KAPITEL 18 | MAYA
Betont unauffällig werfe ich einen Blick zur Seite, wo Porter mit einem riesengroßen Grinsen neben mir herläuft. Das pechschwarze Haar ist ordentlich und nur eine winzige Strähne hängt ihm ins Gesicht, was er entweder nicht bemerkt oder ihn nicht stört. Ich dagegen würde am liebsten meine Hand ausstrecken und seine Haare berühren, was ich mich trotz unserer fast einmonatigen Freundschaft immer noch nicht traue.
Ich wiederhole das Wort Freundschaft in meinem Kopf und bekomme gemischte Gefühle davon. Es tut gut jemanden wie Porter als Freund zu haben ― nicht, weil ich deshalb von Lawrence, seinem Chauffeur, zur Schule gefahren werde und auch nicht, weil ich dadurch den Luxus seines Hauses begutachten kann.
Porters immerzu gute Laune kann mich sogar am frühen Morgen anstecken. Ich lächle sonst nicht um diese Uhrzeit, sondern schlafwandle noch ein wenig umher. Porter besitzt diese Gabe mit einem einzigen Lächeln den ganzen Tag zu verändern, was mich ziemlich beeindruckt.
Nachdenklich umfasse ich die Riemen meines Rucksacks fester, als wir den Parkplatz der Millbrook Highschool entlanglaufen. Meine Augen schweifen dabei kurz von Porters hellwachen und überaus attraktiven Gesicht zu einer Person, die gerade aus Warrens Auto aussteigt und mich ebenfalls erspäht.
Es ist Auden.
»Was genau ist letztens bei eurem Familiendinner eigentlich passiert?«, frage ich in der Hoffnung, dass mich Porters tiefe und weiche Stimme von Audens Blick ablenken wird.
»Ach, dies und das«, entgegnet Porter nur.
Sofort muss ich lächeln. »Lass mich raten, was als Nächstes kommt: Jenes und welches?«
Porter grinst. »Eigentlich wollte ich ›letzteres und solches‹ sagen, aber es kommt beide Male auf dasselbe hinaus.« Als wäre seine perfekt gebundene Krawatte plötzlich interessanter, zupft er an ihr herum, anstatt meine Frage zu beantworten.
»Du lenkst vom Thema ab«, stelle ich stirnrunzelnd fest. Als er immer noch nichts sagt, verstärkt sich meine Sorge. »Was ist bei dem Abendessen passiert?«
Es wundert mich, wie sehr er sich entspannt, als ich mit einer Hand den Stoff seines Jacketts an der Schulter berühre. Porter wirkt immer so gelassen, aber bis zu diesem Zeitpunkt war seine Anspannung spürbar. So dumm es auch klingt, es freut mich, dass ich diejenige bin, die ihm diese Anspannung gerade nehmen konnte.
»Es war ein ziemlich normales Abendessen«, fängt Porter an zu erzählen. »Oder eher normal für Sinclair-Verhältnisse. Brittanys Dad hat von den Vorlieben seiner Frau im Bett gesprochen, meine Grandma hat allen von meiner Schallplattensammlung erzählt ...« Porters Grinsen ist während seiner Erzählung des gestrigen Tages kein bisschen verrutscht. Bis jetzt. »Mehr ist bei dem Abendessen nicht passiert.«
»Du besitzt wirklich eine Schallplattensammlung?«, hake ich nach, weil er offensichtlich nicht mehr preisgeben will. »Was für Sänger hörst du?«
Wieder erscheint dieses vollkommene Grinsen auf seinen Lippen. »Marvin Gaye, Andy Gibb, The Bee Gees ―«
»The Bee Gees?«, wiederhole ich lachend. »Interessant. Oder spielst du mit dieser Band gerade zufällig auf mein Biene-Maja-Kostüm an?«
Er dreht den Kopf zu mir und sieht mich mit einem fast schon vorfreudigen Gesichtsausdruck an. »Das Kostüm musst du unbedingt auf meiner nächsten Party tragen.«
Ich recke grinsend das Kinn. »Wer sagt, dass ich komme?«
Wir betreten die Schule, in der es im Korridor nur so von Schülern wimmelt. Ich mag zu viele Leute an einem Ort nicht, weil ich ihnen ständig ausweichen muss und mich sogar lieber in einem der Schließfächer verstecken würde, bis es zum Unterricht klingelt.
