4 - Zerbrechlicher Friede
Wieder einmal in seinen Gedanken versunken lässt er seinen Blick über die vielfältige Landschaft schweifen. Schlussendlich war es definitiv keine schlechte Entscheidung, auf dieser Insel Schutz vor dem vergangenen Sturm zu suchen.
Und dass er dabei noch so unterschiedliche und vielfältige Wikinger kennenlernen durfte, die mit den Drachen befreundet sind, ist doch gleich doppelter Gewinn für ihn.
Wenn er doch nur seinem Stamm davon erzählen könnte...
Und doch waren die Tage auf Berk zugleich auch sehr ruhig. Bis auf den verschiedensten Streichaktionen der Zwillinge oder dem ein oder anderem genervten Drachen ist tatsächlich nichts Bemerkenswertes passiert. Keine Angriffe, keine Auseinandersetzungen mit anderen Stämmen. Er kann den Eindruck nicht loswerden, dass die Berkianer anscheinend doch ein ziemlich ruhiges Leben leben müssen.
Währenddessen ist der Sturm natürlich schon längst weitergezogen und ein strahlend blauer Himmel lässt es sich nicht nehmen dem Inselreich seit mehreren Tagen immer wieder Hallo zu sagen. Mit den vereinzelten Wolken das perfekte Wetter zum Fliegen.
Und in seinem Falle, das beste Wetter, um seine endlose Reise fortzusetzen. Gerade da hier auf Berk sowieso nichts großartig Spannendes geschieht, wofür es sich lohnen würde zu bleiben.
Es dauerte nicht lange, bis die Reiter – oder besser gesagt ein Teil von ihnen, da die anderen mal wieder mit irgendeinem Unsinn beschäftigt waren – zu einem neuen Flug aufbrachen. Und ihn wiederum fragten, ob er mit seinem Drachen dabei sein möchte.
Diese Chance lässt Neo sich natürlich nicht nehmen.
Grinsend feuern sie gegenseitig ihre Drachen an, während eine bunt gemischte Truppe aus Drachen und Reitern den Himmel aufmischt. Nur Fischbein mit seinem Gronkel hat leichte Schwierigkeiten mit der Gruppe mitzuhalten. Was sie mit ihrer Beharrlichkeit wiederum ausgleichen.
„Sagt mal, ihr kennt euch doch aus mit den Inseln, die Berk umgeben, oder?", seine Neugier diesmal nicht verbergend sieht Neo zwischen Hicks und Astrid hin und her.
Tatsächlich waren die unterschiedlichen Erkundungen von beiden Seiten schon einmal Thema gewesen. Gerade im Hinblick darauf, dass sie voneinander noch viel lernen konnten.
„Nun, einige von den näheren Inseln haben wir schon genauer erkunden können. Meist war es unseren Drachen geschuldet", grinst Hicks entschuldigend.
„Warum fragst du, Neo?", stellt Astrid ihm wiederum die Gegenfrage und mustert ihn forschend. Obwohl er die Truppe nun schon länger begleitet und sie es geschafft haben, sich wenigstens gegenseitig zu akzeptieren, so bleibt doch immer ein gewisser Rest Misstrauen vorhanden. Und selbst jetzt kann er es ihnen immer noch nicht übelnehmen, denn ihm geht es ja doch nicht anders.
„Ich überlege weiterzureisen. Hier auf Berk ist es ja doch ziemlich ruhig und ich habe noch eine lange Reise vor mir. So nett es bei euch auch ist, ich würde ungern weitere wertvolle Zeit bei euch verschwenden." Und doch entgeht ihm nicht, wie Astrid bei dem Wort „verschwenden" skeptisch eine Augenbraue hochzieht. Natürlich hört es sich für Außenstehende seltsam an, aber sie müssen ja nicht gleich seine ganze Lebensgeschichte erfahren. Vor allem, weil ein kleiner Teil in ihm nicht zu 100% sicher sein kann, dass sie wirklich nichts mit Ihm zu tun haben.
„Vielleicht kann ich euch da behilflich sein!", ertönt es im selben Moment von weiter hinten.
