{ 3.5 }
Voller Wunder blickte Blaubeerherz auf die drei winzigen Jungen hinunter, die sich an ihren Bauch drängten. Noch blind, taub und beinahe ohne Fell traten sie nach der lebensspendenden Milch und die Königin spürte, wie ihr das Herz aufging.
Sie waren zu früh geboren worden, niemand hatte schon mit den Kleinen gerechnet, doch sie waren gesund und das war alles, was zählte.
Klein waren sie, kleiner als alle Jungen, die sie bisher gesehen hatte. Und dennoch lebten sie.
Noch hatten Abendlicht und sie ihnen keine Namen gegeben, denn Eulenstaub hatte sie vor der Möglichkeit gewarnt, dass nicht alle die Nacht überstanden. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, aber Blaubeerherz betete zum SternenClan, alle drei mögen ihren ersten Mondaufgang überstehen.
Besonders das jüngste hatte es ihr angetan, ein kleines Kätzchen, das mit kräftigen Pfotentritten und einem hungrigen Mäulchen nach Milch suchte.
Aber auch das größte von ihnen, ein Kätzchen, dessen Körper bereits mit einem leichten, dunkelroten Flaum bedeckt war, machte ihr keine Sorgen, denn es krabbelte bereits durch das Moos und versuchte, seinem Geschwisterchen die Pfoten wegzuziehen.
Nur ihr Kleinstes ließ die Kätzin sorgenvoll die Schnauze zusammenziehen. Das winzige, hellgraue Kätzchen lag ruhig dar, trat kaum um sich und sie musste es immer wieder zu ihrem Bauch schieben, damit es nicht auskühlte.
„Wie geht es dir, meine Liebe?", miaute eine sanfte Stimme vom Eingang der Kinderstube und Abendlicht blickte herein, sein Gesicht erfüllt von Stolz und Liebe. Kurz schweifte sein Blick zu Hauchflügel, die nun mit ihrem zweiten Wurf trächtig war.
Buntspecht hatte von Beginn an verdeutlicht, dass er sich nicht um die Jungen kümmern würde. Die Kriegerin hatte sich erneut Nachwuchs gewünscht und der ehemalige Einzelläufer hatte ihr diesen Wunsch lediglich erfüllt.
Mit großen Augen sah der Krieger die kleinen Wesen an, die sich an ihr Bauchfell pressten und schon erkannte sie, wie sich seine Liebe auf die winzigen Kreaturen ausweitete.
„Sie sind so klein", murmelte Abendlicht, als er sich an seine Gefährtin schmiegte und ihr mit der Zunge über die Stirn fuhr. Ihre Schnauze verzog sich zu einem müden Lächeln und erschöpft legte sie den Kopf auf ihre Pfoten.
„Schlaf eine Runde, Blaubeerherz, ich passe auf. Den Kleinen wird nichts geschehen, ich verspreche es dir."
Sie sah ihm in die warmen, bernsteinfarbenen Iriden und schloss dann die Augen, in vollem Vertrauen, sie würde sicher sein und behütet. Ohne Zweifel konnte sie beruhigt einschlafen.
Als eine sanfte Nase sie in die Seite stupste, wusste sie, irgendetwas war falsch gelaufen, denn Abendlicht würde sie nie grundlos aus ihrem Schlummer wecken.
Mit einem Gähnen öffnete sie ihre Lider und warf sofort einen Blick auf ihre Jungen. Das kräftige, rötliche Kätzchen lag kraftlos an ihrer Flanke und leiser, keuchender Husten erfüllte die Kinderstube.
Besorgt suchte sie nach den anderen beiden Jungen und fand sie maunzend zwischen den Pfoten ihres Gefährten. Das winzige Kätzchen, was zuvor Sorgen bereitet hatte, krabbelte nun langsam und vorsichtig auf den kräftigen, orangeroten Pranken herum, während das Jüngste nach der nährreichen Milch jammerte.
Abendlicht schüttelte sanft den Kopf und Blaubeerherz jaulte klagend auf. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz wurde aus ihrer Brust gerissen, denn das kleine Wesen, was schon ihre Liebe erobert hatte, rührte sich nicht mehr.
