KAPITEL 22 | PORTER

Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber nach Mayas wirklich herrischer Rede habe ich den Basketball irgendwie in den Korb bekommen, ohne einen Schrittfehler zu begehen und ohne mich von der gegnerischen Mannschaft hindern zu lassen.

Und ich habe mich noch nie so verdammt gut gefühlt.

»Heute warst du nicht ganz so mies, Porter«, sagt Coach Ivers in einem Ton, der sein seltsames Kompliment wieder gut macht.

»Danke«, entgegne ich verschwitzt und völlig außer Atem. »Dann würde ich jetzt gerne aus der Mannschaft austreten.«

Warren, der mit den anderen hinter mir steht, verschluckt sich an seiner Cola.

»Du willst austreten?«, widerholt der Coach und klingt tatsächlich ein wenig traurig. Dass ich ihm doch so ans Herz gewachsen bin, war mir nicht klar, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich werde in meiner Entscheidung noch bestärkt, als er wieder eine neutrale Miene aufsetzt und sagt: »Gib dein Trikot spätestens bis zum Ende der Woche bei mir ab, Sinclair.«

Ich verziehe nicht das Gesicht, als er an mir vorbeiläuft und ich mich zu meinen Freunden umdrehe, die sogar ein wenig stolz aussehen. Auden ist der Erste, der auf mich zukommt, sich ein Lächeln abringt und mir auf die Schulter klopft. Ich grinse zurück, fasse mir an die verschwitzte Stirn und schmiere es an seiner Schuluniform ab.

»Musste das sein?«, brummte Auden, woraufhin ich nur lache.

»Maya hat schon von deinen Partyplänen erzählt«, wirft Warren ein, bevor ich den Mund aufmachen kann. »Wie viele Leute sollen Daniel und ich einladen?«

»Je mehr desto besser«, entgegne ich, halte dann jedoch inne. Ganz langsam schweift mein Blick von Stacey zu Kyler, von Daniel zu Abraham, von Warren zu Maya und dann schließlich zu Auden. Schnell schüttle ich den Kopf, als Warren schon sein Handy zücken und eine Rundnachricht verschicken will. »Eigentlich würde ich die Party heute lieber kleinhalten.«

»Du willst niemanden einladen?«, fragt Stacey überrascht.

»Ganz richtig, Snakey«, antworte ich. »Immerhin habe ich euch, oder? Obwohl ihr mich ganze fünf Minuten lang ausgelacht habt, während ich auf dem Spielfeld stand, will ich heute Abend nur mit meinen engsten Freunden feiern.«

»Das ist neu«, platzt es aus Maya heraus, dann wirkt sie auf einmal nachdenklich und weicht meinem Blick aus.

»Also ich habe nichts gegen einen neuen Porter Sinclair«, gibt Daniel zu. »Solange noch genug vom alten Porter übrigbleibt.«

Ich grinse ihn als Antwort nur an.

Lawrence ist derjenige, der uns eine halbe Stunde später abholt und mir Bescheid gibt, dass Lynette und Maurice bei den Grammers sind, während meine Eltern noch in der Firma arbeiten. Ich bin nicht wütend, dass sie sich das Spiel nicht ansehen konnten, sondern eigentlich heilfroh darüber. Es fügt sich nämlich alles perfekt zusammen, wenn man bedenkt, dass ich nicht mit einem leeren Haus gerechnet habe.

Maya wirkt weiterhin viel zu nachdenklich und traurig, was mich stutzig macht. Auch Auden bemerkt es, zuckt aber bloß ratlos mit den Schultern, als ich ihm einen fragenden Blick zuwerfe.

»Ich habe Lust auf Waffeln«, platzt es plötzlich aus Stacey heraus, als wir fast vor meiner Haustür stehen. »Mit viel Honig und Puderzucker.«

Abraham schiebt sich nachdenklich die Brille auf dem Nasenrücken zurecht und entgegnet: »Ich bin besser darin Pancakes zu machen, Stace, das weißt du doch.«

Sie verschränkt gespielt beleidigt die Arme vor der Brust. »Jetzt habe ich noch mehr Lust auf Waffeln.«

»Wir machen dir Waffeln«, gibt Warren schmunzelnd von sich, woraufhin Stacey ihn überrascht ansieht.

