23.3 Kapitel - Großartige Beschützer

Mit einem Garten, von dem sie nicht einmal wusste, was sie damit anfangen sollte, reicher, trippelte sie weiter an Darians Seite durch die Uhrwerk-Zitadelle, immer darauf bedacht ihn nicht wieder zu erzürnen. Sie blieb genauso still wie Alina, während Darian anpreisend durch seine Korridore lief und jeden von Franz' Vorschlägen doch etwas anderes zu tun entweder ignorierte oder mit einer anderen Idee abschmetterte. Was auch immer er vorhatte, es schien zu funktionieren und der Alpha von Couvarde wirkte irgendwann einfach nur noch müde. Genau wie sie.

Erschöpft setzte er sich schließlich zusammen mit Till in einen roten Ohrensessel im Billiard-Zimmer, dass sie irgendwann erreicht hatten. Darian hatte den Raum so genannt, obwohl es gar keinen Billardtisch gab, aber andererseits hatte er danach ein Bücherregal öffnen und ihnen allen Alkohol ausschenken lassen, Bourbon für die Männer, Sekt für Alina und sie, und sie meinte sich zu erinnern, dass Karoline so etwas wie einen ausklappbaren Billardtisch erwähnt hatte. Lustlos nippte sie an dem prickelnden Getränk und hörte dem Gespräch zu, dass Darian versucht mit seinem Cousin zu entfachen, während Franz seine Arme, um seinen Gefährten geschlungen und seinen Kopf an seine Brust gelehnt hatte. Emira sah in eine andere Richtung, ehe der Alpha von Esparias auf die Idee kam, das gleiche mit ihr zu versuchen.

Das leise Bellen ließ sie aufhorchen. Sie dachte sie hätte sich verhört, bis sie es wieder vernahm. Mit einem verstohlenen Blick auf die anderen erhob sie sich und schlich zurück zum Korridor. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie plötzlich am Übergang stand und sie erinnerte sich an Celines Warnung, nicht allein durch die Zitadelle zu irren und auch an Darians Zorn. Wahrscheinlich sollte sie zurückgehen. Der Knoten in ihrer Brust ließ sie schwer Luft bekommen. Sie sollte ganz eindeutig zurückgehen.

Das Bellen wiederholte sich, dieses Mal begleitet von einem Weinen. Nicht das Wimmern eines Hundes, sondern die verzweifelten Laute eines Menschen. Ohne weiter zu zögern schlich sie davon und folgte den Geräuschen. Emira hastete durch die weiten Hallen bis sie sie sah. Drei große Hunde, massig und furchteinflößend von Gestalt, hatten sich aufgeregt hin- und herlaufend unter einem hohen Regal versammelt. Zu ihrer Verwirrung erblickte sie dort oben niemand geringeren als Otto vom Schwarzbach, zusammengekauert und verzweifelt wie eine gejagte Katze.

„Was ...", begann Emira und er fuhr zusammen. Der kurze Hoffnungsschimmer in seinen Augen verglomm, als er erkannte, wer ihn gefunden hatte.

„Verschwinde!"

Die Hunde begannen zu Jaulen, als er schrie und versuchten zu ihm hochzuspringen, woraufhin er sich noch weiter an die Wand hinter ihm drückte.

„Luna? Was machst du hier?" Das Grinsen auf Bens Gesicht war höchstens süffisante Verwirrung.

„Ich ... ich hab das Bellen gehört. Die Hunde! Otto! Wir müssen ihm helfen!"

Sie drehte sich zurück zur Szenerie, ihre Muskeln angespannt, ihr Geist rasend. Sie kannte diese Tiere nicht. Sie konnte dort nicht einfach hingehen, aber irgendetwas musste ihr einfallen. Vielleicht mit Bens Hilfe ...

„Ganz ruhig, Luna!" Ben kicherte wohlwollend hinter ihr, als er seine Hand auf ihre Schulter legte. „Das ist doch nur ein kleiner Spaß."

Sie meinte sich verhört zu haben. „Was?"

„Ein kleiner Witz zwischen uns beiden, zwischen mir und Otto!"