Sie presste ihr Ohr auf die Brust des Kleinen, doch kein Herzschlag war zu hören, kein Lebenszeichen ließ sich mehr erahnen. Der Husten hatte das kräftigste der drei geholt und wie Eulenstaub vorhergesagt hatte, war die erste Nacht nicht ohne Trauer geblieben.
„Wir sollten dem Kleinen einen Namen geben, damit es nicht ohne in den SternenClan wechselt", murmelte ihr Gefährte wie in Trance und Blaubeerherz schloss schicksalsergeben die Augen.
Zu früh war das Kätzchen von ihnen gegangen. Aber es war dennoch Hoffnung geblieben, dass die beiden anderen den Mond überstanden und irgendwann sogar Krieger wurden.
„Sonnenaufgangsjunges, da sein Fell so feurig wie die aufgehende Sonne war und sein Licht seinen Geschwistern den Weg weisen wird", miaute sie entschieden und der orangene Krieger stimmte mit einem Lächeln zu.
Vorsichtig packte er die kleine, erkaltete Gestalt mit seinen Zähnen und trug sie aus dem Bau. Blaubeerherz schob ihre Kleinen näher an ihren Bauch und rollte sich beschützerisch um sie herum. Keiner würde ihren beiden etwas tun können.
Sie überstanden die erste Nacht und auch die nächsten Nächte. Als die Kätzchen sieben Mondaufgänge alt waren, sagte Eulenstaub ihnen, sie waren über den Berg.
Nun hatten sie auch ihre Augen geöffnet und krabbelten mit leisen Maunzern durch die Kinderstube, während sie unwissentlich alle um sich herum verzauberten.
Die graue Königin blickte stolz auf ihren Nachwuchs herab, der es geschafft hatte, bis hier hin zu überleben. Es wurde Zeit, ihnen Namen zu geben, denn ihre Clangefährten fragten schon ungeduldig, wann sie denn erfuhren, wie die Jungen hießen.
Mit großen, blauen Augen blickte die jüngere Kätzin zu ihrer Mutter auf und ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Schnauze. Sie hatte sich gut erholt und begann bereits, die ersten aufgeschnappten Worte zu wiederholen. Auch ihr älterer Sohn war so weit und nutzte seine neugewonnenen Fähigkeiten, um nach Milch zu betteln.
„Habt ihr eigentlich mittlerweile Namen gefunden?", fragte Hauchflügel nach einem Blick auf die tobenden Jungen und Blaubeerherz vergrub ihren Kopf zwischen ihren Pfoten.
„Wir suchen noch", seufzend packte sie ihren Sohn am Nackenfell und legte ihn sich an das weiche Bauchfell, damit er seinen Hunger stillen konnte, bevor sie fortfuhr, „es ist schwierig, die richtigen Namen zu finden."
Die andere Königin nickte sanft und leckte sich mit der Zunge über die geschwollene Flanke, die die bevorstehende Geburt deutlich zeigte. Blaubeerherz hoffte, dass Schwarzwasser bis dahin wieder zurückgekehrt war, denn das erste Mal war unruhig verlaufen und beinahe hatten sie Mutter und Junge verloren.
„Ich bin zurück von der Großen Versammlung, meine Liebe", miaute vom Eingang eine Stimme und dankbar für die Ablenkung ließ sich Blaubeerherz alles berichten, was in den anderen Clans so geschehen war.
„Die Junge von Krabbenohr sind in den Schülerbau gezogen, sie heißen Strompfote, Kleepfote und Rankenpfote. Außerdem ist Zimtwunder aus dem SchattenClan in die Kinderstube gezogen, da sie Junge von Waldrauschen erwartet, und Lärchensturm aus dem WindClan ist in die ewigen Jagdgründe des SternenClans übergewechselt.
