A C H T

Kaelan stand im Zentrum des großen Saals, die Augen fest auf die dunkle Gestalt vor ihr gerichtet. Der Fenryx fauchte leise und duckte sich in eine lauernde Haltung, bereit, bei der kleinsten Bewegung anzugreifen. Die kalte Stimme der Gestalt hallte in ihren Ohren nach, und das Amulett an ihrem Hals pulsierte heftig – ein unmissverständliches Zeichen, dass der Moment der Entscheidung gekommen war.

„Du bist mutiger, als ich erwartet hatte," sagte die Gestalt, während sie näher schwebte. Ihr Körper war von schwarzen Nebelschwaden umhüllt, und nur ihre brennend roten Augen waren klar zu erkennen. „Aber Mut allein wird nicht reichen."

Kaelan umklammerte das Amulett und spürte, wie eine warme, beruhigende Energie durch sie floss. „Ich bin hier, um das Gleichgewicht zu bewahren," sagte sie mit einer Festigkeit, die sie selbst überraschte. „Und niemand wird mich davon abhalten."

Die Gestalt lachte, ein kaltes, klirrendes Geräusch. „Das Gleichgewicht ist bereits verloren. Es wird Zeit, dass du erkennst, wie machtlos du bist."

Mit diesen Worten hob die Gestalt eine Hand, und die Luft im Raum schien sich plötzlich zu verdichten. Kaelan spürte, wie etwas Unsichtbares sie nach hinten drückte, doch sie hielt stand. Der Fenryx sprang vor und stieß einen schrillen Laut aus, der die Spannung kurz durchbrach. Die Gestalt wich zurück, als ob der Fenryx sie mit seinem Ruf getroffen hätte.

„Jetzt, Kaelan!" rief Eron plötzlich in ihrem Kopf, seine Stimme klar und bestimmend. Sie spürte seine Präsenz, auch wenn er nicht physisch anwesend war. „Nutze die Kraft des Amuletts. Lass es dich führen."

Kaelan konzentrierte sich, atmete tief ein und schloss die Augen. Sie fühlte, wie das Amulett heller zu pulsieren begann, und als sie die Augen öffnete, sah sie, wie ein sanftes Licht sich um sie und den Fenryx legte. Die dunkle Gestalt zischte und zog sich weiter zurück, doch sie blieb nicht untätig. Mit einer schnellen Bewegung schleuderte sie einen Schattenpfeil direkt auf Kaelan.

Instinktiv hob Kaelan eine Hand, und ein Schild aus Licht erschien vor ihr. Der Pfeil prallte ab und löste sich in Rauch auf. Kaelan keuchte – sie wusste nicht, wie sie das getan hatte, aber es war geschehen. Das Amulett leitete sie.

Die Gestalt knurrte und sprang auf sie zu, ihre Nebelarme ausgestreckt wie Klauen. Der Fenryx reagierte blitzschnell, sprang in die Luft und schnappte mit seinen scharfen Zähnen nach der dunklen Kreatur. Obwohl der Fenryx kleiner war, wirkte sein Angriff effektiv. Die Gestalt wich zurück, und das Amulett in Kaelans Hand begann stärker zu leuchten.

„Du musst den Schlag führen!" rief Eron erneut in ihrem Geist. „Nur du kannst sie bannen!"

Kaelan hob das Amulett und stellte sich direkt vor das Podest mit der schwarzen Klinge. Sie fühlte, dass sie etwas erreichen musste, doch die Worte kamen von allein, als hätte sie sie schon immer gekannt.

„Im Namen der alten Rufer befehle ich dir, weiche zurück in die Dunkelheit, aus der du kamst!" Ihre Stimme hallte durch den Saal, und das Amulett strahlte ein blendendes Licht aus, das die Schatten des Raumes verschlang.

Die dunkle Gestalt kreischte, ihr Körper begann sich zu verflüchtigen, als ob das Licht sie in Stücke riss. „Das wirst du bereuen, Ruferin," zischte sie, bevor sie endgültig verschwand.

Die Stille, die folgte, war fast greifbar. Kaelan ließ das Amulett sinken und fiel auf die Knie, erschöpft von der Energie, die sie aufgewendet hatte. Der Fenryx kam zu ihr, seine warmen Augen beruhigend und voller Stolz. Er stupste sie sanft mit der Nase an und stieß ein beruhigendes Geräusch aus.

Kaelan richtete sich mühsam auf und wandte sich dem Podest zu. Die schwarze Klinge schimmerte immer noch in ihrem violetten Licht, doch jetzt wirkte sie weniger bedrohlich. Kaelan streckte die Hand aus, und als sie die Klinge berührte, durchzog ein warmes Kribbeln ihre Finger. Sie hob die Klinge an, und das Licht des Amuletts verschmolz mit den violetten Adern, als ob die beiden Objekte zusammengehörten.

„Es ist vollbracht," flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu dem Fenryx.

Doch sie wusste, dass dies nur der Anfang war. Die dunkle Gestalt hatte deutlich gemacht, dass größere Gefahren auf sie warteten. Kaelan sah zu dem Fenryx, der nun an ihrer Seite saß und aufmerksam den Saal beobachtete. „Wir haben es geschafft," sagte sie leise und strich ihm sanft über das Fell. „Aber wir sind noch nicht am Ende."

Der Fenryx wedelte leicht mit dem Schwanz, und Kaelan spürte, dass er ihre Entschlossenheit teilte. Mit der schwarzen Klinge in der Hand und dem Fenryx an ihrer Seite wandte sie sich dem Ausgang der Burg zu. Die Zeit drängte – die Dunkelheit war noch nicht besiegt.

Als sie die große Halle verließ und zurück in die kühle Nacht trat, blickte sie hinauf zu den Sternen, die trotz der Dunkelheit über ihr funkelten. Ein neuer Weg lag vor ihr, und obwohl sie Angst hatte, wusste sie, dass sie nicht allein war.

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