KAPITEL 25 | PORTER

Ich gebe es ungern zu, aber Brittany sieht absolut umwerfend aus. Ihr dunkelbraunes Haar ist beinahe bis zu ihrem Kinn herausgewachsen und der rote Farbton in ihren Spitzen steht ihr ungemein. Sie trägt die altbekannte Cheerleader-Uniform und bindet sich gerade die Schuhe, als sie aufsieht und mich bemerkt.

Sofort grinst sie breit und knallt ihre Schließfachtür zu. »Porter Ave Sinclair.«

»Brittany Tray Grammer«, entgegne ich, verschränke dabei die Arme vor der Brust und lehne mich an die restlichen Spinde an. »Du hast dir hoffentlich noch für heute Abend freigehalten, weil ―«

»Du denkst, dass du mich beim Scrabble schlagen wirst«, beendet sie leise lachend meinen Satz, während sie sich einen Zopf bindet und ich ihr dabei zusehe. »Porter, ich bezweifle, dass du überhaupt weißt, wie man Scrabble spielt. Meines Erachtens nach kennst du nur Spiele wie deine Kuss-Deadline.«

Ich kneife ein wenig die Augen zusammen. »Du weißt davon?«

»Mir wurde Warren zugeteilt, schon vergessen? Er hat mich am allerersten Schultag geküsst, um es ― ich zitiere ― ›hinter sich zu bringen‹.«

»Stimmt, da war ja was.« Ich spiele ein wenig an meiner Krawatte herum, um sie nicht zu sehr zu beobachten. Das kirschrote Top und der Rock, den sie trägt, sind zu auffällig, um wegsehen zu können. Bisher habe ich mir nie erlaubt, Brittany richtig zu betrachten und zuzugeben, dass sie verdammt gut aussieht. Sie lenkt mich mit ihrem Aussehen und ihren stichelnden Worten dermaßen ab, dass ich ganz vergessen habe, warum ich überhaupt zu ihr gegangen bin. »Bevor ich hergekommen bin, hast du nicht besonders glücklich ausgesehen. Was ist los, Britt?«

Sie hält kurz inne, dann spielt sie es mit miserablen Schauspielkünsten herunter. »Nichts Wichtiges, glaub mir. Da war nur heute etwas mit diesem Idioten aus meinem Biologiekurs, der miese Sprüche gerissen und mir die Laune verdorben hat.«

»Gib mir seinen Namen und du bist das Problem bis spätestens morgen los.«

Lächelnd schnappt sie sich ihre Tasche und geht an mir vorbei. »Was willst du denn machen? Dich mit ihm anlegen?«

Ich folge ihr den Korridor entlang und lächle ebenfalls. »Denkst du, ich traue mich nicht?«

»Nein, ich denke«, sie umfasst mit ihren schmalen langen Fingern meinen Oberarm und drückt sanft zu, »dass dein Bizeps nicht groß genug für einen Kampf mit Paxton Carver ist.«

Gespielt eingeschnappt sehe ich sie an. »Jetzt, wo du mich und meine sehr wohl existierenden Muskeln beleidigt hast, will ich dir sowieso nicht mehr helfen.«

»Gut, dann habe ich ja alles richtiggemacht«, gibt sie leicht zickig zurück. »Im Ernst, ich will nicht, dass du dich einmischst, hörst du? Carver nervt mich schon seit Anfang des Schuljahres und wenn ich in seinen Augen eine verlogene Schlampe bin, dann bin ich es gerne. Sollen er und seine Freunde doch denken, was sie wollen.«

Es sieht ihr gar nicht ähnlich, dass sie sich ein ganzes Schuljahr lang von jemandem ärgern lässt, ohne zurückzuschlagen. Irgendetwas muss faul an dieser Sache sein. Wenn Britt nicht will, dass ich mich einmische, kann sie doch nicht ernsthaft erwarten, dass ich auf sie hören werde, oder? Außerdem habe ich sowieso den ganzen Tag nichts zu tun, außer am Abend Scrabble zu spielen, also kann ich mir auch diesen Paxton in Ruhe vorknöpfen.

