KAPITEL 34 | PORTER

»Kaum zu glauben, dass das Schuljahr schon vorbei ist, oder? Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, als wir die Willkommensparty geplant haben, du jeden dazu gezwungen hast bei der Kuss-Deadline mitzumachen und aus Versehen zwei Zettel mit Mayas Namen eingesammelt hast, Porter.«

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich Warren fragend an. »Ich wollte zwar nur etwas von deinem Popcorn haben, aber danke für die kurze Zusammenfassung.«

Kyler grinst neben mir und gibt mir seine Tüte ab. »Porter, erinnerst du dich überhaupt noch daran, dass ich derjenige war, der zwei Zettel mit Mayas Namen in die Schüssel getan hat? War das nicht witzig?«

»Es war zum Schreien«, entgegne ich nur. »Wortwörtlich.«

Sogar Britt muss neben mir ein wenig schmunzeln, ist aber eigentlich alles andere als entspannt. Das letzte Basketballspiel vor dem Homecoming-Ball geht in wenigen Minuten los und sie sitzt in ihrer ziemlich ansehnlichen Cheerleader-Uniform neben mir auf der Tribüne, obwohl sie eigentlich da unten bei Stacey und den anderen sein müsste. Daniel und Abraham stehen ein paar Meter von uns weg, weil sie Fotos für das Jahrbuch machen müssen und Warren und Kyler sehen Stacey, die sich gerade aufwärmt, schamlos an.

Maya ist nicht da. Ich hatte in den letzten Wochen fast keine Gelegenheit mit ihr über die wirklich wichtigen Dinge zu reden, wie zum Beispiel, dass sie Auden geküsst hat. Ich will es ihr auf keinen Fall übelnehmen, aber ich habe irgendwie gehofft, sie würde den ersten Schritt auf mich zu machen. Immerhin sind sie und ich doch noch Freunde, oder?

Ich hoffe es wirklich, denn ich brauche Maya als Freundin mehr, als ich mir bisher eingestehen wollte.

Dummerweise habe ich die Kuss-Deadline verloren. Wenn ich Britt jedoch ansehe, fühlt es sich nicht ganz zu schlimm an, nicht gewonnen zu haben. Und wenn ich wiederum mich ansehe, würde ich tatsächlich am liebsten schreien.

Als Strafe musste nämlich ich mich als Eddie, das Eichhörnchen, am letzten Basketballspiel dieses Jahres verkleiden. Der Kerl, der eigentlich das Schulmaskottchen ist, war heilfroh, dass ich ihm diese Bürde dieses Mal abgenommen habe, also hat es doch eine gute Sache.

Trotzdem sehe ich absolut lächerlich aus.

»Es fängt gleich an.« Britt rutscht unruhig auf der Bank herum und scheint mein Erscheinungsbild heute alles andere als schlimm zu finden.

Ich lege eine Hand auf ihr Bein, was die gewünschte Reaktion zeigt. Sie sitzt still und sieht mit großen Augen zu mir auf. »Sei nicht nervös, okay? Du bist so unglaublich, dass ich sowieso nur auf dich anstatt auf Auden gucken werde.«

Ihre Augen wandern über mein Kostüm, dann schluckt sie schwer und kommt mir ein wenig näher. »Wie schaffst du es eigentlich in allem, was du trägst, heiß auszusehen?«

»Das ist eine meiner Gaben«, entgegne ich grinsend, obwohl ich mich gerade alles andere als attraktiv fühle.

Britt ist nur für kurze Zeit von meinem Aussehen abgelenkt, dann wird sie wieder nervös. »Es ist das letzte Spiel, bevor wir wegziehen, Porter. Ich will einfach niemanden enttäuschen.«

»Das wirst du nicht«, beharre ich.

