{ 3.13 }

Hummelnacht tappte frustriert hinter ihren Gefährten her. Sie waren nun schon etwas mehr als einen Mond unterwegs und hatten es aufgegeben, in der näheren Umgebung der Clanterritorien zu suchen. Stattdessen hatten sie sich in Richtung Gebirge gewandt, waren uralten Spuren gefolgt, die ihre Ahnen einst dort hinterlassen hatten, in der verzweifelten Hoffnung, Asche dort zu finden.

Vor vier Sonnenhoch waren sie dann in einen Felssturz geraten und Lichtrose hatte sich schwer verletzt. Sie hatten schweren Herzens aufgegeben und waren nun auf dem Weg in Richtung der Clans - sie mussten es nur vorher noch durch den Zweibeinerort schaffen.

Und da lag das Problem. Sie hatten sich hoffnungslos zwischen den hohen Steinbauen verirrt, seit sie sich bei Sonnenuntergang in das Lager der Aufrechtgeher gewagt hatten und waren vollkommen orientierungslos, irrten nur in der Hoffnung umher, einer friedlichen Seele zu begegnen, die ihnen half.

Strompfote war müde, das sah Hummelnacht ihr genau an. Die junge Schülerin hatte die gefährliche Reise gewagt, um ihrer Mentorin beistehen zu können und hatte unglaublichen Mut selbst in den ausweglosesten Situationen gezeigt. Bestimmt fünfmal hatte sie sich in den letzten drei Sonnenhoch ihren Kriegernamen verdient. Wäre sie doch nur nicht so jung und schüchtern.

Tannenfunken lehnte sich schwer an seinen Sohn Iltisfährte, der bald zusammenzubrechen schien. Die Wunde am Bein des mächtigen Kriegers war wieder aufgerissen und Blut tropfte auf das stinkende, schwarze Gestein unter ihnen. Sie würden nicht mehr lange durchhalten, das spürte Hummelnacht genau.

Nur Bernsteinsonne, Weißdorn und Himmelsflocke waren noch bei Kräften und schafften es, die Gruppe in einem straffen Tempo zu halten, während Bronzeblut und Mandelfall Lichtrose auf einem Gestell aus alten Ästen und geflochtenen Grashalmen hinter sich herzogen. Eulenstaub stolperte ihnen nach, gefolgt von Glanzgeist.

Mit einem Mal durchbrach ein seltsames Jaulen die trügerische Stille zwischen den Bauen und Hummelnacht sah auf, alarmiert von dem klagenden Tonfall, den der Verursacher der Geräusche anschlug. Die Worte hallten zwischen den Mauern hin und her, wurden verzerrt und so unkenntlich gemacht, dass nichts von ihrer ursprünglichen Bedeutung zu erkennen war. Erst, als sie eine Weile gelauscht hatte, konnte sie den vollständigen Text ausmachen.

„Edler Sommergrün Mona, eine Geschichte ich euch gebracht
Von weit her und aus dunkler Nacht, als Gelbjacken schrien
Drei Katzen, in Not vereint, mit Königin und Waldling und Edelmut
Sechs Kätzchen, des Schatten eins, eins dem Licht
Eins dem Himmel, eins der Erde, dem Wasser eines und dem Feuer
Keins dem Tode verfallen, obgleich der stumme Rächer nahe
Durch Blatt und Strauch sie fliehn, durch Dorn und Schling
Doch weh! Sie grüßen des Untergangs Pfoten
Nun klingt nicht mehr der Kätzchen Maunzen
Des Kuckucks Schrei, der Eule Ruf nicht mehr zu hören
Im hellen Morgengrauen
Rabe und Krähe ziehn nicht mehr durchs Land
Und des Hähers Echo hallt nicht mehr
Auch sanfter Mond im ew'gen Schlummer
Mit Asche in Liebe vereint
Mögen sie ruhn in Ewigkeit!
Edler Sommergrün Mona, eine Geschichte ich euch gebracht!"