Ich ziehe den Schlüssel aus meiner Manteltasche hervor und sehe dabei wieder zu Maya, die ich noch nie so schweigsam erlebt habe. Auden und ich verständigen uns ohne Worte, wobei ich glaube, er will mir irgendetwas mitteilen wie »Wir müssen unbedingt mit ihr reden«.

Oder aber er hat auch große Lust auf Waffeln, genau kann ich es nicht sagen.

Es ist gewöhnlich still im Haus, als wir alle unsere Jacken ausziehen, aber trotzdem kommt mir irgendetwas komisch vor. Auden merkt es auch und nickt in Richtung Foyer, woraufhin ich ihm langsam folge. Stacey, Kyler, Daniel, Warren, Abraham und Maya sind ebenfalls dicht hinter uns und ich kann Mayas Verwirrung, Angst und Nervosität beinahe spüren.

Sie steht zwischen Auden und mir, die roten Haare hängen ihr wirr über die Schultern. Gerne hätte ich meine Hand ausgestreckt, um sie zu beruhigen, aber Auden besitzt dieses dringende Bedürfnis mit Sicherheit auch, aber tut es nicht.

»Ich warte schon seit Stunden auf dich, Bruderherz.«

Stacey atmet erschrocken ein und Abraham stößt aus Versehen eine Vase um, die auf dem Boden in tausend Scherben zerspringt. Maya ist neben mir starr wie eine Statue und bleich wie eine Leiche, das kann ich sogar im Augenwinkel erkennen.

Ich kann nicht sagen, wer zuerst reagiert. Auden? Oder ich? Jedenfalls stehen wir innerhalb von wenigen Sekunden vor ihr und sehen in den Lauf der Waffe in Roamers Händen.

Er ist vielleicht fünf Meter von uns entfernt mitten im Wohnzimmer und sieht extrem müde und verrückt zugleich aus. Seine Augenringe sind noch nie so stark gewesen und sein ganzes Gesicht sprüht vor Hass, obwohl sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen haben. Das schwarze ungekämmte Haar geht ihm bis zum Kinn und von seinem ansehenswerten Aussehen vor ein paar Wochen ist nichts mehr zu sehen. Statt des eleganten Anzugs trägt er nun schäbige Klamotten, die ihm viel zu groß sind und an seinem Körper gerade nach unten fallen.

Kopfschüttelnd betrachte ich meinen großen Bruder weiterhin. »Du siehst echt beschissen aus.«

Als er die Waffe fester hält und einen Schritt auf uns zukommt, beißt Auden die Zähne zusammen. »Halt bitte die Klappe, Porter.«

Unschuldig hebe ich die Hände. »Ich sag doch nur ―«

»Sei still«, flüstert Maya, die sich an meinem Arm festklammert und streng zu mir hochsieht.

»Herrsch mich noch mal so an, das war irgendwie heiß«, wispere ich so leise zurück, dass nur sie es hören kann.

Stacey, Abraham und die anderen denken sicher, ich bin derjenige, der verrückt geworden ist. Aber ich kenne Roamer nun schon mein ganzes Leben lang und ich weiß zu hundert Prozent, dass er niemals auf mich schießen würde. Allein aus dem Grund, weil er dann niemanden mehr hat, den er tief in seinem Inneren liebt und trotzdem quälen will.

Es fing bereits an, als wir Kinder waren. Wenn Mom und Dad nicht hinschauten, machte Roamer alles kaputt, was mir wichtig war. Mr Grizzly, mein Lieblingsteddybär liegt als Andenken immer noch unter meinem Bett herum. Erst später in der Highschool tat er schlimmere Dinge, wie zum Beispiel mir die Hose auf dem Schulflur hinunterzuziehen oder jemanden von der Schülerzeitung zu bestechen, ein peinliches Foto von mir zu veröffentlichen. Roamer war da immer sehr kreativ.

