KAPITEL 14 | PORTER

Ich befinde mich mitten auf meiner zweiten Party in diesem Schuljahr. Wenn man bedenkt, dass das Junior Year erst vor drei Wochen angefangen hat, ist das ein ziemlicher Rekord, sogar für mich.

Wie ich hierhin gekommen bin, ist einfach zu erklären, nur verursacht es eine Art Schmerz in mir, die ich niemals fühlen wollte. Mit zusammengekniffenen Augen nehme ich einen weiteren Schluck aus der Vodkaflasche, die Warren mir in die Hand gedrückt hat. Es ist dieselbe Flasche, mit der Audens Wunde desinfiziert wurde, aber das stört mich nicht.

Mich stört gerade gar nichts mehr.

Nicht einmal Brittany, die auf dem weißen Klavier im Wohnzimmer herumtanzt, das einmal Roamer gehört hat. Mein großer Bruder ist vorhin spurlos verschwunden gewesen, als Warren, Kyler und ich ihn gesucht haben. So wie ich Roamer aber kenne, wird er bald hier auftauchen und versuchen, mit mir irgendwelche Spielchen zu spielen.

Das hat er schon immer gemacht.

Um nicht weiter darüber nachzudenken, nehme ich noch einen Schluck und ächze ein wenig, weil der Vodka tatsächlich wie pures Desinfektionsmittel und Mintzahnpasta zusammen schmeckt. Maya zum Beispiel riecht immer nach einer Mischung aus Erdbeer und Minze, mein neuer Lieblingsgeruch.

Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken, aber nicht einmal das stört mich. Auf meinen eigenen Partys betrinke ich mich so gut wie nie, aber heute ist wohl einfach ein besonderer Anlass dazu.

Als Warren, Kyler und ich wieder hierhergekommen sind, haben Auden und Maya geschlafen. Stacey hat mir erzählt, dass Audens Wunde wieder aufgeplatzt ist, Abraham sich aber bereits darum gekümmert hat und er jetzt Ruhe braucht. Ich hatte auch vor, ihm diese Ruhe zu geben, aber als ich ihn und Maya schlafend auf meiner Couch entdeckt habe, war der Stich in meiner Brust so unerträglich, dass ich froh über Trixies lautes Bellen gewesen bin, das nur Maya aufgeweckt hat.

Sie hatte den Kopf auf Audens Schulter gelehnt und ist ruckartig aufgeschreckt. Ich erinnere mich noch gut an ihre müden großen Augen, die mich überrascht angesehen haben. Dann ist sie aufgesprungen, zu mir gerannt und hat mich umarmt.

»Dir geht es gut«, hat sie an meiner Schulter gemurmelt.

Instinktiv musste ich die Arme fester um sie schließen und ihren einzigartigen Geruch einatmen. Ich wünschte, ich könnte sie immer noch umarmen, anstatt auf dieser Party sein zu müssen. Aber ich habe heute Nacht noch etwas vor, was ich unbedingt hinter mich bringen muss.

Maya und Stacey hat Lawrence bereits nach Hause gefahren, weil Mayas Mutter unzählige Anrufe hinterlassen hat und krank vor Sorge war. Auden haben wir in eines der freien Schlafzimmer getragen und als ich vorhin nach ihm gesehen habe, hat er trotz der lauten Musik tief und fest geschlafen. Warren, Kyler, Daniel und Abraham sind immer noch hier, aber ich kann sie von meinem Platz aus nicht sehen.

»Seit wann füllt sich Porter Sinclair denn selbst ab?«

Ich seufze laut auf, als ich mich umdrehe und dabei ein wenig schwanke. »Nerv jemand anderen, Brittany.«

Sie steht tatsächlich hinter mir, ist ein wenig angetrunken und grinst mich breit an. »Auden ist aber nicht hier, also muss ich wohl dich nerven.«

»Es freut mich, dass du dir mittlerweile bewusst bist, was deine Anwesenheit anstellt.«

»Sie macht dich verrückt?«

»Geradezu irre«, entgegne ich. Meine Stimme überschlägt sich dabei fast und meine Zunge fühlt sich seltsam taub an. Vielleicht sollte ich die Vodkaflasche lieber einmal weglegen.

Da ich aber keinen Tisch sehe, halte ich sie Brittany hin, die sie grinsend nimmt und dann einfach neben sich auf den Boden wirft.

Kopfschüttelnd lehne ich mich an die Wand neben mir an, um nicht umzukippen. »Warum musst du immer unsere schönen Teppiche ruinieren?«

Ich weiß nicht, ob sie versucht, anzüglich zu sein oder mit ihren Lippen eine Fliege einzufangen, denn ihr Mund steht weit offen, als sie langsam auf mich zu kommt.

Unbewusst lasse ich den Blick über ihren Körper schweifen, der in einem engen hellrosa Kleid ohne Träger steckt. Sie sieht mein Starren sofort als Einladung dafür, die Hände neben mir an der Wand abzustützen und mit ihrem Gesicht gefährlich nah an meines zu kommen.

»Weißt du, was ich mich frage?« Brittany öffnet den allerersten Knopf meines schwarzen Hemdes und berührt dann die frei gewordene Haut.

Nüchtern hätte ich sie zurechtgewiesen. Wenn ich Maya und Auden nicht so eng nebeneinander gesehen hätte, würde ich meine Cherry suchen und nicht hier stehen und mich von Brittany anfassen lassen. Aber irgendetwas muss Auden doch haben, das ich nicht habe, oder? Und ich glaube, ich weiß mittlerweile, was es ist.

