Weißt du denn nicht ...?

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„Musst du wirklich so lange wegbleiben?", frage ich Thorin und beobachte ihn traurig dabei, wie er geschäftig Anweisungen an die Diener die Reisevorbereitungen betreffend erteilt. „Leider ja, Thranduil hat die die Herrin Galadriel und Herrn Celeborn aus Lothlórien zu Gast und ausdrücklich verlangt, dass ich ihnen meine Aufwartung mache", antwortet er mit fester Stimme und ich schaue betrübt auf den glänzenden Marmorboden vor mir, um die Tränen der Trennung, die bereits jetzt versuchen aus mir zu dringen, zu verheimlichen. „Dann lass mich euch doch wenigsten Begleiten", bitte ich schließlich noch einmal eindringlich, obwohl er diesen Wunsch schon etliche Male seit der Einladung verneint hat, allerdings ohne den Grund zu nennen. Thorin atmet verzagt und den Umstand selber betrauernd wirkend tief durch und weißt die Dienerschaft mit einer einfachen Handbewegung an das Zimmer zu verlassen.

Als wir alleine sind, kommt er langsam auf mich zu und umfasst liebevoll mein Gesicht. Ich umschließe die großen, wohlig-warmen Hände sofort mit meinen Fingern und schmiege mich an die so vertraute noch immer schwielige Haut. „Du weißt, dass das nicht möglich ist. Dein Erscheinen wurde in der Einladung nicht erwähnt", flüstert Thorin wehmütig und verbannt liebevoll eine Träne, die sich trotz allen Willens ihren Weg aus dem Augenwinkel gesucht hat. „Außerdem benötige ich dich hier, um Kili zu unterstützen, ich möchte nämlich, dass der Berg noch steht und nicht von Elbenmädchen bevölkert wird, wenn ich zurückkomme", ergänzt er feixend und ringt mir dadurch ein zaghaftes Lächeln ab. „Ich verstehe es aber nicht, Thranduil hegt doch keinen Groll gegen mich", wende ich ein und seltsamerweise bildet sich ein belustigtes Lächeln auf seinem Antlitz. „Das nicht, aber ... unter uns gesagt ... er hat etwas Angst vor dir, da er immer noch nicht herausgefunden hat, wie du damals über so viele Wochen unbemerkt in seinen Hallen umherwandeln und uns befreien konntest", gibt Thorin überraschend zu und nun muss auch ich trotz der noch immer vorherrschenden Düsterkeit in meinem Herzen, die allein bei dem Gedanken ihn für mehrere Wochen nicht sehen zu können, hereinbricht, amüsiert lächeln. „Und ich übrigens auch nicht ..."

Verlegen und ausweichend beiße ich auf der Unterlippe herum. Ich habe ihm all die Monate noch nichts von meinem Zauberring erzählt, der Tag ein Tag aus sicher in der Tasche meines Kleides ruht. Ehrlich gesagt, weiß ich selber nicht warum. Vielleicht, weil er mir als nicht wichtig erscheint ... oder ich ihn manchmal einfach so vergesse, bis ich etwas zu ihm legen will und meine Finger zufällig das ungewöhnlich warme Gold berühren. Ich betrachte ihn als ein Andenken an meine Reise, genauso wie die kleine Eichel, die neben ihm ihr Dasein bisweilen in der gleichen dunklen Vertiefung fristet. Mein Alltag ist überfrachtet mit funkelnden Kostbarkeiten, sodass er keinen besonderen Wert zu besitzen scheint, aber dennoch kann ich mich nicht von diesem Ding trennen ... so als ob eine starke und dunkle Macht von ihm ausgeht, die mich an ihn bindet. Jedes Mal, wenn ich allein daran denke ihn in eine der vielen Schmuckkästchen zu legen, brennt und kribbelt mein ganzer Körper, Schmerzblitze zucken durch den Kopf und beeinflussen die Überlegung bis ich sie schließlich zitternd, schweißgebadet und schwer atmend aufgebe.

Ich schüttle mich um die bedrückten Gefühle, die augenblicklich meinen Verstand überfluten wollen, zu vertreiben. Schmerzliche Empfindungen, als er auf meinen Finger steckte und ich im Schatten der Unsichtbarkeit wandelte, Dinge sah und spürte, die fernab jeglicher schrecklichen Vorstellungskraft liegen. „Ich brauche meine kleinen Geheimnisse ... auch vor dir ... mein König", gebe ich ihm schließlich ausweichend als Antwort und erstaunlicherweise befriedigt ihn diese.

