D R E I
Kaelan spürte das Flackern des Feuers, das die Wände der kleinen Hütte in ein warmes, aber geheimnisvolles Licht tauchte. Der Raum war überraschend schlicht, doch überall lagen kleine Gegenstände, die ihre Neugier weckten: ein Metallkäfig mit seltsamen, glühenden Insekten, eine Landkarte, die auf einem Lederfetzen gezeichnet war, und ein Regal voller Bücher, deren Seiten so vergilbt waren, dass sie fast zerfielen.
Eron setzte sich ihr gegenüber und musterte sie mit einem nachdenklichen Blick. „Du hast viele Fragen, das kann ich sehen," sagte er schließlich. „Aber manche Dinge kannst du nur verstehen, wenn du bereit bist, sie selbst zu erleben."
Kaelan wusste nicht, ob sie das beruhigen oder beunruhigen sollte. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, griff Eron nach einem großen, dickwandigen Krug und goß eine leuchtend grüne Flüssigkeit in zwei Becher. „Trink," sagte er und schob ihr einen Becher hin. „Es wird dir helfen, zu entspannen."
Sie betrachtete die Flüssigkeit skeptisch, aber der Durst war stärker, also hob sie den Becher und nahm einen Schluck. Der Geschmack war süß und herb zugleich, und sie spürte eine angenehme Wärme, die langsam in ihrem Körper aufstieg.
„Was genau ist dieses Amulett?" fragte sie schließlich und sah ihn fordernd an. „Du hast gesagt, es hat eine Bedeutung. Welche?"
Eron lehnte sich zurück und sah sie einen Moment lang prüfend an. „Das Amulett ist ein Relikt aus den alten Zeiten," erklärte er langsam. „Es wurde nicht für gewöhnliche Menschen gemacht, sondern für jene, die das Erbe des alten Königshauses in sich tragen."
Kaelan runzelte die Stirn. „Das alte Königshaus? Es gibt hier Könige?"
Eron nickte. „Gab es einst, ja. Vor langer Zeit regierte ein König, der über Fähigkeiten verfügte, von denen die heutigen Herrscher nicht mal zu träumen wagen. Dein Amulett gehörte einst ihm oder einem seiner Nachkommen. Es ist ein Schlüssel, Kaelan, ein Schlüssel zu einer alten Macht."
Kaelan spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. „Und warum ... warum habe ich es dann?" Sie strich über das Amulett, das an einer einfachen Lederschnur um ihren Hals hing. Die kühle Oberfläche schien plötzlich zu kribbeln, als würde es auf ihre Berührung reagieren.
„Das ist eine Frage, die du beantworten musst, indem du lernst, was es bedeutet, diese Macht zu tragen," antwortete Eron. „Hier." Er griff hinter sich in ein Regal und zog ein altes Pergament hervor, das er vor ihr auf dem Tisch ausbreitete.
Die Karte zeigte einen Teil des Landes, den Kaelan nicht kannte. Die Linien und Markierungen wirkten kompliziert und unübersichtlich, und in der Mitte war ein großes Symbol eingekreist – das gleiche Symbol, das auf ihrem Amulett eingraviert war. „Das ist der Weg zur verfallenen Festung von Nardûn," erklärte Eron. „Es heißt, dass dort die Geheimnisse des alten Königshauses verborgen sind. Aber der Weg dorthin ist gefährlich, Kaelan, und nicht viele wagen sich dorthin."
„Und warum sollte ich dort hingehen?" fragte sie, unsicher, ob sie wirklich eine Antwort wollte.
„Weil es das Amulett verlangt. Es wird dich dorthin führen," sagte Eron. „Das Amulett hat eine Art ... Bewusstsein, eine Verbindung zu dem, was verloren ist."
Plötzlich erklang draußen ein raschelndes Geräusch, gefolgt von einem leisen Knurren. Kaelan erstarrte und sah zur Tür, doch Eron erhob sich ruhig und ging zum Fenster. Er hob den Vorhang ein Stück an und spähte hinaus.
„Bleib ruhig," flüsterte er. „Es sind nur Schattensucher. Sie spüren die Magie des Amuletts, aber sie sind harmlos, solange wir ihnen keinen Grund geben, uns anzugreifen."
Kaelan schlich sich vorsichtig zum Fenster und spähte hinaus. Im dämmrigen Licht der untergehenden Sonne konnte sie die Wesen erkennen: langgestreckte Körper, von einem dichten, pechschwarzen Fell bedeckt, das fast in die Dunkelheit überging. Ihre Augen waren ein grelles Gelb und funkelten hungrig. Die Schattensucher hatten spitze, stachlige Ohren, die auf jede Bewegung im Wald reagierten.
„Sie sind auf der Suche nach magischen Objekten," erklärte Eron und ließ den Vorhang wieder sinken. „Deshalb sind wir auch hierhergekommen, in die Hütte. Hier sind wir vor ihnen sicher."
„Wie viele gibt es von ihnen?" fragte Kaelan leise und spürte, wie ihre Hand unbewusst nach dem Amulett an ihrem Hals griff. Die Kälte des Metalls half ihr, die Furcht zu vertreiben.
„Genug, um jemanden wie uns in Schwierigkeiten zu bringen," antwortete Eron knapp. „Aber keine Sorge, sie werden bald weiterziehen."
Kaelan schluckte und wandte sich von der Tür ab. „Also ... wann brechen wir auf?"
Eron sah sie ernst an. „Morgen bei Sonnenaufgang. Du musst ausgeruht sein. Die Reise zur Festung ist lang und voller Gefahren. Ich hoffe, du bist bereit, Kaelan."
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