»Ich frage mich«, sie küsst sich langsam einen Weg an meinem Hals entlang und bleibt bei meinem linken Ohr stehen, »ob wir uns im Bett genauso verabscheuen würden wie sonst.«

Auden hatte bereits so viele Mädchen, dass ich aufgehört habe zu zählen. Bisher wollte ich immer warten, bis ich mit jemandem schlafe. Aber wozu eigentlich? Ich bin betrunken, Brittany ist jetzt, wo Roamer auf der Bildfläche erschienen ist, mein kleinstes Übel und ich kriege Maya und Auden, wie sie eng aneinander auf meiner Couch eingeschlafen sind, einfach nicht mehr aus meinem Kopf.

»Bin ich etwa so unwiderstehlich, dass es dir die Sprache verschlagen hat?«

Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich Brittanys überhebliches Gesicht an. »Nicht wirklich.«

»Ich hoffe, du hältst gleich die Klappe, wenn wir uns ein Schlafzimmer suchen«, feuert sie zurück. Sie will noch etwas hinzufügen, als wir plötzlich von Kyler und Daniel unterbrochen werden, die sich rechts und links an meine Seite stellen.

Kyler ist der Erste, der sich durch die blonden Haare fährt und dann verächtlich den Mund verzieht. »Mir scheint so, als ...«

»... könntest du Hilfe gebrauchen, Porter«, fügt Daniel hinzu. »Die Entscheidung, heute noch eine Party zu schmeißen, kam zwar plötzlich, aber ich glaube nicht, dass es dein Ziel ist, heute Brittany Grammer zu vögeln.«

Kyler nickt bekräftigend. »Spätestens morgen früh wirst du es bereuen.«

»Ich musste erst einmal in meinem Leben so viel Überzeugungskraft aufwenden, damit jemand mit mir schläft«, wirft Brittany trocken ein. »Und das war bei Auden. Aber du bist nicht er, nicht wahr, Porter?«

Damit bringt sie meine wirren, betrunkenen Gedanken so ziemlich auf den Punkt. Ich bin nicht Auden und auch wenn Maya mir diese Umarmung geschenkt hat, würde sie sich bei mir vielleicht niemals so wohlfühlen, dass sie neben mir einschläft.

Es ist beeindruckend, wie wenig die Kuss-Deadline dabei eine Rolle spielt, denn um Küsse geht es mir bei Maya längst nicht mehr. Und Auden auch nicht, das ist mir vorhin klar geworden.

»Komm, wir trinken ein bisschen Wasser«, schlägt Daniel vor, während er mich Richtung Küche schieben will, aber ich rühre mich nicht von der Stelle. Er seufzt. »Wasser ist gut, Porter, es hilft dir klarer zu denken.«

»Was du gerade offensichtlich nicht tust«, stellt Kyler fest. »Sonst würdest du nicht überlegen, ob du mit Brittany ins nächste Bett hüpfst.«

Audens Freundschaft ist eines der wichtigsten Dinge für mich und das darf ich nicht wegen eines Mädchens aufs Spiel setzen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dasselbe gedacht hat, aber es ist nun mal nicht so einfach, wie es klingt.

Plötzlich wird mir nicht nur schwindelig. Ich habe ebenfalls extrem Lust darauf, mir von Warren eine Zigarette zu schnappen und sie zu rauchen. Vielleicht auch zwei.

Mir fällt in diesem Moment wieder ein, warum ich nicht so gerne trinke.

Über einen Monat habe ich es jetzt ohne Zigaretten ausgehalten, aber gerade ist das Bedürfnis so stark, dass ich es kaum aushalte. Genauso wie ich die Gedanken an Maya nicht aushalte.

»Ich glaube, Porter will mit mir gehen«, wirft Brittany triumphierend ein. »Nicht wahr?«

Daniel fährt sich seufzend über das Gesicht. »Das wird gar nicht gut enden.«

Brittany streckt die Hand nach mir aus und ich ergreife sie, ohne richtig darüber nachzudenken. Denken ist in meinem Zustand sowieso fast unmöglich. Daniel und Kyler reden erneut auf mich ein, aber ich gebe ihnen mit einem Zeichen zu verstehen, dass es okay ist.

Meine Jungfräulichkeit hinter mich zu bringen, drängt mich wenigstens ein bisschen in Audens Richtung. Irgendwann lassen seine französischen Cousins mich mit Brittany gehen, die so schadenfroh grinst, dass ich am liebsten vor ihr weggerannt wäre. Wir laufen die Treppen bis in den zweiten oder dritten Stock nach oben, richtig bekomme ich es nicht mit.

Kurz vor einem der freien Schlafzimmer, bleibt sie stehen und dreht sich vorfreudig zu mir um.

Nur um ihre Lippen auf meine zu legen.

»Ich weiß, dass du das nur machst, um über Maya hinwegzukommen«, flüstert sie an meinem Mund und küsst mich wieder. »Und du weißt, dass ich es nur mache, um über Auden hinwegzukommen.«

Oder kurzgefasst: Wir nutzen uns gerade gegenseitig aus.

Das scheint weder sie noch mich zu stören, als sie langsam die Türklinke nach unten drückt und mich in den dunklen Raum hineinzieht.

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