Kapitel 2: Die bedeutsame Entdeckung des Obadia (Teil 3)
Und also nahm der Junge Obadia dies Buch an sich und ging hin zu dem Vorraum des Tempels, in welchem immer noch das Sonnenlicht von oben herein schien, auf dass er dort konnte ungestört lesen und er nicht alle Weile würde dies Licht an seiner Hand aufrechterhalten müssen.
Und Obadia las und las ohne Unterlass Seite für Seite der Schriftensammlung und er geriet voller Staunen um all die Dinge, welche er nun erfuhr, und die Rune des Allwissenden aber tat ihr Übriges, so dass alles, was er las, auch sofort wurde verankert in seinem Kopfe und er es fortan in fester Weise behielt.
Und so geschah es, dass der junge Obadia bald um all die Dinge wusste, die an diesem Orte geschehen waren, und wusste also von Vereinigung der Erzrunen als auch von Odalon und Ledalia und wusste weiterhin also auch um das Runenkind der Götter, welches war an diesem Orte aufgezogen worden.
In gleichem Maße aber ward ihm nun zugänglich all das Wissen um die Runen, welches ja den größten Platz in dem Buche einnahm, und es waren aber alle Runen aufgezeichnet worden, seien es die einfachen oder die höheren Runen, und also wusste Obadia bald um die vielen Dinge, welche man mit den Runen Wirklichkeit werden lassen konnte, und wusste also auch um das Verhältnis zwischen den Runen und den Menschen.
Und er erfuhr, dass die Runenpriester hatten alle einfachen Runen in einem hinteren Raum in Steinen aufbewahrt, und als Obadia davon las, ging er hin in einen weiteren großen Raum hinter der Mittelhalle und kam also in einen Raum mit vielen Steinen, und in einen jeden von diesen war wahrhaftig eine andere Rune hinein gebannt worden.
Und als es aber Abend wurde und die Sonnenstrahlen begannen zu schwinden, ging Obadia nochmals hin in jenen Raum, zu ziehen an sich die Feuerrune, denn er wusste nun, dass er damit sich konnte ein Feuer anzünden. Und er fand also sofort den richtigen Stein ohne Schwierigkeit, denn auf den Steinen waren ja die Runenzeichen vorhanden und Obadia aber kannte nun jedes Zeichen jeder Rune, wie es in der Schriftsammlung geschrieben stand.
Und also zog er an sich die Rune des Feuers und es gelang ihm ohne Mühen, obgleich er schon Träger war der höheren Rune des Allwissenden. Dies aber war seiner hohen magischen Kraft geschuldet.
Und er ging zurück in dem Vorraum, in welchem er die Fackeln hatte gesehen, und nahm eine von diesen in die Hand und gedachte des Zaubers ‚feuriger Funke', welches ist der erste Zauber der Feuerrune, und es geschah wahrhaftig, dass ein Feuerfunke austrat aus dem Finger des Obadia, und die Fackel wurde brennend.
Und obgleich nun der Abend hereingebrochen war, blieb Obadia weiterhin an jener Stätte, auf dass er das Buch der Runenpriester könnte zu Ende lesen, denn seine Neugier ward groß wie nie zuvor. Und also blieb er den ganzen Abend und die ganze Nacht an der Stätte und kletterte nur einmal in all der Zeit nach oben, zu holen seinen Essensvorrat vom Rücken des Esels, dessen Seil er mit einem der Steine hatte eingeklemmt, so dass dieser nicht weglaufen konnte in all der Zeit.
Und Obadia las und las die ganze Nacht hindurch und bis in den nächsten Morgen hinein ohne Unterlass, und als am Morgen die Sonne schon stand eine Stunde am Himmel, da hatte er die gesamte Schriftsammlung ausgelesen und wusste also nun um alle Dinge mit den Runen.
Es war aber auch in dem Buche etwas niedergeschrieben worden über die Rune des Allwissenden von ihrem Träger Odalon und also wusste Obadia auch, dass er nun Träger dieser Rune war geworden und dass dies der Grund war, dass er nun dieses alles mit einem Male lesen und verstehen konnte.
