{ 3.12 }

Schwarzwasser richtete sich langsam auf, streckte sich und riss dann sein Maul zu einem gewaltigen Gähnen auf. Wie so oft in letzter Zeit hatte er kaum geschlafen, seine Gedanken waren zu Ebereschenfrost und den kleinen Kätzchen gewandert, die sich durch die Wildnis schlugen.

Er wusste nicht, ob sie noch lebten, ob sie die letzten Monde überlebt hatten. Fünf Monde ohne jegliche Zeichen, weder im SternenClan, noch Nachrichten über Beutediebstähle bei den Clans. Fünf Monde, in denen er kaum geschlafen hatte.

Noch dazu waren vor einem Mond zwölf Katzen verschwunden, darunter auch Eulenstaub und Hummelnacht. Er konnte es ihnen nicht verdenken, so dunkel, wie die Zukunft im Moment aussah. Feuerstern nutzte seine Macht als Anführer, um Angst und Schrecken im FlutClan zu verbreiten, Gewittermond war sein Scharfrichter geworden.

Die Erschöpfung saß ihm tief in den Knochen, als er den Heilerbau verließ, um nach Minzduft zu schauen. Sie klagte seit einigen Sonnenaufgängen über Übelkeit und war schon mehrfach mitten in Jagdpatrouillen ausgefallen, weil ihr mit einem Mal die Kraft gefehlt hatte, um loszuspringen.

Der Heiler hatte eine düstere Vorahnung, wollte sie jedoch nicht in Worte fassen, bevor er sich nicht ganz sicher war. Woher sollte sie denn auch...? Die Kriegerin hatte nie Interesse an jemandem gezeigt. Und an die einzige andere Möglichkeit wollte er nicht einmal denken.

Wenn Feuerstern davon Wind bekam, würde er sie verbannen, so wie er auch Schwarzwasser längst verbannt hätte, wüsste er denn von dessen Beziehung zu Eisenstern. Ihre Beziehung, die so stark war wie eh und je, obwohl sich die Gefährten seit drei Monden nicht mehr gesehen hatten.

Der schwarze Kater betrat leisen Schrittes den leeren Kriegerbau, in dem sich nur die Nachtpatrouille ausruhte. Minzduft hatte sich in ihrem Nest am hintersten Ende des Baus zusammengekauert und leckte sich über den verwuschelten Pelz, der Zeuge einer unruhigen Nacht war. Sie schien nicht besser geschlafen zu haben, als Schwarzwasser selbst und Mitleid wellte in ihm auf.

War sie wirklich in einer solch gefährlichen Situation, dann konnte er ihre Angespanntheit gut verstehen. Die Kätzin befand sich in Lebensgefahr, bewies sich seine Theorie. Mit einem entwaffnenden Lächeln auf der Schnauze näherte er sich ihr, wollte schon seine Befürchtungen ansprechen, da schüttelte sie mit weit aufgerissenen Augen den Kopf.

Ihre Schwanzspitze zuckte nervös und da fiel auch dem Kater auf, dass es ungewöhnlich still war. Das ruhige Atmen, welches normalerweise den Bau erfüllte, war verstummt, das Rascheln des Mooses wirkte nun eher aufgesetzt als natürlich. Sie wurden belauscht.

So weit war es also mittlerweile gekommen. Selbst er als Heiler konnte nicht mehr ungestört mit seinen Patienten reden, sogar seine Worte wurden überprüft.

„Ich würde dich gerne ein paar Nächte im Heilerbau beobachten, damit ich überprüfen kann, was dir fehlt", miaute er ihr sanft zu und zwinkerte langsam, um ihr zu zeigen, dass er auf ihrer Seite war. Erleichterung füllte ihre Augen und die Kätzin richtete sich auf, folgte ihm aus dem halbdunklen Bau in die Höhle, die nach Kräutern duftete und für Schwarzwasser immer ein sicheres Versteck gewesen war.

Nun war er dies nicht mehr, wie der Heiler schockiert feststellte. Feuerstern saß in einem Nest, zu seinen Pfoten die Junge von Hauchflügel, die voll Freude herumtobten. Punktjunges und Schafgarbenjunges würden in etwas mehr als einem Mond Schüler werden, zu einer ähnlichen Zeit wie auch Dämmerjunges und Nachtigalljunges.