Was Ebereschenfrost anbelangt, gibt es auch Neuigkeiten. Sie wurde wohl vergiftet, aber wann und von wem ist allen ein Rätsel", Abendlicht räusperte sich und duckte sich dann zu ihr hinunter, um ihr ins Ohr zu flüstern, „ich vermute aber, dass jemand aus dem FlutClan dahintersteckt, im Auftrag Feuersterns, so unbesorgt, wie er war. Ich traue unserem Freund nicht mehr, er hat sich verändert, seit er Anführer ist."
Besorgt spähte die Kätzin zu Hauchflügel und dann zu der noch dunklen Öffnung, die den Eingang zur Kinderstube bildete. Die andere Königin, die eine überzeugte Unterstützerin des flammenfarbenen Kriegers war, schlief tief und in der Haupthöhle war alles ruhig.
Nur der leise Ruf einer Nachtigall hallte durch die Felsen und ein leichter Lichtschimmer erhellte das Lager. Die Dämmerung war angebrochen und mit ihr hatte Blaubeerherz die Namen für ihre Jungen gefunden.
„Nachtigalljunges für unsere Tochter und Dämmerjunges für unseren Sohn, wie findest du das?", platzte sie heraus und die Gefährten sahen sich an. Die Namen passten perfekt.
„Der Anbruch eines neuen Tages, Blaubeerherz. Für unsere Jungen ein Tag der Hoffnung, für uns ein Tag des Lichts. Nach den dunklen Monden kehrt immer wieder die Sonne zurück, nicht wahr, meine Liebe?"
Der Kater schmiegte sich an sie und für einen kurzen Moment badeten die beiden in dem warmen Gefühl, das die Nähe des anderen verströmte. Doch Blaubeerherz musste die gemütliche Atmosphäre zerstören, denn was besprochen werden musste, konnte nur in der Dunkelheit der Nacht geschehen.
„Du sagtest, du vertraust Feuerstern nicht mehr. Was hat er getan und gesagt, Abendlicht? Kannst du dich erinnern?"
Er blickte sie mit schmerzerfüllten Augen an und senkte den Kopf. Die Königin legte ihren Schweif um Dämmerjunges und Nachtigalljunges und sah besorgt zu ihm. Schon erkannte sie seinen inneren Zwiespalt, den Streit, der sich in ihm abspielte und drückte ihm liebevoll die Nase in die Wange.
„Er war komplett teilnahmslos, es war ihm egal, dass eine trächtige Königin vergiftet wurde und nun Heiler aller Clans auf der Suche nach einem Heilmittel sind. Und er hat gemeint, es wäre nur gerechte Rache dafür, dass Ebereschenfrost einst Minzduft verletzt hat. Dabei hat die der WolkenClan-Kriegerin schon längst vergeben."
Blaubeerherz hatte nur den ersten Satz wahrgenommen und schon verdunkelte sich ihre Miene. Eine Königin, die angegriffen wurde? Hinterhältig und feige, indem ihr Gift untergejubelt wurde? Leise grollte sie und fuhr die Krallen aus. Es konnte doch nicht sein, dass Feuerstern nichts deswegen tat!
Sie atmete tief ein und aus, bevor sie sich vorsichtig aufrichtete und die beiden Jungen zu Abendlicht hinüberschob.
„Ich gehe zu unserem Anführer und sage ihm mal meine Meinung. Er hat sich unmöglich benommen, weil er einer trächtigen Kätzin Hilfe verweigert hat", knurrte sie leise, um Hauchflügel nicht zu wecken.
Der orangefarbene Krieger nickte sanft und meinte nur, „Ich achte auf Dämmerjunges und Nachtigalljunges."
Zornig stapfte sie durch den Eingang des Baus und ignorierte das Ziehen in ihren Beinen, das ihr sagte, sie überanstrengte sich. Der schmale Gang zum Anführerbau war bereits besetzt, denn die kräftige Gestalt von Gewittermond saß davor und schien auf seinen Gefährten zu warten.
„Wo ist Feuerstern?", miaute Blaubeerherz mit kaum unterdrückter Wut. Der Krieger peitschte mit dem Schwanz und bleckte warnend die Zähne, doch was die Kätzin schockierte, war das Fehlen jeglicher Zurückhaltung. Sie war immer noch eine Königin, die gerade erst Junge bekommen hatte.
