KAPITEL 08 | PORTER
Manchmal frage ich mich, für wen ich eigentlich die letzten Wochen auf diesem Basketballfeld gestanden bin. Für mich? Für meine Freunde? Oder für mein letztes Schuljahr an der Millbrook?
Die Antwort ist: Für all diese aufgezählten Punkte zusammen.
Ich will mir und meinen Freunden einfach beweisen, dass ich mehr sein kann als ein reicher Schnösel mit zu viel Geld und zu vielen Hauspartys. Basketball zu spielen ist dafür aber nicht der richtige Weg gewesen, denn auf diesem Feld zu stehen, fühlt sich nämlich falsch an. Ich komme mir irgendwie vor wie ein Dreieck in einem Kreis, auch wenn dieser Satz vielleicht keinen Sinn ergibt.
»NICHT NUR HERUMSTEHEN, SONDERN SPIELEN, SINCLAIR!«
Der Coach ruft so laut, dass es sogar die Cheerleaderinnen bei ihrem Training mitbekommen. Fast alle starren mich verwirrt an, nur Brittanys Augen sind auf Auden geheftet, der den Ball gerade dribbelt und einen Spieler - definitiv nicht mich - visiert. Ich weiß nicht, wie er das anstellt, aber er sieht immer so aus, als wäre er dafür gemacht, hier zu sein. Ihm sieht man an, dass er auf dem Feld abschalten kann und sich nicht fragt, wie viele Minuten wir hier noch stehen müssen oder warum noch niemandem aufgefallen ist, dass in dem Wort ›Assassin‹ zweimal das Wort ›Ass‹ vorhanden ist.
Normale Gedanken eines 17-Jährigen, wenn man mich fragt.
Meine Eltern sind gestern von ihrer Geschäftsreise zurückgekommen, was den Tag anhand dessen, dass mir Maya die ganze Zeit aus dem Weg gegangen ist, viel besser gemacht hat. Nur hat meine Mom, als sie in mein Zimmer gekommen ist, auf meinem Schreibtisch ein paar Blätter gefunden, die sie nicht hätte sehen sollte.
Ich verheimliche nicht viel vor meinen Eltern. Aber meine Songtexte waren etwas Privates, etwas, das nur ich allein wusste. Umso beschwichtigter war ich jedoch, als meine Mom so gerührt von den Worten war, dass sie Tränen in den Augen bekommen hat. Dad hat mir währenddessen stolz auf die Schulter geklopft und mir eine neue Gitarre versprochen. Auch wenn ich bereits zwei davon besitze, aber das habe ich nicht gesagt, um die Stimmung nicht zu ruinieren.
Am liebsten hätte ich es, wenn Coach Ivers mir eine der Gitarren in die Hände drücken würde, anstatt mich weiterhin bloß anzuschreien. Es würde doch niemandem etwas ausmachen, wenn ich hier anfange zu spielen, oder? Ich könnte alles singen, von Rock 'n' Roll bis Country-Musik, je nachdem, was für die Spieler hier angesagter ist und was sie ―
»DAS WAR'S, SINCLAIR!«
Irritiert hebe ich den Kopf und blicke in Coach Ivers wütendes Gesicht. Muss er wirklich so herumbrüllen, wenn er sogar direkt vor mir steht?
»DU SITZT DEN REST DES TRAININGS AUF DER BANK!«
Als wäre jetzt nichts wichtiger als meine Sportschuhe, bücke ich mich, um meine Schnürsenkel zu binden. Zwar sind sie nicht offen, aber das erkennt Coach Ivers hoffentlich nicht.
»HAST DU MICH VERSTANDEN, PORTER?«
»Fast nicht, weil Sie so herumschreien«, murmele ich so leise, dass nur ich es verstehen kann.
Es ist mir nicht einmal peinlich, das Spielfeld zu verlassen, weil ich erstens überall lieber bin als hier und ich zweitens auf der Tribüne einen viel besseren Blick auf die Cheerleaderinnen habe. Brittany zum Beispiel ist immer noch auf Auden fixiert, weshalb ihr Stacey genervt ihren Pompon ins Gesicht wirft.
Grinsend lehne ich mich zurück.
Irgendwie bekomme ich ja wirklich immer, was ich haben will ― nur zählt ein gewisses kratzbürstiges Mädchen namens Maya Edwards nicht dazu. Zwar finde ich mich so langsam mit dem Gedanken ab, weil ich keinesfalls vorhabe eine männliche Brittany zu werden, die ein Nein nicht akzeptieren kann, aber trotzdem stört es mich.