„Schön, dich zu sehen, mein treuer Heiler. Ich sehe, du hast eine Patientin? Tut mir leid, Minzduft, aber dein Leiden wird kurz warten müssen. Schwarzwasser muss eine wichtige Entscheidung treffen, die die Zukunft unseres Clans bestimmt. Schwarzwasser, du bekommst bis zum nächsten Halbmond Punktjunges, danach Schafgarbenjunges, um sie auf ihre Fähigkeit als Heilerschüler vorzubereiten. Am Ende entscheidest du dich und teilst mir mit, wen du gewählt hast", meinte der Anführer mit einem falschen Lächeln auf den Lippen.

Er schickte dem Heiler zwei kleine Aufpasser, die alles, was er sagte, brühwarm an den Roten weitergeben würden. Es war ein kluger Zug, machte jedoch Schwarzwassers Leben mit einem Mal um einiges gefährlicher. Obwohl es ihm kalt den Rücken herunterlief bei dem Gedanken, dass nun jeder seiner Schritte überwacht wurde, lächelte er und neigte den Kopf, damit Feuerstern die Furcht in seinen Augen nicht sehen konnte.

„Ich fühle mich geehrt, dass du mir diese wichtige Aufgabe anvertraust, Feuerstern, und werde sie mit Freuden ausführen", miaute der schwarze Kater honigsüß und fuhr, diesmal an die Jungen gerichtet, fort, „holt euch bitte noch ein Stück Frischbeute, damit ich mir sicher sein kann, dass ihr bei vollster Kraft seid und ich euch nicht nachher auch behandeln muss."

Die Kleinen sprangen aufgeregt davon und der Orangene warf dem Heiler noch einen warnenden Blick zu, bevor auch er aus dem Bau tappte. Besorgt wandte sich der Kater der jungen Kriegerin zu, die nun mit vor Angst aufgerissenen Augen in einem Moosnest kauerte und ihren dick aufgeplusterten Schweif fest um ihren Körper geschlungen hatte.

„Du erwartest Junge, habe ich recht?", flüsterte er drängend und blickte immer wieder zum dunklen Schlund zurück, der den Höhleneingang bildete. Wenn die kleinen Lauscher zurückkamen, stand nicht nur Minzdufts Leben dicht am Rand der Klippe, auch Schwarzwasser wäre dann in tödlicher Gefahr. Und das wollte und konnte er nicht riskieren, um seines Clans und seiner Freunde Blaubeerherz und Abendlichts Willen nicht.

„Was freut es mich, das zu erfahren. Nachwuchs für den Clan auszutragen ist eine ehrenvolle Aufgabe."

Schwarzwasser wurde eiskalt. Der Anführer kam nun hineinstolziert, mit seinem Gefährten an seiner Seite. Gewittermonds Schnauze war blutverschmiert und der Heiler atmete einmal langsam aus, versuchte verzweifelt, seine Fassung zu behalten.

„Darf man fragen, wer der Vater ist? Selbstverständlich nur aus Neugierde", schnurrte der Krieger mit der Doppelzüngigkeit einer Schlange und der Schwarze spürte die Nervosität seiner Patientin beinahe schon in der Luft. Es war beinahe greifbar, welch große Angst die Kätzin hatte.

Doch dann legte sich ein gefährlich friedlicher und lebensmüder Zug auf ihre Schnauze und sie miaute laut und deutlich: „Mein geliebter Gefährte und Vater meiner Jungen ist Iltisfährte aus dem DonnerClan. Tut mit mir, was ihr wollt, aber bedenkt, diese Jungen tragen Abendlichts und Blaubeerherz' Blut in ihren Adern. Sie sind Teil des FlutClans, ob ihr wollt oder nicht."

Schwarzwasser fühlte sich, als sei er in einen See voll eiskaltem Wasser getaucht worden. Sie hatte etwas gewagt, was er sich nicht in Tausend Monden getraut hätte, und ihre Zukunft und die ihrer Jungen ruhte nun auf den Schultern eines unberechenbaren Anführers.

