3 | Entführt!
Als Leonie alleine war, zog sie sich in die Höhle zurück. Der Tag war kurz und vielleicht konnte sie sich ja noch ein bisschen ausruhen.
Das Rascheln der Blätter, wenn der Wind durch den Wald fegte klang vertraut in ihren Ohren. Das Mondlicht fiel durch den Höhleneingang und die Blätter tanzten im Schein des Mondes.
In ihrer Schlafhöhle wollte sie sich es gerade bequem machen, als ein Schatten sie ablenkte. Ein Schatten durchbrach das Licht, welches zum Höhleneingang reinfiel. Irgendjemand musste in diesem stehen.
"Mama, Papa, ihr seid wieder da!" rief Leonie und sauste in die Haupthöhle.
Doch durch den Höhleneingang blickte nur ein fremde, furchterregende Eule.
"Wer... wer bist du?" Leonie zitterte am ganzen Körper. "Und wo ist Mama und Pa-"
"Hältst du deinen Schnabel, du Federvieh!" Langsam kam der Fremde in die Höhle und sah sich erstmal um. Dann ging er schnurgerade auf Leonie zu. "Na, wer bist denn du, Süße?" Ein hämisches Lachen hutschte über sein Gesicht.
"Ich... ich..."
"Ja, du, du"
Leonie gab Niran einen Tritt gegen seine rechte Kralle.
"Ha! Jetzt wirst du aber frech!" Schnell packte er Leonie in seine linke Kralle und gab ihr einen kräftigen Hieb auf den Hintern mit der rechten.
"Auuuuu!" Leonie kreischte laut auf und Tränen kullerten ihr über die Wange.
"So! Du willst es also auf die harte Tour lernen!" Er zerrte sie zur Höhle raus und quetsche sich durch den Höhleneingang.
"Aber... Mamaaaaaaa!!! Papaaaaaaa!!!" Leonie schrie nach ihren Eltern. Sie mussten doch bestimmt in der Nähe sein.
"Deine Eltern kannst du vergessen! Die wirst du nie wieder sehen!"
Leonie schluckte schwer. Warum war sie nicht einfach in der Schlafhöhle geblieben und hatte sich dort verkrochen?
Als Niran losflog, war Leonie zum ersten Mal in der Luft in ihrem Leben. Und es bekam ihr in den Krallen des Entführers überhaupt nicht gut. Sein Zeh kratzte sie am Bauch und sie musste den Kopf zur Seit drehen. Und wenn sie nach unten schaute. Huch! Wie ihr da schwindelig wurde!
So sah also ihr erster Flug aus.
"Hallo, Leonie! Da sind wir wieder!" Stolz betraten die Eltern ihre Höhle. "Wir habe sogar einen Biber mitge... Leonie? Leonie!"
Doch keine Leonie antwortete.
"Haha, du spielst mit uns Verstecken! Achtung, ich komme!" Vater wollte gerade lossausen, als ihn Mutter festhielt und auf den Boden deutete.
"Eine Feder, nicht von Leonie." Sie hob die Feder auf und betrachtete sie von allen Seiten. "Kreischeulen...", murmelte sie.
Vater sah sie erschrocken an. "Das heißt Leonie..."
"wurde entführt!"
Beide verließen so schnell wie sie konnten die Höhle und schwangen sich in die Lüfte.
Doch Niran und Chiran hatten mitgedacht. Sie saßen ein auf einem Ast genau über dem Höhleneingang und stürzten sich sofort auf die Eltern als sie rauskamen.
Sie blickten im letzten Moment hoch, doch zu spät. Chiran hatte sich in Mutter verkrallt und rupfte ihr das halbe Federkleid aus. Vater kam zwar zur Hilfe, aber wurde von Niran beiseite gestoßen.
"Mama! Papa!" Leonie weinte herzzerreißend, doch Chiran und Niran ließen sich davon nicht beirren. Im Gegenteil. Sie nutzten den Moment, in dem sich die Eltern verwirrt umblickten, um beide den Ast runter zu schubsen.
Sie fielen, bis die Dunkelheit sie verschluckten.
Es knallte laut, als beide Fleckenkäuze unsanft auf dem Boden aufschlugen.
Mutter versuchte aufzustehen, doch sie hatte sich die rechte Kralle gebrochen. Flügelschlagend setzte sich auf.
Ihr Gatte lag etwas weiter. Sie flog, unter starken Schmerzen zu ihm hin.
"Wie geht es dir? Hast du dich stark verletzt?"
Keine Antwort.
"Lebst... du?" Vorsichtig hinkte Mutter zum ihm und befühlte seinen Hals.
Die Wirbelsäule war gebrochen.
Laut schluchzend ließ sie sich neben ihrem ehemaligen Gemahl nieder.
Langsam, mit viel Energie und vielen Tränen, vergrub sie ihn schweren Herzens unter dem Baum, in dem die Höhle lag.
Doch jetzt galt zu retten, was als einziges noch irgendwie lebendig sein konnte. Mutter schwang sich in die Luft, sah ein letztes Mal zum Grab hinunter und flog hoch bis über die Bäume.
Am Horizont waren in der aufgehenden Sonne zwei Punkte zu sehen. Am Tag zu fliegen war für eine Eule sehr gefährlich, aber für Leonie war Mutter bereit diesen Flug zu riskieren.
"Ha, das war ja ein Kinderspiel! Wahrscheinlich sind die beiden jetzt tot!" Chirans lachte.
"T.. Tot?" Leonie traute sich kaum zu atmen. Eine Träne kullerte über ihre Wange. Tot? Sie waren doch so lieb zu ihr gewesen und Leonie hat sie immer ganz lieb gehabt. Waren sie jetzt wirklich tot?
"Genau! Tot! Meine Liebe! TOT!" Niran lachte hämisch. "Du wirst sie NIE wieder sehen und auch sie werden dich nie wieder sehen! Ist das nicht eine tolle Vorstellung?"
Leonie antwortete nicht. Stumm weinte sie in sich hinein.
Die Bäume wurden immer weniger und der Wald löste sich auf. Den Wald von Triangulum hatten sie inzwischen hinter sich gelassen.
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