KAPITEL 36 | PORTER

Es tut gut einmal nicht derjenige sein zu müssen, der eine Party schmeißt. Auf den Homecoming-Ball habe ich mich eigentlich deshalb die ganze Zeit gefreut, weil ich dachte, Maya wäre diejenige, mit der ich herkommen würde. Strengermaßen bin ich ja auch mit ihr hier.

In Wirklichkeit sehe ich mich aber nach einem anderen Mädchen um. Nach jemandem, die ich am Anfang des Schuljahres nicht ausstehen konnte und die mich jetzt völlig von den Socken haut. Britt ist noch nicht hier, aber das hat sie mir bereits geschrieben. Da wir in den letzten Tagen so sehr damit beschäftigt waren meinen großen Bruder verhaften zu lassen, muss sie jetzt noch schnell ihre Sachen für morgen packen.

Sie war einverstanden damit, dass wir uns erst hier treffen würden. Ich wollte die Fahrt zur Schule mit meinen besten Freunden verbringen, um ihnen erstens klarzumachen, dass heute Abend nichts schiefgehen wird und sie sich zweitens verdammt noch mal zusammenreißen sollen. Es kann doch nicht so schwer für Maya und Auden sein sich deren Gefühle von der Seele zu reden, oder?

Anscheinend schon, denn bevor die beiden überhaupt miteinander reden können, wird Auden von Warren und Stacey von Maya weggezogen. Warren und Stacey sehen beide so aus, als müssten sie etwas ganz Wichtiges mit ihnen besprechen, während ich mich zu Daniel und Kyler, den französischen Zwillingen, geselle.

»Ihr seht nicht so aus, als hättet ihr viel Spaß«, werfe ich schmunzelnd ein.

Daniel seufzt. »Abraham ist krank.«

Kyler seufzt ebenfalls. »Stacey ist bei Warren.«

Das klingt deprimierend.

»Anstatt hier herumzustehen und so auszusehen, als wärt ihr gerade vom Friedhof gekommen, könntet ihr euch beide einen Tanzpartner suchen und einen schönen Abend haben.« Um ihnen einen kleinen Schubs zu geben, gebe ich ihnen wortwörtlich einen kleinen Schubs, sodass sie ein wenig nach hinten taumeln. »Das Junior Year ist vorbei und das bedeutet, es gibt etwas zum Feiern.«

Zunächst wirken beide nicht wirklich motiviert von meiner Rede, dann geht Kyler jedoch auf ein Mädchen zu, das gerade an uns vorbeigelaufen ist. Zwei Minuten später tanzen die beiden und sogar mir entgeht Staceys Starren nicht. Wer das Mädchen wohl ist, mit dem Kyler tanzt?

»Lowen Maples«, beantwortet Daniel meine Frage, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Sie steht schon seit Monaten auf Ky, aber ihm sind ihre Blicke nie aufgefallen.«

»Das klingt nach Kyler«, gebe ich zu. »Du willst also wirklich nicht tanzen?«

Daniel trinkt seinen Becher leer und sieht sich dann seufzend um. »Nein, ich glaube eher, dass ich nach Abby sehe. Immerhin haben wir ja noch nächstes Jahr einen Ball, nicht wahr? Du kommst doch hierher, wenn wir unseren Abschluss machen?«

»Wenn es mir möglich ist, dann sofort«, verspreche ich ihm. »Ich komme so oft nach Winchester, wie ich nur kann.«

Als ich jetzt auf die Tanzfläche sehe, tanzen Lowen und Kyler sowie Stacey und Warren miteinander. Maya steht auf der einen Seite des Raums, Auden auf der anderen. Das heißt, ich muss dringend eingreifen, weil die beiden sonst heute tatsächlich gar kein Wort mehr miteinander wechseln werden.

Von Daniel verabschiede ich mich, dann gehe ich zu Auden, der von irgendeinem Mädchen angequatscht wird. Ich schicke sie weg, indem ich mit meiner Hand ein wenig herumwedle, was erstaunlich gut hilft. Sobald sie außer Hörweite ist, boxe ich Auden gegen die Schulter, was mir wahrscheinlich mehr wehtut als ihm.

»Was ist?«, fragt er nur, als hätte ich ihn gerade beim Punschtrinken gestört.

Ich seufze. »Was hält dich davon ab zu Maya zu gehen, Auden? Wenn du es ihr schon nicht sagen kannst, dann sag es mir.«

Auden fährt sich mit der flachen Hand über das Gesicht und stellt den leeren Becher auf dem Tisch neben ihm ab. »Sie will jemanden, der zu hundert Prozent offen zu ihr ist, Porter, und das werde ich offensichtlich nie sein.«

»Also gibst du einfach auf«, stelle ich fest. »Wirst du dich jemals irgendwem anvertrauen? Ich verstehe, dass dir viel passiert ist, aber Maya ist für dich da. Das war sie immer und wird sie immer sein. Weißt du nicht, was für ein Glück du hast?«

Auden schluckt. »Doch, genau das ist es. Warum habe ich so ein Glück?«

Am liebsten hätte ich die Schüssel mit dem Punsch über seinen Kopf geschüttet. »Weil du es verdient hast, Auden. So einfach ist es.«

Er sieht kurz zu Maya und seine Augen sind so voller Liebe, dass ich mich fast frage, ob ich Britt genauso ansehe. Als hätten meine Worte etwas in ihm bewirkt, geht er auf sie zu und lässt mich stolz lächelnd zurück. Auden wäre eben nicht Auden, wenn er manchmal einen verbalen Arschtritt bräuchte, um zu verstehen, dass ich ihm nur Gutes wünsche.