Gleichzeitig stelle ich mir selbst die Frage, ob ich auch meine Lippen auf ihre legen würde, wenn es nicht um die Kuss-Deadline ginge. Maya ist absolut umwerfend und ihre Wortwahl oft ziemlich amüsant, aber es ist kein Geheimnis, dass ich meistens einfach das will, was ich nicht haben kann. Und davon gibt es nicht viele Dinge.
Als wäre sie von meinen Gedanken herbeigerufen worden, läuft Maya geradewegs auf die Tribüne zu, während sie ihre Augen vor der Sonne mit ihren Händen abschirmt und dabei zu den Cheerleaderinnen sieht. Wahrscheinlich hält sie Ausschau nach Stacey, die immer noch Brittany mit ihren Pompons schlägt.
Nachdem sie mich endlich erspäht hat, zuckt sie schreckhaft zusammen. Ich hoffe wirklich, dass das nicht zur Gewohnheit wird. Zuerst Warren, der weint, wenn er mich doppelt sieht, und dann Maya, die bei meinem Anblick Angst bekommt. Sollte ich mich vielleicht mal intensiver im Spiegel angucken?
»Warum sitzt du hier?«, platzt es aus ihr heraus.
Als wäre das möglich, grinse ich stärker. »Ach, ich hatte nur gehofft, dass du ausrutschst und deine Lippen zufällig auf meinen landen.«
»Dein Humor ist komisch«, entgegnet sie mit einem kleinen Lächeln, während sie sich dichter neben mich setzt, als ich erwartet habe.
Zu meiner Verwunderung wirkt sie jetzt nicht einmal mehr nervös, was ein ziemlicher Fortschritt ist. An meiner Willkommensparty hat sie so eingeschüchtert von mir gewirkt, dass es schon irritierend war. Ich meine, was dachte sie, würde ich mit ihr tun? Sie fesseln? Sie irgendwie dazu zwingen, mich zu küssen? Oder sie aufessen, weil ich an dem Abend so viel Hunger hatte?
Meine Augen starren womöglich ein wenig zu lange auf ihr Lächeln, aber ich kann mich auch nicht wirklich von ihnen reißen. »Nicht nur mein Humor ist an mir komisch, Cherry.«
»Falls du deine Basketballkünste meinst, dann muss ich dir leider widersprechen. Die sind nicht komisch, sondern einfach nur schlecht.« Beschämt zieht sie die Beine an und schlingt ihre Arme um ihre Knie. In dieser Position wirkt sie noch kleiner als sonst und viel zu niedlich, um wahr zu sein. »Tut mir leid, das war ein bisschen zu ehrlich.«
»Da ich meine Würde und Ehre gerade sowieso schon verloren habe, kann ich mich auch bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, falls ich mich manchmal wie ein Arschloch verhalten habe.«
Ungläubig sieht sie mich an. »Falls du dich manchmal wie ein Arschloch verhalten hast?«
Ich lege den Kopf leicht schief. »Das war doch der Grund, warum du mir aus dem Weg gegangen bist, oder?«
»Ich bin dir nicht aus dem Weg gegangen. Eigentlich wollte ich sogar gestern und vorgestern schon mit dir reden, aber deine Basketballkünste haben mich zu sehr abgeschreckt.«
»Ha, ha«, sage ich nur. »Du bist ja beinahe so lustig wie ich.«
»Streich das ›beinahe‹ und du hast tatsächlich einmal im Leben etwas Sinnvolles gesagt.«
Herausfordernd ziehe ich die Augenbrauen in die Höhe. Sie wird wirklich mit jedem weiteren Gespräch, das wir führen, reizvoller. Eigentlich kann ich es nicht leiden, wenn ein Mädchen zu schlagfertig ist, weil es dann so aussieht, als wäre sie besser als ich, aber bei ihr macht es mir nicht einmal etwas aus.
Vielleicht liegt es daran, dass sie zwar unschuldig aussieht, ich aber genau weiß, dass sie es nicht ist. Nur sie scheint es noch nicht zu wissen.
