{ 3.4 }
Ebereschenfrost spürte nichts mehr, keine Kälte unter ihren Pfoten, keinen Lufthauch, der ihr Fell aufbauschte, keine Sonne auf ihrem Pelz. Sie schwebte im Niemandsland zwischen Leben und Tod, und nur langsam gewann sie ihre Sinne zurück.
Leises Rauschen ertönte in ihren Ohren, sie erkannte das Geräusch des Windes, der durch hohe Grashalme fuhr. Ihre Umgebung, obwohl sie sich sicher war, sie hatte ihre Augen geöffnet, nahm keine Gestalt an, denn alles blieb dunkel.
Doch dann leuchtete ein einzelner Stern in der Nacht auf und mit jedem weiteren Funkeln erkannte sie mehr ihrer Umwelt. Am Versammlungsfelsen war sie nicht mehr und auch an sonst keinem Ort, der ihr bekannt war.
War dies der SternenClan? Irgendwie bezweifelte sie es, waren doch die Himmelslichter so zahlreich über ihr, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Ein Licht glitt aus der Ferne zu ihr hinab und kurz bevor es den Boden berührte, formte es sich zu einer Katzengestalt, die rasch näher kam.
„Sei willkommen, Frost der Eberesche, Geisterseherin, auf den Ebenen der Wanderer. Wir haben schon auf dich gewartet."
Und mit diesen Worten erhob sich ein brausender Sturm um die junge Kätzin. Er zerrte jaulend an ihrem Pelz, doch überrascht stellte sie fest, dass sie sich nicht vor den Geistern fürchtete. Ihre ächzenden, heulenden Stimmen jagten ihr zwar Schauder über den Rücken und stellten ihr Nackenfell auf, wie es sonst noch nichts zuvor getan hatte, aber eine seltsame Ruhe legte sich gleichzeitig über sie.
„Ausgewählt bist du, Geisterseherin, Weltenwanderin, den Clans eine neue Zukunft zu schenken. Der SternenClan verblasst, der Wald der Finsternis geht unter im Vergangenen, immer dunkler wird ihr Licht und immer heller ihre Dunkelheit und die Zeit wird kommen, da alle Katzen im Tod gleich sind."
Ebereschenfrost blickte voller Wunder zu den Geistern, die sich nun wie ein endloser Nebel vor ihr ausgebreitet hatten. Sie erkannte einige von ihnen, Verlorene, die den Pfad in die Sterne nie gefunden hatten, die ihr in ihren Träumen erschienen waren und sie um Hilfe angefleht hatten.
Dort war Aschenstern, schräg hinter ihr hatten sich Dohlenjunges, Zaunkönigjunges und Spatzenjunges aufgereiht und auch Valery fehlte nicht. Sie alle wirkten in sich glücklich, schienen endlich angekommen zu sein und ihre geplagten Seelen strahlten nur noch Ruhe aus.
Und tief in sich spürte Ebereschenfrost eine leise Sehnsucht, irgendwann all die Probleme der lebenden Welt hinter sich zu lassen und hier ihren rechtmäßigen Platz einzunehmen. Doch mit einem Mal schoss ein leichter Schmerz durch ihren Bauch und etwas trat gegen ihre Flanke. Der Kätzin wurde heiß und kalt zugleich.
Ein Junges hatte sie getreten, obwohl sie nie hatte Junge erwarten sollen. Es war immer Eisenstern gewesen, die trächtig geworden war, nie war auch nur in Betracht gezogen worden, dass sie es auch werden könnte. Ob Mondschatten davon wusste?
Und mit einem Mal wurde ihr schmerzlich bewusst, was sie im Leben festhielt, was dafür sorgte, dass sie nicht schon längst in den SternenClan gewandert war. Das Überleben ihrer Ahnen hing allein von ihr und ihren Jungen ab, denn diese würden die Clans in eine neue Zukunft führen.
Ein verwirrendes, seltsames Gefühl durchlief ihren Körper und sie erkannte, ihre Zeit wurde knapp. So wandte sie sich zu den Geistern und fragte mit unsicherer Stimme: „Was wollt ihr mir mitteilen?"
Brausen erhob sich um sie herum, die Katzen stimmten wie im Fiebertraum einen weiteren Sturm an und ihre Wörter vermischten sich zu einem donnernden Ruf. Ebereschenfrost merkte, wie die Geister durch sie fuhren, sie an sich banden und sie wusste, sie würde zurückkehren.
„Wer liebt, darf wandeln im friedvollen Schatten der Eberesche. Doch brennt der Wald, werden Tod und Kummer herrschen."
Mit diesen wenigen und doch so bedeutsamen Worten glitt die Welt aus ihrem Blickfeld und sie fiel wie ein Stein in Richtung Erde. Dunkelheit umfing sie.
Und als sie in der Kinderstube die Augen aufschlug und sich kaum bewegen konnte, so schwach war ihr Körper, da dämmerte ihr die erschreckende Erkenntnis, die sie in den Tiefen ihres Herzen schon immer verstanden und akzeptiert hatte.
Sie würde kein glückliches Ende bekommen, denn ihre Tage im Leben waren gezählt. In einem Blattwechsel oder auch schon früher, ihre Kräfte würden schwinden und Ebereschenfrost würde den Pfad auf die Ebenen einschlagen.
Das einzige, was ihr nun noch blieb, war, die Zeit mit Mondschatten zu genießen, die sie noch hatte, dachte sie sich voller Liebe, als seine verschiedenfarbigen Augen über ihr auftauchten und sie voller Sorge ansahen.
„Ich bin zurück, Mondschatten", krächzte sie leise und der Kater schmiegte sich einfach nur erleichtert an sie. Wenn er wüsste, welch dunkle Zeiten ihm bevorstanden, hätte er den Bau vermutlich nie wieder verlassen.
Doch so ging er ohne Furcht jagen, während Ebereschenfrost nachdenklich dem stetigen Klopfen zuhörte, das unter ihrer Flanke ertönte.
—~—
Ich weiß, ich bin böse. Muhahaha...
Theorien?
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