Meine Augen schweifen über den riesigen Raum und beäugen die blauen und weißen Ballons an den Wänden. Bei der Eingangstür bleibt mein Blick stehen, weil Britt dort ihre Jacke gerade auszieht und sich beeindruckt umsieht. Sie trägt ein langes nachtblaues Kleid, das sich an ihre Kurven schmiegt und in dem Licht ein wenig glänzt. Ihre Haare sind glatt und hinter ihren Ohren, wobei von der roten Farbe nun schlussendlich nichts mehr zu sehen ist. Als sie mich entdeckt, strahlt ihr Gesicht gleich noch mehr.

»Hey«, sagt sie, als sie vor mir steht und einmal tief durchatmet. »Wie ist das Gespräch mit Maya und Auden gelaufen?«

»Es war ...« Ich sehe mich im Raum um, aber meine besten Freunde haben offensichtlich die Fliege gemacht. Da ich mir denken kann, was sie in diesem Moment tun, muss ich bis über beide Ohren grinsen. »Sagen wir es mal so: Alles ist gut so, wie es ist. Auden ist bei Maya und ich bin hier. Bei dir.«

Sie streicht meine Krawatte glatt und sieht leise lachend zu mir hoch. »Das war kitschig.«

»Ich bin selten kitschig, aber heute ist ein besonderer Anlass«, entgegne ich, während ich die Blume an meinem Anzug abnehme und sie um ihr Handgelenk binde.

Sprachlos sieht sie auf die Blume und berührt sie lächelnd. »Ich bin so froh, dass ich hergekommen bin, obwohl ich kurz davor war den Ball sausen zu lassen. Als ich meine Sachen gepackt habe, wurde mir klar, dass ich Winchester doch irgendwie vermissen werde. Zum Glück bin ich da nicht die Einzige.«

Sie legt die Hände auf meine Brust und küsst mich sanft auf die Wange. Ich schlucke schwer und bekomme eine Gänsehaut, die sie glücklicherweise nicht bemerkt. Am liebsten würde ich Britt einfach nehmen und irgendwohin bringen, wo wir allein und ungestört sind, aber das hier ist das letzte Event, bevor wir gehen. All unsere Freunde sind hier und Stacey und Kyler wollen sich gerade offensichtlich gegenseitig eifersüchtig machen. Obwohl ich es will, kann ich nicht einfach mit Britt gehen.

Es wirkt so, als wäre sie gerade ebenfalls lieber woanders mit mir. Ihre Finger krallen sich in meinen Anzug, als sie sagt: »Ein Tanz und dann sind wir hier weg?«

»Ich hatte gehofft, dass du das sagst.«

Schnell greife ich nach ihrer Hand, woraufhin sie mich direkt zwischen Stacey und Kyler zieht, die immer noch mit ihren Tanzpartnern tanzen. Britt zieht die Augenbrauen nach oben, um mir zu zeigen, dass sich Stacey und Kyler schon nicht in die Haare kriegen werden, wenn wir mitten drinnen sind.

Stumm lege ich meine Hand auf ihrer Taille ab, woraufhin sie sich an meiner Schulter festhält. Der Song, der gespielt wird, ist leise, aber es ist nicht so perfekt, wie ich es eigentlich will.

Paxton ist derjenige, der heute Abend für die Musik zuständig ist. Nachdem ich dem Direktor erklärt habe, was die Prügelei zwischen uns sollte, war ich einverstanden damit, dass Paxton den DJ am Homecoming spielt und ich dafür eine Woche lang nachsitzen würde. Deshalb war ich nicht Zuhause, als Roamer und Auden miteinander geredet haben.

Jetzt nicke ich Paxton leicht zu, damit er das Lied anmacht, das spielen soll, wenn Britt und ich wie jetzt miteinander tanzen. Widerwillig ändert Paxton den Song und hält mir dann seinen Lieblingsfinger hin, was ich mit einem Lächeln quittiere.

»Porter, ist das ...?« Verwundert lässt Britt die Frage in der Luft hängen, als sie das Lied wiedererkennt, das ich für sie geschrieben habe. Ich habe es nicht nur fertiggeschrieben, sondern ebenfalls mit einem Text aufgenommen, was sie zu freuen scheint. »Singst du das?«

Ich nicke nur, weil ich zu mehr nicht imstande bin. So etwas habe ich noch nie für ein Mädchen — oder irgendwen — gemacht, deshalb kann ich zugeben, dass ich vielleicht ein wenig nervös bin.