Die Hunde warfen sich gegen den Schrank, der bedenklich zu wanken begann. Verzweifelt wimmerte der rothaarige Junge auf.

„Das sind deine Hunde? Und du lässt sie Otto jagen?!" Die Zusammenfassung kam ihr noch absurder vor, als sie sie aussprach, aber Ben korrigierte sie nicht, sondern grinste sie weiter an, als wäre er sich keiner Schuld bewusst.

„Das ist doch nur ein kleiner Spaß!"

Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Es sieht nicht im Entferntesten spaßig aus! Du kannst doch deine Hunde nicht einfach Menschen jagen lassen! Das sind doch keine Monster mit denen du Leute quälen und Otto ist doch kein Spielzeug mit dem du so umspringen kannst!"

Ben trat einen Schritt zurück. „Erst einmal weißt du anscheinend nicht was Werwölfe unter Spaß verstehen, Luna. Zweitens jagen meine Hunde keinen Menschen, sondern einen anderen Werwolf. Und Drittens ist das immer noch ein kleines Spielchen zwischen uns! Otto mag es!"

Otto schien gar nichts daran zu mögen und auch sie hatte langsam genug. Die Wut ballte sich in ihrem Bauch, heiß wie das Herz eines Vulkans. Gerade als sie den Mund aufmachte, um ihn mit Feuer zu bespucken, mischte sich jemand ein.

„Was, bei der Göttin, macht ihr denn alle hier?" Sie wirbelte herum und die wilde Hitze in ihr verpuffte, als sie Alina und Darian sah.

Der Alpha kam mit strammen Schritten auf sie zu und zerrte sie an sich, ehe sie wusste, wie ihr geschah.

„Was fällt dir ein einfach vor Mir wegzulaufen?"

„Ich ... ich ..." Sie versuchte sich an die Dinge zu erinnern, die eben noch in ihr gewesen waren. „Ich hab ein Bellen und Weinen gehört, also bin ich dem Geräusch gefolgt!"

Darian starrte sie wütend nieder. „Warum sagst du Mir nichts? Du kannst nicht einfach allein hier herumlaufen!" Die Hunde bellten voller Vorfreude, als der Schrank erneut wankte. „Ben warum sind deine Köter hier drin?"

Sein Grinsen wankte wie das Möbelstück im Hintergrund nun, da sein Alpha sich an ihn wandte. „Ich spiele nur etwas mit Otto. Wie immer!"

Verwirrt blickte Darian auf zum Schrank und sein Zorn schien sich kurz zu verflüchtigen.

„Ben!", mischte sich Alina ein. „Wir haben Gäste!"

Der Alpha besann sich. „Ja. Ben, ruf deine Hunde zurück und schaff sie weg! Und spiel beim nächsten Mal draußen."

Gäste. Spielen. Das nächste Mal. Draußen. – Emira wurde unangenehm daran erinnert was wirklich für diese Leute wichtig war.

„Aber ...", brachte sie hervor. Darian blickte sie fragend an. „Er kann seine Hunde doch nicht darauf abrichten Men... Werwölfe zu jagen! Das ist ..." Sie schluckte. „... falsch!"

„Nein. Sie jagen ja nur Otto!", rechtfertigte Ben sich und pfiff dann nach seinen Tieren. Sie hörten nicht.

Darian stöhnte. „Bring deine Viecher raus!"

Erneut versuchte der Beta ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber sie ignorierten ihn weiterhin. Emira warf ihm einen wütenden Blick zu, als er zu ihnen trat und die Bestien gewaltsam von ihrer Beute wegzerren musste.

„Und komm nicht auf die Idee sie wieder reinzulassen!", setzte Alina hinterher. Otto stieg zitternd vom Schrank herunter. Sein ganzes Gesicht war nass vor Tränen und beschämt wischte er sich über seine Wangen.

„Warum verschwindest du nicht endlich in deinen Turm, wo du keinen Ärger machst?", knurrte Darian und drehte sich dann zum Gehen, wobei er Emira mit sich zerrte. Sie blickte zu Otto zurück, um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging und erntete dabei einen letzten Blick voller Wut.

