetzt!" rief sie und schleuderte einen Lichtbogen aus der Spitze der Klinge direkt auf die Gestalt. Die Dunkelheit schrie auf, als das Licht sie traf, und die Gestalt zog sich zurück.
Doch anstatt geschwächt zu sein, schien die Gestalt noch größer und mächtiger zu werden. Sie veränderte ihre Form, wurde zu einer riesigen Kreatur aus Schatten und Rauch, ihre Konturen flossen wie schwarze Flammen. Zwei riesige Hörner wuchsen aus ihrem Kopf, und ihre Augen leuchteten jetzt intensiver als je zuvor.
„Du wirst scheitern, Ruferin," dröhnte die Kreatur, ihre Stimme war wie ein Donner. „Ich bin das wahre Gesicht der Dunkelheit."
Kaelan spürte, wie die Energie des Amuletts an ihrer Kraft zehrte, doch sie wusste, dass sie keine Wahl hatte. Sie musste weitermachen. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und spürte, wie die Macht des Weltenbaums in ihr aufstieg. Das Gleichgewicht, das sie in den Prüfungen des Flüsterhains und des Weltenbaums verstanden hatte, war jetzt ihre Stärke.
„Du magst die Dunkelheit sein," sagte Kaelan mit fester Stimme, während sie die Klinge vor sich hielt, „aber ich bin beides – Licht und Schatten. Und zusammen werden wir dich besiegen."
Das Amulett begann heller zu leuchten, seine goldene Energie verschmolz mit dem violetten Licht der Klinge. Kaelan spürte, wie die Kräfte in ihr eins wurden, eine perfekte Harmonie aus Licht und Dunkelheit. Der Raum um sie herum erstrahlte in einer intensiven, gold-violetten Aura, die die Schatten zurückdrängte.
Die Kreatur brüllte und griff erneut an, doch Kaelan war bereit. Sie schwang die Klinge in einem weiten Bogen, und ein Strahl aus vereinter Energie raste auf die Kreatur zu. Der Angriff traf sie mit voller Wucht, und die Dunkelheit begann sich aufzulösen.
„Das ist unmöglich!" schrie die Kreatur, während sie von der Energie des Gleichgewichts verschlungen wurde. „Ich bin die wahre Macht!"
Kaelan trat vor, die Klinge fest in ihrer Hand, und sagte: „Du bist nur ein Teil des Ganzen. Und das Gleichgewicht wird immer bestehen."
Mit einem letzten Stoß ließ Kaelan die volle Kraft des Amuletts und der Klinge frei. Die Dunkelheit schrie ein letztes Mal auf, bevor sie sich vollständig auflöste, und die Schattenfeste begann, sich zu verändern. Die schweren, bedrohlichen Wände wurden durch weiches, goldenes Licht erhellt, und die finsteren Runen verblassten.
Kaelan sank auf die Knie, erschöpft, doch erfüllt von einer tiefen Ruhe. Der Fenryx trat an ihre Seite, seine violetten Augen funkelten, als ob er stolz auf sie war. Das Amulett um Kaelans Hals pulsierte ein letztes Mal und kehrte dann in seinen ruhigen, goldenen Zustand zurück.
„Es ist vorbei," flüsterte Kaelan, während sie sich aufrichtete. „Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt."
Doch sie wusste, dass dies nicht das Ende war. Das Gleichgewicht war ein empfindliches Gefüge, und es würde immer Kräfte geben, die es bedrohten. Doch jetzt war sie bereit. Sie war die Ruferin des Sturms, und sie würde diese Welt schützen, so wie es ihre Bestimmung war.
Als Kaelan und der Fenryx die Schattenfeste verließen, war die Welt um sie herum verwandelt. Der Himmel war klar, und ein sanfter Wind trug den Duft von frisch blühenden Blumen. Die Bäume am Horizont schimmerten in lebendigen Farben, und die Vögel sangen eine Melodie, die Kaelan Hoffnung gab.
Sie hielt die Klinge in ihrer Hand und blickte auf das Amulett. Es würde noch viele Herausforderungen geben, doch sie war bereit, sie anzunehmen.
„Komm," sagte sie zu dem Fenryx, der nun wie ein ständiger Begleiter an ihrer Seite wirkte. „Wir haben noch viel zu tun."
Mit einem letzten Blick zurück auf die Schattenfeste wandte sich Kaelan nach vorne und begann ihren Weg in die neue, ausgeglichene Welt.
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