Auf einmal spüre ich Porters Hände an meinen Schultern, die mich sicher durch die Menge schieben. Beruhigt atme ich ein paarmal ein und aus und sehe ihm dann lächelnd ins Gesicht.
Als mir ein bestimmter Geruch in die Nase geht, verrutscht mein Lächeln sofort.
Jetzt bin ich diejenige, die Porter an den Schultern packt und vor eine Klassenzimmertür schiebt.
Porter selbst wirkt überrumpelt, als er sagt: »Wow, okay, du willst gleich hier auf dem Schulflur zur Sache kommen? Warum auch nicht, ich ―«
Stirnrunzelnd ziehe ich an seiner Krawatte, damit er den Mund hält. »Warum riechst du nach Zigarettenrauch, Porter?«
Stille breitet sich zwischen uns aus, während auch er meine Besorgnis um ihn versteht. Ganz langsam stößt er sich von der Klassenzimmertür hinter sich ab, atmet tief ein und beißt die Zähne fest aufeinander.
»Ich bin deshalb nicht wütend auf dich«, sage ich leise, während ich zu ihm hochschaue. »Du warst nur so überzeugt davon, mit dem Rauchen aufzuhören. Falls du mir jetzt erzählen willst, dass du freiwillig wieder angefangen hast, dann nehme ich dir das nicht ab.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich hätte dich nicht angelogen, Cherry.«
»Aber die Wahrheit hättest du auch nicht gesagt«, gebe ich zurück.
Porter weiß, dass ich recht habe, aber er nickt trotzdem nicht. Stattdessen sieht er mir mehrere Sekunden lang stur in die Augen, was ich ihm nachtue. Zwar bin ich wegen des Zigarettenrauchs keineswegs wütend auf ihn, aber dafür spüre ich, wie ich wütend auf mich selbst werde, weil ich schon wieder auf seinen schön geschwungenen Mund schaue, der mich noch nie mehr abgelenkt hat als in diesem Moment.
»Roamer ist bei dem Abendessen aufgetaucht«, sagt Porter plötzlich.
Ich blinzle ein paarmal ungläubig. »Und damit rückst du erst jetzt heraus? Zwei Wochen später?«
»Hättest du nicht gefragt, hätte ich es dir länger verschwiegen«, entgegnet er mit einem Lächeln, das ihm verrutscht, als er bemerkt, dass er mit dieser Aussage gerade alles schlimmer gemacht hat.
Um mich zu beruhigen, atme ich tief ein und aus. »Was hat Roamer gesagt?«
»Dies und ―«
»Porter«, rufe ich ein wenig zu laut und empört. »Das ist nicht lustig. Dein seltsamer Bruder hat Auden ein Messer in den Bauch gestochen und wenn du mir jetzt nicht sofort sagst, warum er mit dir gesprochen hat, dann muss ich das Schlimmste denken.«
»Okay, okay.« Sanft legt er seine Hände auf meine Schultern und wirkt dabei glücklicherweise ernster. »Aber vielleicht sollten wir das nicht hier besprechen.«
Seine Augen sind auf einen Punkt hinter mir gerichtet und als ich mich umdrehe, erspähe ich Brittany, die bei Auden, Warren und Daniel steht. Ihre Augen sind jedoch allein Porter gewidmet, genauso wie ihr Lächeln.
Die Eifersuchtswelle überschwemmt mich schneller, als ich erwartet habe und wird noch verstärkt, als Brittany lachend eine Hand auf Audens Arm legt, der wohl irgendetwas furchtbar Lustiges gesagt hat. Was ist eigentlich los mit mir? Wie habe ich es geschafft in der kurzen Zeit, in der ich Porter und Auden kenne, eifersüchtig zu werden? Und dann noch gleich wegen beiden Kerlen.
Das ist quasi ein Rekord für mich.
Schluckend wende ich mich wieder Porter zu und zeige auf die Tür hinter ihm. »Lass uns da reingehen, falls das Klassenzimmer frei ist.«
Er nickt, drückt den Türgriff nach unten und öffnet schnell die Tür ― zu schnell, denn der Junge und das Mädchen, die gerade noch auf einem der Tische herumgemacht haben, fahren jetzt auseinander und blicken Porter und mich überrascht an. Ich kann nicht glauben, was meine Augen gerade gesehen haben.