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Das Feuer knistert warm und behaglich im großen Kamin der Königsgemächer. Tanzende Lichtschleier erhellen die Gesichter von Kili, Dís und mir, während wir jeder für sich in vom Umstand der Einsamkeit ablenkende Tätigkeiten versunken sind. Dís beschäftigt sich mit Handarbeit und ich staune immer wieder, wie die großen Hände und klobig erscheinenden Finger geschickt und mühelos selbst die filigransten und herrlichsten Dinge erschaffen können, sei es nun kostbares Diamantcollier oder farbenfrohe Stickarbeit. Ich schaue kurz von dem Buch auf, dass ich zusammengekauert in meinem Lieblingssessel sitzend lese und zu Kili, der ebenfalls vorgibt in eine Ausführung der Geschichte Mittelerde vertieft zu sein. Aber ich bemerke, dass er mit den Gedanken weit entfernt von elbischen Machtkämpfen und menschlichen Bündnissen verweilt, so starr wie er auf die Seiten blickt und gefühlt schon eine kleine Ewigkeit nicht mehr umgeblättert hat.

„Ich werde mich zurückziehen", höre ich plötzlich die Stimme von Dís und nehme meine Aufmerksamkeit von dem bewegungslosen Bild eines spürbar unglücklichen Zwerges. Die Zwergin nickt mir zum Abschied außerordentlich freundlich in den letzten Tagen und Wochen geworden zu, als ich ihr lächelnd eine gute Nacht wünsche und lässt die Hand liebevoll über Kilis Schulter gleiten, aber auch jetzt reagiert er nicht. Stumpf und stumm richtet sich der Blick noch immer auf die geöffneten Buchseiten.

Als wir alleine sind, verharre ich noch einen Moment abwartend und spreche ihn schließlich an. „Kili?" Keine Reaktion, auch nach einem erneuten, eindringlicheren Versuch nicht. Bedächtig erhebe ich mich, lege das zusammengeklappte Buch beiseite und lasse mich neben ihm auf den Boden nieder. Immer noch keine Regung, und langsam keimt mehr als nur Sorge um ihn in mir auf. Vorsichtig, um ihn nicht unnötig zu erschrecken, lege ich eine Hand auf seinen Arm. „Kee?" Stockend, so als ob erst die sanfte Berührung und die Nennung des Kosenamens, denn sonst nur sein geliebter Bruder ihm gegenüber gebrauchen darf, ihn aus der nachdenklichen Umneblung löst, dreht er den Kopf zu mir. Kili blinzelt mehrmals, anscheinend erstaunt darüber, dass ich plötzlich neben ihm verweile.

„Ich erahne, was dich betrübt ... aber lass dein Herz nicht so schwer werden ... bitte", flüstere ich wehmütig. Er lächelt gequält und wendet sich dem Feuerschein zu, die Augen bekümmert und herzzerreißend unglücklich. „Sie hat mich einfach ignoriert ... kein Gruß, kein Wort, noch nicht einmal einen Blick. Wenn ich gewusst hätte, dass sie den Geleitschutz anführt, ich wäre niemals zur Verabschiedung erschienen", wispert er betrübt und die aufkommenden Tränen legen einen Schleier über die sonst so kräftige Stimme. Ich weiß, wen er meint und auch mir viel das eisige Verhalten der Elbin auf, ganz so, als hatte sie Angst davor gehabt ihn zu beachten. „Ich verstehe dich ... aber dennoch, du hättest es dir niemals verziehen Thorin und Fili nicht Auf Wiedersehen zu sagen." Kili senkt den Blick, die erste Träne löst sich und fällt auf die Pergamentseiten ... ungleichmäßig rund und dunkel hinterlässt sie das deutliche Zeugnis seines Schmerzes.

„Ach Kee ... ich kenne die Last deiner Liebesqual nur zu gut und wie gerne würde ich sie dir nehmen, aber du musst sie allein abstreifen, denn du kannst sie nicht zwingen dich zu lieben", belehre ich sanft und ziehe ihn in eine tröstende Umarmung, als immer mehr Tränen beginnen zu fließen. „Jeder findet sein Glück ... Thorin und du, Ori und Breda, Fili und Sigrid, amad und Dwalin ... und ich ... ich versinke für immer in den tiefen dunklen Wassern der unerwiderten Liebe. Lieben und geliebt werden sind halt doch unterschiedliche Dinge, so wie du einst sagtest", weint er bitterlich und drückt mich an sich.

