N E U N
Der Fenryx trottete still an Kaelans Seite, während sie den Weg zurück aus der Burg antrat. Die Nacht war still, doch die Luft schien schwerer, fast wie eine unsichtbare Last, die über dem Land lag. Kaelan hielt die schwarze Klinge fest in ihrer Hand. Sie spürte, dass sie mehr als nur eine Waffe war – sie pulsierte leicht, ähnlich wie das Amulett, und schien mit ihr verbunden zu sein.
„Was bist du?" flüsterte Kaelan leise, während ihr Blick auf den violetten Adern verweilte, die durch die Klinge pulsierten. Doch die Waffe blieb stumm.
Der Fenryx gab ein leises Fiepen von sich und stupste sie mit der Nase an, als wollte er sie daran erinnern, dass sie vorankommen mussten. Kaelan nickte und setzte ihren Weg fort. Der Pfad, der zuvor steil und steinig gewesen war, wirkte nun seltsam glatt, als ob die Burg ihr den Weg erleichtern wollte – oder sie schnell loswerden wollte.
Kaelan hatte kaum den Fuß des Berges erreicht, als ein merkwürdiger Laut die Stille durchbrach. Es war kein Flüstern wie zuvor, sondern ein tiefes, langgezogenes Heulen, das von allen Seiten zu kommen schien. Der Fenryx hielt inne, sein Fell sträubte sich, und seine violetten Augen suchten die Dunkelheit ab.
„Was ist das jetzt wieder?" murmelte Kaelan, ihre Finger umklammerten die Klinge. Das Amulett an ihrem Hals begann sanft zu pulsieren, warnend, doch sie spürte auch, dass es sie antrieb, voranzugehen.
Das Heulen wurde lauter, und plötzlich brach eine Gestalt aus dem Dickicht hervor. Es war ein Wolf, doch anders als jeder, den Kaelan je gesehen hatte. Seine Augen leuchteten wie die eines Schattens, doch sein Fell war von einem silbernen Schimmer durchzogen, der sich im Mondlicht bewegte.
Der Fenryx sprang vor Kaelan und fletschte die Zähne, doch der Wolf blieb stehen, musterte sie und ließ ein weiteres Heulen erklingen, das die Luft zu erzittern schien.
„Ich glaube nicht, dass er uns angreifen will," sagte Kaelan und trat vorsichtig vor. Sie spürte, dass das Amulett eine Verbindung zu der Kreatur hatte, ähnlich wie beim Fenryx. Der Wolf schien auf etwas zu warten.
„Willst du, dass wir dir folgen?" fragte sie vorsichtig.
Der Wolf warf ihr einen langen Blick zu, drehte sich dann um und trottete zurück ins Dickicht. Der Fenryx fauchte leise, folgte dem Wolf aber schließlich. Kaelan zögerte einen Moment, bevor sie tief durchatmete und ihnen in den Wald folgte.
Der Weg, den der Wolf einschlug, führte sie tiefer in den Wald, wo die Bäume höher und ihre Äste dichter wurden. Das Licht des Mondes drang kaum noch durch das dichte Blätterdach, doch die Klinge in Kaelans Hand begann sanft zu leuchten, als ob sie den Weg beleuchten wollte.
Nach einer Weile erreichten sie eine Lichtung. In der Mitte stand ein alter Baum, noch größer und mächtiger als der, den Kaelan zuvor gesehen hatte. Seine Wurzeln wuchsen wie Tentakel über den Boden, und in seinem Stamm war eine Höhle eingelassen, aus der ein schwaches, goldenes Licht schimmerte.
Der Wolf setzte sich vor den Baum und blickte Kaelan an, als ob er sie aufforderte, näherzutreten.
„Das muss ein heiliger Ort sein," flüsterte sie und trat zögernd vor. Das Amulett begann heller zu leuchten, und Kaelan spürte, wie eine seltsame Wärme sie durchströmte. Der Fenryx blieb dicht an ihrer Seite, doch er wirkte ruhig, fast ehrfürchtig.
Als Kaelan die Höhle im Baum betrat, erhellte sich der Raum. Die Wände waren mit alten Runen bedeckt, die im Licht des Amuletts zu pulsieren begannen. In der Mitte des Raumes stand ein steinerner Altar, und darauf lag ein weiteres Relikt – ein kleiner, goldener Anhänger in der Form eines Blattes, das in grünem Licht erstrahlte.
Kaelan trat näher und streckte die Hand aus. Das Amulett um ihren Hals begann intensiver zu pulsieren, und die Klinge in ihrer Hand vibrierte leicht. Als ihre Finger den Anhänger berührten, durchzog ein Schauer aus Licht und Energie ihren Körper. Bilder fluteten ihren Geist: Sie sah die Rufer, wie sie die Relikte erschufen, die sie jetzt sammelte, um das Gleichgewicht zu bewahren. Sie sah die Dunkelheit, die sich ausbreitete, und einen letzten, verzweifelten Kampf, der alles verändern sollte.
Kaelan sank auf die Knie, keuchend, als die Vision endete. Der Fenryx stupste sie sanft mit der Nase an, und sie richtete sich langsam wieder auf.
„Das ist der Schlüssel," murmelte sie und hielt den Anhänger hoch. „Die Rufer haben diese Relikte hinterlassen, um ihre Kräfte zu bewahren. Sie haben gewusst, dass jemand sie brauchen würde."
Plötzlich ertönte ein Knurren aus der Dunkelheit außerhalb der Höhle. Kaelan wirbelte herum und sah mehrere Augenpaare im Schatten funkeln. Die Kreaturen, die sie zuvor in der Burg bekämpft hatte – die Schattenwächter – waren zurück.
Kaelan hob die Klinge, und der Anhänger in ihrer Hand begann zu leuchten. Die Schattenwächter stürmten vor, doch der Fenryx war schneller. Mit einem gewaltigen Sprung warf er sich auf die erste Kreatur und brachte sie zu Fall. Kaelan schwang die Klinge, und ein violetter Lichtbogen durchzog die Luft, traf eine der Kreaturen und ließ sie in schwarzem Rauch aufgehen.
Die Schattenwächter waren zahlreich, doch Kaelan spürte, wie ihre Kräfte mit jedem Schlag wuchsen. Der Anhänger verstärkte die Energie des Amuletts, und die Klinge wurde zu einer Verlängerung ihrer eigenen Kraft. Der Fenryx kämpfte an ihrer Seite, geschickt und furchtlos.
Nach einem heftigen Gefecht lösten sich die letzten Schattenwächter auf, und die Stille kehrte zurück. Kaelan ließ die Klinge sinken und stützte sich schwer atmend auf sie.
„Das war knapp," sagte sie und sah zu dem Fenryx, der sie wachsam betrachtete. Der Wolf, der sie zur Lichtung geführt hatte, trat vor und senkte leicht den Kopf, als ob er sie ehrte.
Kaelan blickte auf den Anhänger in ihrer Hand und spürte eine Mischung aus Entschlossenheit und Furcht. Sie wusste, dass die dunklen Mächte noch lange nicht besiegt waren, doch sie hatte etwas Entscheidendes gewonnen: ein weiteres Relikt, das sie ihrem Ziel näher brachte.
„Komm," sagte sie zum Fenryx und wandte sich zum Ausgang der Lichtung. „Wir haben noch viel vor uns."
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