»Stacey?«, rufe ich überrascht, während Porter »Kyler?« fragt und die Tür hinter uns zumacht.
Meine beste Freundin richtet sich das dunkel gefärbte Haar und fährt sich dann nervös über die Unterarme. »Maya-Biene?«
»Das ist jetzt irgendwie unangenehmer, als ich gedacht hätte«, flüstert Kyler ihr so laut zu, dass Porter und ich es wahrscheinlich auch noch hören könnten, wenn wir uns die Ohren zuhalten würden.
»Ich glaube, sie sind sprachlos«, flüstert Stacey zurück.
Kyler grinst. »Ja, sprachlos von unseren Kussfähigkeiten.«
»Nein, sprachlos, weil du die Kuss-Deadline gewonnen hast«, wirft Porter leise ein und will gerade eine Hand heben, um mit Kyler einzuschlagen, als ich ihm einen Ist-das-dein-Ernst-Blick zuwerfe.
Es ist nicht so, als hätte ich etwas dagegen, dass Stacey und Kyler sich offenbar näherstehen, als ich geahnt habe. Immerhin wusste ich zwar, dass sie Gefühle füreinander haben, aber ich wusste auch, dass meine beste Freundin ihn wegen der Kuss-Deadline niemals geküsst hätte. Da habe ich wohl falsch gedacht.
Außerdem ist da noch Warren. Staceys Situation ähnelt meiner viel zu sehr und zu sehen, wie sie mit all dem umgeht, ist so ganz anders als mein Umgang mit Auden und Porter. Dabei würde ich gerne wie sie sein. Ich habe mir viel zu oft vorgestellt, wie es wäre, wenn ich keine Rücksicht auf Audens oder Porters Gefühle nehmen würde.
»Maya-Biene.« Stacey zieht besorgt die Augenbrauen zusammen, kommt auf mich zu und nimmt meine Hände in ihre. »Bist du sauer auf mich?«
»Nein«, sage ich sofort. Eher bin ich neidisch.
Eifersucht und Neid sind wirklich nicht meine Lieblingsgefühle.
»Gut.« Meine beste Freundin sieht glücklicher aus als je zuvor, als sie breit lächelt und zu Kyler sieht. »Ich mag Ky nämlich sehr. Und der einzige Grund, warum wir hier herummachen ―«
»Auf den Tischen, auf denen gleich Schüler schreiben«, wirft Porter unpassend ein.
»... ist, weil wir Rücksicht auf Warren nehmen wollen«, beendet Stacey ihren Satz. »Ich will zuerst mit ihm reden und ihn nicht einfach damit überrumpeln.«
»Mit was überrumpeln?«, hake ich nach. »Seid ihr etwa ... seid ihr zusammen?«
Porter sieht mich mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck an, als Stacey und Kyler beide verliebt nicken.
Gott, ich habe diese ganze Sache völlig falsch eingeschätzt. Stacey spielt weder mit Kyler noch mit Warren, weil sie sich längst für jemanden entschieden hat.
Und hier stehe ich, bin eifersüchtig wegen Porter und Auden und weiß nicht einmal im Geringsten, was ich mit meinen Gefühlen anstellen soll. Mein Neid auf Stacey vergrößert sich mit jeder Sekunde.
Zum Glück reißt mich die Schulklingel aus meinem Dilemma, weshalb ich Staceys Hände loslasse, Kyler versuche anzulächeln und Porter mit hochgezogenen Augenbrauen ansehe. »Wir beide reden später noch, okay?«
»Ich kann's kaum erwarten, Cherry«, ist seine Antwort, dann verschwinde ich durch die Tür und halte Ausschau nach Auden und den anderen.
Ich erspähe nur Abraham, der mir den ganzen Weg zu unserem Mathekurs von Daniel und deren erstes Date erzählt. Anscheinend wollte Abraham Daniel am Ende küssen, aber letzterer hat es sich anders überlegt, um zu beweisen, dass es ihm hierbei nicht nur um dieses bescheuertem kompliziert machende Kuss-Spiel geht. Zwar freue ich mich riesig für die beiden, aber meine Gedanken kreisen um Porter und seinen Bruder, um Stacey und Kyler und ... und um Auden.
