{ 3.16 }
Mondschatten fiel. Er stürzte, tiefer und tiefer, immer weiter auf die unbarmherzige, verbrannte Erde zu. Keine Schwingen konnten ihn noch auffangen, keine Federn seinen Untergang aufhalten.
Es konnte nicht wirklich sein, sie stand sicher gleich wieder auf. Er konnte sehen, wie ihre Schnurrhaare leicht zuckten, sie war am Leben und würde sicher bald auf ihren Pfoten sein, besonders jetzt, da sich zwei Heiler um sie kümmern konnten.
Eulenstaub und Himmelsflocke waren irgendwo hier, sie mussten sie doch retten können - die Heiler der Clans hatten bisher alles heilen können. Sanft stupste er Ebereschenfrost mit seiner Nase an, versuchte sie zum Aufwachen zu bewegen.
Ihre Augenlider zuckten schwach, sonst zeigte sie allerdings keine Reaktionen zu seinen Berührungen. Mit einem gebrochenen Seufzen schmiegte er sich an sie, vergrub seine Schnauze in ihrem weichen Pelz.
Da erfüllte leises Wimmern sein Gehör und Mondschatten wurde kalt unter seinem Pelz. Beschämt und besorgt wandte er sich um, winkte seine Kinder mit einem leichten Schwanzschnippen zu sich.
Echojunges kam als erstes angesaust und kuschelte sich in die Kuhle, die zwischen seinem Brustfell und der Flanke seiner Gefährtin, seiner Geliebten, seinem Ein und Alles entstanden war. Beruhigend fuhr ihm Mondschatten über den Rücken und summte leise eine ältere Ballade von Mona vor sich hin.
Die anderen Fünf ließen nicht auf sich warten und preschten zu ihm, pressten ihre Körper in seinen Pelz, auf der Suche nach Geborgenheit und Trost. Der WolkenClan-Krieger schluchzte leise und schüttelte verzweifelt den Kopf. Es konnte einfach nicht wahr sein, es musste doch Heilung geben.
„Mondschatten? Bei den Clans kann ihr vielleicht geholfen werden, aber dafür müsst ihr zurückkehren", meinte Himmelsflocke leise an seiner Seite und sah auf die Jungen herunter, die tief und fest schliefen.
Es wunderte ihn nicht, so lang und aufregend, wie der Tag gewesen war. Schließlich nickte er entschieden: „Wir kommen mit euch. Aber Ebereschenfrost und meine Jungen liegen auf der Transporttrage, sie brauchen viel Ruhe."
Lichtrose, eine FlussClan-Kriegerin, die sich zuvor verletzt hatte, lächelte ihm zu und versicherte mit einem Ohrenzucken, dass diese Änderung für sie in Ordnung war. Als Mondschatten sie näher betrachtete, fiel ihm etwas ungewöhnliches auf, ihr Bauch war geschwollen und sie schützte ihn immerzu.
Wie lange war die Kätzin schon trächtig? Mandelfall konnte unmöglich der Vater sein, es sei denn, sie hatten sich vor der Reise schon einmal getroffen. Aber nach den Erzählungen, die er bisher gehört hatte, hatten die beiden sich und ihre Liebe erst vor knapp einem Mond gefunden.
Lichtrose war sicher schon seit einem und einem Viertelmond trächtig, irgendetwas stimmte da nicht. Nachdem sich die Königin abgewandt hatte, flüsterte er zu ihrer Schülerin Strompfote: „Von wem sind ihre Jungen? Nicht von Mandelfall, so viel ist sicher."
Strompfote schüttelte den Kopf und gab ihm einen Blick, der nach „Später" geradezu schrie. Sie wollten aufbrechen, also packte Mondschatten behutsam Echojunges am Nackenfell und trug ihn zum Transportschlitten.