»Oh Mann, Porter.« Britt stöhnt genervt auf. »Ich kann förmlich sehen, wie du dir in deinem Kopf einen Plan zurechtlegst. Hör verdammt noch mal auf!«

Obwohl sie sichtlich verärgert ist, muss ich grinsen. »Relax, Britt.«

»Du weißt, ich hasse dieses Wort.«

»Dann chill ein bisschen, Grammer.«

Sie stößt einen genervten Laut aus, atmet tief durch und schüttelt dann leicht lächelnd den Kopf. »Du machst mich verrückt.«

»Gut, dann habe ich ja alles richtiggemacht«, wiederhole ich ihre Worte und laufe dann rückwärts vor ihr her. Um sie nicht noch mehr auf hundertachtzig Grad zu bringen, hole ich einen Apfel aus meiner Tasche heraus, beiße hinein und wechsele gekonnt das Thema. »Und, du hast jetzt Training?«

»Ja«, entgegnet sie, während sie auf meine Lippen starrt. Dann schüttelt sie leicht den Kopf und sieht mir wieder in die Augen. »Du fragst das ja so, als würdest du diesen Sport tatsächlich ernst nehmen.«

»Hat dieser Paxton etwa auch darüber Sprüche gerissen?«

Sie antwortet nicht.

Ich würde mir ihn später so was von vorknüpfen. »Was magst du an Cheerleading so sehr?«, frage ich, weil ich erstens ehrlich interessiert bin und ich mich zweitens ablenken muss, um nicht von meiner guten Laune abzukommen. Wieder beiße ich in den Apfel und wieder starrt Britt auf meine Lippen. Es war noch nie so amüsant in ihrer Nähe zu sein wie gerade.

Frech zwinkere ich ihr zu, woraufhin sie mir bloß die Zunge herausstreckt. »Cheerleading ist auch Turnen«, fängt sie nach ein paar Sekunden an. Wir sind bereits im Freien und kurz vor dem Basketballfeld. »Mom und Dad haben es beim Abendessen bestimmt schon hundert Mal vor dir erwähnt, aber ich habe bis zur Highschool immer gern geturnt. Dann habe ich an meinem ersten Tag an der Millbrook die Cheerleaderinnen gesehen und wollte unbedingt so sein wie sie.«

Zur Abwechslung sage ich nichts, sondern höre nur zu.

»Vielleicht ist es für viele albern und bloß etwas für ›verlogene Schlampen‹, aber man glaubt gar nicht, wie wichtig wir wirklich sind. Wir feuern das Team an, bessern die Laune auf dem Feld und auf der Tribüne und bereiten monatelang die ganze Choreografie vor.« Britt hält sich die Hand wie einen Schirm über die Augen, um nicht in die Sonne sehen zu müssen. Auf ihren Lippen breitet sich ein leichtes Lächeln aus. »Sorry, falls ich zu viel rede.«

»Es ist nicht mehr als sonst«, sage ich mit einem sarkastischen Unterton, wofür ich einen Schlag auf die Schulter ernte. »Eigentlich kann ich sogar sehr gut nachvollziehen, was du sagst.«

»Weil du Gitarre spielst und singst.« Britt nickt ein wenig und bleibt dann abrupt stehen. »Wieso spielst du mir nicht mal etwas vor?«

»Wieso turnst du nicht mal für mich?«

Sie wird rot, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. »Ich bin tatsächlich extrem gelenkig. Das wüsstest du aber längst, wenn wir in der Nacht vor ein paar Wochen nicht aufgehört hätten und du ―«

Ich stöhne ein wenig auf. »Du hast echt kein Schamgefühl, oder?«

Sie schüttelt den Kopf.

»Gut, ich auch nicht.« Ich muss grinsen. Mein Blick ist auf das Basketballfeld gerichtet, auf dem sich die Cheerleaderinnen, darunter auch Stacey, bereits aufwärmen. »Du kommst zu spät, Britt.«

»Ich weiß.« Sie kommt mir näher, greift nach meiner Krawatte und zieht mich an sie heran. Auf ihren kaugummirosa Lippen breitet sich ein Lächeln aus und kurz wirkt es wirklich so, als würde sie mich küssen wollen. »Ich bin mit Absicht zu spät gekommen, weil ich gehofft habe, du würdest mich ansprechen.«

»Was ich ja auch getan habe«, entgegne ich, während ich nicht einschätzen kann, ob ich es okay finden würde, falls sie mich tatsächlich geküsst hätte.