Und also wusste er auch nun darum, dass er alle Dinge konnte wissen und erfahren, wenn er allein seine Gedanken konnte darauf bündeln, und er würde dann nicht nur seine Weisheit mehren können, sondern er würde auch Dinge sehen, welche in der Vergangenheit schon geschehen waren oder welche in der Zukunft erst würden geschehen, denn Solches alles kann die Rune des Allwissenden Wirklichkeit werden lassen.
Und als er am Morgen alles gelesen hatte, wollte er mit Hilfe seiner Rune erfahren, warum denn unter dem Volke niemand wusste von den Runen, und er bündelte sein Denken auf diese Frage, und es geschah wahrhaftig, dass die Rune des Allwissenden ihm mit einem Male die Erkenntnis von dem Verbot der Runen gab. Und also wusste Obadia nun, dass im Lande Ägypten die Runen wurden geheim gehalten von der Obrigkeit, und er erkannte die Besonderheit jener Stätte und warum die Runenpriester hatten diese so plötzlich verlassen müssen.
Und er wollte noch mehr mit der Rune des Allwissenden erfahren über die Geschehnisse in diesen Räumen und also ging er als Zweites hin zu der Mittelhalle des Tempels und berührte den großen Steintisch, auf dass die Rune des Allwissenden ihm sollte zeigen, was dereinst an diesem Tische wurde beredet.
Und es geschah wahrhaftig, dass Obadia mit einem Male ein Bildnis sah von der Vereinigung der Erzrunen und gleich darauf aber sah er nur noch ein grelles Licht, welches war so mächtig, dass er glaubte, er blickte ins Angesicht der Sonne, und also schmerzten ihm seine Augen sehr stark und er schrie lauthals und nahm schnell die Hand wiederum von dem Tische. Denn obgleich seiner hohen magischen Kraft konnte Obadia die Rune noch nicht in vollem Umfang gebrauchen und beherrschen gleich einem mächtigen Runenmeister, so dass er immer nur bestimmte Bilder konnte für kurze Zeit sehen, und also unterließ er daraufhin weitere Unternehmungen mit seiner Rune.
Gleichermaßen war Obadia mit einem Male aber auch wiederum erschöpft, denn es machte sich nun auch bemerkbar, dass er ward wachend gewesen die ganze Nacht, und also ging er abermals hin, sich niederzulegen in der Stätte, zu schlafen eine weiteres Mal, und er schlief bis zur Mittagsstund ohne Unterlass.
Als er aber erwacht war, beschloss er, vorerst wieder heimzukehren zu der Stadt Memphis, denn er war nun anderthalb Tage fort gewesen, so dass seine Mutter also schon um Sorge um ihn sein musste. Und also machte Obadia sich wiederum auf, zu verlassen den verfallenen Tempel der Runenpriester.
Da er aber nun um das Verbotene dieser Stätte wusste, wollte er jenen Ort wieder im Wüstensand verbergen, auf dass kein anderer außer ihm wissen sollte von dem Tempel unter der Erde, so dass die dortigen Runen würden weiter im Verborgenen bleiben. Und also ging er nochmals in den Raum mit den Runen und legte ab die Feuerrune von seiner rechten Hand und zog an sich die Windrune an ihrer statt.
Als Nächstes eilte er dann nach draußen und wendete an den Schwebezauber der Windrune und ließ damit all die Steine wieder an ihrem Platze zurückschweben, so dass das entstandene Loch wiederum verschlossen wurde, und er hatte keine Mühe alle Steine derart zu bewegen, seien es die Steine, die er selbst fortgeschafft hatte, oder diejenigen, die nach unten weggebrochen waren.
Als aber alle Steine zu seiner Zufriedenheit waren abgelegt, da wandte er den dritten Zauber der Windrune an, von welchem er wusste, dass die Runenpriester diesen benannt hatten als ‚Gegenwind', und er hob beide seiner Hände vor sich und streckte die Arme nach vorn und es geschah wahrhaftig, dass ein mächtiger Windwirbel entstand, und all der Sand, der vor Obadia lag, wurde von ihm weggestoßen und legte sich wie eine große wollene Bettdecke über die Stelle mit den Steinen und also ward hernach nichts mehr zu sehen von den Steinen, noch dass man erkennen konnte, dass jemand war an dieser Stelle unter die Erde geklettert.