Doch sie schüttelt tief durchatmend den Kopf. »Was ist, wenn das hier das allerletzte Spiel ist, das ich anfeuern werde? Was ist, wenn ich in Kansas nicht in das Team komme und ich dann —«

Weil ich nicht weiß, wie ich sie anders beruhigen soll, umschließe ich ihr gerötetes Gesicht mit meinen Händen und lege meine Lippen auf ihre. Sie weicht zunächst überrascht zurück, weil sie wohl nicht damit gerechnet hätte, dass ich sie hier vor allen Schülern küssen würde. Dann zögert sie jedoch nicht mehr und presst ihren Mund mindestens so leidenschaftlich auf meinen, wie ich es zuvor getan habe.

Als sie sich von mir löst, atmen wir beide schwer.

»Danke«, sagt sie nur und muss sich von einem Grinsen abhalten. »Das war sehr ... ähm ... erfrischend.«

Ich lache leise, küsse sie ein letztes Mal auf die Wange und zeige dann auf das Cheerleader-Team. »Geh hin, bevor du deinen Einsatz verpasst.«

»Herrische Anreden sind mein Ding«, sagt sie nur grinsend, bevor sie die Treppen nach unten rennt.

Ich sehe ihr hinterher, meine Lippen kribbeln von ihrem Kuss und mein Herz rast immer noch. Ich könnte jetzt wie immer die nächsten zehn Sekunden damit verbringen mir den Kopf darüber zu zerbrechen, warum ich für Britt so fühle, wie ich nun einmal fühle, aber das würde weder ihr noch mir irgendetwas bringen.

Die Wahrheit ist, dass ich insgeheim weiß, wie viel Britt mir bedeutet. Das heißt nicht, dass Maya mir egal ist, denn das wäre schlichtweg unmöglich, aber es ist einfach nicht mehr dasselbe. Maya liebe ich, wie man eine beste Freundin liebt, aber bei Britt ... da habe ich kaum Zeit mich in den Griff zu kriegen, weil ich bei ihr die intensivste Version von mir bin, die es überhaupt gibt.

»Danke für die Show, Sinclair.« Warren reißt endlich seinen Blick von Stacey los und erhebt sich von der Tribüne. Er und Kyler hatten, wie ich es mir gedacht habe, keine Augen für mich und Britt, was mir nur recht ist. Grinsend greift Warren nach Kylers Arm und zwingt ihn ebenfalls aufzustehen. »Maya kommt, deshalb gehen wir jetzt besser.«

Alarmiert sehe ich mich um und obwohl die ganze Schule hier versammelt ist, sehe ich sie sofort. Ihre roten Haare werden vom Wind herumgewirbelt und ihr Blick gilt zunächst Auden, dann Stacey und jetzt mir. Sofort breitet sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus, das ich sofort erwidere. Sobald Maya in meiner Nähe ist, lächle ich immer.

»Mes deux petites lubriques sont réunis«, säuselt Kyler, bevor Warren ihn augenverdrehend von mir wegzieht und ein paar Treppen weiter nach unten zerrt. Ich grinse, weil sie sowieso nur näher bei Stacey sein wollen. Wie diese Geschichte mit den dreien wohl ausgehen wird ...

»Darf ich mich neben dich setzen?«

Ich sehe auf und grinse Maya breit an. »Was würdest du machen, wenn ich Nein sage?«

»Versuchen so würdevoll wie möglich wegzugehen und mein Popcorn allein zu essen«, entgegnet sie, während sie ihre kleine Tüte in die Höhe hält.

Sofort mache ich ihr Platz und greife in das knisternde Papier. Ich will mich schon entschuldigen ihr so viel Popcorn wegzunehmen, als sie nur abwinkt und mir die ganze Tüte in die Hände drückt. Allein dafür hätte ich sie am liebsten umarmt, aber es wäre wohl besser, wenn wir ein bisschen Abstand bewahren.

»Hübsches Kostüm«, wirft sie irgendwann ein.

Meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus, als ich sage: »Streng genommen ist es deine Schuld, dass ich das hier trage.«

Sie grinst daraufhin nur siegessicher.