Sie schluckte und neigte traurig den Kopf zu Boden, der Kater tat ihr leid, litt er doch offensichtlich sehr unter dem Verlust seiner Reisegefährten. Eine Sache aber hatte sie stutzig gemacht, er hatte behauptet, Asche sei tot.

Aber der SternenClan hätte sie doch sicher nach Hause gelotst, wenn dem so wäre, also musste zumindest sie noch leben. Wenn sie allerdings ihre Jungen verloren hatte, war sich Hummelnacht nicht so sicher, ob sie ihnen bei ihren Bestrebungen helfen würde. Sicher war die Trauer noch frisch.

Auch ihre Gefährten hatten den von Hoffnungslosigkeit geprägten Gesang bemerkt und wurden langsamer, schritten beinahe bedächtig in Richtung der schmerzerfüllten Stimme. Der Pfad des Echos führte zu einem dunklen Gang zwischen zwei Zweibeinerbauten, in dem es nach einer größeren Menge Katzen roch und Hummelnacht blickte zum Rest der Gruppe, die genauso ratlos umhersahen und untereinander tuschelten.

Schließlich nickte Iltisfährte, der ihr Ratgeber und Mediator geworden war in der Zeit, die sie nun schon unterwegs waren. Sie verstanden sich auch ohne Worte, die Gruppe war eng zusammengewachsen in dem einen Mond, geprägt von gemeinsamen guten und schlechten Erfahrungen.

„Lasst uns gehen, vielleicht können sie Lichtrose helfen", miaute sie leise und geschnurrte Zustimmung ließ ihre Unsicherheit verschwinden. All diese mächtigen Krieger waren bei ihr, sie war nicht allein, musste sich nicht ohne Hilfe der Übermacht stellen. Das bedeutete ihr viel und dankbar lächelte sie ihren Gefährten zu.

Bernsteinsonne rollte mit den Augen, jedoch konnte sie seine Mundwinkel zucken sehen. Der Kater lebte von Sarkasmus, schaffte es jedoch immer, die Laune der Gruppe zu heben, wenn sie an einem Tiefpunkt angelangt war. Nur Mandelfall konnte ihm darin Konkurrenz machen, war er doch ein optimistischer und selbstbewusster Krieger.

Ohne weiter zu zögern, setzte Hummelnacht ihre Pfoten auf die schattigen Wege und tappte los, zuversichtlich, dass sie unverletzt aus der Konfrontation mit den Fremden herausgehen würden.

„Müde Wanderer, seid gegrüßt! Der edle Mona von Sommergrün heißt euch willkommen in seinem bescheidenen Heim", miaute eine junge Stimme zu ihrer Linken, als sie ein wenig in die Höhle hineingelaufen waren und zwei große Augen leuchteten wie bernsteinfarbene Monde in der Dunkelheit auf.

Ein kleines Kätzchen, vielleicht zwölf Monde alt, gesellte sich zu ihnen und übernahm schon bald die Führung, um ihnen zu zeigen, wo sie hinmussten. Hummelnachts Gedanken rasten. Was für eine Art Katze war das, die Schüler für Willkommensgrüße abstellte?

Sie liefen nun auf einen dünnen Lichtstrahl zu, der durch einen Riss in den Zweibeinerbauen fiel. Ihr Wegweiser schlüpfte hindurch und war verschwunden. Die Kriegerin warf ihren Gefährten einen zweifelnden Blick zu, dann jedoch sah sie Strompfote, die kurz vor dem Zusammenbruch stand und ihre Entscheidung war gefallen.

Eine andere Wahl gab es nicht, also folgte sie der jungen Katze in die Helligkeit. Überrascht riss sie die Augen auf und ihr versagte die Stimme. Sie waren in einem Zweibeinerbau und ihrem Begrüßer fehlte das Fell! Wo hatte sie die Gruppe bloß hineingeführt?

Die junge Kätzin, wie sie nun erkannte, lächelte jedoch freundlich und zeigte keine Spur von Unbehagen oder Schmerz. Stattdessen schien sie sogar glücklich und zufrieden, als wäre dies genau der Ort, an dem sie am liebsten war. Sie deutete ein „Folgt mir" mit ihrer Schwanzspitze an und entgegen dem schlechten Gefühl, was sich in ihr ausbreitete, tappte sie ihr nach.