Jetzt grinst Maya mich frech an und streicht sich das glänzende, kirschrote Haar über die Schultern. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Wenn du eine Frage stellst, in der du fragst, ob du etwas fragen darfst, dann ist diese Frage ziemlich unnötig.«
»Wow, das ist sogar für mich zu kompliziert. Hast du meine Fremdwörter eigentlich gegoogelt?«
Ich nicke. »Natürlich. Allein deine Anwesenheit macht klüger, Cherry.«
»Wir lenken vom Thema ab.« Augenverdrehend stützt sie die Hände hinten ab. »Ich wollte dich fragen, warum du überhaupt Basketball spielst, wenn du doch offensichtlich lieber auf der Bank bist als auf dem Feld. Ja, das sieht man dir an, Porter, aber lass mich raten: Da du ja nichts versuchst, sondern es einfach tust und fertig, wirst du am Ende des Schuljahres der Profispieler schlechthin sein, nicht wahr?«
Als wäre es möglich, grinse ich in diesem Moment noch mehr. Ich kann gar nicht beschreiben, warum Maya mir so gefällt, aber es hat definitiv nicht nur etwas mit ihrem Aussehen zu tun. Warren hat mir letztens gesagt, dass er Staceys Art einfach mag und ich glaube, ich verstehe in diesem Moment, was er damit meinte.
Mir gefällt Mayas Art nämlich auch. Sie macht mir gute Laune und ist weniger anstrengend als andere Mädchen, die ich kenne. Wie sie etwas sagt, wirkt auf mich anders, als wenn es jemand anderes von sich geben würde, auch wenn ich nicht weiß, ob das Sinn ergibt.
»Du bist weniger nervig, als ich dachte«, platzt es doch tatsächlich im nächsten Moment aus mir heraus.
Mayas Wangen werden rot. »Ich kann nicht glauben, dass ich deine Worte als Kompliment nehme.«
»Es sollte aber eines sein.« Mir gefällt nicht, wie nervös ich plötzlich werde. Sie ist doch bloß wie jedes andere Mädchen, mit dem ich flirten würde, nicht wahr?
»Sei ehrlich zu mir, Porter. Warum ist dir die Kuss-Skyline so wichtig?«
Nein, sie ist definitiv nicht wie jedes andere Mädchen.
»Weil ich es mag zu gewinnen«, antworte ich, was es ein Teil der Wahrheit ist. »Ich gewinne immer, Cherry.«
Sie schnippt mir ein kleines Blatt von der Schulter und sieht mir dann angriffslustig ins Gesicht. »Gegen mich gewinnst du nicht.«
»Das glaube ich schon.«
»Glauben ist nicht wissen.«
Dagegen habe ich tatsächlich nichts mehr einzuwenden.
Maya grinst siegessicher. »Weißt du, wenn wir schon so ehrlich zueinander sind, dann kann ich dir auch sagen, dass du ziemlich niedlich bist, wenn du so schmollst wie jetzt.«
»War das ein Kompliment? Wenn ja, dann erinnere mich daran, uns in diesem Workshop einzutragen, von dem ich im Josie's geredet habe. Vielleicht gibt es noch Hoffnung für dich.«
»Es wird mir so viel Freude bereiten, dich noch ein wenig zappeln lassen«, entgegnet sie nur, ohne auf meine Aussage einzugehen. Ihr Lächeln verrät aber, dass sie diese Konversation fast so sehr genießt wie ich.
Ich starre derweil komischerweise fast schon hypnotisiert auf ihre Lippen. Sie haben eine irre Form, die ich noch nie bei jemandem gesehen habe. Der Schwung ihrer Oberlippe erinnert mich an ein Herz und der Drang herauszufinden, wie sich ihr Mund an meinem anfühlen würde, ist viel zu groß, um noch länger zu widerstehen. Trotzdem beiße ich fest die Zähne zusammen, um bloß nicht auf falsche Gedanken zu kommen.
»Meine Augen sind eigentlich woanders, Porter. Eher auf Höhe meiner Schläfen und direkt unter meinen Augenbrauen, falls du sie noch nicht gefunden hast.«
»Ich mag deine Lippen aber.«
Überrascht klappt ihr der Mund auf.
Ich weiß nicht, warum, aber mein Lächeln fühlt sich ein wenig zu verrückt an, als ich ihr endlich in die großen, blauen Augen sehe. Hoffentlich bekommt sie nicht Angst vor mir. »Und deine Augen mag ich auch. Du hast wirklich schöne Augen.«
»Versuchst du gerade mich dazu zu bringen einzuknicken?«, fragt sie leise und starrt dabei auf meinen Mund.
Tatsächlich könnte man so etwas von mir denken, aber ich habe eigentlich nur ausgesprochen, was ich gedacht habe. In Zukunft sollte ich das lassen. Immerhin will ich Maya nicht mit Komplimenten dazu bringen mich zu küssen, sondern mit meinem Charme. »Klappt es denn?«, flüstere ich trotzdem zurück.