Erst nach sieben Stunden Unterricht habe ich die Chance mit ihm zu sprechen. Die letzten Male, als wir im Schreibkurs nebeneinandersaßen, war er immer sehr freundlich, aber dennoch verschlossen, sobald er meine Anwesenheit zu sehr genießt. So ist es meistens.
Porter ging mir den ganzen Schultag aus dem Weg. Es würde mich mehr treffen, wenn ich nicht wüsste, wie ungern er über ernste Themen spricht. Und ich würde ihn ganz sicher nicht zum Reden drängen, wenn ich nicht wüsste, wie besser es ihm danach immer geht.
Auden sitzt an demselben Platz wie sonst auch und mein Platz neben ihm ist nicht besetzt. Das und die Tatsache, dass ich mit meinem sehr guten Chemietest in den Händen auf meinen Tisch zulaufe, zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Auden erhascht nur einen kurzen Blick auf mein Blatt, aber es reicht, um auch ihn zum Grinsen zu bringen.
»Ich will ja nicht angeben, aber ich habe einen halben Punkt mehr als du«, ist seine Begrüßung.
Lachend lasse ich mich auf dem Stuhl nieder. »Du darfst ruhig angeben. Mein schulisches Selbstbewusstsein fühlt sich nicht so schnell angegriffen.«
»Das hast du letzte Woche auch gesagt, als ich ganze zwei Punkte mehr als du hatte.« Audens Lächeln in diesem Moment ist so schön und echt, dass ich es am liebsten in meinem Gehirn abgespeichert hätte. Seine dunkelbraunen Haare sind kürzer als gestern, seine Wangenknochen ein wenig gerötet und seine Augen funkeln amüsiert, als er mich ebenfalls beäugt.
»Warst du beim Friseur oder so?«, platzt es auf einmal aus mir heraus. Unpassender hätte ich diese Frage nicht stellen können. »Falls ja, dann sieht es gut aus.«
»Und wenn ich dir erzähle, dass ich sie mir selbst geschnitten habe? Sieht es dann schlecht aus?«
Meine Wangen werden heiß. »Hast du sie dir denn selbst geschnitten?«
Leise lachend schüttelt er den Kopf. »Ich habe Lyn und Auri einfach zwei Scheren in die Hand gedrückt und dann ist das hier herausgekommen.«
Ungläubig weiten sich meine Augen.
Jetzt lacht Auden lauter. »Meine Mom hat sie mir geschnitten.«
Interessiert lehne ich mich ein wenig vor und streiche mir dabei meine leicht gewellten, roten Haare über die Schultern. »Erstens: Warum bist du so gut gelaunt? Du bist nie gut gelaunt. Und heute Morgen, als du mich auf dem Parkplatz gesehen hast, warst du erst recht nicht gut gelaunt. Zweitens: Bisher dachte ich immer, du und deine Mom würdet euch nicht so gut verstehen. Habt ihr euch ausgesprochen?«
»Ein wenig«, gibt er zu und lächelt dabei nachdenklich. »Ich habe sie gestern an einem guten Tag erwischt. Also ein Tag ohne ihr heißgeliebtes Bier.«
»Das freut mich«, entgegne ich ebenfalls lächelnd. »Du hast diesen Tag gestern verdient. Und hoffentlich noch viele weitere.«
Damit hätte sich auch die Frage geklärt, warum Auden heute so gut gelaunt ist. Er wirkt plötzlich so viel jüngerer, während er über seine Mom redet. Manchmal vergesse ich wirklich, dass er wie ich erst siebzehn ist, aber trotzdem viel mehr durchmachen musste. Er ist quasi der zweite Vater von Lynette und Maurice und kann es sich deshalb weniger leisten unreif zu handeln.
Trotzdem war mir klar, dass Auden auf den Mom-ohne-Bier-Tag nicht mehr eingehen wird, weil er sich sonst zu sehr öffnen würde. Hier im Schreibkurs würde er das natürlich nie tun. Also zeigt er auf meinen Chemietest, den ich gerade in meiner Schultasche verstaue und wechselt erfolgreich das Thema.