Eine große Höhle öffnete sich vor ihnen, erfüllt von Katzen, die sich die Zungen gaben, Frischbeute teilten oder sich auch einfach unterhielten. Eine bunte Mischung aus großen und kleinen, aus schlanken und pummeligen Katzen und es war unmöglich zu unterscheiden, wer Einzelläufer, wer Hauskätzchen und wer Streuner war.

Den Gerüchen nach waren sie alle hier vertreten. Nur der altbekannte Geruch nach Clankatzen fehlte und mit einem Mal fühlte sich Hummelnacht etwas lächerlich. Die Clans beharrten immer darauf, dass sie die schlauesten und besten Katzen waren, die Einzigen, die sich in Gruppen zusammenschlossen. Dies bewies das Gegenteil und auch, dass die Clans kurzsichtig waren, so etwas von sich zu denken.

„Ich bringe euch zum Meister, dem edlen Mona von Sommergrün. Er wird wissen, was er mit euch machen soll", miaute die fremde Schülerin und glitt mit geübten Bewegungen durch die vielen Katzen, die respektvoll vor der Kleinen zurückwichen. Hummelnacht war unwohl, dennoch folgte sie ihr.

Weißdorn schmiegte sich beruhigend an sie und die Kriegerin schnurrte dankbar. Die WindClan-Kätzin war ihr in dem Mond eine gute Freundin geworden, wie auch der Rest der Gruppe zusammengewachsen war. Sie würde ihre Schnurrhaare darauf verwetten, dass Mandelfall und Lichtrose als Gefährten zu den Clans zurückkehren würden, wenn die weiße Kätzin das Abenteuer hier überlebte.

Am Rand saß ein schlanker, ebenso fellloser Kater wie ihre Wegweiserin und die Kleine sprang auf ihn zu, schmiegte sich gegen seine Brust. Sicherlich war dies ihr Vater. Nur wenige Augenblicke später trafen seine bernsteinfarbenen Augen die ihren und Hummelnacht erschauderte. Einen solchen Hass hatte sie noch nie in den Iriden einer Katze gesehen, noch weniger in denen eines Unbekannten, der sie noch nie getroffen hatte.

„Was wollt ihr hier?", fauchte der felllose Kater mit einer Unfreundlichkeit, die einem genervten Kupfermond aus dem WolkenClan in nichts nachstand, „ich werde euch nicht helfen, Clanmonster, was immer ihr auch von mir wollt."

„Wir benötigen nur einen Ort, an dem wir uns ausruhen können, eine von uns ist schwer verletzt", sie deutete mit ihrer Schnauze auf Lichtrose, die von einem argwöhnischen Mandelfall bewacht wurde. „Bitte, wir haben uns im Zweibeinerort verlaufen und hatten schon aufgegeben. Wir stellen für niemanden eine Gefahr dar und sind bei Sonnenhoch auch schon wieder fort."

Sie fürchtete schon, er würde sie hinauswerfen, da wurde sein Gesichtsausdruck ein wenig freundlicher und er miaute: „Ihr könnt bleiben und werdet mit Frischbeute und Kräutern versorgt, aber nur unter einer Bedingung. Ich möchte zuerst eure Geschichte hören. Und ich warne euch, meine kleine Tochter Lerche hier kann Lüge von Wahrheit unterscheiden."

Hummelnacht warf einen kurzen Blick zu ihren Weggefährten und Bronzeblut nickte leicht, während Glanzgeist ebenso zustimmend den Kopf neigte. Auch Himmelsflocke und Iltisfährte hatten nichts einzuwenden, also begann sie zu erzählen.

