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„Hummi? Tante Hummi? Hallo? Was ist los mit ihr?", fragte eine Stimme, die weit entfernt schien, wie aus einer anderen Welt. Die Kätzin seufzte müde und öffnete erschöpft die Augen.
„Du musst unbedingt wach bleiben, hörst du, Hummel? Gewittermond hat dich ganz schön zugerichtet, aber das ist nichts, was ich nicht wieder hinkriege. Du darfst nur nicht einschlafen", murmelte Schwarzwasser, wie sie nun erkannte und ein brennender Schmerz zuckte durch ihr linkes Hinterbein.
Sie fuhr hoch, prallte mit dem Kopf gegen etwas weiches und sank dann wieder in sich zusammen. Was war bloß passiert? Kaum erinnerte sie sich, zog sie ihre Pfoten an ihren Körper und vergrub ihre Schnauze vor Scham im Moos.
Feuerstern hatte die Teilnehmer für die große Versammlung verkünden wollen, war dann jedoch abgeschweift und hatte sie nach vorne, in den Kreis seiner treuesten Unterstützer, gebeten.
Kaum war sie dort angekommen, hatte er vor dem ganzen Clan verkündet, dass sie wertlos sei, weil sie keine Jungen bekommen konnte. Er hatte ihr bestgehütetstes Geheimnis ohne Grund dem Clan ausgeplaudert und all den Seelen, denen Hummelnacht dort aus dem Weg gehen wollte.
Nur war es nicht dabei geblieben. Gewittermond hatte ihr die Qualen angetan, wegen denen sie nun im Heilerbau lag. Er hatte sie vor den Augen des FlutClans verletzt, sie dem Tode so nahe gebracht, wie ihre Eltern es zulassen mussten, bis sie einschreiten konnten.
„Stimmt es, was Feuerstern gesagt hat, Hummi? Dass du keine Jungen bekommen kannst?", miaute da die jüngste Tochter von Abendlicht und Blaubeerherz, die nun schon drei und einen halben Mond alt und noch nicht wirklich taktvoll war. Der Kriegerin fuhr die Wärme in die Ohren und sie zuckte unwohl mit der Schwanzspitze.
Nachtigalljunges war aber eine solche Honigseele, Hummelnacht konnte ihr nicht böse sein. Die Kleine hatte ein riesiges Herz, aber noch nicht die richtigen Wege, damit auch umzugehen und die passende Situation für Mitgefühl zu erkennen.
„Kleine, ich bin immer noch die selbe Tante Hummi, weißt du? Ich kann nur keine Jungen bekommen, das ist nicht die Welt", schnurrte sie sanft, doch konnte den Stich, den ihr diese Tatsache verpasste, nicht daran hindern, tief in ihre Seele einzudringen und dort seine Spuren zu hinterlassen.
Was würde sie dafür geben, auch irgendwann solch kleine Geschöpfe um sich herumtoben zu haben, die ihr Leben mit einem einzigartigen Licht erfüllten. Nun jedoch musste sie sich erst dem Kätzchen widmen, das immer noch mit weit aufgerissenen Augen vor ihr stand und sie verwundert anblickte, als sei ihr ein zweiter Kopf gewachsen.
„Nachtigalljunges, Dämmerjunges wartet draußen auf dich, du wolltest mit ihm Hauchflügels Junge besuchen, erinnerst du dich?", Abendlicht lotste seine Tochter sanft aus dem Heilerbau und kam dann zu Hummelnacht herüber, um sich ihre Wunden genauer anzusehen.
Ihm stockte wortwörtlich der Atem und der Kater, der seit zwei Monden in der Kinderstube lebte und seine Jungen versorgte, ließ sich geschockt zu Boden fallen. Seine Augen glänzten vor Trauer und mit einem leisen Jaulen presste er seine Schnauze in ihr Fell.
„Was haben sie dir nur angetan, meine liebe Hummel? Du hast das alles nicht verdient, diese Ungerechtigkeit, diese Härte, mit der das Schicksal über dich richtet", murmelte der Krieger in ihren Pelz und schmiegte sich vorsichtig an sie, darauf bedacht, ihre offenen Wunden, die nur mit Kräuterpaste abgedeckt waren, nicht noch mehr zu reizen.
„Ich habe eine Bestimmung hier, eine Aufgabe, die ich erledigen muss. Erst dann wird mein Schicksal erfüllt sein und ich kann endlich in Frieden leben. Abendlicht, Blaubeerherz muss mit zur Großen Versammlung und Lichtrose aus dem FlussClan sagen, das Feuer hat zugeschlagen und unsere Unternehmung muss verschoben werden, bitte", flehte die Kätzin ihren Adoptivvater flüsternd an und der nickte entschlossen.
„Du kannst dich auf mich verlassen, Hummel", mit diesen Worten richtete er sich auf und verzog die Schnauze zu einem liebevollen Lächeln, „selbst wenn Wasser und Erde sich gegen dich erheben, wir sind immer auf deiner Seite. Wir lieben dich von ganzem Herzen und daran wird sich nie etwas ändern."
Die verletzte Kätzin schnurrte und schloss langsam die Augen, in der Hoffnung, sich ein wenig ausruhen zu können. Schnell jedoch hatte sie der Schlaf vollkommen umfangen und ins Reich der Träume entführt. Ihre Pfoten jagten auf den Bahnen der Sterne, ihr Geist tauchte in die tiefsten Meere und ihre Seele versteckte sich auf der Jagd nach einer Maus hinter einigen Farnen.
„Wer bist du denn, kleine Kriegerin?", miaute eine freundliche Stimme hinter ihr und fluchend gab sie ihre Beute auf, die sich sofort verzogen hatte. Ein schlanker, graubraun getigerter Kater stand hinter ihr, seine blauen Augen funkelten freudig und seine Schwanzspitze zuckte schelmisch.