Strompfote half ihm stillschweigend und gemeinsam trugen sie die Jungen, ohne auch nur eines aufzuwecken. Als letztes hob der Krieger seine Gefährtin vorsichtig auf seinen Rücken und ließ sie auf das Geflecht aus Ästen gleiten.
Er leckte ihr noch einmal sanft über die Wange, dann packte er entschieden den Schlitten, unterstützt von Cody, und verließ das Lager der Zwielichtläufer, unwissend, dass er nicht zurückkehren würde.
Mona lächelte gequält und schien bereits jetzt seine Freunde zu vermissen, doch Mondschatten hatte keine Wahl. Sie mussten zurückkehren.
Als sie die Stadt verlassen hatten, meldete sich Tannenfunken das erste Mal zu Wort, seit sie aufgebrochen waren: „Zu welchem Clan wollen wir gehen? Beim nächsten Mondhoch ist Vollmond und Große Versammlung, wir könnten also morgen Nacht zu unseren Clans zurück. Die Frage ist nur, wo wir bis dahin bleiben, denn Ebereschenfrost braucht dringend Hilfe."
Eine SchattenClan-Kätzin, deren Namen der WolkenClan-Krieger sich nicht gemerkt hatte, sprang sofort darauf an und miaute entschieden: „Zum SchattenClan können wir gehen. Wir sind offen für Neuankömmlinge und Fremde."
„Aber der FlutClan hat den besten Heiler, Schwarzwasser kennt sich sehr gut mit solchen schwierigen Krankheiten aus", miaute Bronzeblut, doch Mondschatten wurde kalt, als er das auch nur hörte.
Der Giftmischer hatte seine Gefährtin im Auftrag von Feuerstern vergiftet, das würde er nie vergessen. „Nur über meine Leiche betreten meine Kinder diesen Ort", grollte er drohend und Bernsteinsonne lächelte ihm unterstützend zu, also fuhr er fort, „wir gehen zum WolkenClan, der Weg ist zwar weiter als zu den Schatten oder der Flut, aber nur Eisenstern vertraue ich, denn sie ist immer noch meine Anführerin."
Sie erreichten das WolkenClan-Territorium kurz vor Sonnenhoch und dem Krieger wurde warm ums Herz. Er war zuhause. Sanft weckte er seine Jungen, die sich erstaunt umsahen, bevor Häherjunges auch schon anfing, die ersten Fragen zu stellen. Die Kleine war schon immer die Neugierigste von ihnen allen gewesen.
„Papa, warum sind hier so viele Bäume? Ich hab in meinem Leben noch nie so viele Bäume gesehen! Echo, schau mal, da fliegt ein Falke!", jaulte die Kätzin aufgeregt und streckte ihren Schweif vor Freude steil in die Höhe. Ihr kleiner Bruder blickte seine Schwester bewundernd an und sah dann auch in den Himmel, um den Raubvogel zu finden, den sie entdeckt hatte.
Die Graugetigerte bemerkte Dinge, die sonst niemandem auffielen und hatte eine schnelle Auffassungsgabe, was sie zu einer ausgezeichneten Jägerin machen würde, wenn sie älter war, dessen war sich Mondschatten sicher. Stolz blickte er auf seine Jungen herab, doch seine Gedanken schweiften erneut zu seiner Gefährtin. Sie sollte das hier auch mitbekommen, ihre Kinder setzten das erste Mal ihre Pfoten auf Clanboden.
Ihre zusammengesunkene Gestalt lag auf den verwebten Ästen, ihr Brustkorb hob sich nur schwach und sie hustete immer wieder keuchend. Der Krieger war nicht dumm, er wusste genau, dass Eulenstaub regelmäßig mit nassem Moos über ihr Fell fuhr, um das Blut zu überdecken, das sie hustete. Ebereschenfrost starb, und Mondschatten hoffte zutiefst, dass sie es noch bis ins WolkenClan-Lager schafften, damit sie zuhause von ihnen ging und nicht irgendwo auf fremdem Terrain.