„Feuerstern muss nicht den Belangen einer einfachen Königin Beachtung schenken, wenn er nicht möchte. Er ist der Anführer und hat weit wichtigere Dinge zu tun, als deinen Beschwerden zuzuhören."
Gewittermond hatte nun die Krallen ausgefahren und war in Angriffsstellung gefallen. Die Graugetigerte zog sich besorgt zurück, doch der Krieger, der Feuersterns engster Vertrauter geworden war, folgte jeder ihrer Bewegungen und legte sein aggressives Verhalten in keiner Weise ab.
Nun trat endlich auch Feuerstern aus seinem Bau und sein Gefährte beruhigte sich. Allerdings flüsterte er dem Roten etwas zu, sofort legten sich dessen Ohren an und seine Schnauze wurde hochgezogen, in einer offensichtlichen Drohung.
Blaubeerherz kauerte sich auf den Boden und versuchte, sich möglichst harmlos darzustellen. Aber die beiden kamen näher, versuchten nicht einmal, weniger bedrohlich auszusehen.
Und als Feuerstern seine Krallen über ihre Wange zog, wusste die Kätzin, dass hier etwas gewaltig schief lief.
Ein brennender Schmerz fuhr durch ihren Körper und sie jaulte auf, was sofort Abendlicht herbeirief. Der orangerote Kater stürzte aus der Kinderstube, Dämmerjunges und Nachtigalljunges vorsichtig im Maul. Als sie es schaffte, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, schüttelte sie sanft den Kopf und richtete ihre Augen fest auf die beiden Jungen.
Ein weiterer Krallenhieb fuhr auf sie nieder und die Königin konnte ein Aufjaulen nicht vermeiden. Nun wurden langsam die anderen Krieger wach, denn Artemis, Zapfenfeuer und Ginsterzunge tappten aus dem Bau, nur um erstaunt zuzusehen.
Zum Glück war Hummelnacht noch nicht aufgeweckt worden, denn die Kleine würde es zerstören, Blaubeerherz so zu sehen. Weitere Krallenschläge peitschten durch ihr Fell.
„Weckt die anderen Krieger, weckt die Schüler, sie alle sollen diese Lektion lernen", knurrte Feuerstern zu den drei Kämpfern, die schon wach waren und sofort gehorchten, ob aus Angst oder Treue, die Königin war sich nicht sicher.
Hummelnacht taumelte müde aus dem Bau, vor ihr Rosenfall, die den Ernst der Lage erkannte und ihre Gefährtin zu Abendlicht hinüberlotste, der wie Espenlaub zitterte. Dort nahm er seine Tochter in Beschlag, indem er ihr die Namen der Jungen erzählte und sie bat, sie warm zu halten.
Nun kam auch Hauchflügel aus der Kinderstube und ihrem zufriedenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie mit einem solchen Bild schon gerechnet.
„Lasst euch das eine Lehre sein, wenn ihr es wagt, mich zu unterwandern und Unwahrheiten über mich zu verbreiten. Jeder und jede von euch ist ein Teil des FlutClans, deshalb wird auch jeder gleich bestraft", rief Feuerstern laut in die Höhle hinein und Blaubeerherz hoffte, dass ihre Qual beendet war, doch nichts dergleichen, „jeder, der fortan am Anführer oder seinen Entscheidungen zweifelt, verbringt einen Tag schweigend in der Lagerhöhle auf dem Boden und jeder darf mit dem zu Bestrafenden umgehen, wie er möchte."
Blaubeerherz senkte verzweifelt den Kopf. Ein Tag, an dem ihre Jungen nichts zu essen bekamen, konnte die beiden umbringen. Sie musste einfach hoffen, dass Abendlicht sich etwas einfallen ließ.
Als erneut Krallen auf ihren Pelz trafen, wusste sie, dieser Tag würde lang werden.
—~—
Theorien? Wünsche? Anregungen?
Sternchen?
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