19. Kapitel
"Ähm, also ..." Ich war nicht gut im Lügen. Gegenüber Freunden ging es noch, aber fremde, alte Leute anzulügen, das war eindeutig nicht mein Fall. Die beiden starrten mich erwartungsvoll an, also beschloss ich, ihnen einfach nichts zu sagen. "Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das erzählen kann ...", druckste ich herum und bemerkte, wie unhöflich das klang. "Also, ich meine, äh ... vielleicht müssen, also, sollten Sie das nicht erfahren", stotterte ich weiter und wurde dabei rot wie eine Tomate. Solche Situationen waren mir irgendwie peinlich. "Und warum nich', 'leine? Wir hamm' dich do' schließlich gerettet, wa'?", grummelte der alte Mann und schien nicht zufrieden mit meiner Antwort. Seine Frau stupste ihn vorwurfsvoll an und wandte sich dann etwas freundlicher mir zu. "Warum denn nicht?" Ich erwiderte darauf: "Nun, Sie würden mir die Geschichte wohl nicht glauben." Die ältere Dame sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann ließ sie mich aber in Ruhe und verzog sich mit ihrem Mann in ein Nebenzimmer außer Hörweite. Während diese dort wohl etwas über mich besprechen, nahm ich meine Umgebung genauer unter die Lupe. Das Zimmer hatte hellrosafarbene Wände, welche mit einem lianenartigen Muster durchzogen waren. An den großen Fenstern hingen lange, weiße Vorhänge und die gesamte Bank war mit Blumen bedeckt. Mir gegenüber stand ein riesiger Fernseher, der so eine Sehnsucht in mir erweckte, dass ich mich dabei ertappte, nach der Bedienung zu greifen. Das war nicht meine Wohnung und nicht mein Fernseher! Was machte ich denn da. Schnell legte ich die Fernbedienung aus der Hand und sah mich weiter um. Während ich gerade ein altes Klavier begutachtete, kam die alte Dame wieder zurück, allerdings, was mich überraschte, ohne ihren Mann. "Geht es dir jetzt besser?", wollte sie wissen und ich konnte anhand ihres Stimmtons erkennen, dass das die indirekte Aufforderung für mich war, zu gehen. Ich war hier nicht mehr erwünscht. Aber tatsächlich fühlte ich mich wieder besser, also nickte ich und antwortete kühl: "Ich glaube, ich gehe wieder nach Hause." Zufrieden nickte die Frau und hinkte zur Tür, um sie mir aufzuhalten. "Die Treppe kannst du ja wohl allein runtergehen, oder?" Diese Dame wurde mir jeder Sekunde unhöflicher. "Natürlich", erwiderte ich spitz und trat aus der Tür. Typisch alte Leute: Erst sich Sorgen machen und helfen, danach aber Jugendliche doch abstoßend finden. Immerhin, mir ging es jetzt besser. Ich hinkte die Treppe hinunter, ohne mich umzudrehen. Als ich unten angekommen war, musste ich mich erst mal hinsetzen und meine Gedanken zusammenraffen. Also setzte ich mich auf die unterste Treppenstufe und blickte aus der Glastür des Wohnblocks. Draußen begann es zu dämmern und ich hatte seit Stunden nichts mehr gegessen. Jetzt fiel mir erst auf, dass meine Mutter von nichts eine Ahnung hatte und wahrscheinlich daran war, die Polizei zu alarmieren. Ich griff in meine Jackentasche und tastete nach meinem Handy. Nichts. Verdammt! Ich hatte es ja gar nicht mitgenommen. Also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als in diesem Zustand nach Hause zu laufen und mir auf dem Weg eine plausible Erklärung auszudenken. Toll.
Heute mal etwas kürzer als sonst.
Hoffe trotzdem, ihr habt Spaß am Lesen! :)
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