»Ich bin überrascht, dass Porter dich noch nicht gefragt hat, ob du ihm ein bisschen Nachhilfe geben sollst.«
Stirnrunzelnd hebe ich den Kopf. »Porter hat Probleme in Chemie? Sollte er dann nicht eher dich zuerst fragen? Immerhin bist du sein bester Freund.«
»Er weiß, dass ich keine Zeit habe«, entgegnet er ernst. »Obwohl ich ihm öfter gerne helfen würde. Wenn er dich nicht um Hilfe gebeten hat, dann wird Brittany ihm wahrscheinlich schon Nachhilfe geben.«
Es ist, als wäre mein Hals staubtrocken, als ich krächze: »Brittany?«
Und da ist sie wieder: Die altbekannte Eifersucht.
»Ja, sie hat nur gar nichts vorhin erwähnt, als wir uns unterhalten haben«, redet Auden weiter und analysiert dabei genau meine Reaktion.
Natürlich kann ich nicht verstecken, wie viel schlimmer die Eifersucht mit jedem seiner Worte wird, obwohl ich bereits sehen musste, wie Brittany und er im Schulflur geredet haben. Tief durchatmend streiche ich mir die Haare hinter die Ohren und zupfe an meiner Schuluniform herum.
»Maya, du weißt, dass ich dir deine Gefühle quasi von deinen Gesten ablesen kann.« Auden lehnt sich ein wenig weiter zu mir herüber und mustert mich schluckend. »Ich liege mit meinen Vermutungen nie falsch. Aber ich wünschte wirklich, in dieser Angelegenheit wäre es so.«
»Wenn du ehrlich zu dir bist«, ich lasse von meiner Schuluniform ab und sehe ihm fest in die Augen, »dann weißt du doch längst, dass du und Porter mir beide wichtig seid.«
Audens Lippen besitzen nicht eine Falte, als sie sich langsam öffnen, um irgendetwas zu sagen, Fast hypnotisiert starre ich seinen Mund an, bis ein Handyklingelton unseren Blickkontakt unterbricht und laut in Audens Hose schrillt.
Glücklicherweise hat der Unterricht noch nicht angefangen, also zieht Auden es hervor und wirft mir einen kurzen Blick zu. »Es ist meine Mom.«
Ich sage nichts, sondern sehe zu, wie er den Anruf annimmt und sich das Handy ans Ohr presst. Dass er und seine Mom sich ein wenig ausgesprochen haben, ist toll ― aber dass sie mitten zur Schulzeit anruft, macht nicht nur ihn misstrauisch.
»Okay, Mom, beruhige dich«, sagt er auf einmal, weil scheinbar keine Zeit für Begrüßungen ist. »Was ist passiert? Bist du überhaupt nüchtern?«
Ich presse die Lippen aufeinander und halte jeden Gefühlsausdruck in Audens Gesicht fest.
»Warte, was?«, redet er weiter. Seine Augen schweifen panisch zu mir. »Mom, falls das nur ein Witz ist oder du einfach zu betrunken bist, um dieses Telefonat zu führen ...«
Während er den Satz in der Luft hängen lässt, lege ich eine Hand auf sein Bein und sehe ihn aufmunternd an. Im nächsten Moment liegt Audens Hand auf meiner und drückt leicht zu. Er wirkt verstört, als er seiner Mom weiterhin zuhört und erst nach ungefähr einer Minute auflegt, ohne noch etwas zu ihr zu sagen.
Ich weiß nicht so ganz, was ich tun soll. Zu fragen, was denn los ist, wirkt mir zu aufdringlich. Meine Hand weiterhin auf seinem Bein zu lassen, ist zu harmlos. Und nichts zu tun, fühlt sich verdammt scheiße an.
»Auden ...« Warum genau ich seinen Namen ausspreche, weiß ich nicht, aber es scheint ihn aus seiner Trance zu holen.
Ruckartig steht er auf, schnappt sich seine Schultasche und verschwindet aus dem Klassenraum. Ich folge ihm sofort, obwohl unsere Mitschüler sofort anfangen zu tuscheln und uns merkwürdige Blicke zuwerfen.
Auden ist bereits einige Schritte von mir entfernt und läuft den Schulkorridor entlang, als ich ihm eilig hinterherlaufe, ihm den Weg versperre und doch die aufdringliche Frage »Was ist denn los?« stelle.
Er atmet mehrmals ein und aus, fährt sich mit der Hand über das markante Gesicht und läuft unruhig vor und zurück. Wenn ich mich nicht irre, dann kann ich sogar Tränen in seinen Augen erkennen.
»Mein Dad hatte einen Herzinfarkt, Maya.«
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