Wenn es mich jedoch nicht mehr gäbe, hätte er niemanden mehr, bei dem es ihm so viel Spaß macht, Dinge zu zerstören. Ich will gar nicht wissen, wie es in Roamers Kopf aussieht und warum er es für nötig hält irgendetwas kaputtzumachen. Ich habe schon lange aufgegeben, ihn nach der Wahrheit zu fragen.

Stattdessen kitzele ich sie meistens aus ihm heraus. »Lass mich raten. Jetzt brauchst du doch Geld, nicht wahr?«, frage ich ihn gespielt gelangweilt.

Roamer grinst. »Bingo, kleiner Bruder.«

»Nimm die Waffe runter«, fordere ich in einem Ton, den er wahrscheinlich nicht gewohnt ist. »Leg sie langsam auf den Boden und stell dich drei Schritte von ihr entfernt hin.«

Mayas Hand zittert an meinem Arm und auch Auden scheint nicht zu glauben, dass ich die Situation im Griff habe. Tatsächlich ist es aber nicht so, als würde Roamer zum ersten Mal eine Pistole in meine Richtung halten. So langsam glaube ich, es ist seine Art mir zu zeigen, dass er mich in seinem verrosteten Herzen doch noch irgendwo liebt, indem er mir diese besondere Aufmerksamkeit schenkt. Wegen Geld allein ist er nämlich sicher nicht hier.

»Dir ist langweilig, nicht wahr?«, hake ich nach, als sich mein Bruder nicht von der Stelle rührt und die Waffe nach wie vor auf Auden und mich richtet, da wir uns vor Maya gestellt haben. »Ich schätze, dein illegaler Kampfclub oder was auch immer du da veranstaltest, funktioniert nicht mehr so gut. Deine ganzen ›Freunde‹ haben sich von dir abgewandt. Und jetzt kommst du hierher zurück, weil du meine Hilfe brauchst.«

Roamers Lächeln ist schon lange verflogen. Stattdessen sieht er stinkwütend aus. »Du bist ja doch nicht so blöd, wie du immer tust. Tatsächlich brauche ich mehr als nur Geld. Schließlich vermisst auch jemand wie ich manchmal seine Familie.«

Daniel und Kyler schnauben verächtlich hinter mir, aber sie erregen nicht Roamers Aufmerksamkeit. Es beunruhigt mich, dass er hinter uns nach Maya Ausschau hält. »Niemand hier nimmt dir das ab«, sagt Auden auf einmal. »Sag uns einfach, was du willst und wir geben es dir.«

»Ablenkung«, entgegnet Roamer wieder grinsend. »Ich will Ablenkung und euer heißgeliebter Rotschopf wird das Aufregendste sein, was ich seit Monaten erlebt habe.«

Sonst ist Roamer nie so willkürlich und gewalttätig. Er droht oft ― eigentlich durchgehend ―, aber ich hätte nicht erwartet, dass er tatsächlich hier und jetzt auf ein unschuldiges Mädchen schießen würde.

Alarmiert sehe ich zu Auden, den ich noch nie so panisch erlebt habe. Wie sollen wir aus dieser Sache bloß herauskommen?

Roamer kommt langsam näher und linst zu Maya, die jetzt nicht mehr verängstigt ist, sondern schweratmend das Kinn reckt und ihm stur in die Augen sieht. Obwohl sie tapfer ist und versucht, durch Auden und mich hindurchzukommen, stellen wir uns nur noch enger vor sie hin.