»Nein.«
»Dann werde ich mich wohl mehr anstrengen müssen.« Und schon wieder fällt mein Blick auf diese kirschroten Lippen, die immer noch zu einem Lächeln verzogen sind. Noch nie wollte ich ein Mädchen so sehr küssen, wie ich sie küssen will.
Aber mein Wille spielt keine Rolle, solange sie es nicht auch möchte.
»Was macht ihr da?«
Maya ist die Erste, die ihre Augen von meinen Lippen reißt und überrascht zu Auden sieht, der verschwitzt und schweratmend vor uns steht. Ich kann mir selbst zusammenreimen, warum er nicht mehr beim Training ist.
Er hat sich wahrscheinlich mehr auf Maya als auf das Training konzentriert. Ich kann es ihm nicht einmal verübeln.
»Wir unterhalten uns nur«, antwortet Maya mit einem freundlichen Lächeln in seine Richtung.
Auden zieht irritiert die Augenbrauen zusammen.
»Wir kommunizieren miteinander, wir führen ein Gespräch, wir halten ein Schwätzchen ...«, zähle ich auf, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, denn die ist ordentlich gekippt, seit er vor uns steht. »Du kannst es nennen, wie du willst.«
»Starrt ihr euch beim Schwätzchen halten immer auf die Lippen?«, entgegnet er.
Mit jeder Sekunde, die vergeht, wirkt er beunruhigter, dabei verstehe ich nicht ganz, wieso. Meinte er nicht, dass er gar kein Interesse an Maya hätte?
Am liebsten hätte ich mir die flache Hand gegen die Stirn geklatscht. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde lang glauben, er hätte die Wahrheit gesagt? Man muss Maya wahrscheinlich nur ansehen, um sie zu mögen. Außerdem weiß ich von Kyler und Warren, dass Maya mit Auden den Schreibkurs besucht, also haben sie mit Sicherheit schon einmal miteinander geredet.
»Vielleicht sollte ich mal eine Sache klarstellen.« Maya atmet hörbar aus und blickt zwischen Auden und mir abwechselnd hin und her. »Ihr seid beide wirklich nicht so schrecklich, wie ich erwartet habe, aber ... aber der Grund, warum ich es euch nicht so leichtmache, ist, dass ich ... also ... ich bin ungeküsst, okay?«
Falls sie denkt, dass wir überrascht sind, irrt sie sich gewaltig. »Das wussten wir«, meint Auden in dem Moment, in dem ich »Haben wir uns schon gedacht« sage.
»Warte, was? Woher ...?« Maya lässt die Frage perplex in der Luft hängen. »Ich meine ...«
»Kyler hat dafür einen siebten Sinn«, erkläre ich. »Er hat es schon vorhergesagt.«
»Er hat wohl eher geraten«, wirft Auden ein. Ein seltsamer Klumpen bildet sich in meinem Magen, als er zu Maya sieht. »Du solltest daraus nicht so eine große Sache machen.«
»Weil es sonst peinlich für mich wird?«, hakt sie nach.
Stirnrunzelnd schüttelt er den Kopf. »Nein, weil es wirklich keine große Sache ist, Maya. Also musst du dich auch nicht dafür schämen.«
»Wer sagt, dass ich mich schäme?«
Der Klumpen verdoppelt sich, als Audens Mundwinkel verdächtig zucken. »Soll ich jetzt wieder meine Beobachtungen aufzählen, die dich verraten würden?«
Ich glaube nicht, dass ich beschreiben könnte, wie ich mich in diesem Moment fühle. Einerseits bin ich froh, dass Auden nett zu Maya ist und sie nicht wie sonst links liegen lässt. Andererseits verunsichert es mich, wie sehr er sie in der kurzen Zeit schon leiden kann, wenn man bedenkt, dass er eigentlich eine gewisse Grundabneigung gegen alle Menschen auf der Welt hat.
Als würde Maya meine Unsicherheit spüren, dreht sie den Kopf zu mir und lächelt mich breit an. »Ich deute dein Schweigen jetzt einfach mal als Zustimmung dafür, dass du mich mit deiner Kuss-Skyline in Ruhe lässt.«
Ich kann gar nicht anders, als zurückzulächeln, weil sie es wirklich mit Absicht immer wieder falsch sagt.
»Wir lassen dich in Ruhe, wenn du es willst«, sagt Auden, ohne Maya und mich anzusehen.