Sie lässt wieder von meiner Krawatte ab, presst lächelnd die Lippen aufeinander und geht an mir vorbei.

Ich bin aus irgendeinem Grund ganz durch den Wind. Wenn der Porter von vor ein paar Wochen wüsste, dass ich darüber nachdenken würde, wie sich Brittanys Lippen anfühlen, hätte er mir eine geknallt. Immerhin ist Maya diejenige, für die ich schon das gesamte Schuljahr lang schwärme. Sie ist diejenige, die ich von Anfang an so sehr wollte und doch nie dazu gedrängt habe irgendetwas zu tun.

Und sie ist auch diejenige, die mein bester Freund will.

Nachdenklich gehe ich zurück in die Schule, wo ich Auden vorfinde, der mich angrinst, sobald er mich sieht. Manchmal verdränge ich, in welcher Situation er und ich uns eigentlich befinden. Eigentlich verdränge ich es die ganze Zeit, aber dadurch fällt es mir weitaus leichter in seiner und Mayas Nähe zu sein.

»Ihr habt aber lange geredet«, kommt es nur von Auden. Ich hätte eigentlich erwartet, dass er ein grimmiges Gesicht ziehen würde, wenn man bedenkt, dass er Britt nicht leiden kann, aber auf seinen Lippen breitet sich ein riesengroßes Grinsen aus.

Automatisch muss ich auch lächeln. »Ich weiß, du würdest mich jetzt am liebsten die nächste halbe Stunde damit aufziehen, aber wir haben eine Mission, Villeneuve.«

Auden verdreht bei meiner Ausdrucksweise die Augen. »Ach ja?«

Ich nicke energisch. »Kennst du einen gewissen Paxton Carver?«

»Er spielt im Basketballteam. Du müsstest ihn also streng genommen auch kennen, Porter.«

»Basketball war mir so wichtig wie dir die Kuss-Deadline. Also gar nicht.«

»Wieso gehen wir jetzt zu den Sportumkleiden? Was genau willst du von Paxton?«, fragt Auden misstrauisch.

»Er hat ein Problem mit Britt, das ich gleich beseitigen werde«, antworte ich. »Keine Sorge, du kommst nur als mein Sidekick mit.«

»Ganz sicher nicht.«

Auden kann sich mir jedoch nicht widersetzen, weil meine Überzeugungskraft sein Desinteresse übertrumpft. Außerdem gefällt es ihm mich die letzten Schritte bis zur Umkleide damit aufzuziehen, dass ich für Brittany bloß den Helden spielen will, weil ich auf sie stehe.

Was völlig absurd ist.

Seit Monaten hänge ich an Maya, da kann ich doch nicht innerhalb kürzester Zeit zu Britt wechseln. Und wenn es doch so wäre ― wie echt sind meine Gefühle für Maya dann wirklich gewesen? Allein darüber nachzudenken, verursacht Schuldgefühle bei mir.

»Du musst mir jetzt sagen, wer davon Paxton ist«, flüstere ich Auden zu, als wir mitten in der Sportumkleide stehen, in der sich vielleicht eine Handvoll Jungs umziehen. Auden hat nie donnerstags Basketball, weshalb er nicht dabei ist, sondern lieber zum Schreibkurs geht. »Komm schon, Villeneuve, ich will das hier für Britt tun.«

Auden dreht sich zu mir und atmet tief durch. »Ich sage es dir, wenn du zugibst, dass du Brittany magst. Es sollte nicht allzu schwer sein dir selbst einzugestehen, dass es stimmt, auch wenn Selbstreflexion keine deiner größten Stärken ist.«

»Britt und ich sind Freunde«, stelle ich klar, während ich den letzten Teil mit der Selbstreflexion gekonnt ignoriere. »Vielleicht sogar bald beste Freunde, wenn du mir nicht endlich Paxton zeigst.«

»Scheiße«, entfährt es ihm plötzlich. »Du und Maya ― ihr habt eine Menge gemeinsam, weißt du das eigentlich?«

»Was?«, frage ich verwirrt.