»Warren wollte mir nichts von seinem Popcorn abgeben«, sage ich, um die Stille zu überbrücken. Weil ich dabei wie ein kleines Kind kriege, dem sein Lieblingskuscheltier weggenommen wurde, räuspere ich mich schnell und rede weiter. »Er hat außerdem von der Kuss-Deadline geredet. Ich kann kaum glauben, dass es schon fast ein Jahr her ist, seit ich dieses Spiel angefangen habe.«

Maya streicht sich mit beiden Händen die Haare hinter die Ohren und nickt zustimmend. »Die Zeit ist wirklich schnell vergangen. Normalerweise ist mir ein Schuljahr immer wie fünf Schuljahre auf einmal vorgekommen. Dieses Mal war es anders. Dieses Mal hatte ich Auden und dich.«

Ich weiß nicht, ob sie es als Kompliment meint, also schweige ich. Sie soll ruhig spüren, wie sehr es mich getroffen hat, dass wir in den letzten Wochen kaum miteinander geredet haben.

Maya seufzt. »Porter ...«

»Cherry ...«, sage ich gleich danach.

Sie sieht mich an und muss bei dem Spitznamen grinsen. Ich habe fast vergessen, wie süß sie aussieht, wenn sie so guckt wie in diesem Moment. »So hast du mich schon lange nicht mehr genannt.«

Ich schlucke schwer. »Ich hätte dich so genannt, wenn du mit mir geredet hättest.«

Obwohl das Spiel längst angefangen hat, sehen wir uns immer noch an. Maya würde am liebsten zu Auden und ich zu Brittany schauen, aber dieses Gespräch haben wir schon viel zu lange aufgeschoben. Es wird wirklich Zeit, dass sie mit der Sprache herausrückt. Denn wenn wir nicht darüber sprechen können, was sie für Auden und ich für Britt empfinde, dann ... dann weiß ich nicht, ob wir überhaupt noch richtig befreundet sein können.

Maya weiß das, da bin ich mir sicher. »Ich schätze, Auden hat dir von dem Kuss erzählt.«

»Ich habe jedes Detail aus ihm herausgequetscht«, gebe ich stolz zu. »Es war mit Zunge, ihr habt es im Josie's miteinander getrieben und für ihn war es — ich zitiere — ›genauso, wie er es sich seit fast einem Jahr vorgestellt hat‹.«

Maya sieht mich überrascht an, weil sie nicht damit gerechnet hat, dass mir die Worte so einfach von den Lippen kommen. Ich selbst habe um ehrlich zu sein auch nicht damit gerechnet.

Als sie nach ein paar Sekunden immer noch nichts sagt, hebe ich langsam die flache Hand. »Schlag wenigstens mit mir ein, Cherry. Es war dein allererster Kuss und Auden hat noch nie so über einen einfachen Kuss geredet. Wirklich bemerkenswert.«

Sie schlägt natürlich nicht ein. Stattdessen wird ihr Gesicht ganz rot und dann fängt sie plötzlich an zu lachen.

Laut.

So laut, dass uns alle Schüler um uns herum anstarren.

Doch es kümmert sie nicht, denn sie wischt sich immer noch kichernd die Lachtränen aus den Augenwinkeln. »Ich kann nicht fassen, dass du mit einem High Five auf den Kuss reagierst, Porter. Das ist so typisch für dich und ich frage mich, warum ich mir wegen dieses Gesprächs die ganze Zeit solche Sorgen gemacht habe.«

»Das weiß ich auch nicht«, entgegne ich grinsend. »Ich bin der Letzte, der dir oder Auden den Kopf abreißen würde. Insgeheim wusste ich es doch sowieso, Cherry.«

Jetzt lacht sie nicht mehr. »Was wusstest du?«

»Dass ihr perfekt füreinander seid«, gebe ich zu.