Verwundert sehen die Angesprochenen auf, als es ihnen wieder einfällt.
Fischbein!
Kaum wird der Runde klar, das Fischbein und Fleischklops tatsächlich langsamer hinterherkommen als erhofft, ist eine Pause beschlossene Sache. Auf einem der großen Inselplateaus landend warten sie auf die beiden.
Ehrlich fasziniert kann Neo sich ein leichtes Staunen nicht verkneifen, wie schnell und langsam einerseits Gronkel sein können und zugleich selbst das „schwächste" Mitglied dieser Gruppe nicht einfach zurückgelassen wird. Werte, die er ihnen hoch anrechnet. Ist es da draußen in der Welt doch oftmals anders.
„Ich kenne die umliegenden Inseln so gut wie ich meine Gronkeldame Fleischklops kenne!", schließt Fischbein direkt an seinem Satz von eben – in Wahrheit schon einige Minuten länger her – an. Noch bevor jemand etwas erwidern kann, hat besagter Wikinger angefangen, in seiner Tasche zu kramen. Suchend, bis er mehrere Zettel und Karten in der Größe von Spielkarten hervorholt. „Die meisten Inseln sind unbewohnt. Also von Wikingern, Drachen leben auf den Inseln auf jeden Fall! Und meide unbedingt die Aal-Insel! Ich vermute mal, dein Drache Fighter wird auch keine Aale mögen."
Wie, als wenn der angesprochene Drache zustimmen will, verzieht dieser angewidert seine Schnauze und schüttelt kurzerhand den Kopf. Was die anderen wiederum amüsiert beobachten. Der Drache hat eine ziemlich klare Meinung zu Aalen. Definitiv.
Plötzlich verziehen auch die anderen Drachen ihre Schnauzen und ein leises unterschwelliges Knurren mischt sich dazu. Erschrocken sehen die Drachenreiter von Berk zu ihren Drachen, welche sich dem Knurren von Fighter anschließen.
War die Bemerkung über Aale wirklich so schlimm?
Fischbein ist der Erste, der seine Sprache wiederfindet: „Verbannte!"
Verbannte? Verwirrt mustert Neo den rundlichen Wikinger, bevor er seinem ausgestreckten Arm folgt und so um die vielleicht zwei Schiffe am Horizont entdeckt. Mit dem Wappen eines Wikingerhelms.
„Das ist gar nicht gut...", erwidert Hicks zerknirscht, als er Richtung Berk sieht, „Wir müssen die anderen warnen. Sofort!"
„Wir folgen dir!", stimmt Astrid ihm zu, als besagtes Duo auch schon losgeflogen ist. So schnell sie mit Fischbein und Fleischklops im Schlepptau können folgen sie den beiden zurück nach Berk.
„Wer sind die Verbannten?", versucht Neo gegen den Flugwind rufend seine Frage zu stellen.
„Ehemalige Wikinger von Berk, die... aufgrund verschiedener Sachen gehen mussten. Alvin ist ihr Anführer und seitdem haben wir immer mal wieder Stress mit denen. Weil sie sich unbedingt rächen wollen", erklärt die Blondhaarige ihm, während sie den Blick starr auf das immer näherkommende Berk gerichtet hat.
Kaum haben sie das Dorf erreicht, hört man auch schon Hicks und Haudrauf miteinander reden. Besser gesagt, wie Haudrauf beginnt den anderen Wikingern verschiedene Befehle zu erteilen. „Schützt die Frauen und Kinder! Ein Teil guckt, das keine weiteren Schiffe von der anderen Seite versuchen anzulegen. Kampfbereit machen, Männer! Und du Sohn, ihr jagt die zwei Schiffe in die Flucht, ja?"
Doch scheint der Häuptling von Berk auf eine Antwort gar nicht zu warten, denn noch bevor Hicks etwas erwidern kann, ist sein Vater inmitten der Häuser verschwunden und das große Horn Berks für Alarm ertönt.