»Du singst so schön«, sagt sie, bevor sie den Kopf auf meiner Brust ablegt und wir uns weiterhin zur Musik bewegen. Mein Herz rast in meiner Brust, aber es scheint sie nicht zu stören, denn wir verbleiben so, bis der Song zu Ende ist.

Stacey und Warren sind jetzt nirgends zu sehen und Kyler scheint immer noch viel Spaß mit Lowen zu haben. Voller Vorfreude sehe ich zu Britt, die schon auf den Ausgang zeigt und es ebenfalls kaum erwarten kann. Der Ausgang führt zurück in die Schulkorridore, wo sie in Richtung Musikraum läuft. Ich war lange nicht mehr so aufgeregt, während ich ihr folge und die Tür in dem stockdunklen Raum mit den Instrumenten leise schließe.

In dem Moment, in dem ich mich umdrehe, liegen Britts Lippen schon auf meinen. Nur das Mondlicht strahlt durch die Fenster, als wir langsam auf einen der Tische zugehen und uns immer wieder küssen. Sie ist definitiv nicht das erste Mädchen, das ich küsse, aber sie ist die erste, bei der ich so aufgeregt bin, dass ich kaum klar denken kann.

»Ich ... ich liebe dich«, murmele ich irgendwann zwischen unseren Küssen.

Sie löst sich verwundert von mir und zieht ein wenig die Augenbrauen zusammen. »Was hast du gesagt?«

»Du hast mich schon gehört.«

Sie grinst. »Ich konnte leider nichts verstehen. Du hast irgendwie so undeutlich gesprochen.«

»Ich liebe dich«, wiederhole ich noch einmal. Anders als bei Auden sind die Worte hier natürlich anders gemeint. Und ich will, dass Britt es weiß, weil sie oft den Eindruck macht, als hätte sie keine Ahnung von meinen Gefühlen.

Sie umschließt mein Gesicht mit ihren Händen und zwingt mich somit in ihr hübsches Gesicht zu sehen, das jetzt glücklich strahlt. »Ich liebe dich auch, obwohl du manchmal der größte Idiot auf dieser Welt bist.«

»Liebeserklärungen üben wir noch, Rapunzel.«

Britt grinst breit, während sie ihre Haare hinter die Ohren streicht, unsere Finger miteinander verwebt und das Gesicht an meine Brust drückt. »Dafür, dass es meine erstes ›Ich liebe dich‹ war, ist es ganz okay gewesen, findest du nicht?«

Ich lächle ebenfalls, als mir plötzlich viel zu warm wird, weshalb ich die Anzugjacke langsam ausziehe. Sie hilft mir, sie von meinen Schultern abzustreifen und öffnet dann nur die obersten zwei Knöpfe meines Hemdes. Meine Wangen sind mit Sicherheit rot, als sie über die freigewordene Haut streicht und sie dann liebevoll küsst.

Meine Atmung geht derweil nur noch flach und trotzdem lasse ich mir Zeit damit, den Reißverschluss ihres Kleides nur langsam zu öffnen und es ihr abzustreifen. Es freut und beruhigt mich irgendwie, dass sie ebenfalls aufgeregt ist, als meine Fingerspitzen nur langsam über ihren BH streichen und einen Träger nach unten schieben.

In dem Moment, in dem ich den anderen Träger zu fassen bekomme, legt sie ihre Hand auf meine und küsst mich kurz und leidenschaftlich auf die Lippen.

»Ich ... ich kann kaum fassen, dass ausgerechnet ich das sage, aber ich glaube, ich will warten, Porter.«

»Okay, auf was?«, frage ich gespielt ahnungslos und sehe zu der immer noch verschlossenen Tür hinter uns. »Wartest du auf Publikum?«

Sie lacht leise. »Nein, ich finde nur, dass das hier«, sie macht eine ausladende Geste durch den Raum, »nicht der richtige Ort ist, um das erste Mal Sex zu haben.«

Sprachlos weiten sich meine Augen. Sie will nicht hier mit mir schlafen, weil sie dabei an mich und nicht an sie denkt? Meinetwegen könnten wir es auch in einer Mülltonne tun.

Wenn ich es mir aber recht überlege, ist das hier nicht nur mein erstes Mal. Es ist unser erstes Mal zusammen und das sollte vielleicht wirklich nicht im Musikraum der Millbrook passieren. Obwohl es mich jegliche Überwindung kostet, ihr nicht diesen verdammten BH-Träger abzuziehen, lasse ich von ihr ab. »Vielleicht hast du recht, Britt. Mir sind Kerzen, Rosenblätter und Handschellen auch wichtiger.«

»Die Handschellen sollten wir fürs Erste weglassen«, entgegnet sie. »Kerzen sind viel zu warm und machen mir Angst, dass ein Feuer ausbrechen könnte und Rosen ... Rosen mag ich.«

Ist vermerkt.

»Dann sollte ich dich jetzt lieber nicht mehr anfassen, weil die Beule in meiner Hose ziemlich beachtlich ist und du es ja leider nicht sehen willst.«

»Na ja, man kann andere Dinge tun, als den Penis nur reinzustecken, Porter«, entgegnet sie völlig schamlos, was mir irgendwie an ihr gefällt. »Es gibt noch ganz andere Dinge.«

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