Verwirrt folgte sie Darian.

„Du rennst nie wieder zu merkwürdigen Geräuschen in der Zitadelle, sondern sagst Mir Bescheid! Ich bin hier, um dich zu beschützen!" Emira seufzte und er blieb auf der Stelle stehen. „Ist das für dich ein Spaß? Wie oft muss Ich es noch sagen? Du bist wichtig für Mich! Ich brauche dich! Du kannst dich nicht einfach von Hunden zerfleischen lassen."

„So etwas mache ich nicht! Zu Hause in Enrhym hab ich viel mit Hunden gearbeitet. Ich hätte nichts Dummes gemacht." Sie wäre auf jeden Fall nicht zu ihnen gegangen und hätte sich von ihnen totbeißen lassen.

„Mit Hunden gearbeitet? Ich dachte du bist zur Schule gegangen." Gerade als sie ihm von ihrem ungewöhnlichen Hobby erzählen wollte, von ihrer natürlichen Begabung und der harten Arbeit mit der sie sie ausgebaut hatte und zusammen mit jedem Tier gewachsen war, erreichten sie wieder den Billardraum. „Wie dem auch sei, lauf nicht mehr weg!", würgte er sie ab und setzte sich zurück zu seinem Cousin und seinem Alkohol.



Und dann war der Tag vorbei. Franz wirkte missgestimmt, als er an der großen Abendtafel saß und immer mehr Diener immer mehr Platten von Essen darauf platzierten. Neben ihm saß sein Gefährte, eindeutig mehr beeindruckt von der Auswahl an Speisen. Emira hatte auf der anderen Seite Platz nehmen müssen, direkt neben Darian. Der Alpha von Esparias schien zufrieden mit sich selbst und auch Alina neben ihm wirkte fröhlich und vornehm, wie immer. Nur Emira rutschte unwohl in dem hohen Stuhl umher und stupste die goldene Gabel zu ihren Fingern an, bis sie von ihrer perfekten Position verrutschte.

„Na, was ist Emira?" Till hatte sich aufmerksam zu ihr vorgebeugt. Sie mochte ihn, allein weil er sich ihren Namen merken konnte.

„Ich hab irgendwann mal gelesen, dass es Silberbesteck in den reichen Häusern gibt und darüber denke ich gerade nach."

„Silberbesteck? Nun, das wäre ja wohl ein Risiko, findest du nicht?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Na ja Silber verbrennt Werwölfe ja nicht, oder? Es hindert sie an der Verwandlung und kann ihnen Verletzungen zufügen, die nicht heilen."

„Mhh. Das ist richtig. Aber stell dir vor jemand würde hier einbrechen und mit einem Silbermesser einen Werwolf töten!"

Emira sah hinab zu dem winzigen, goldenen Messerchen neben ihrem Teller, wahrscheinlich war es für Butter gedacht.

„Nun. Diese Gefahr haben Menschen immer und das mit jedem Besteck. Außerdem – wenn jemand in das sicherste Gebäude in ganz Lupar eindringen kann, die Mauern überwindet, sich in diesem Labyrinth zurechtfindet und die Shinejey ausschaltet, wäre es dann nicht klüger von demjenigen ihnen einfach eines ihrer Silberschwerter abzunehmen, als ein Buttermesser zu suchen?"

Till sah über seine Schulter zu den Wachen, die in dem großen Raum standen. Er lächelte seinen alten Freunden zu und drehte sich dann wieder zu Emira.

„Das stimmt wohl!"

„Nun dann!", unterbrach Darian sie und erhob sich wichtigtuerisch. „Das Abendessen zur Feier der Ankunft meines Cousins, dem Alpha von Couvarde, ist angerichtet!"

Franz lächelte müde. „Es ist mir ein Fest."

Nach diesen Worten griffen sie sich etwas von den Platten vor ihnen. Emira hatte immer gedacht Abendessen in dieser Zitadelle würden bereits fertig in mehreren Gängen serviert werden, aber vielleicht mochte Franz es so lieber. Oder Darian wollte ihn ärgern.