„Hätte ich sie doch nur nie geküsst, denn in diesem Moment bin ich ihr endgültig und für alle Zeiten verfallen." Ich versteife mich unter der unerwarteten Aussage. „Du hast sie geküsst?!", hauche ich fassungslos aus und fange sogar an leise zu lachen, als er antwortet. „Vielmehr sie mich ... damals, auf dem Wehrgang, bei der Krönungsfeier ... als Erkenntlichkeit für meinen Runenstein." Das Lachen wird nun noch amüsierter, sogar frohgemuter, und er schiebt mich von sich, die Augen weit und verstört vor Verwunderung über die plötzliche Belustigung. „Du bist unmöglich", feixe ich und streiche mit den Fingern durch den tränenklebrigen Bart. „Weißt du denn nicht, dass Elben nur einmal in ihrem langen Leben lieben, und zwar den, dem sie ihren ersten Kuss schenken!?"

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Bredas geschickte Finger fliegen durch meine Haare und ich bewundere immer wieder, wie sie mit offensichtlicher Leichtigkeit die aufwendigsten Frisuren aus den widerspenstigen Locken zaubert, an denen ich schon mehr als einmal in meinem Leben verzweifelt bin. Und dann fällt mein Blick durch den Spiegel vor dem ich sitze auf eine kleine blaue Feinheit an einem neu geflochtenen Zopf in ihren sonst schmucklosen roten Wellen. „Eine wirklich hübsche Perle, die du heute trägst", sage ich einnehmend lächelnd und ihre Augen weiten sich sofort erschrocken. „Es ehrt mich, dass sie Euch aufgefallen ist ...", erwidert Breda schüchtern, lässt den Haarstrang durch die Finger gleiten und berührt ehrfurchtsvoll das funkelnde Kleinod an deren Ende, „... Ori hat sie mir geschenkt." Ich schmunzle wissend und entzückt und augenblicklich aufgeregt wie ein kleines Kind bei dieser bedeutsamen Aussage. „Ein kostbares Geschenk, nicht nur, weil es aus einem seltenen Smaragd besteht", entgegne ich unverhüllt, dass ich die Wichtigkeit dieser Geste weiß, und genieße die unvermittelt aufkommende Verlegenheitsröte in ihrem hübschen Gesicht.

„Erlaubt Ihr mir eine persönliche Frage, Majestät?", erkundigt sie sich schließlich und ich nicke ermutigend. „Was hat Euch Seine Majestät als erstes Werbungsgeschenk gegeben?" Ich senke den Blick und erinnere mich träumerisch an das damals noch so unbedeutend erscheinende Erlebnis, das schon so unglaublich lange zurückzuliegen scheint, aber tatsächlich erst vor etwas über einem Jahr stattfand. Und augenblicklich steigt eine wohlige Wärme in mir auf, als ich mir die sanfte Berührung von Thorins Händen, seine mit Wehmut geformten Worte über eine Heirat und Nachfahren in Gedanken rufe und die Erkenntnis überhand gewinnt, dass er damals vielleicht bereits plante als dies mit mir zu erleben. „Du hältst es in der Hand", erwidere ich schließlich und sofort hält Breda inne die weißen Perlen mit meiner Frisur zu verweben und betrachtet sie mit großer Ehrfurcht. „Er gab sie mir in einem innigen Moment unserer Reise, zwischen Kampf und Schmutz, Entkräftung und grässlichen Feinden."

Die junge Zwergin betrachtet mich durch die spiegelnde Oberfläche und lächelt wehmütig, denn die Umstände unserer Umwerbung unterscheiden sich so elementar voneinander. „Wusstet Ihr um die Bedeutung?", fragt sie interessiert und ich lache belustigt auf. „Bei Mahal, nein. Sie wurde mir überhaupt erst nach dem vierten Geschenk offenbart. Aber ich bin auch ganz froh darum, ansonsten hätte ich wohl die Flucht ergriffen, bevor wir Bruchtal überhaupt erahnen konnten", gluckse ich noch immer vergnügt kichernd. Breda sieht mich sofort verwirrt an und über den entzückenden Ausdruck muss ich noch mehr lachen. „Thorin erschien mir damals als ein ... sagen wir ... eher ungehobelter Zeitgenosse. Er wollte mich anfangs nicht mit auf diese Reise nehmen, zeigte mir diesen Umstand mehr als deutlich und ich musste mir den Respekt in seinem sturen Herrschaftsschädel erst hart erkämpfen." Und über die lockere Konversation lacht nun auch die junge Zwergin, unbeschwert und losgelöst von aller Förmlichkeit ... und in diesem Moment bildet sich ein Plan in meinem Denken, um sie noch glücklicher zu machen.