Maya sieht bedrückt auf das Basketballfeld und sucht wahrscheinlich nach Auden. Ich werfe einen kurzen Blick auf Britt, die einfach umwerfend aussieht. Sie schafft es mich mit ihren Bewegungen und ihren anfeuernden Worten sofort aufzumuntern, wobei ich mir immer mehr wünsche, sie würde irgendwann für mich turnen.

Ich schlucke, als ich mir das Ganze ein wenig zu detailliert vorstelle.

»Ich freue mich auch für dich, weißt du?«, sagt Maya neben mir. »Du bringst das Beste aus Britt heraus.«

»Britt?«, hake ich überrascht nach.

Sie grinst und erzählt mir von Brittanys kurzem Besuch im Josie's. Anfangs traue ich mich nicht Maya ebenfalls etwas anzuvertrauen, aber dann entschließe ich mich doch dazu ihr von dem Kuss vor ein paar Tagen zu erzählen. Ich schwärme dabei nicht zu viel — nur in Gedanken — und bin froh, dass es nicht komisch zwischen Maya und mir ist.

Eigentlich fühlt es sich an wie davor. Dass wir immer das Beste für den jeweils anderen wollen, hat sich definitiv nicht geändert.

»Wo wir schon so ehrlich zueinander sind«, wirft sie irgendwann seufzend ein. »Auden und ich reden nicht mehr miteinander.«

»Dafür hast du ihn vorhin aber ganz schön mit deinen Blicken ausgezogen. Was ist passiert?«

Sie verkneift sich ein Grinsen. »Ich will dich ja um Rat fragen, aber erstens gibst du schreckliche Ratschläge und zweitens weiß ich nicht, ob ich es dir erzählen sollte. Vielleicht will er es nicht. Schließlich bist du immer noch sein bester Freund.«

Die Tatsache, dass Maya, Auden und ich uns immer noch in einem Dreieck befinden, wo niemand so richtig weiß, ob er etwas erzählen kann, hat sich also auch nicht geändert.

Ich seufze. »Vielleicht kann ich es ja erraten, dann hast du damit gar nichts zu tun. Hat es mit seiner Verschlossenheit zu tun?«

»Bingo.«

Siegessicher grinse ich, dann werde ich sofort wieder ernst. »Falls es dich beruhigt, er war in den letzten Tagen auch ziemlich abweisend zu mir. Lawrence meinte, er hätte gesehen, wie Roamer aus unserem Haus gekommen ist, aber das ist unmöglich. Ich will Auden deswegen schon die ganze Zeit zu Rede stellen, aber er verrät mir kein Wort.«

»Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen.« Mayas Stimme ist belegt und Tränen treten ihr in die Augen. »Porter, wenn ihm irgendetwas passiert —«

»Ihm wird nichts passieren«, sage ich schnell. Dafür habe ich gesorgt. Die Geldsumme, die Roamer bekommen hat, wird ihn erst einmal von Auden fernhalten. »Versuch ihn nicht zum Reden zu drängen, Cherry, dadurch verschließt er sich meistens nur noch mehr.«

Sie nickt, weil sie das bereits weiß. Dann reißt sie ihre Augen vom Basketballfeld und sieht in meine. Zunächst runzelt sie ein wenig die Stirn, aber je länger sie mich ansieht, desto entspannter wirkt sie. Irgendwann lächelt sie mich an und legt eine Hand auf meine Schulter. »Du bist der beste Freund, den man haben kann, weißt du das? Britt hat ein Riesenglück.«

»Der beste also?«, hake ich triumphierend nach.

Sie quittiert es mit einem Augenrollen. »Der zweitbeste.«

Ich lache leise, nehme ihre Hand von meiner Schulter und drücke leicht zu. »Zwischen uns ist also alles okay?«

»Ich finde, wir haben unsere Freundschaft gerade so gut wie nur möglich neu etabliert.«

Obwohl ich keine Ahnung habe, was das bedeutet, nicke ich zustimmend. »Also sind wir jetzt wirklich Freunde, Cherry?«

Sie schmunzelt leise. »Ja, Porter, wir sind jetzt wirklich Freunde.«

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