Verärgert wirkte er auf jeden Fall nur so lange bis Till ein Brot belegte und das so geschickt, dass es schon fast ein Kunstwerk an sich wurde, verziert mit kleinen Tomaten, Kartoffelcreme und Grünzeug, und dieses dann zu seinem Gefährten schob.

Franz kicherte, als er das Essen annahm und Emira blickte weiter verloren auf die große Auswahl vor ihr. Das Abendessen hier war ganz anders als bei ihr zu Hause und irgendwie überraschte es sie mehr als es sollte, dass es in einer Stadt an der Küste vor allem Fisch und Fischprodukte gab.

„Das ist Aal in Aspik", mischte sich Darian schließlich von ihrer rechten Seite aus in ihre Überlegungen ein und deutete auf das entsprechende Gericht. „Daneben haben wir eingelegte Wrackbarsche und dort..."

Er zählte sie alle auf: Cremes, eingelegt, gebraten, gedünstet, in Suppe gekocht. Einige Fischbezeichnungen waren bei den Werwölfen anders, als bei den Menschen, das wusste sie, aber sie erkannte sie alle.

„Oh und ... habt ihr auch Fleisch?"

„Fleisch?", schnaubte Darian, aber er klang belustigt. Sie hatte Glück. „Ist Meine süße, kleine Gefährtin etwa eine Fleischfresserin?"

„Ich nehme auch etwas aus Pflanzen, aber bitte keinen Fisch."

„Warum nicht? Fisch schmeckt köstlich. Du solltest ihn zumindest probieren!"

Emira verzog das Gesicht. „Ich – vertrage Fisch nicht gut."

„Und Krabben?", beharrte Darian. „Wir haben die besten! Oder Sonnsalzcreme! Da bemerkst du nicht einmal, dass da Fisch drin ist, weil sie so gut ist."

Seine Beharrlichkeit wurde ihr mehr als unangenehm. Sie wollte keine Schwäche zeigen.

„Ich würde trotzdem lieber gerne etwas anderes Essen, bitte."

„Die Pasteten sind mit Käse und Spinat gefüllt", kam Alina ihr schließlich zur Hilfe. Voller Anmut hatte sie eine vor sich aufgeschnitten und Emira nahm sich ebenfalls etwas.

„Nun, wie laufen die Geschäfte in deinem Land, Darian?", fragte Franz irgendwann.

„Sehr gut!" Seine Antwort kam viel zu schnell. Er warf einen kurzen Blick zu seiner Schwester.

„Lasst uns nicht über Geschäftliches reden. Franz, Till wie geht es eurer bezaubernden Tochter?"

Till begann über das ganze Gesicht zu grinsen. „Sie ist ja so unglaublich goldig! Jeden Tag malt sie uns Bilder und sie ist bereits so unglaublich schlau und so geschickt! Ich gebe ihr Kampfstunden", er schluckte einen etwas zu großen Bissen herunter und räusperte sich dann verlegen. Emira konnte sich gut vorstellen, dass er einmal mit anderen Leuten gegessen hat, als mit hohen Werwölfen. Genau wie sie. „Und Tanzen bringen wir ihr auch gerade bei!"

„Sie tritt mir sogar schon weitaus seltener auf die Füße", lachte der Alpha von Couvarde.

Emira war überrascht, dass zwei Werwolf-Männer eine Tochter haben konnten. Dann schalt sie sich selbst für ihre Gedanken. Warum auch nicht.

Betreten blickte sie wieder hinab zu ihrem Besteck. Wahrscheinlich hatten die von Schwarzbach mehrere Anfertigungen von gutem Geschirr. Genau wie mehrere Anfertigungen von Räumen, Möbeln und Arten ihre Mitkreaturen zu behandeln.

„Wo ist eure Tochter nun?" Emira war die Frage herausgerutscht, als sie in Tills vertrauenerweckende Gesicht geblickt hatte, aber gleich nach dem Aussprechen überlegte sie, ob diese Frage unhöflich war.