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„Breda, würdest du bitte den Tisch heute Abend zusätzlich für vier Gäste eindecken lassen und schickst nach Dori und seinen Brüdern, um sie zu bitten mit uns zu essen", weise ich meine Zofe wenige Tage später an und schmunzle über die erstaunt-weiten Augen, die mich blinzelnd sofort betrachten. „Natürlich ... Majestät", sagt sie sofort, aber die Verwunderung über den Befehl ist nur allzu deutlich aus der unruhigen Stimme herauszuhören.

Am Abend sitzen Kili, Dís und die Ri-Brüder mit mir zusammen an der großen Tafel im Speisesaal der Königsgemächer und ich sehe besonders meinen ehemaligen Gefährten die Verwunderung über die Einladung und den bislang nicht besetzten Platz ihnen gegenüber an. Die Bediensteten tischen das wieder einmal großzügige Mahl auf und ich beglückwünsche Thorin wie schon so viele Male gedanklich, dass er Bombur als Küchenchef anstellte. „Breda, Kind, würdest du dich bitte zu uns setzten", sage ich plötzlich und für fast alle unerwartet, als sie mir gerade ein Glas Wein einschenkt. Die Zwergin zuckt erschrocken zusammen und hätte sogar beinahe die Flasche fallen lassen. Entgeistert und mit weit aufgerissenen Augen mustert sie mich und ich wiederhole den Wunsch noch einmal und zeige einladend auf den noch freien Platz, denn ich befürchte, dass sie meinen Worten beim ersten Mal nicht so recht glauben schenken möchte. Berechtigterweise, denn ansonsten essen die Bediensteten nicht mit der Königsfamilie.

Unsicher kommt sie schließlich meinem Ersuchen nach und setzt sie sich neben Dís, die mich mehr als verdutzt ansieht, und gegenüber von Ori, und ich nehme den hilfesuchenden Blick in seine Richtung nur allzu beglückend wahr. Angespannt schweigend essen wir, bis sich schließlich die Chance zur abschließenden Erfüllung meines Planes bietet. „Ori, Breda möchte bestimmt noch etwas Brot haben", sage ich mit aller Willenskraft darum bemüht die Stimme so emotionslos wie möglich klingen zu lassen. Der Angesprochene wird sofort kreidebleich und starrt schüchtern auf seinen halbgefüllten Teller. Erst als Kili, der direkt neben ihn sitzt und den ich vorausschauender Weise in mein Vorhaben eingeweiht habe, seinen Freund aus Kindstagen einen vieldeutig-ermutigenden Tritt gibt, scheint er aus der befangenen Betäubung zurückzukehren.

Seine Augen beginnen zu leuchten, Breda schenkt ihm ein wundervoll-bezauberndes Lächeln und dann nimmt er mit einer für ihn ungewohnten Selbstsicherheit den Korb auf und bietet ihn ihr an. Als sie dankend eine Scheibe Brot entnommen hat, sehen wir alle so unauffällig auffällig-erwartungsvoll wie nur möglich zu Nori und Dori und mir entgeht nicht der schwimmende Blick des Ältesten, als er schließlich die Stimme erhebt und die Verbindung der beiden jungen Zwerge billigt.

Ich beginne vor Freude und Aufregung und Euphoriezu zittern und kann nun nicht länger mein glückliches Lächeln zurückhalten,dass so ganz und gar nicht der Etikette entspricht. Und dann fällt mir deutlichder Blick meiner Schwägerin auf, wie sie mich mit ihm voller ... ja, tatsächlich Achtung... bedeckt. Ich weiß, dass sie die Brüder aufzog wie ihre eigenen Kinder. IhreMutter starb bei der Geburt Oris, der Vater, in tiefer Trauer versunken undüberfordert, verließ seine Söhne. Mittellos und zum Sterben verdammt, fandschließlich Dwalin die Kinder und brachte sie zur Königsfamilie. Ich vermutenicht nur, dass ihr deshalb die gebilligte Werbung des Jüngsten viel bedeutetund auch ihr Herz bewegt, mehr noch als meines. Wohlgesinnt und mit einemleichten Lächeln nicke ich ihr deshalb zu und sie handelt mir gleich.

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