„Heiler, was meinst du, soll ich mit ihr tun?", fragte Feuerstern nun scheinheilig und die Angst um die junge Kriegerin ließ seine Glieder erstarren und lähmte seinen Geist. Es war ein Test, ein Test seiner Loyalität. Wenn er seinen Clan beschützen wollte, hatte er keine andere Wahl, als etwas zu sagen, was seine Prüfer von ihm erwarteten und was seine bedingungslose Treue unter Beweis stellte.

„Sperr sie bis zur nächsten Großen Versammlung ein und lass dann alle Clans über ihr Schicksal entscheiden. So kannst du dich als großzügiger Anführer darstellen, der allerdings auch deutlich macht, was er von Gesetzesverstößen hält. Allerdings muss Minzduft gesund aussehen, damit alle wissen, dass du dich trotzdem um deine Krieger kümmerst", er schluckte und wartete das Urteil, das unweigerlich fallen würde.

„Eine weise Lösung, nicht weniger, als ich von dir erwartet hätte, Schwarzwasser, gut gemacht. Ich merke, dich kann nicht mal ein solcher Verrat aus der Fassung bringen. Du wirst dafür sorgen, dass Minzduft bis zur Großen Versammlung versorgt ist."

Schwarzwasser neigte den Kopf, um sein dankbares Lächeln zu verbergen, dann hob er ihn wieder und eine kalte Maske lag auf seiner Schnauze, von Abscheu und Wut geprägt.

„Ich werde mich darum kümmern. Soll ich sie im Heilerbau behalten oder irgendwo anders?"

Feuerstern knurrte nur: „Im Bau der Ältesten", und tappte hinaus, um dem Clan die Botschaft zu verkünden. Kaum war er weg, sackte der Schwarze erleichtert in sich zusammen und zwinkerte Minzduft zu, damit sie weiter mitspielte. Die Kätzin zuckte kaum merklich mit der Schwanzspitze und ließ sich bedingungslos aus dem Bau führen.

„Schafgarbenjunges, Punktjunges, bereitet für Minzduft ein Nest im Ältestenbau vor. Nutzt eines der Nestpolster aus dem Heilerbau und polstert es mit ein paar Federn aus. Aber nicht zu bequem, ja? Nur so, wie ihr auch schlafen würdet."

Die beiden Kätzchen nickten eifrig und sprangen dann aufgeregt davon, um ihren ersten Auftrag zu erfüllen. Der Heiler legte der jungen Kriegerin den Schweif auf die Schulter und neigte sich zu ihr, seine Schnauze dicht an ihrem Ohr, damit ihn bloß niemand überhörte.

„Du bist noch keinen Mond trächtig. Iltisfährte ist allerdings schon seit einem Mond verschwunden. Wie kann das sein, außer ihr habt euch heimlich getroffen?", hauchte er ihr ins Ohr, sein Herz leicht vor Hoffnung, seine Stimme kaum zu verstehen. Konnte es wirklich sein, dass es seinen - Ebereschenfrosts Jungen gut ging?

Er hatte schon fast aufgegeben, sie jemals kennenzulernen. Nun jedoch bestand eine reale Chance, sie zu sehen, mit ihnen zu sprechen, sie, wenn auch aus der Ferne, zu unterstützen. Mit einem kaum sichtbaren Nicken lösten sich all seine Sorgen in Luft auf, sie hatten sie gefunden.

„Die Zwölf suchen noch immer nach Asche, der geheimnisvollen Katze, von der in der Prophezeiung die Rede ist. Iltisfährte konnte sich nachts ein paar Mal davonstehlen", flüsterte sie, nur hörbar, da er direkt neben ihr stand. Von Ebereschenfrost war nie die Rede gewesen, wie der schwarze Kater betrübt feststellte. Entweder sie vertraute ihm nicht oder von der rotbraunen Kätzin waren alle Spuren von der Erde verschwunden.

Er wusste es nicht. Mit einem kapitulierenden Seufzen lotste er die Kriegerin sanft zum Ältestenbau und in Richtung ihrer nahenden Verbannung. Die Zeiten wurden immer düsterer, das spürte er mit jeder Faser seines Pelzes. Irgendetwas nahte heran, eine Dunkelheit, die sich über alles legte, die alle guten Dinge unter sich erstickte.

Schwarzwasser hoffte von ganzem Herzen, dass es der Kätzin, die so bereitwillig ihr Leben aufgegeben hatte, um seine Jungen aufzuziehen, gut ging.

—~—

Theorien?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top