»Fünf, vier, drei ...«, fängt Roamer plötzlich an leise lachend zu zählen, während er Maya nach wie vor im Visier hat. »Zwei ―«

Brittany kommt plötzlich aus der Küche gerannt, springt über den Sofatisch und schlägt die Bratpfanne in ihrer Hand mit einer solchen Wucht auf Roamers Kopf, dass das laute »DONG!« überall im Haus widerhallt. Ich bin überrascht, dass mein großer Bruder nicht auf sie geschossen hat. Und extrem erleichtert.

Ich war tatsächlich noch nie so froh, Britt zu sehen. Ein paar Haarsträhnen haben sich aus ihrem Zopf gelöst, als sie sich schweratmend zu uns umdreht und dann breit grinst. Sie ist völlig verrückt, aber das ist nichts Neues. Dass sie hier steht und lächelt, nachdem sie meinen Bruder kalt gemacht hat, ist beeindruckender als ihre Fähigkeit, mich rund um die Uhr nerven zu können.

»Braucht die noch irgendwer?«, fragt Britt beiläufig, während sie die Pfanne in den Händen schwingt und Stacey und Warren demonstrativ in Deckung gehen. »Oder soll ich sie für den Fall behalten, dass er wieder aufwacht?«

Roamer liegt völlig bewusstlos am Boden und rührt sich nicht vom Fleck. Auch meine Mundwinkel heben sich jetzt. »Behalt die Bratpfanne, Rapunzel, und hilf mir ihn zu fesseln.«

»Wann wird er ungefähr aufwachen?«, fragt Daniel Abraham ein wenig panisch.

»Wahrscheinlich nicht allzu lange. Ich gebe ihm keine zehn Minuten.«

Während Kyler mit Klebeband und Seilen kommt, die er aus der Angeltasche von meinem Dad hat, sehe ich Brittany dabei zu, wie sie Roamer ganz allein auf einen Stuhl zwängt. Ich bin kurz davor ihr zu danken, aber ich glaube nicht, dass das ausreichend ist. Außerdem reden Warren und Auden bereits dankbar auf sie ein und ich will irgendwie, dass sie wirklich weiß, wie sehr sie uns gerade allen den Arsch gerettet hat.

»Ist das Klebeband wirklich nötig?«, fragt Stacey unschlüssig.

Kyler zuckt grinsend mit den Schultern. »Wir kleben es ihm einfach auf den Mund ...«

»... und reißen es ihm schmerzhaft wieder ab, sobald er aufwacht und reden soll.« Daniel legt Roamer einen Streifen davon auf den Mund und drückt den Rest des Klebebands dann Maya in die Hand, die sich immer noch von ihrem Schock erholt.

»Du hast das gerade gut gemacht«, flüstere ich ihr zu.

Sie dreht sich zu mir und legt leicht den Kopf schief. »Ich habe nichts gemacht, Porter.«

»Genau das ist der Punkt, Cherry. Du bist einigermaßen ruhig geblieben und nicht in Panik verfallen.«

Während die anderen meinen Bruder fesseln und knebeln, gesellt sich Auden zu uns und sieht Maya ebenfalls besorgt an. »Was ist los?«

»Ich bin wütend auf euch, das ist los«, entgegnet Maya. Tatsächlich sind ihre Wangen ganz rot geworden und ihre blauen Augen blitzen kurz auf, als sie uns an den Händen packt und in den Flur zieht. Die einzige, die davon wirklich mitbekommt, ist Stacey, die leise »Oh, oh« flüstert.

Verwirrt zieht Auden die Augenbrauen zusammen, als wir außer Sicht- und Hörweite sind. »Okay, ich frage noch einmal. Was zur Hölle ist los?«

»Warum habt ihr euch vor mich gestellt?« Maya verschränkt die Arme vor der Brust, fährt sich aber dann in der nächsten Sekunde verzweifelt durch die wirren Haare. »Was ist nur los mit euch

»Cherry ―«, setze ich an, aber sie lässt mich nicht ausreden. Wütend schubst sie mich leicht gegen die Wand und ich hätte fast losgelacht, weil sie so niedlich ist. Natürlich halte ich mich zurück.