Er nickt und wirkt ernster als davor. »Du bist wie sie. Du hast Gefühle für zwei Personen und versuchst gerade nicht einmal, es dir einzugestehen.«

Ich bin kurz davor Auden zu schütteln, weil er nur Unsinn von sich gibt. Was will er damit bezwecken? Dass ich anfange zu glauben, was er sagt? Es gibt nur Maya für mich, seit die Kuss-Deadline angefangen hat. Britt ist toll und verdammt schlagfertig, aber sie wird Mayas Platz nie einnehmen können ... oder?

Jetzt will ich mich selbst schütteln, damit diese wirren Gedanken aufhören. »Ich werde einfach seinen Namen rufen, aber danke für deine Hilfe, Villeneuve. PAXTON!«

Auden dreht sich augenverdrehend weg, als ich anfange durch die Umkleide zu schreien.

»PAXTON CARVER!«, rufe ich ungeduldig. Als ein blonder Kerl den Kopf hebt und mich fragend ansieht, grinse ich wieder. »Dich habe ich gesucht.«

Er zieht sich ein T-Shirt über, während er auf Auden und mich zukommt. Tatsächlich erinnere ich mich nicht mehr daran, dass er in der Basketballmannschaft ist, aber das ist wahrscheinlich besser so. Dann weiß er mit Sicherheit nämlich auch nicht mehr, dass ich verdammt schlecht gespielt ―

»Bist du nicht der Typ, der sich auf dem Feld mindestens zehnmal die Schnürsenkel gebunden hat?«, kommt es von Paxton, woraufhin er und seine Freunde das Lachen anfangen.

Ich seufze und lasse mir mein Unbehagen nicht anmerken. »Das bin ich. Porter Sinclair, freut mich nicht dich kennenzulernen. Meinen Namen solltest du dir merken, denn er wird immer dann fallen, wenn du deine vorlaute Klappe in Brittanys Nähe nicht halten kannst.«

Er grinst nur. »Ja, wie auch immer.«

»Porter meint es ernst.« Auden stellt sich demonstrativ neben mich und jagt mit seinem bedrohlichen Auftritt sogar mir einen Schrecken ein. »Lass Brittany in Ruhe, Carver, sonst hast du nicht nur ein Problem mit Porter.«

Paxton winkt seine Freunde zu sich, die sich sofort zu ihm gesellen. Bevor er überhaupt den Mund aufmacht, kann ich mir denken, was er sagen will. »Wie wäre es, wenn wir das einfach jetzt und hier klären?«

Auden und ich sehen uns alarmiert an.

So war das ganz und gar nicht geplant.

»Oder habt ihr Angst?«, fragt einer von Paxtons Freunden lachend.

»Was jetzt?«, frage ich Auden leise, der bereits seine Schultasche abnimmt, die Anzugjacke mit dem Schulwappen auszieht und die Ärmel seines Hemdes nach oben schiebt. »Du hast doch jetzt nicht ernsthaft vor dich mit denen anzulegen, oder?«

Auden zuckt bloß mit den Schultern. »Sie haben sich zuerst mit uns angelegt. Außerdem ist dir das mit Brittany doch wichtig, oder? Ist es dir auch so wichtig, dass es dir wert ist, ein paar Kratzer abzubekommen?«

Ich nicke sofort, zucke ebenfalls mit den Schultern, als wäre es keine große Sache und setze meinen Rucksack ab.

Paxton grinst bereits schadenfroh und kommt langsam auf uns zu. Ich glaube, Auden hat sich noch nie so sehr auf eine Prügelei gefreut wie in diesem Moment, wobei wir so etwas auch noch nie zusammen getan haben. Es ist gut, dass er nicht kneift, aber ich bin noch ein bisschen stolzer darauf, dass ich nicht kneife. Immerhin sieht mir so etwas gar nicht ähnlich, aber es ist mir egal, solange diese Idioten Britt letztendlich in Ruhe lassen.

Paxton hebt auf einmal drohend die Faust und ist bereit zuzuschlagen. »Du wirst jetzt windelweich verprügelt, Sinclair.«

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