„Wir haben eine Prophezeiung bekommen, schon vor einem Mond, die meinte, zwölf müssten aufbrechen, um eine gewisse Asche zu finden, deren Vermächtnis wir retten müssen. Bis in die Berge sind wir gewandert, immer auf der Suche nach ihr, dennoch sind all unsere Spuren ohne Erfolg geblieben. Vor wenigen Sonnenhoch sind wir dann in einen Felsrutsch geraten, der Lichtrose beinahe das Leben gekostet hätte. Daraufhin haben wir aufgegeben und wollten zu den Clans zurückkehren, allerdings haben wir uns verlaufen und brauchen nun ein Lager für die Nacht."

Der Kater sah kurz zu seiner Tochter, dann verwandelte sich seine Schnauze zu einem entwaffnenden Lächeln und Hummelnacht atmete erleichtert auf. Sie waren hier vorerst sicher. Der Fremde neigte grüßend den Kopf und sprang dann davon, in Richtung einer riesigen Kätzin, deren Gesicht so aussah, als sei sie gegen einen Felsen angetreten und hätte gewonnen.

Diese bewachte ein dunkles Loch, in dem der Kater nun verschwand. Kurze Zeit später wurde die Menge ruhiger, bis sie schließlich ganz verstummte. Alle blickten gespannt zu einem Vorsprung auf und die Hellgraue warf ihren Gefährten verwirrte Blicke zu. Die waren jedoch ähnlich durcheinander und neigten nur die Köpfe.

„Freunde alt und neu, Fremde von fern und nah, ein Lied ich euch heut sing
Zwölf Mutige, ausgezogen, Asche zu finden und heimzubringen
Doch das Feuer gelöscht, die Welt vergangen
Ein Stern geht auf und Schatten fallen in Dunkelheit
Tod auf stillen Pfoten naht, des Himmels Blut
Bringen mit sich Feuer, des Vermächtnis Ende
Zwölf Narren, ausgezogen, Asche zu finden und heimzubringen."

Das Lager war totenstill. Niemand wagte es, auch nur einen Ton zu wispern und Hummelnacht biss sich auf die Lippe, um bloß nicht das zu sagen, was ihnen allen im Kopf herumspukte. Da erhob endlich eine Kätzin in der Mitte ihre Stimme und jaulte: „Zugabe! Edler Mona, eine Zugabe!"

Und die zwölf Clankatzen stellten schnell fest, dass der seltsame Kater ohne Fell wohl der Herr des ganzen hier war, denn die Katzen sprangen alle auf und verlangten lautstark nach einer Zugabe, was immer das bedeuten mochte.

Eine schlanke Kätzin brachte ihnen schließlich etwas Frischbeute und die Krieger konnten nichts gegen den seltsamen Kater ohne Fell sagen, denn sie alle wurden satt. Lichtrose war mittlerweile aufgewacht und hatte sogar etwas gegessen, was Himmelsflocke und Eulenstaub mit erleichterten Seufzern quittiert hatten. In den frühen Morgenstunden konnten die beiden Heiler auch endlich die Verletzten versorgen, nachdem eine andere Kätzin ihnen ein paar Kräuter gebracht hatte.

Gegen Sonnenaufgang brachen die ersten Strahlen durch hochgelegene Löcher in den Wänden des Baus und Hummelnacht konnte ihre Augen kaum noch offenhalten. Strompfote war lange eingeschlafen und hatte sich an Glanzgeist gekuschelt, auch Tannenfunken und Iltisfährte lagen eng aneinander geschmiegt da und Mandelfall hatte sich um Lichtrose zusammengerollt. Bronzeblut, Bernsteinsonne, Weißdorn und die beiden Heiler waren wach geblieben und hielten Wache, wie auch Hummelnacht selbst. Zumindest versuchte sie es.

Als die Sonne aufgegangen war, konnte sie ihre Müdigkeit nicht mehr bekämpfen und schloss die Augen. Schon schlief die Kriegerin tief und fest.

—~—

Katzen können nicht singen, zumindest nicht aus Menschenperspektive. Die Lieder von Mona sind Hits in der Katzenwelt, für uns wirken sie etwas verquer. Wundert euch nicht, es ist Mona ;)

Ansonsten, Theorien? :D

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