Obadia aber war zufrieden mit seinem Werke und machte sich endlich heimwärts. Es war aber dazu gekommen, dass sein Esel war ausgerissen und weggelaufen während des verursachten Windsturmes, und also musste Obadia nun den ganzen Weg zu Fuß zurückkehren, so dass er erst einige Stunden nach Mittag wieder einkehrte in Memphis, und er war sehr erschöpft und hatte großen Hunger und Durst.
In der Stadt aber hatte unter dem einfachen Volke bereits eine große Suche nach dem Jungen angefangen, denn seine Mutter hatte schon frühzeitig um sein Verschwinden gemerkt und hatte daher alle Leute nach ihm befragt und diese baten ihr sogleich an, dass sie gleichermaßen nach ihm wollten suchen und fragen.
Und so geschah es, dass Obadia sogleich nach dem Eintreffen in der Stadt aufgefunden wurde von einigen der Marktleute, und diese sahen um seinen schlimmen Zustand und brachten ihn eilends zu seiner Mutter. Und die Mutter aber empfand ungeheure Erleichterung über das Auffinden ihres Sohnes und umarmte diesen ganz fest und war überglücklich.
Als sie sich aber einigermaßen wieder beruhigt hatte, fragte sie den Jungen, wo er denn nur gewesen war und warum er nicht war zur Nacht nach Hause gekommen. Obadia aber antwortete und sprach: „Ich war ausgezogen zu den großen Pyramiden, denn ich wollte diese besonderen Bauten mit eigenen Augen einmal sehen! Es kam aber dazu, dass ich mich verlief zwischen all den vielen Steinen, und so war ich gezwungen, dort über Nacht zu bleiben."
Die Mutter aber wunderte sich ob seiner klugen Antwort, denn nie zuvor hatte ihr Sohn in solcher Weise mit ihr gesprochen und im selben Augenblicke bemerkte sie nun auch einen besonderen Ausdruck in den Augen Obadias, der sie erschrecken ließ, denn ihr Junge wirkte in seinen Augen nun um Jahre gealtert, so dass sie ihn fast nicht richtig wiedererkannte.
Es überwog aber ihre Freude ob der Rückkehr ihres Jungen und also verdrängte sie solcherlei Gedanken und nahm Obadia eilends mit nach Hause, ihn zu waschen und Essen zu geben, und vergaß aber auch nicht, ihn zu rügen, dass er war einfach so fortgelaufen.
Und Obadia verlor auch kein weiteres Wort über all jene Dinge, die er entdeckt hatte, denn er wusste um die Gefahr, in die er sich und seine Mutter damit bringen konnte. Dies war aber der Grund, dass er seine Hände fortan allezeit mit Stofftücher umwickelte, auf dass kein Mensch konnte die Runenzeichen der Windrune und der Rune des Allwissenden erkennen, welche nun deutlich zu sehen waren auf seinen Handflächen.
Und er ging hin, die Windrune in einen Stein abzulegen, denn jene Rune konnte ihn schnell verraten, sollte es einmal dazu kommen, dass sich die Rune seiner Kräfte im Schlaf oder bei Müdigkeit bedient. Und also kam es dazu, dass Obadia sie heimlich in einen größeren Stein verbannte, und es gelang ihm - wenn auch mit Mühe - und den Stein aber versteckte er hernach bei sich unter dem Bette, wo niemand einen solchen vermuten würde.
Die Rune des Allwissenden aber würde ihn nicht verraten, das konnte Obadia deutlich spüren, fühlte er doch die innige Verbundenheit, welche die Rune ihm gegenüber ausstrahlte.
Und so lebte Obadia in gleicher Weise wie zuvor in der Stadt Memphis die nächste Zeit und die Rune des Allwissenden in ihm wurde aber von niemandem bemerkt, wussten die Menschen ja auch nicht, wie sich eine Rune anfühlt. Einzig Obadias Mutter spürte eine Veränderung an ihrem Jungen und sie beobachtete Obadia fortan bei allen Dingen, die er tat, und fragte ihn oft, was ihm widerfahren sei bei den Pyramiden, doch es war keinerlei Antwort aus dem Munde ihres Jungen zu bekommen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top