„Daheim in Küsterstadt. Meine Mutter kümmert sich um sie", erklärte Franz.

Emira blickte ihn verwirrt an. Seine Mutter. Seine Mutter – lebte noch? Aber er war doch ...

Sie hatte jedoch nicht genug Mut, um ihre verdutzte Überlegung auszusprechen und widmete sich wieder brav ihrer Pastete.

Irgendwann ging Franz dazu über ebenfalls kleine Häppchen für seinen Gefährten anzufertigen, anstatt sie ihm jedoch hinzuschieben, beugte er sich zu ihm und begann ihn damit zu füttern. Emira sah ihnen verunsichert dabei zu. Nun tat sie schon ihr Bestes, um sich an dieser Tafel mit Herrschern nicht völlig zu blamieren und die beiden behandelten sich wie ein verliebtes Pärchen. Nun – wahrscheinlich waren sie das auch. Hilfesuchend wand sie sich an Alina, die jedoch nur halb verärgert, halb belustigt mit den Schultern zuckte. Anscheinend durfte man so etwas tun, wenn man der Alpha war. Das Franz seine Sonderstellung nutzte, um mit seinem Gefährten anzubandeln, machte ihn ihr fast sympathisch.

„Emira!" Darians direkte Ansprache erschrak sie, fast so sehr wie das Ding, was er ihr plötzlich unter die Nase hielt. Sie wich zurück. „Los, iss das!"

„Ich ... ich hab doch noch Paste ..."

„Jetzt probiere es wenigstens!" Unsicher wollte sie ihre Hand vorstrecken, aber Darian wedelte weiter mit dem Brotstück vor ihrer Nase herum. „Nein!" Jetzt verstand sie. Er wollte die süße Geste der anderen imitieren. Sie erkannte seinen guten Willen an und biss vorsichtig in das Häppchen. „Schmeckt es dir?"

Werwolf Brot war ganz anders, als das, was die Menschen buken, aber es hatte etwas. Und die Creme die er darauf verteilt hatte schmeckte auch nicht schlecht. Knoblauch, Tomate und Kräuter explodierten an ihren Geschmacksknospen und sie summte ein zustimmendes „Mhh", um ihm zu zeigen, dass sie zufrieden war. Mit ein bisschen Glück würde er nicht weiter versuchen sie zu füttern, aber das Leuchten in seinen Augen machte ihr diese Hoffnung zunichte. Er begann weitere Häppchen für sie zuzubereiten.

Franz stöhnte auf.

„Was?", schnappte Darian in seine Richtung. Emira wurde heiß.

Der Alpha von Couvarde raufte sich die Haare, als er eindeutig mit sich haderte ihm zu antworten. Es platzte aus ihm heraus. „Du kannst Leute nicht so behandeln, Darian! Vor allem deine Gefährtin nicht!"

„Was?", wiederholte er und ballte seine Hände zu Fäusten. Angespannt blickte das Menschenmädchen zwischen den beiden hin und her und begann ihre juckende Haut zu kratzen.

„Du kannst deine Gefährtin nicht so behandeln!", wiederholte Franz ungerührt. „Till und ich kennen uns schon seit Jahren. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen, haben Konflikte bewältigt und haben immer einander zugehört! Du hörst niemandem zu!"

„Natürlich tue Ich das! Ich bin ein guter Mann und Ich weiß, was das Beste für Meine Untergebenen und für Meine Luna ist!" Emiras Herz raste und sie versuchte ruhig zu atmen. Es wurde immer schwerer.

„Darian", murmelte Franz, mehr verzweifelt als wütend. „Zum Beispiel diese Sache mit dem Garten. Vielleicht möchte sie den gar nicht. Vielleicht möchte sie etwas anderes. Weißt du das?"

„Natürlich weiß Ich das! Sie ist schließlich Mein!" Hechelnd grub sie ihre Finger in die Tischdecke. „Sieh her, Franz! Emira! Weißt du noch die Creme, die dir so gut geschmeckt hat? Du errätst nie was da drin war!"