Schnell schüttle ich den Kopf.
Ich kann zwar damit leben, nie zu erfahren, wie sich ihre Lippen an meinen anfühlen, aber ich will nicht damit leben, nie wieder ein Wort mit Maya zu reden. Wie kann Auden diese Entscheidung über mich hinwegtreffen? Gut, wenn man bedenkt, was ich schon für Entscheidungen hinter ihm getroffen habe, ist das vielleicht nicht sein allergrößtes Verbrechen, aber trotzdem stört es mich.
Auch Maya scheint nicht mit diesen Worten gerechnet zu haben und sagt zunächst nichts. Dann klingelt ihr Handy laut und schrill in ihrer kleinen Schultasche, woraufhin sie hektisch darin herumkramt.
»Das ist meine Mom.« Sie klingt irgendwie besorgt, aber bevor ich nachfragen kann, schultert sie auch schon ihre Tasche und ist auf halbem Weg zurück zur Schule. »Wir sehen uns spätestens morgen!«, ruft sie und winkt uns ein wenig verloren zu. Im nächsten Moment ist sie weg und damit ist der Klumpen in meinem Magen endgültig zu groß.
Auden seufzt tief und laut. »Sie ist gerade buchstäblich vor uns weggerannt, Porter.«
»Sie hat das nicht einfach so gemacht«, entgegne ich entschlossen. Mittlerweile kenne ich ein paar Seiten von Maya, aber diese hier ist zu neu, um gespielt zu sein. »Hoffentlich ist mit ihrer Mom alles in Ordnung.«
»Egal, ob sie deshalb weggerannt ist oder nicht, ich halte mich von ihr fern.« Auden ist lange nicht mehr so kalt und distanziert gewesen wie jetzt. Von dem lächelnden Kerl, dessen Augen nur auf Maya gerichtet waren, ist nichts mehr zu sehen.
Bevor er sich noch mehr verschließen kann, stehe ich von der Tribüne auf und stelle mich direkt vor ihn. Dass wir jetzt auf einer Höhe sind, wird dieses Gespräch gleich hoffentlich leichter machen. »Was ist los mit dir, Auden?«
Seine Miene ist hart und undurchdringlich. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Du verhältst dich seit den Sommerferien anders.« Ich versuche Blickkontakt mit ihm aufzubauen, aber er weicht mir natürlich aus. »Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich und die anderen Jungs auch. Bisher habe ich es nicht gesagt, weil ich dachte, du hast bald wieder deine Eyeliner-Phase ―«
»Warum muss das jeder ansprechen?«, murmelt er. »Es geht mir gut, okay? Hör auf dich zu benehmen, als wärst du meine Mom, das passt nicht zu dir.«
Ich weiß nicht, wie ich ihn zum Reden zwingen kann, wenn er es doch so offensichtlich nicht will. Außerdem kenne ich Auden nun schon ziemlich lange und weiß, dass er nur von selbst mit jemandem über seine Probleme spricht.
Als ich meine Hand auf seine Schulter lege und aufmunternd zudrücke, sieht er mir endlich in die Augen. Die Leere darin macht mir ein wenig Angst, aber ich lasse mir davon nichts ansehen. Stattdessen lächle ich ihn leicht an und sage: »Ich war für dich da, als wir erst zehn Jahre alt waren und ich mein Taschengeld immer mit dir geteilt habe. Ich war auch für dich da, als wir vierzehn waren und ich dich nach deinen dämlichen Prügeleien damals versorgen musste, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie man Wunden richtig verarztet. Und ich bin auch jetzt noch für dich da, Auden, egal was ist. Ich würde beinahe alles tun, damit es dir gut geht. Trixie wegzugeben, käme nicht infrage, aber sonst würde ich wirklich alles tun.«
Als hätte ich das Wunder aller Wunder bewirkt, lächelt Auden mich an. Auch wenn es ein sehr trauriges Lächeln ist, wie mir auffällt. »Du tust schon viel zu viel für mich.«
Seine Worte machen mich sofort misstrauisch. Was verheimlicht er vor mir? Was kann so schlimm sein, dass er es nicht einmal mir erzählen will?
Auden legt seine Hand auf meine, die immer noch auf seiner Schulter ruht. Als würde er sonst mit der Sprache herausrücken, wenn er mich noch länger ansieht, reißt er seine Augen ruckartig von mir los. »Im Moment versuche ich nur, dir alles zurückzugeben, Porter.«
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