Bevor Auden den Mund aufmachen kann, trommelt sie ihm mit ihren kleinen Fäusten gegen seine Brust, woraufhin er sich nicht rührt, sondern nur ratlos zu mir sieht. Nach einer Weile atmet Maya tief durch und beruhigt sich wieder. Trotzdem ist sie nach wie vor aufgelöst. »Warum ... warum habt ihr euch vor mich gestellt?«

»Du weißt, warum«, antwortet Auden ohne zu zögern.

Jetzt sieht Maya so aus, als würde sie am liebsten weinen. »Ja, natürlich weiß ich, warum. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich kann einfach nicht fassen, dass ...« Sie lässt den Satz in der Luft hängen, drückt die Schultern durch und sieht streng zu Auden und mir. »Wenn ihr so etwas noch einmal macht, dann trete ich euch in den Arsch. Das meine ich ernst.«

Ich zweifle kein bisschen an ihren Worten.

Mayas Miene ist nach wie vor hart wie Stein. »Ich weiß, dass ich vielleicht eher als das liebe, schüchterne Mädchen zähle, aber ich schwöre euch, dass ich auch anders kann. Bitte tut so etwas nicht noch mal. Versprecht es.«

Auden und ich werfen uns einen Blick zu, geben schließlich nach und sagen: »Wir versprechen es.«

Sie atmet erleichtert auf. »Danke.«

»Porter Ave Sinclair, herkommen! Sofort!« Britts Stimme klingt aufgelöst und tatsächlich sieht sie alles andere als ruhig aus, als ich zu ihr gehe. Mit störrischer Miene beugt sie sich über Roamer, der so langsam wieder die Augen öffnet. Mein großer Bruder wird sich jedoch kaum einen Zentimeter bewegen können, da seine Hände und Füße fest an den Stuhl gefesselt sind.

Wie wir alle wissen, ist Britt sehr gut darin, jemand zu fesseln. Es wundert mich ja, dass sie nicht schon wieder ihre Handschellen ausgepackt hat.

Sie scheint zu erraten, was ich denke und streckt mir die Zunge heraus.

Ich antworte ihr mit meinem Mittelfinger und wende mich dann Roamer zu, der zu sich gekommen ist. Das Klebeband ist immer noch auf seinem Mund, weshalb nur unverständliches, lautes Gemurmel zu hören ist.

»Was hast du gesagt?«, hake ich gespielt ahnungslos nach. »Du bist ein Psychopath und ich hätte einen besseren Bruder verdient?«

»Das wissen wir alle bereits«, kommentiert Stacey trocken.

Kyler und Warren grinsen ein wenig in sich hinein. Maya sieht nach wie vor wütend und niedlich aus, aber jetzt bezieht sich ihr Ärger auf Roamer, wohin ich nichts einzuwenden habe. Mein Bruder hat einen heftigen Tritt in den Arsch definitiv verdient.

Wieder murmelt Roamer unverständliche Dinge vor sich hin.

»Okay, das reicht.« Maya scheint ganz aus sich herauszukommen, als sie auf ihn zugeht und ihm mit ganz viel Kraft das Klebeband abzieht. Es muss schmerzhaft sein, denn Roamer stöhnt auf und legt dabei den Kopf in den Nacken.

Kyler dagegen verschränkt schmollend die Arme vor der Brust. »Das wollte ich doch machen.«

»Verdammte Schei ―«, fängt Roamer an, aber Maya unterbricht ihn sofort.

»Du hältst jetzt die Klappe, bis wir dir eine Frage stellen, verstanden?« Sie drückt die Schultern durch und seufzt tief. »Ich weiß nicht, wie Porter es schafft, dir nicht eine reinzuhauen, aber du weckst sogar in jemandem wie mir so ein Bedürfnis. Du zwingst Auden zu irgendwelchen illegalen Kämpfen, nur um ihn dann fast zu erstechen. Du zwingst deinen eigenen Bruder wieder mit dem Rauchen anzufangen, nur um ihn leiden zu sehen. Und jetzt gerade warst du kurz davor auf mich zu schießen. Was zur Hölle willst du eigentlich von uns?«

Roamer hebt unbeeindruckt eine Augenbraue. »Ach, darf ich jetzt wieder reden, oder was?«

»Ich habe die Nase voll.« Stacey quetscht sich an Warren und Kyler vorbei, holt weit mit ihrer rechten Hand aus und verpasst Roamer eine kräftige Ohrfeige, die im ganzen Haus widerhallt.