Eine Gänsehaut überzog ihre Haut und das obwohl ihr so unglaublich warm war. Mit schockiertem Blick sah sie zu ihm auf.

„Meeresfrüchte. Du hast mir ... Meeresfrüchte ..." Sie hustete, aber es war sinnlos. Es war zu spät, selbst wenn sie es schaffen würde zu erbrechen. Befremdet rutschte Darian von ihr weg.

„Was ..."

„Du hast mir Meeresfrüchte gegeben!", schrie sie ihn voller Panik an und sprang auf.

„Das ist kein Grund so hysterisch zu reagieren!", knurrte er. Keuchend rang sie nach Luft. Ihr Herz raste, ihre Haut juckte und alles in ihr war nur noch Todesangst. „Was ist denn mit dir?" Darian klang merkwürdig, verzweifelt und trotzdem befehlend, aber sie hatte keine Zeit mehr. Ihr Kopf war voll von heißer Furcht und der kalten Gewissheit zu sterben. Zu sterben! Wegen so etwas!

Sie stürzte, als sie zu den Shinejey hastete, ihr Blut schon lange in ihr selbst versackt. Sie würde sterben. Sie würde sterben. Elendig ersticken. Und das nur wegen ihm.

„Was hast du denn?" Darians Schreie übertönten alles im Raum, alles außer ihre ohrenbetäubend lauten Versuche an Luft zu kommen.

Meo war plötzlich über ihr, seine Hand stützend unter ihrem Rücken.

„Epi...", keuchte sie. „Epineph..." Weiter kam sie nicht. Ihr Hals schwoll immer weiter zu. Epinephrin. Sie brauchte nur etwas Epinephrin. In ihren Sachen von zu Hause hatte sie noch ein paar Ampullen, aber sie wusste nicht wo die waren. Sie wusste nicht wo irgendwas war. Sie wusste nicht einmal wo sie war. Sie war vollkommen verloren und nun würde sie sterben. Sterben an diesem furchtbaren Ort. Sterben, weil Darian zugehört hatte, aber es ihm einfach egal gewesen war.

„Ganz ruhig! Versuch immer weiter zu atmen, ich helfe dir!" Meos Stimme war nur ein lauer Wind verglichen zu dem roten Sturm in ihr, der sie zu zerfetzen drohte. Er bewegte seine Hände vor ihr. „Es wird alles gut, ich sorge dafür, dass du nicht erstickst!" Nein, sie spürte es. Wie sie erstickte. Ihr Körper loderte in Panik und ihr Verstand, der ihr sagte, dass der Luft-Beschwörer sie wirklich am Leben halten konnte, war nur ein winziger Wassereimer dagegen. Sie spürte wie ihr Herz gegen ihre Rippen hämmerte in dem verzweifelten Versuch Blut zu pumpen, dass sich nicht bewegen ließ. „Los! Holt Epinephrin!" Ihre Lungen waren nur noch warme Säcke ohne Sauerstoff, niemals wieder vergönnt sich mit kühler Luft zu füllen. „Oliva, Sophia! Kommt her, ich brauche euch!"

Ihre Augen fixierten sich auf einen Punkt direkt vor ihr und doch auf einen Punkt weit von ihr entfernt, als sie weiter nach Luft rang. Alles trat in den Hintergrund. Es waren nur noch sie und ihre Angst. Sie und der kalte Fußboden auf dem sie saß. Nur noch sie und die Gewissheit zu sterben und ihre Familie nie wieder zu sehen.

Nur noch sie und das Wissen, dass sie starb, weil er Recht haben musste.

Eine Ewigkeit lag sie so da, eine Ewigkeit in der sie nur wartete.

In der sie hechelte. In der ihr Körper verzweifelt mit sich selbst kämpfte. In der ihr Herz raste, die Hitze ihren Körper erdrückte und ihr Geist panisch versuchte sein fleischliches Gefängnis zu verlassen.

Sie spürte den Stich nicht, spürte nur wie es ihr langsam wieder besser ging.

Und dann ließ sie den kurzen, schwachen Gedanken zu, was sie wohl alles mit einem silbernen Besteckmesser hätte tun können. 

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