Er blickte sie mit unverhohlener Neugierde an und in seinen Seelenspiegeln konnte Hummelnacht eine Myriade an Fragen erkennen, doch er hielt sie zurück, wartete geduldig auf ihre Antwort.
„Mein Name ist Hummelnacht, aus dem FlutClan", murmelte sie leise und verzog ihre Schnauze zu einem scheuen, schüchternen Lächeln. Da fiel ihr Blick das erste Mal genauer auf sein Fell und sie riss erschrocken die Augen auf, wich zurück. Sterne, glitzernd wie die Sonne auf dem Wasser, tausende von ihnen bedeckten seinen durchscheinenden Pelz.
„Bin ich... bin ich im SternenClan? Bitte nicht, meine Eltern würde die Trauer zerstören! Bitte, Fremder, sag mir, dass ich nicht gestorben bin, tut mir das nicht an, ich kann sie nicht verlassen!", jaulte sie erschrocken, Panik erfasste ihr ganzes Wesen und mit einem schockierten Schrei stürzte sie davon.
Sie musste einfach weg hier, sie musste nach Hause, zu Abendlicht und Blaubeerherz, zu Rosenfall, Safranwind, Minzduft, Salbeiblatt, Nachtigalljunges und Dämmerjunges. Ihre Pfoten trommelten auf dem weichen Waldboden, hektisch atmete sie und zog Luft in ihre protestierenden, stechenden Lungen.
Vor ihr wurde es langsam heller, die Bäume lichteten sich und schon war sie auf einer Wiese angelangt, die durch einen kleinen, plätschernden Bach in zwei Teile geteilt wurde. Eine Gestalt hockte am Ufer, jagte gedankenverloren den kleinen Fischen nach, die aufgebracht im aufgewühlten Nass umherzischten.
„Hummeljunges, ich habe schon darauf gewartet, dass du deinen unfähigen Fellhintern endlich hier herbewegst, weil du es geschafft hast, dich vor lauter Dummheit umzubringen", murrte die Kätzin, die ihr Leben zerstört und gleichzeitig zum Besseren verändert hatte, mit Abscheu in ihrer hübschen, klaren Stimme, an die Hummelnacht sich erinnerte, als sei es gestern gewesen.
Die Erinnerungen, die schrecklichen Momente jener Nacht, die sie verarbeitet hatte, drängten sich mit einem stummen Schrei an die Oberfläche und sie kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen, wandte sich ab, wollte nichts mit dieser Katze, die ihr das Leben geschenkt hatte, zu tun haben.
Schneehummel lachte, ein hässliches, manisches Kichern, das immer weiter anschwoll, bis ihre Ohren piepsten und sich eine eiserne Kralle um ihr Herz legte, immer weiter zudrückend. Keuchend sank die Kriegerin in sich zusammen, denn eine frostige Kälte zog sich über ihr Fell, ließ sie zu Eis erstarren. Alle Hoffnung verschwand, Dunkelheit übernahm ihre Sinne und ein helles Licht leuchtete in der Ferne, lockte sie zu sich.
„Du wirst die Feder im Sturm sein, der Stein im stillen Wasser, der Wind des Wandels. Strebe nach den Sternen, dann wird dir nichts geschehen."
Dies war das letze, was sie hörte, bevor sie nach Luft schnappend die Augen aufschlug. Ein unförmiger Fleck hatte sich über sie gebeugt, dunkel gegen die helle Felsdecke des Heilerbaus. Ihre Sicht wurde schärfer, endlich erkannte sie ihren Besuch.
Dort hockte Rosenfall, einen beschämten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht und Hummelnacht seufzte unhörbar. Sie wollte ihre Familie sehen, nicht die Kätzin, mit der sie seit zwei Monden kein Wort mehr gesprochen hatte. Seit die Dunkelrote sich auf die Seite ihrer Peiniger geschlagen hatte, nichts tat.
Tief atmete sie ein, die Luft entkam ihr in einem gebrochenen Schnurren, belustigt über die verzweifelte Situation, in der sie sich befanden. Feuerstern war sich sicher, die mächtige Kriegerin mit dem roten Fell auf seiner Seite zu haben, während Abendlicht und Blaubeerherz sie lieber bei sich gewusst hätten.
Hummelnacht fühlte sich wie in zwei geteilt. Ihre eine Hälfte, von Rosenfalls Verrat verletzt und enttäuscht, wollte die Dunkelrote fortschicken, die Entschuldigung, die sie sicher mit sich brachte, ablehnen. Doch die andere Hälfte, die ihre Gefährtin trotz aller Fehler immer noch bedingungslos liebte, wollte nachgeben, wie so häufig schon.
Wie oft hatte die jüngere Kriegerin nun schon über die vielen Probleme hinweggesehen, die ihre Beziehung beinhaltete. Wie oft hatte sie schon ignoriert, wenn Rosenfall mit einem Kater flirtete. Wie selten diese sanften, neckenden Worte an sie gerichtet waren. Sie wusste nicht, wie lange sie es noch aushielt.
Die Kätzin kehrte immer wieder zu ihr zurück, bat dann um Vergebung und lief einen halben Mond wie auf Eierschalen um die Tochter Abendlichts' herum, doch nach kurzer Zeit war es wieder wie zuvor, eine schmerzlose Einsamkeit. Wollte sie sich das wirklich weiter antun?
Und als sie in die reuevollen Augen blickte, diese bernsteinfarbenen Iriden, hatte sie ihren Entschluss gefasst.
—~—
Theorien?
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