Er wollte ihr ihre letzte Reise so angenehm wie möglich machen, denn wenn sie schon zum SternenClan wandern musste, dann nicht ohne ihre Heimat ein letztes Mal gesehen zu haben. Er hoffte nur, die sechs kamen darüber hinweg.
Wo immer Ebereschenfrost hinging, er würde ihr folgen, ein allerletztes Mal.
Sie tappten durch den Eingang ins Lager und seine Schwestern Rauchflügel und Wunschrose stürzten auf ihn zu, liebkosten ihn, fragten ihn, wo er gewesen war, doch all das kam nur wie ein Rauschen bei ihm an. Sein Blick blieb an Ebereschenfrost hängen, die schwach mit ihren Lidern blinzelte, als wüsste sie gar nicht, wo sie war.
Kaum ihren Kopf heben konnte sie und doch lag in ihren Augen eine tiefe Ruhe und Dankbarkeit, als Kuckucksjunges mit einem Aufschrei seinem Kopf in ihrem Nackenfell vergrub. Kurz darauf hatten sich alle sechs um sie versammelt und Mondschatten riss sich von seinen Wurfgefährtinnen los, trug seine Gefährtin sanft in den Heilerbau.
Mehrfach stolperte er fast über Krähenjunges, der es schaffte, ihm zwischen die Pfoten zu springen. Oder aber er stieß gegen Schleiereulenjunges, der wie eine besorgte Entenmutter um ihn herumwuselte. Echojunges hingegen wollte überhaupt nicht mehr von der Flanke seiner Mutter herunterkommen und so schleppte der Krieger ihn einfach mit.
Kaum hatte er sie in einem Nest abgesetzt, schmiegte er sich an sie und fuhr ihr liebevoll mit der Zunge über den Pelz, während sich die Jungen zwischen seine Pfoten oder an ihr Fell kuschelten.
„Mondschatten", krächzte die wunderschöne Kätzin mit dem rotbraunen Pelz und sah ihn müde an, „ich kann nicht mehr. Himmelpelz ist hier, Aschenstern auch. Valery, Ottersturm, Jubelfunke, Dohlenjunges. Sie sind alle hier, siehst du sie nicht?"
Ihre Stimme wurde zum Ende hin immer leiser und der Kater jaulte entsetzt auf. Sie konnte nicht gehen, sie konnte ihn nicht alleine lassen, konnte Häherjunges und Echojunges, Schleiereulenjunges und Kuckucksjunges, Rabenjunges und Krähenjunges nicht mutterlos zurücklassen.
„Ebereschenfrost, geh nicht! Wir brauchen dich doch, ich brauche dich. Denk an Schleiereulenjunges, an Rabenjunges, Echojunges, Kuckucksjunges, Krähenjunges, Häherjunges. Was sollen sie denn ohne dich tun? Pfote, tu uns das nicht an", verzweifelt vergrub er seine Nase in ihrem weichen Fell.
„Meine - Kleinen, Mami hat euch so, so lieb. Ich liebe euch, ich liebe dich", hauchte Ebereschenfrost, ihr bernsteinfarbener Blick traf ihn tief in seiner Seele und ihr Herz verstummte, nur ein einzelnes Wort huschte in ihrem letzten Atemzug noch über ihre Lippen, „Mondschatten."
Ein Laut verließ seine Kehle, ein solch schmerzerfüllter Schrei, wie ihn nur ein unheilbar gebrochenes Herz verursachen konnte und jeder wusste, etwas schreckliches war geschehen.
Nur zwei funkelnde Augen im Gebüsch schienen bei den Qualen, die die Familie erlitt, triumphierend aufzublitzen.
Es hatte begonnen.
Und bald schon würde der Wald brennen.
—~—
Ich habe euch wahrscheinlich ganz schön geschockt T.T und ich wollte auch nicht, dass das passiert, glaubt mir, aber es ging nicht anders.
Theorien?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top