„Oh Vater...", kopfschüttelnd sieht Hicks ihm nach und kann sich doch ein unmerkliches Lächeln nicht verkneifen. Welches kurz darauf größer wird, als Astrid, Neo und Fischbein auf dem Marktplatz bei ihm ankommen. „Thor sei Dank sie haben euch nicht erwischt in der Zwischenzeit!" Obwohl er ein Grinsen dabei versucht, um etwas Humor in die Sache zu bringen, so ist doch allen der Ernst der Lage bewusst.
Suchend sieht Astrid sich um: „Wo sind die anderen?"
„Ich wusste doch, das du in der Not zum wahren Retter Berks eilen würdest!", selbstverliebt hört sie diese Stimme im nächsten Moment hinter sich. Und Astrid weiß sofort, um wen es sich dabei handelt: „Rotzbacke!"
„Ja, das ist mein Name", säuselt der selbstverliebte Wikinger, als er grad noch so einer genervten Wikingerfrau ausweichen kann.
„Leute, ernsthaft? Es nähern sich Schiffe von den Verbannten, hast du da grad wirklich nichts Besseres zu tun, Rotzbacke?", bestimmt mustert Hicks seinen Cousin.
„Aber sie hat angefangen!", erwidert dieser nur trotzig.
„Warum sagt uns niemand Bescheid, dass wir grade den ganzen Spaß verpassen?" - „Ja, wir können Rotzbacke noch besser ärgern!", bringen sich jetzt auch die Zwillinge mit ein, die empört von einem zum anderen sehen.
„Es geht nicht darum Rotzbacke zu ärgern, sondern dass wir die Verbannten in die Flucht schlagen, deren Schiffe sich da am Horizont gerade nähern!", erwidert Hicks nun etwas genervter und deutet auf den Horizont, sowie den zwei immer näherkommenden Schiffen.
„Die Verbannten greifen an, warum hast du das nicht gleich gesagt, Hicks?", erwidert Taffnuss sichtlich entsetzt. Kopfschüttelnd nimmt Hicks das stillschweigend zur Kenntnis, sich wieder in den Sattel von Ohnezahn schwingend.
Schweigend hat Neo die Drachenreiter miteinander diskutieren lassen, während er seinen Blick wiederum nicht von den sich nahenden Schiffen abwenden kann.
Erinnerungen kommen hoch und zu den Erinnerungen Stimmen. Und wenn er ehrlich ist, ehrlich zu sich selbst, dann hört er die Schreie dieses Tages noch heute. Wie plötzlich alles brannte, Menschen und Drachen gleichermaßen schrien. Sei es aus Angst, aus Wut, aus Trauer, weil sie Geliebte verloren haben. Unmerklich ballt sich seine Hand zur Faust und seine Muskeln sich an, versuchend die Kontrolle über seinen Körper, seine Mimik, seine Gedanken zu behalten. Nur nicht nachgeben. Standhalten. Den Schmerz aushaltend.
Es sind solche Wikinger gewesen, denen er all das zu verdanken hat. Und jetzt haben die Menschen von Berk mit ähnlichen Wikingern zu kämpfen, welche sie immer wieder angreifen und böses Blut wollen?
Vielleicht konnte er seine Heimat nicht retten, geliebte Menschen nicht beschützen, musste tatenlos zusehen, wie diese Männer ihm damals alles nahmen. Seine Heimat, seine Familie, seinen Stamm. Einfach alles.
Aber eins weiß er ganz klar: Er wird nicht zulassen, das andere dasselbe Schicksal ereilt, wie es ihn damals ereilt hatte.
Niemals.
„Lasst mich euch helfen im Kampf gegen die Verbannten!"
Entschlossen sieht er zu den Fünf, welche nicht gerade wenig verwundert zurück gucken. Was doch sehr verständlich ist, da er weder in den letzten Tagen ihnen oft von sich aus seine Hilfe anbot, noch allgemein das oft geschieht. Eher selten. Bei denen, die er dann schon seit Jahren kennt und auch vertrauen kann.
„Einverstanden, wir können jede Hilfe gebrauchen."
Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅
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