Wir alle starren sie mit offenem Mund an.

Ich bin derjenige, der nach ein paar Sekunden grinsend den Daumen in die Höhe reckt. »Das war krass, Snakey.«

Maya presst sich eine Hand auf ihren Mund, aber sie kann das Grinsen auf ihren Lippen nicht verbergen. Sogar Auden sieht aus, als hätte er seine Genugtuung bekommen, als Roamer wieder schmerzhaft aufstöhnt.

»Was ihr macht, ist illegal«, sagt mein Bruder.

»Du hast weitaus schlimmere Dinge getan«, stellt Abraham klar.

Daniel nickt zustimmend. »Wenn du also nicht willst, dass ich derjenige bin, der dir gleich den nächsten Schlag verpasst, würde ich vorschlagen ...«

»... du sagst uns, warum du hier ständig auftauchst und uns drohst«, beendet Kyler den Satz seines Zwillingsbruders.

Roamer zögert lange. Ich glaube nicht, dass er ernsthaft Angst vor uns hat, aber ich wünschte, es wäre so. Mir scheint es eher, als wäre ihm sogar dieser Zustand zu langweilig, obwohl man nicht jeden Tag gefesselt an einem Stuhl sitzt und von einer Bande Teenager gehauen wird.

»Wisst ihr was?«, murmelt er irgendwann. »Ich schlage euch einen Deal vor.«

»Danke, aber ich verhandle nicht mehr mit dir«, entgegne ich.

»Diesen Deal wirst du wohl kaum abschlagen, kleiner Bruder. Wie ihr alle wisst, war euer mürrischer Freund Auden für eine lange Zeit über der Grund für meine Geldquelle.« Dass Auden sich verkrampft, gefällt Roamer nur noch mehr. »Keine Sorge, Villeneuve, ich bin auch nicht scharf darauf wieder deine Gesellschaft zu haben. Aber deine Gesellschaft ist immer noch besser als gar keine.«

Maya schüttelt vehement mit dem Kopf. »Du bekommst Auden nur über meine Leiche.«

Auden seufzt. »Maya ―«

»Nein«, sagt sie beharrlich.

Roamers Mundwinkel heben sich immer mehr. »Gebt mir Auden und ich lasse euch in Ruhe.«

»Warum er?«, frage ich sofort. »Du könntest dir jeden hier aussuchen, also warum genau er?«

»Weil es euch am meisten verletzen würde.«

Seine Worte widern mich einfach nur an.

Gleichzeitig kommt mir eine Idee. Es ist nicht mein bester Einfall. Eigentlich ist es sogar die schlimmste Idee, die ich jemals hatte, aber wenn ich damit meinem besten Freund helfe, wird es sich auszahlen. Roamer und ich wissen beide, dass es eine Person in diesem Raum gibt, die er ebenfalls will. Eine Person, mit der er nicht nur jeden in diesem Raum, sondern auch Mom und Dad verletzen würde.

Im Augenwinkel kann ich bereits erkennen, dass Auden den Kopf schüttelt und genau weiß, was in mir vorgeht. Trotzdem lasse ich mich davon nicht beirren.

Ich starre meinem großen Bruder, zu dem ich einst aufgesehen habe, stur und emotionslos in die Augen und sage: »Denkst du nicht, ich könnte dir viel bessere Gesellschaft leisten?«

Er grinst siegessicher. »Ich hatte gehofft, du würdest mir diesen Gegendeal vorschlagen, kleiner Bruder.«

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